Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, October 08, 1909, Zweiter Theil, Image 9

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    Nebraska
Staats— Anzeiger und II cerold.
Jahrgang :.30 Grand Island, Nebr» 3 Oktober I .)09 Zweiter (Thcil.) Nummer 7.
—-·-i)—isszix; Werks
Wie sie In froher Schönheit stehn —
Die Aftern im verblicksnen Garten!
Und haben keinen Lenz geiexn
Und dürfen feinen je erwarten.
Sie öffneten die Sterne weit
Wie aroße reine Kinderauqen
Und spenden Trost der stillen Zeit»
Tief mag der miiden Herzen tougen!
Blieb nur ein Sonnenstrahl zurück-—
Sie freu’n sich still, daß er gegeben,
Wie Menschen« die von arme-n Glück
Ein named-, reiches Leben lesen.
— —
Vte Nachbarn.
Erzählung von B. R i t t .v e q e r.
Der rIkriachhoibauer stand zufrieden
fckkmunzelnd am Fenster der niedrigen,
aber arosten und sauberen Stube, de
ren Einrichtuna bei aller Einfachheit
von solidem Wohlstand zeugte. Drau
sien fiel der Schnee in dichten Flocken,
eine Augenweide fiir den bebäbizaenVe
sitzer des stattlichen Bauer-Mutes
Wenn Frau Holle tüchtia ihre Betten
schüttelt, das ist sehr zgut fiir die Win
tersaot nnd giebt Feuchtiateit für die
Iriilriahrsbestellunal Und jede aute
Ernte mehrt den Besitz an Land und
an Vieh. Ja, sa, sein Junge, der
konnte fdäter 'n:al den Gutsbesitzer
spielen! Deshalb hatte er ihn auch auf
die Realschule geschickt und ihn als
Einjährigen dienen lassen. Und dann
hatte der Wilhelm noch eine land
wirthschaftliche Schule beiucht und
nun war er schon seit einem Jahr zu
Hause und nahm sich der Wirthschair
an. Eint üchtiaer Junge war er, der
Wilhelm, und ein bildhiibscher Kerl,
nach detn alle Mädchen auckten. Bei
dem Gedanken nmwiiltte sich dieStirn
des Bachhofbauern, und unwillliirlich
iloa fein Blick nach dem etwas hbher
gelegenen Häuschen seines Nachbarn,
des aan-Chriitiiin. Und seine Rechte
ballte sich zur Faust und schlug dröh
nend auf das Fensterbrett, so das-, die
Bäuerin. die striimpiestoofend am
Tisch saft. erschrocken aussah: »Na
Alter« was aiebt’s denn? Js was
Juf’m Hof net in Drdnuna?«
»Was soll denn auf’m Hof net in
Ordnung sein? Auf mei’m Hof! Nä,
ich hab’ nur arad an unsern Inn-T ge
dacht und daß er’s ausfuchen tönnt’
da’ unter den Mädlen weit und breit.
Bin überzeugt, derSäamijller aäb’ ihm
iei Marthe jeden Tag, da bekam der
Wilhelm einen schönen Batzen Geld in
die Hand nnd tönnt’s mit den Guts
besitzern ringsum aufnehan Denn
die Marthe ist eine Feine; beim letz
ten Landwirthschaftsball hat sie aktu:
rat wie ein Stadtfräulein ausgesehn
und eine so noble Sprach hit sie
»Und über uns einfache Schioieaers
leut· tkät’ sie sich lustia machen, wenn
ihr auch vielleicht unser Juna recht
wör’, Alter Nei, nä, die Marthe, das
ist keine Gute, das sieht man ihr aleich
csan Ein rechter Hochmuthgkeufel ist
le —«
»Nu, hör’ aber auf. Gretlies s— Ihr
Weibsleut' wißt auch imme ’cva5 an
einander ausznsetzem Ich qlaub'.
wenn ein leibhaftiger Engel vom Hirn
inel ihiit fallen, so wär er Dir doch nit
ant aenua fiir den Wilhelm!«
»So, meinst? Da bist' aber sehr im
Jrrthum. Ich verlana teinen Engel
vom Himmel —- ich wär arad zufrie
den mit dem Hanf-Christians Bär
bele. aber du ——«
,,Komtnst du mir noch emal damit?
