Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, October 29, 1909, Zweiter Theil, Image 12

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    Was die Nacht verbarg
Roman voa E. P. Oppeuheim.
qvfs
(22. Fortsetzuna.)
In diesem Augenblick kam ein Stu
benmäbckken mit einem Kinde auf dem
Arm die Treppe herab. Als die Klei
ne des Fremden ansichtig wurde, der
Ich dem Kinde sofort zugewandt hat
te, obne sich weiter um Heini zu be
lännnerrn jauchzte sie laut ans und
eckte ibm ihre beiden magerrn
eben entgegen.
.Come, mn Darling", sagte der
Unbekannte mit einem Ausdruck rüh
rendet Zärtlichkeit und nahm dem
Stnbennrädchem das offenbar frob
Dar. die Last lasse-werden das Kind
so behutsam ab, als fürchte er, eines
von feinen Gliederchen zu zerbrechen.
Dann stieg er mit ihm, fortwährend
in englischer Sprache scherzenb nnd
tosend, bie steile und bunlle Treppe
hinauf.
Der Kellneh welcher der Szene
mit einem breiten Lächeln gefolgt
war, tippte sich bezeichnend mit dem
5Zeigefinger auf dir Stirn und flü
Jterte Heinz za: »Es stimmt bei dem
entschieden da oben ’was nicht —- wir
halten ihn für vollkommen vertiickt.«
»Den «ndruck machte mir der
Mann ni t«. fagte Hollfelder, ver»
dem Fremden nachdenklich nachsah»l
»Aber sagen Sie doch. in welchem
Verbiictniß steht er denn zu der Fram
Longtreei« I
Der Kellner zoa feine Schultern
bis an die Ohren hoch. »Ja, da bin
ich selbst nicht recht klug daraus ge
vwerdens sagte er zweifelnd. »Sie
haben immer Englisch miteinanderi
geredet. Aber ich glaube, sie sind febrs
gute Freunbe.«
»So —7 sol« meinte heinz anschei
nend gleichgültig. .Unb wie heißt
denn der Herri«
«Itobert Da wand. — Aber was
kerhUeU von r Frau Longtree sag
te. ·war schon richtig. Na, ser muß
es Ia auch wissen, den ganzen Tag
fchniiffelt er ja an ihrem Zimmer
bei-um« Wenn wir diese Krankheit ge
abnt hatten, hätten wir die Frau na
tur-lich gar nicht —«
being schnitt seine weiteren Her-I
Fensergießungen ziemlich turz ab undi
sagte bestimmt: »Man wird Frau
Longtree hier sehr gut behandeln —
hsren Sie! —- Sie werden dafür sor
gen, daß sie das beste Essen bekommt
und daß stets jemand zu ihrer Pflege
bei ihr bleibt. Ich werde mich später
genau erkundigten ob man mein
Vorschrift eingehalten hat« Hier —
nehmen Sie vorläufig das Aber
wie gesagt, ich werde mich von Frau
Longtree darüber unterrichten lassen,
wie man sie bedient hat«
Er drückte ihm zwei Goldstücke in
die Hand, und der Kellner verneigte
sich sait bis zur Erde.
»Sie werden zufrieden sein, Herr
Baron!" sagte er ehrfurchtsvoll.
»Man wird Frau Longtree bedienen
wie eine Fürstin. Wenn ich dem
rn sonft noch irgendwie dienen
ann —«
.Dankel« sagte being kurz. »Ich
werde morgen noch einmal vorspre
chen. Theilen Sie übrigens auch dem
Arzt mit, daß er so ost wie möglich
kommen soll —- ich werde fiir die Ko
sten aufkommen. —- Guten Abend!«
37. Kapitel.
«Geehrter herr! Das Schicksal
treibt ein launenhaftes Spiel. Bis
um heutigen Tage glaubte ich es met-E
hin zu können, nun aber sehe ich,I
s auch ich nur wie ein Blatt bin,
das der Wind nach seinem Beliebeni
treibt Alle Ihnen gemachten Zusa-s
sen nehme ich zurück, denn ich vermag·
keine Garantie zu geben« daß ich sie
einholten kann. Ich vermag Ihnen
nicht mehr zuzusichern, daß ich die
bewußten zu meiner Kenntniß ge
langten Dinge als mein Gehen-miß
betoa en kann — es sei denn, daß
ich s on in der eFrühe des morgigen
Takt im Besiß der geforderten Aus
MTe wäre. Nur bis zur zehnten
» mittagsstunde jedoch würde mich
eine Nachricht noch antreffen. Sollte
- ich bis dahin eine Mitthetlung nicht
Chaiten Lbem so müßte ich das
Msal einen Lauf nehmen lassen.
sie era
ster
Dombrowsii.« l.