Haft vergessen, daß ich von der Sach’
nix mehr hören will?«
»Ach Gott, Alter, thu’ nur net aleich
gar so wüst. Ich muß davon reden,
ich muß! Der Wilhelm ——— siehft denn
net, wie er immer stiller und trübfelii
ger wird? Sein ganzes Her-i hängt
-n dem Bärbelc. nnd elf er eine an
dere nimmt ——«
»Das wird sich finden! Da heißt’s
einfach entweder, oder. Entweder er
nimmt die Sänemüllermartle oder,
wenn er vartnls net will, ein anderes
reiches Mädle. das was vorstellt, oder
er tann unter die Leut’ gehn und sich
leni Brot mit seiner Hände Arbeit ver
dien’. Ich ital-« mich net für die Vet
telqefellschaft da drüben geplagt und
geschunden. Das tönnt’ dein Hinf
Cbristian freilich paß', das-, iei Miidle
Tlch hier ins warme Nest ietzt nnd die
Großbäuerin spielt und die sechs Ge
schwister mit auffüttert Aber Voraus
wird nir, das merk dir ein für alle
mal.«
Der Bäuerin traten die Tbränen in
die Augen und leise. zaghnit erwiderte
Tie:
»Ach, Alter, denkst du denn gar
nimmer daran, wie aut wir immer
miteinander waren, die Hanssleut’
und mir, wie mir uns bei-gesprungen
sinv in lo mancher Noth und wie oft
mir gemiithlich beieinander gesessen
haben an den Winterabenden und bo
ben geplaudert von dem und ienemi
Und mir tolir’5 halt gar lieh, das
Bärbele zur Tochter zu kriegen, und
lunfer Wilhelm beläm’ eine tüchtiges
fleißige Frau und es wär wieder
Frieden zwischen dem Bachhof und
dem Häusle dort oben. ’s ist gar so
trauriq, wenn man sich bein1h’ in die
Fenster guckt und sich net einmal mehr
die Tageszeit bietet, wenn man sickp be
gegnet ’s kommt mir geradezu fänd
haft vor!«
Die Gretiies stand nach diesen Wor
«ten auf und verließ die Stube. Sie
fürchtete sich vor einem Zornausbruch
ihres Mannes, aber einmal mußte sie
ibrem Herzen Luft machen. Im Haus
flur stieß sie mit dem Sohn zufammen.
Sie zog iim in die Kammer auf der
anderen Seite der- Flurs und sagte:
»Geh' jetzt net zum Vater. Er is
ara bös auf dich. Ich lisab’ noch ein
mal zum besten aeredt' wegen demBär
bele, aber es is nix zu machen. Der
Vater bat sei'n Kopf draufgesetzt, daß
du ein reiches Mädle heirathen und ei
nen großen Gutsbesitzer spielen sollst«
und-—
»Und das thu’ ich nicht, Muttert;
Eber geh’ ich auf und davon und laß’(
den Hof mit allern, was drum undj
. dran fahren. Das Bärbele wird meine
sFrau, wenn’s auch noch ein Weilchen
tdaueri. Es ist doch mein Leben, um
’ das es sich handelt, nicht um dem Ba
ter sein. Wenn mir das Bärbele
recht ist, lann’s ihm doch auch recht
ifein· Aber ich weiß schon, der Vater
giebt nimmermehr nach. So wird’s
am besten sein, ich such’ mir eine
LStelle als Verwalter und hol’ mir
fdas Bärbele, sobald ich eine Frau er
sniihren kann. Willst du’s dem Vater
sagen, so hab' ich nichts dagegen.«
Ohne eine Antwort abzuwarten,
wendete der Wilhelm sich der Thiir zu, !
sund die Bäuerin hörte, wie er die»
Treppe zum Obergeschoß heraufging.i
Ach, das war ein Elend! So zwei
harte Köpfe. Da gab teiner nach, und
ihr ganzes häusliches Glück ging in
Trümmer, wenn nicht der Himmel ein
Einsehen hatte utid alles zum Guten
wendete. Aber wie das möglich sein
sollte, das tonnte die Bachiniillersgret
lies sich nicht ausdenteru
II c It
Frau Holle wurde nicht müde, ihre
Betten zu schütteln, tagelang fiel der
Schnee ohne Unterlaß. Dann trat
scharfer Frost ein, und es war winter
still um die Häuser der seindlichen
Nachbarn. Die beiden Anwesen las«
gen etwas vom Dorf entfernt. am
Weidbach, von dem der Besitz des
Bachhofbauern seinen Namen hatte.