Das Schreiben war so flüchtig hin-T
gekritzeln als habe der Absender sich«
en großer Eile oder in großer Erre-;
sung befunden. Fassungslos starr-v
te hollfelder auf das verhängnißvolle
Blatt, das er bei seiner Heimkunft4
vorgefunden hatte. I
Er war zu spät, noch irgend etwasl
n Unternehmen hollfelder legte«
sich deshalb sogleich zur Ruhe, um
iir den morgigen Tag einen klaren
Ropf zu haben. Aber der Schlaf floh
feine brennende Lidee; grausam mar-!
retten ihn Gedanken und Vorstellun-·
Um der quälendsten Art, und als eök
mdlich ilber den Dächern der Häuser1
zu dämmern be ann, erhob er sich
ert-U nnd rnit ebener-senden Gliedern
Mn Lan-, ohne »auch nur für die]
Quer weniger Minuten ges-blum-l
neert ben.
Uns-part Gläser Ma, die et tafchs
»Herr-»New Ins-«
M e ne n
Thzkh nnd nnr si vollends
M nnd anfinfrl chen, lief
IN III Stunden lang Fiel-:
und planlos durch die Straßen.
Hätte er nur gewußt. was er
E thun sollte — es hätte das Schwerste
Tsein mögen, ian wäre es doch leicht
Jerschirnen asegeniiber der niederdrü
clrnden Qual der ewig wiederholten
lFrage: Was nun? Wie sollte er in
’r·ier Stunden erreichen, was bisher
einzige, die ja vielleicht hätte Aus
schlüsse geben können, lag schwer er
trantt danieder. und es schien aus
sichtlos, sich noch einmal an sie zu
wenden.
Aber es war tbntsiichlich das ein
zige, was er überhaupt thun tonn
te. Von vornherein gab er den Ge
danken. sich etwa mit Bitten oder
Vorstellungen an Dornbrowsti zu
wenden, als unsinnig aus. denn er
war selsensest überzeugt, daß er sich
damit nur einer-zwectlosen Demütdk
gung ausseyen würde· Dagegen be
schloß er endlich, die Gräsin Waldesr
dorss auszusuchen. « Er wollte sie bit
ten, ihn in das Hotel da oben zu be
gierten —- ibr als Frau gelang es
ptelletcht eher, Zutritt »in der erkrank
ten Frau zu erhalten, und sie gewann
wohl auch leichter das Vertrauen der
Ungliickltchem Gelana es ihnen, we
sentlkche Ausschlüsse zu erhalten, woll
te er es versuchen, sie Dombrotvslr
noch rechtzeitig mitzutteilen nnd ihn
dadurch zu bewegen. von einer Be
kanntgabe seiner Entdeckungen an die
Polizei Abstand zu nehmen
Ehe er die Kamtesse Herniine aus
suchte, kehrte er noch einmal in seine
Wohnung zurück, um Dankt-rennst
durch ern turzes Schreiben davon in
Kenntniß zu seKm daß er ihn urn
dte zehnte Stun aussuchen würde.
Es war inzwischen sieben Uhr ge
worden, und schon aus der Treppe
hörte er drinnen Frau Fiiesicte her
umdantirem
in Wochen nicht gelungen war? Dies
(
Auch ne mußte sein Kommen ve
niertt-haben, denn sie öffnete ihm
noch ehe er von seinem Schlüssel hatte
Gebrauch machen könne, und in der
mißtrauisch kurzen Art, die sie ieit ei
nigen Tagen gegen ihn angenommen
hatte, sagte sie: »Der Herr Herbert
ist schon wieder da. Jch habe ihn in
Jhr Arbeitszitnmer jefiihrt.'·
Heinz dantte kurz und ging rasch
in das bezeichnete Zimmer. Weh
ringen, der am Fenster oestanden hat
te wandte sich bei seinem Eintritt
um und ging ihm ein paar Schritte
entgegen. Es fiel hdllfelder auf, wie
bleich und übermächtig auch der
Freund aussah, und wie unruhig es
in seinen Augen flimmerte.
Statt aller Begriißung fragte lsper
bert hastig: «Haben Sie in der Zwi
schenzeit eine Mittbeilung von Dom
browsii erbalteni'
Heinz bejahie, konnte sich aber doch
nicht enthalten, befremdet zu fragen
wie Herbert auf eine derartige Ber
rnuthung hatte kommen können
Der aber wehrte ungeduldig ab
.Das ist bedeutungslos«, sagte er
kurz. «Wollen Sie die Güte haben,
mir mitzutheilem was Jhnen Dorn
browsti schriebt«
Statt aller Antwort reichte Holl
felder ihm den Brief, den er noch bei
isich trug, und Herbert trat an das
Fenster, um ihn zu lesen.
Ein tiefer Athemzug hob seine
, Brust, als er das Blatt endlich sin
zien ließ, und merttviirdig gedrückt
«sagte er: »Es ist schlimm für uns,
aber ich konnte es leider nicht ändern.
— Was gedenien Sie nun zu thuni«
heinz zuckte die Achseln. »Ich bin
eigentlich ganz rathlos« sagte et
· .Jch wollte die Komtefse Waldendorii
jbitten, mich zu der Frau Longtkes
zu begleiten —- ja so, Sie wissen is:
noch nicht welches Ergebnis mein
gestriger Besuch in dem hotel gehabt
-tha.«
's Er unterrichtete ihn mit einigen
z raschen Worten.
i
Mit unruhigen Schritten ging"
Herbert während feiner Erzähluna im
Zimmer auf und nieder, den Kon so
tief gesenkt, daß Heinz nichts von dem
Ausdruck feines Gesichts wahrnehmen
konnte. »Sie werden wohl noch ein
mal versuchen müssen, hinzugeben«,
foqte er nach einer kurzen Pause, und
wieder aibrneie er schwer auf. »hei
fen wir zu Gott, daß Sie Erfola ba
ben. — Und nun habe ich ·-noch eine
febr herzliche Bitte an Sie, lieber
Freund.«
»Wenn es in meiner Macht steht,
sie zu erfüllen —«
Webringen entnahm seiner Tnkche
einen Brief und legte ihn auf
Tisch. »Ich möchte Sie bitien die
ses Schreiben an die Griifin Maria
Waldendorff gelangen zu lassen, falls
ich ei Ihnen nicht bis heute Abend
wieder abgefordert haben sollte, oder
falls Sie den Eindruck gewinnen daß
;ich es Sei-neu nicht mehr werde abfu
dern können. — Bitte, stellen Sie
, keine Fragen! isch würde anen die
Antwort, fo dei es mir thut, dochi
schuldig bleiben müssenf
Ein Ausruf der Bestiirzung hatte
sich iiber hollfelders Lippen drängen
wollen. Nun aber, da er dem Freun
de in die Aug-i fah sprachsich er kein
M. Sinnen-it fifieanden Hei-gegen
Iber, nur die Blicke ineinander
feuiizeisde Denn streckte dein- dein
beidedände Harmng Er hatte
ver-Indes Ach ihn-as
Sie von niir Mit-tm's fa te er, seine
tiefe Bewegung mir niii am verhee
gend. »Aber ich hoffe ist-ersichtlich
daß ich nicht nöthig haben werde, pie
ien Brief abkrrfendsens«
Wehringen war noch immer fe r
bleich, ietzt aber oiillig gefaßt. » s
steht in der Hand eines höheren«, er
widerte er. »Noch etwas anderes
ahier ift es, unt das ich Sie bitten
muß. —- Sie haben Dornhronsiis
Brief erhalten, der Margote Lake
noch verichlixnmerL Es könnte fein,
daß man später rnir die Schuld an
dieser Verschlechterung gäbe, ohne
daß ich noch im Stande wäre, mich u
vertheidigen. Das driielt mich me r
nieder. als ich sagen kann, denn Sie
wissen fi, wie theuer mir Margot und
ihre ichroesterliche Liebe ist. Wollen
Sie es dann tibernehtnem meine Zer
theidigung zu siihrenk
Diesmal antwortete Deinz ihm nur
mit einem festen Druck feiner Hände.