Es herrschte augenblicklich trübe-Stim
mung im Vachhof. Der Bauer ging
mit gefurchter Stirn umher, und die
Gretlies sah aus, als ob sie viele heim
liche Thränen weine. Der Wilhelm
nahm sich äußerlich izusammen nnd
liefz es niemals an der schuldigen
Ehrerbietung gegen den Vater fehlen.
Aber er Pfifs und sang nicht« wie das
sonst seine Gewohnheit war: er stu
dirte eifrig die landwirtbschaftliche
Zeitung, aber sonderbarer Weise nur
den AnzeigentheiL Und dann schrieb
er Briefe, die er stets selbst in's Dorf
aufs Postamt trug. Es gab teinen
Ztreit im Bachbauernhof, alles ging
still und friedlich zu, aber dieser äu
ßerliche Friede war die Ruhe vor dem
Sturm.
Dann lam ein Tag, der der Herr
schast des Winters ein Ende machte;
die Temperatur stieg mit ungewöhn
licher Schnelligkeit, und heftige, an
haltende Regengiisse brachten die
Schneemassen rasch zum Schinelzen
Der sonst so harmlose Weidbach, der
seit Menschengedenten tein Unheil an
gerichtet hatte, schwoll zum reißenden
Strom an. Die Brücke, die den Ver
tehr mit dem Dorf vermittelte, wider
stand nur ganz kurze Zeit dem An
prall der Eisschollen Nun war der
Bachhof und das Häuschen deg- Hanf
Christian von jeder Verbindung mit
dem Dorf abgeschnitten, dessen tiefer
gelegener Theil ebenfalls gefährdet
war. Gegen Abend stieg das Wasser
rapide, die Sturmglocke tönte vom
Dorfe herüber, und die einbrechende
Dunkelheit vermehrte das Grausen.
Aber immer noch glaubte der Bach
bauer an keine ernstliche Gefahr. Was
seit Menschengedenten nicht geschehen,
warum sollte das nun gerade ihn tref
fen? So hoch konnte das Wasser ja
gar nicht steigen; das untere Dorf lag
eben tiefer, als der Bachhof. Nur
aus Vorsicht ordnete der Bauer an,
daß Niemand sich zum Schlafen legen
sollte.
Knechte und Mägde saßen in der
Gesindestube beisammen, und der
Bauer und sein Sohn gingen von den
Ställen zum baue —- vom haus zu
den Ställen, und nach und nach ver
lor der Bauer seine gute Zuversicht,
und litt es, daß seine Frau und der
-Wilhelm die Bettstücke und sonstige
werthvollere Gegenstände ins Ober-ge
schos; trugen. Draußen heulte der
Sturm und mischte sich mit dem gur
gelnden Geräusch des näher und näher
kommenden Wassers zu einer un
heimlichen Melodie. Die Mägde jam
merten, und schon drang das Wasser
in den Flur und bespülte die Schwel
len der Thüren. Es wurde ernst,
und während der Bauer noch mit sei
nem Sohne berieth, welche Maßregelni
man ergreifen könne, um zunächst das
Vieh in Sicherheit zu bringen, nahte»
Hilfe von außen Der Hans- Chri-!
stian, der schon seit Monaten den
Bachhof nicht mehr betreten hatte,
kam mit seinem ältesten Jungen.
»Macht schnell, « so tust er, ,,schafft
alles ’naus zu mir! Jn einer halben
Stund’ ists zu spät!«
Der Bachhofdauer erwiderte kein·
Wort: man sah ihm an, daß er mitl
sich kämpfte, ob er die gebotene Hilfe
annehmen solle. Die Gretlie sagte
leise:
»Ach Gott, Christian, das unglucc,
das Unglück! Und daß du« —- dann«
verstummte sie mit einem ängstlichen
Blick auf ihren Mann.