«Meine Angelegenheiten find da
mit aeordnet'«, sagte Wehringerh au
den Brief deutend. »Was es son
noch möglicherweise zu thun gehen
könnte, darüber ist ein mir befreunde
ter Rechtsanwalt bereits unterrichtet
—- Lassen Sie mich offen sein. Sie
haben ja ohnedies zweifellos hereiis
erraihen, um was es sich handelt, und
so will ich Ihnen noch sagen, daß ich
mich in dieser Angelegenheit niitäta an
Ihren freundschaftliche-i Bei nd,
sondern an zwei andere gewandt ha
be, die mir ferner stehen; nicht weil
ich an Ihrer prerwilligteit zweifel
te, sondern weil ich Sie aus Grün
den der Klugheit nicht mit in die An
gelegenheit hineinziehen wollte. Je
weniger Sie damit zu thun haben,
umso besser ift es —- auch um Mar
gots willen.«
Er verabschiedete sich, und heinz
geteitete ihn bis auf vie Treppe hin
aus. Schiner wurde es ihm, den
Freund gehen zu lassen, aber er
zwang sich mit aller Energie. gefaßt
und zur-ersichtlich zu erscheinen.
Lis. K a p i t e l·
Es hatte nur einiger kurzer Erklä
rungen bedurft und die Gräsin Wal
dendorfs war sofort bereit gewesen«
heinz in das hotel der Engländerin
zu begleiten. Sie war trotz der seit
hen Stunde bereits im Straßentoi
stum, und sie oerzichtete sogar aus ihr
Frühstück, um keine Zeit zu oertieren.
Unterwegs erzählte ihr Heinz aus
führlich, was sich in der Zwischenzeit
zugetragen hatte. und naturgemäß
versetzte er die Gräsin dadurch in gro
ße Unruhe. Er hatte alles, was auf
den Oberitlieutensnt und herbert
Bezug hatte, weggelassen. aber da
ohne das die beiden Briese Dom
browstis noch geheimnisvoller und
unverständlicher wurden, brachte ihn
die Gräsin mit ihren Fragen in gro
ße Verlegenheit. Erleichtert gib-ne
te er aus« als der Wagen vor dem -
tel hielt, das fest in der hellen -
leuchtuna des Morgens womö lich
einen noch trübseligeren und a sto
ßenderen Eindruck machte als in der
abendlichen Duntelbeit.
Auch die Gröiin empfand einen lei
sen Schauder, als sie den düsteren und
schmudigen Flur betraten, und un
willkürlich meinte sie: Arme Frau!
— hier drinnen trank zu liegen -—-«
Sie verstummte, denn der Kell
ner. mit dem hollfelder am gestrigen
Abend zu thun gehabt, hatte die bei
den erspäht und kam ouf sie zugeeilt,
um sich nach ihren Wünschen zu er
tundigen.
»Wie geht es Frau Longtreei«
fragte heinz.
»Besten her-r Baron, viel besser!
Sie ist jent wieder bei llarem Be
wußtfein Vor einer Stunde schon
mußten wir den herrn Dashwood zu
ihr bitten —- und seitdem ist er noch
nicht wieder zum Vorschein gekom
men.« . «
»Das ist ja recht erfreulich. Sie
meinen also, daß diese Dame —« er
machte eine Bewegung gegen die Grä
sin —- ,,Frau Longtree —- wird be
suchen können?«
»Gewiß —- Frau Longtree ist ja
auch schon wieder nusgestanden.«
.Wenn Sie uns also zu der Dame
binaufiiihren wollen! —- Etne be
sdondere Anmeldung ist nicht nothwen
tg.«
Der Kellner führte sie in das erste
Stockwerk und über einen langen
Gang, dessen Boden mit « stag
mentarischen Ueberrehen net Läu
fers belegt war. In dein Augenblick
aber, da er tin Begriff stand, on eine
TlITir zu pochen, wurde diese Mr
non innen nngeniim ou ssen nnd
Euer da . lchm i M
n soll elder nun cis For
bert Da bioood lau-ie, rzte liber.
: die Schwelle- ’
Der Kellnet hatte ihm am aestti-"
gen Abend gesagt, baß man der-.
Englandet hier ttn hotel für geistig
« nicht ganz normal hielt, nnd in die
sem Augenblick war being sehr ge
neigt, ihm beizustimmem Denn wie
Robert Dashwoptx der bei ihrem An
blick zurückgewallt war, jetzt bot ih
nen stand, hatte et ganz das Ausse
hen und das Gebaten eineg then.