»Ach was, jeyt is iei’ Zeit zu Re-i
densarten, Gretlies, jetzt heißt«s an-!
packen! Zuerst die Pferd’ und die KühJ ;
— macht fix! —- da, in der Minute is
’s Wasser schon wieder gestiegen!«
Der Wilhelm, in dessen Augen trotz z
aller Schrecknifse ein freudiges Licht»
glomm, rief: »Ich schaff’ gleich dies
Braunen fortt", und der Vater ließi
ihn gehen. Es begann nun ein eifri
ges Schaffen, ein eiliges Hin und Her
zwischen dem Bachhof und dem Häus
chen des Hanf-Christian Nach einer
halben Stunde war alles Vieh gebor
gen, und die Bewohner des Bachhofes
füllten die lleinen Räume des Nach
barhäuschens. Nur der Bauer selbst
hatte es nicht betreten. Niemand als
das Bärbele achtete in der Verwirrung
darauf, daß er sich mit seiner Laterne
wieder dem Hofthor zuwendetr. Mit
flinken Schritten eilte sie ihm nach und
legte ihm zaghaft die Hand aus die
Schulter. Er fuhr herum: »Nu, was
soll’s?« »
»Wo wollt Jhr denn hin, BachhoU
fer, ———- warum bleibt Ihr nicht Dei
un—:—?« sc ftamirelte das hübsche Msid:
stun, »Ihr könnt ja nimmer zurück
ielf hitt’ Euch —« »
»Wir da! JEJ mir sauer zaenua Ie
soprden, die Hilf« «.imtnehmen: aber
das armes-Vieh bat mich aedauert. und
wegen meiner soll niemand in Gefahr
gerathen. iltser ich selber — mich brin
aen keine ietdn Pferdf nnd iei’ Misset
und nir dazu, dan icb Was thu’, was
ich einmal net will. So, nun weiht-L
nsas du tu wissen brauchst, und nu tas;
mich Wirte-den«
»Ach Gott, so bleibt doch "nur, Buh
l;ofer. Ich s— ich «— weiß weit-l «
’s ist doch wohl nur wegen mir, daß
Ihr —- aber ich hab’5 ja dem Wilhelm
schon tausendmal aesaat, daf; iab net
argen Euren Willen seine Frau zoeri
den tann, so aut ich ihm auch bin. Er
.1lailht’s nur net, daß ’s mei Ernst is.
Aber Ihr glaubt mais gelt, und Ihr
bleibt iei uns, bis das Wasser sich wie
der verlaufen hat? Hört, wiss tobt da
unten! Die Mutter Gretlie5« —- io
hatte das Bärbele, als es noch kaum
sprechen tonnt’ die Bachhoierdanerin
immer aenannt —- »die Mutter Gret
lies that ja vor Sora’ umtoinsnem
wüßt sie Euch in solcher Gefahr«
Die Angst um den Vater ihres Wit
ltelrn stand auf des Mädchens Antlitz
aeschrieben -— todtenblafz iih’g in
Schein der aLterne aus, und der tin
blick machte das harte Herz Des- Bach
hosbauern weich.
,,Mädle, Mädle, was macbe In nn
. mir!« Seine Stimme tlana unaeioohnt
sanft bei diesen Worten, und er infzte
- Bärbeles Hand und aina init it« r iiber
den Hof nnd trat über die-Schwelle des
Nachbarhauses-, dis er so lanie aexnie
den. Die Knechte und MäaIe, bis ins
Flur herumitanden, machten arosxe
Ltluaem als das Paar an ihnen oor
überschritt. In Der offenen -tu en
thiir bileb der Bachhofer stehen nnd
iaate laut:
»Habt ihr noch ein Plätzle siir mich.
so bitt’ ich um Quartier-. Ich wollt
wieder zurück aus den Bachhof, aber
das Biirbele hat mich ie- schön qebeten,
und ich wollt’ doch meiner zukünftigen
Schtvieaertochter net die erste Bitt’ ab
schlaaen. Christian, willst dei Mäole
dem Wilhelm neben? Js twareiient
lich jetzt net die rechte Stund’, von
Doch-teil zu sprechen aber ich mach
gern reine Wirthschaft «
Damit ftvectte er dem Hans Chri
stian die band hin, und der schlug so
fort kräftig ein. Und die Sturmw-v
cte. die immer noch vom Dorf heriiber
llana, wurde den feindlichen Nachbarn
zum Friedensgeläute.
Opfer der Forschung.
Professor Metschnitow, der be
rühmte Batteriolog vom Pasteur-Jn
stitut, widmet in der französischen
Nevue Je sais tout einen bemerkens
iverthen Aufsatz den Männern, welche
im Dienste der Wissenschaft den Mär
thrertod gefunden haben.