Sein scharslnochi ei Gesicht wae von
leichensahlet Blä e, nur aus den Pakt
und eckia hervoeteetenden Backen up
chen brannten zwei tokhe Flecke. Die
dnnlel amschatteten. ties in ilyten höh
len liegenden Augen flatterten in un
bekmkkchkt Gluts- IMV die schmalen
Lippen bemabteefn sicb fortwährend
als mutmelte seltsame Mensch un
hörbaee Worte vor Held hin.
Er hielt den steck starr auf Zoll-»
selber gerichtet, und es schien beinahe»
als sei er gesonnen, ihn anzurebenp
denn ee machte einen oder zwei Scheits’
! te auf ibn zu unÄhob unwiliiiirlich
; ein weni- die Rechte, den Oberker
T egen n« Wer-eint Dann aber
s chien er sich eines anderen zu besin
Inen. Sein Mund ver te sich zu
einem Lächeln, er nra te Dein eine
halbe Verbeugung und ohne si Ini
» ter um die drei zu betiimnrern, rann
: te er davon.
Hollfelder unb die Grssin sahen
sich in fassungtlosem Staunen an.
während sich das Gesicht des Kettners
zu einem breiten Grinfen verzog, das
; zu besagen schien: »Seht Ebr? — Ha
« be ich nicht recht gehabtlt«
s Im niichiten Moment ertönte:drin
nen eine erregte Stimme: »Wer ig
draußeni —- Jch kann jetzt nienran
e- n."
Wieder tauichten die Gräsin und
«ein« einen verständniszvollen Blick.
nn trat die Komtefse reich iiber
die Schwelle, nnd zum Erstaunen des
Siellners zog heinz die Tbiir hinter
ibr zu, ohne selbst das Zimmer zu
betreten.
»Dann Sie hier in der Nähe ein
Zimmer, wo ich ungestört wäret«
fragte er.
»Jarpobl. Gleich da drüben·
»Gut —- bringen Sie mir eine
Flasche Wein. Und wenn die Dame.
die eben da bineinge angen ist« sich
nach mir erkundigten Zollth so weisen
Sie sie zurecht. Var allem aber sor
aen Sie dafür, daß niemand zu Frau
Lvnatree erlassen wird, so lange die
Dame bei ihr ist.«
Welcher Mittel sich die Griiiin her
mine Weldendorss bediente, das Ver
trauen der unglücklichen Frau Lang
tree zs erringen — see selbst hätte
es spöer sicherlich nicht mehr zu sa
aen gewußt, wenn man tie darum
befragt hätte. In der Hauptsache
war es wohl der Zauber ibrer Persön
lichteit, die Herzensgiite, die in allen
Aeußerungen ihres Wesens zu Tage
trat, die eine so itarten Eindruck
auf Frau Lonatree machten.
i
1
!
i
Die ungluauche mager sank-up
daß man ihr voll warmer Theilnah
me entgegenkam. Durch zarte, nichts
überhaitende Fragen brachte es die
Komtesse dahin, daß die Frau aus
ihrer ansiinglichen Verschlossenbeit
berausaina —- und dann vermochte
sich die Bedauernswerthe die Wohl-—
that offener Mittheiluna selbst nicht
mehr zu versagen.
»Ja, ich bin Mahringö Frau ge
wesen«. sagte sie, und ein Krampf
schüttelte ihren mageren Körper »Im
London lernte ich ihn kennen. Jll
tveiß nicht. was ihm solche Macht ga
über mich, aber er lonnte mit mir
machen, was er wollte. Jch liebte
ihn bis zum Wahnsinn. Auch er gab
vor, mich zu lieben. aber es war ihm
wohl oon Anfang an nur um mein
Geld zu thun gewesen. Damals be
iasz ich noch ein kleines Vermögen —
wenig, sehr wenig, aber doch genug,
daß es mir eine gewisse Selbftftirndi -
leit nah und mir mein Leben erlei -
terte. Manring wußte mich zu ver
anlassen, ihm fortwährend zu geben
—- er war unersättlich. Dabei fehlte
es mir nicht an Warmen Ein treuer
Freund, dem ich leider viel zu wenig
Glauben schenlte, suchte mir die Au
gen zu öffnen, und eines Tages er
klärte ich ihm, daß ich ihm nicht eher
wieder Geld geben würde. als bis ich
sein angestautes Weib sei. Da liesz
er sich mit mir trauen-O, wie glück
lich tpar ich damals!«
Sie hielt erschöpft inne. Die Gril
sin sagte fein Wort — aber sie nahm
die Rechte der Armen in ihre bei
den Hände und streichelte sie sanft.
Dankbar sah die Frau sie an.
aWenige Monate noch hielt es
Mahting in London aus« und ich hat
te in dieser Zeit ausschließlich siir
seinen Unterhalt zu sorgen. Dann
aber lam eine Zeit. wo ich körperlich
nicht mehr fähig war, genug für ihn
zu verdienen. Und da verließ er mich!
Eines Tages war er spurlos oers
schwinden — und es gelang mir
nicht« ausfindig zu machen, wohin er
sich aetoandt hatte. Ich war der Ber
ztoeislung nahe, und nur der Gedan
le an das unschuldige tleine Wesen,
dem ich bald das Leben schenken sollte.
hielt mich immer wieder von dem
Zeuserften zuriich Für das Kind blieb
ich am Leben.
Ader Jene Zeit doer Prukung ging
voriiber. Wenige Monate erst war
das Kind alt, als Mayrintz wieder
kam. Und da zeigte sich's, daß mei
ne Liebe zu ilnn, sein Einfluß aus
mich nicht geringer geworden waren.
Er erzählte mir, daß er am Bitten
trieg theilgenornmen hätte, daß ihn
nur die Sehnsucht nach großen Tha
ten in die Ferne getrieben hätte, und
daß er mich nun nicht wieder verlas
« sen würde. Er sei mittelloö, aber er
; liinne sich in Deutschland eine Exi
stenz stünden, wenn ich ihm den Rest
des mir noch derbliebenen Geldes
ausbändi te, damit er die Reisetpi
sten besa len könnte und site den An
sana zu leben hätte. Ich wollte nicht
aus England fortgehen. Aber ee liess
nicht nach mit seinen Bitten. Da wil
ligte ich schließlich ein« und mit mir
und dem Rinde, siir das er eine beina
he abaiittische Liebe empfand oder
weniastens uchelte, suhr ee nach ei
nem Städt n in der Mit-e von Ber
lin. iir uns miethete ee dort eine
kleine ahnung, er selbst aber reiste
dann wettet nach Berlin.
Das mag vor etwa seist Monaten
gewesen sein. In diesen nsen ebn
Monaten blieb es immer as gle che
die sechs Mittaan verlebte er in
Versin, und an den Sonntaeen fu r
er zu uns beraus. dabei aa et me
gerade so viel, das ich eben zu leben
sitt-« Ums-.
s
Schreiber Därel ist schon durch fünfundzwan ig Jahre in einein On
teau beschäftigt Am Jubilänmstoge ließ ver Chef des Rufes fis-amtliche
Angestellte zusammentommen and hielt folgende Anfprachec Meine
Herren! Jhr Collega Dürrle feiert heute ein Jubiläum, es sind fifn und
ztonnzig Jahre. seitdem er in meinen Diensten fleht, ich fühle rnl ge
zwungen, ihn hierfür zu belohnen, und aus diesem Anlasse vetiü e ich, lind
alle Angestellten von nun an, fobald Herr Dürrl nieft, »Zum kohlfeinl
zu rufen haben!«
hatte. Ich ertrug diesen Zustand lan-q
ge Zeit geduldig, weil er mich immer
wieder auf bessere gelten pertröstete.
Endlich aber hielt i es nicht mehr
ans; ich verlangte von ihm eine Er
llöruna, welcher Art seine Geschäfte
eiaentlich seien, verlanate auch. daß er
uns mitnednien sollte nach Berlin. wo
ich selbst irgend eine lohnende Be
schäftigung tu finden hoffte. Er mach
te Ausfliichte, wußte mich durch Ge
schenke zu beruhigem aber reichlichere
Geldmittel aab er mir auch Fest nicht.
denn ich durfte ja doch nicht in der
Laae sein, ihn etwa nach Berlin zu
verfolgen und ian hier nachzuspüren
—- tun er brachte mich schließlich trie
der dahin, daß ich ihm versprach, ge
duldia cus eine bessere Zeit zu war
ten. Aber sie lara nicht« diele heiser
Zeit. Statt dessen tauchte eines Ta
ges jener Freund aus, von dem ich
Ihnen schon qesprochen. Mit unend
licher Mühe hatte er meine Spur aus
sinkiia gemacht und war mir nach
Deutschland aesolai. Ich lonnte nicht
anders — ich mußte mich ihm anver
trauen. Er versprach mir. in Berlin
Nachsvrichnnaen anzustellen, was mein
Mann eiaentlich trieb. —- Rber ed
sollte nicht mehr dazu tornmen.«
Wieder schwieq sie erschöpst Die
Gröiin aber hegte einen« seltsamen
Gedanlen. Und sie kannte sich nicht
enthalten. wie beiläufig zu fragen:
»Mein Freund iit Herr Robert
Daslnveod —- nicht mai-ri«
Da zeigte die Frau zum ersten Ma
le wieder das alte Mißtrauen. Aengsts
lich sah sie die Gräsin anr aber da sie
auf diesem tluaen, sympathischen Ge
sicht nichts anderes las als Güte und
Antheilnahme. erwiderte ne kurz:
»Ja -—— es ist Robert Dafbwood. —
Aber lassen Sie mich zu Ende korn
men. Der Tag. der auf Robert Desh
woods Ankunft folgte. war ein Sonn
taa, und tvie immer traf Mahrina
pünktlich am Morgen ein. Aber er
war anders als sanft. unruhig und
zerstreut. und behandelte mich in sei
ner nervösen Aufgereatheit, deren Ur
sache ich nicht tannte und noch heute
nicht lenne, noch rüctsichtölofer als
fonft. War es nun, daß ich schon
durch die Unterreduna mit Robert
aufgereizt war, oder was es loan
sein mochte, jedenfalls ließ ich nsir fei
ne Behandlunq nicht mehr gefallen.
Mit aller Bestimmtheit erklärte ich
ihm, daß ich nicht einen Tag länger
bleiben würde, daß ich noch heute mit
ihm nach Berlin ginge, mit oder ohne
leine Einwillianna Nachdriicklich be
rief ich mich auf meine Rechte als lein
Weib — und da —- da kam das Ent
setzlichei — Er fchlua mich —- schlug
mich vor den Auaen meines weinenden
Kindes! — Ich brach bewußtlos zu
fammen. Als ich wieder zu mir Lam.
war er fort. Robert Dashtvood aber
war bei mir. Er toar gekommen, als
mein s- als Mahrina die Wobnung
verlies, und der Schurle hatte ihn mit
einigen hämilchen Worten, deren Sinn
Dalhtvood freilich nicht versteheni
lonnie, aufgefordert, zu mir hineinzu-»
gehen. Ihm lchiittete ich mein sit-er
vvlles her- aus — nichts. nichts ve
schwieg lch ihm, nnd er verließ mich
mit dem Versprechen, nach Berlin zu
gehen nnd Mai-eins zu suchen. «
Das war das letzte, was ich von
den beiden hörte und sali. Ich wartete,
wartete voll verzehrender Anait und
Ungeduld, aber nichts tam als eine
Geldienduna, die sicherlich von Path
wood itamntte, und die ich wider Wil
len anareiien mußte, wollte ich nicht.
mit meinem Kinder verhungern. End-«
lich diett ich den Zustand nicht län
aer aus. Ich nahm den Rest meines
Geldes und fuhr unter meinem Mäd
chennamen nach Berlin, um auf eige
ne band und ohne idm aufzufallen
Manting suchen zu können. Beina e"
jedesmal, wenn er Sonntags in m r
aetonnnen war« hatte ich in den Ta
schen seines Rot-il. — Sie werden es
bei den Umständen. unter denen i
lebte, begreiflich und derzeit-lich tin
den, das ich sie durchsuchte —- Pro
gramme oder Eintrittstarten iilr das
CldoradosTheater gefunden, und als
ich ihm einmal Vorhaltungen dar
iider machte. erklärte er mir, daß er
aus geschäftlichen Rii sichten gezwun
aen fei, so häufig rt hinzugeben
r hoffte ich eine Spur von ihm zu
f nden. Am Vormittag meiner An
tunit noch suchte ich das Theater aus«
’der Portier aber, on den ich mich
wandte, wußte teine Auskunft zu ge
ben. Am Abend jedoch, als ich noch
einen zweiten Versuch machte, iibers
brachte rnir ein unbekanntes Mädchen
die Mittbeilung, daß am nächsten
Abend ein Herr kommen würde, der
mir wahrscheinlich etwas« über Deren
Manring würde sagen können.-—-Arn
Morgen des nächsten Tages tras
meiner Ueberraschung Robert Da
wood in dem Hotel ein, in dein ich a
gestiegen war. Er hatte in meiner
früheren Wohnung erfahren, daß ich
dies Spiel aus Empsehlung der haus
teute ausgesucht habe. Er war ver
gebens in Berlin gewesen, denn er
hatte, wie er mir versicherte, ieine
Spur Mantings gesunden.«
Sie biext inne und streiste die Grö
fin mit einein raschen Blick, als er
warte ste einen Einwurf. Aber die
Komtesse schwieg.
Da suhr sie sort: »Ich weiß nicht,
warum ich ibm nicht von dem Cldoi
ardoälbeater sprach. aber ich that es
nicht. Und es ist ja auch schließlich
bedeutungslos-. — Am Abend also
suchte ich das Theater wieder aus
Tiort wurde ich wirklich zu einein
Herrn geführt, der mir saqte, daß
Mauring mit einem gewissen Mar
ten identisch wäre —- und daß jener
Mariens ermordet worden sei. —
Das ist alles, was ich weiß und was
ich sagen kann.«
Ach tann Ihnen nicht aussprechen,
wie dankbar ich Ihnen siir Ihr Ver
trauen und Jbre Offenheit bin', s -
te die Korntesse voll herzlichteit «Se
haben damit mihrscheinlich unbere
chenbares Unheil abgewendet. ie
werden sehen. daß es nur zu Ihre-in
Besten war. Sie hatten ja doch auey
teine Uriache, uns die Mittizeilungn
vorzuenthalten —- denn Sie lia n
sich nicht nur nichts zu Schulden korn
men lassen, sondern man hat Ihnen
im Gegentheil das bitterste Unrecht
zugefügt. Warum also suchten Sie
sich so ängstlich zu verbergen?«
Die Frau starrte schweigend var
sich nieder. und ihre Augen fiillten
sich mit Tat-Einem
Die Gröiin. die sie aufmerksam an
sah, ftreichelte voller Mitleid idre
Hand. »Nun —- es soll ietzt alles gut
werden«, sagte sie. »Ah —- das ist
wohl Ihre Kleine?«
Das Stubenmiidchen. dem Frau
Longtree dieAufsicht iiber ihr Kind
anvertraut hatte, brachte das lleine
Mädchen derein. Mit miirrifchem
Gruß setzte sie es auf den Boden nie
der und entfernte sich fogleich wieder,
nachdem sie die elegante Erscheinung
der Gröfin mit unverschämter Neu
gier gemuitert hatte. Das Kind lief
auf seinen noch sehr unbedalfenen
Beinchen sogleich zur Mutter und
schmiegte sich scheu und ängstlich an
sie, als die fremde Dame ilnn liebte
send das Minichen streicheltr. .
»Das Kind braucht auch eine TM
lung«, sagte die Gräfin plögl . »
müssen unbedingt ein paar chen
aus der Stadt heraus —- irgendwo
bin aufs Land.«
Die Frau lächelte schmach- keine
iollte ich das möqkich machen?« sigte
sie resiqnirt. »Freilich —-— meine tieine
Ellis könnte es wohl brauchen. Aber
meine Mittel sind zu Ende.«
»So werde ich mir erlauben, Ihnen
ein wenig auszuhelien«, sagte die
Gräsin ruhig. »Nein —- sträuben
Sie sich nicht, ofreut Longtrer. Den
ten Sie an Jbr Kind —- und thun
Sie um seinetwillen, was Sie sonst
vielleicht nicht thun würden. —- Mr
wir reden ein ander Mal mehr dor
itber — morgen vielleicht, oder in
den nächsten Tagen. Jetzt muß ich
Sie leider oerlassen.«
Sie wollte verhindern, daß Frau
Lonqtree Fragen an sie stellte, und
die Bedauernswerthe schien sie wirt
tich nur schweren herzeng gehen zu
« lassen.
J Von dem Kellner ließ sie sich in das
Zimmer führen, das hollfelder sich
thatte anweisen lassen. Der jun e
Schriftsteller erhob sieh erwartungs
ooll, all sie eintrat.
Die Thiir hatte sich kaum hinter ihr
geschlossen, als sie ihrn zuflüsterte
«Jth glaube ich Otto Martenk Mitr
der zu tenneni«
Mortsetuns solgt.)
-
Gute Gedanken und das Ich
muß rnon finden, nicht suchen.