Die Zeiten, wo die Entdecker
von Naturgesetzen ihre Errungen
schaften abschwören oder mit dem
Tode bezahlen mußten, scheinen glück
licherrveise fiir immer beendet zu sein
Doch ist in unserer Epoche die Ber
fechtung einer neuen Wahrheit manch
mal mit derartigen Kämpfen verbun
den, daß derEntdecker daran zugrunde
acht. So verfiel der ungarische Arzt
Sciiimeliveis, der den Erre er des
tiindbettfieberg entdeckt hat,in olge der.
heftigen Anfeindungen seiner Berufs
tollegen in Jrrsinn !
Viel zahlreicher sinr
fer, die dieForscherthätigkeit selbst for:
dert Neben der Chemie ist eg- haupt
sächlich die Medizin und innerhalb die
ser Wissenschaft die Batteriologie, diej
die Gelehrten großen Gefahren aus
setzt. Die fortwährende, unmittelbare
Berührung mit den bösartigen Krani
heitgerregern wird trotz der peinlichsten
Vorsichtsmatzregeln nur dazu oft ver
hängnißvolL
Die Pest, welche in früheren Jahr
hunderten unter der Bevölkerung gan
zer Länder Verwüstungen anrichtete,
ist heute keine Massengefahr mehr-J
wohl aber eine für die Aerzte. Seit-: s
dem der Erreger der Pest, ein ketten-s
förmigerKokkus, entdeckt ist, kann diese
furchtbare Krankheit schon in ihren er
sten Stadien durch ein spezielles Se
rusn festgestellt und daher mit geeigne
ten Mitteln so wirksam bekämpft wer
den, das; sie nicht um sich greift. Doch
ist die Herstellung des Serums au
ßerordentlich gefährlich Man errin
nert sich noch an den Wiener Arzt Dr.
Müller, der sammt dem Wartepersonal
bei der Behandlung seines Laborato
riumsdienstes starb. Letzterer hatte
sich an pestkranken Ratten angesteckt.
1893 beschäftigte sich Dr. Sachs vom
Koch-schen Institut in Berlin mit der
Hexstellung von Pestserum. Er infi
zirte sich und starb. Der Wärter, wel
ctser ihn gepflegt hatte, erkrankte eben
falls-z konnte aber dant wiederholten
Jikjeltionen mit dem von Dr. Sache
beIgestellten Serum gerettet werden.
Ein umgekehrter Fall ereignete sich in
einein Petergburger bakteriologischen
Institut. Hier erkrankten zwei Die-—
ner. Wijnitenitsch und Schnerber, die
mit Kulturen von Pestbazillen in Be
riiliruug kamen, und starben trotz der
ihnen oerabreichten Jnjektionen Ein
Arzt, Tr. Padlewgti. hingegen, der
sich bei der Llutopsie des Verstorbenen
ansicette, wurde geheilt.
Vielleicht noch gefahrvoller als die
Behandlung der Pestbazillen ist die
baneriologische Erforschung der Rotz
truntheit Die Untersuchung des Rotz
ba.;illug hat schon so viele Leben geto
stet, daf; es nur wenige batteriologische
Institute gibt, die die Herstellung des
diagnostischen Serums gegen die Rotz
trantheit übernehmen. Gleich der er
ste Gelehrte, der ein solches Seruin
herstellte, der Thierarzt Helmann vom
Petersburger Medizinischen Versuchs
institut, erkrankte und starb nach meh
reren Jahren unter großen Schmerzen
Die Roßkranklieit ist bekanntlich eine
Thierkrankheit, die sich jedoch aucht auf
den Menschen überträgt und vernich
tend wirkt.
Einen eigenthiimlichen Verlauf nahm
die Erforschung des Cholerabazillus.
Nncis seinen aroszen Erfolgen auf dem
-(io«el)iete der Batteriologie wandte Pa:
steur seine Aufmerksamkeit dem Erre
!·qer der Cholera m. ist rüstete eine
iExvedition nach Aeaypten aus« die die
sCliolera untersuchen sollte. lssin jun
ges, aber hervorragendeg Mitglied des
Pasteurschen Instituts, Dr. Thuillier,
der an der Spitze der Expedition stand,
erlag jedoch aleich veim Beginn feiner
Arbeiten der Cholera, so das; die Ex«
pedition resultatlog zurückkehren
mußte·
Nun besaskte sich Koch mit derselben
Frage und entdeelte tatsächlich im Fior
per von Choleratranlen einen Bazils
lus.«-, den er auf Grund lzahlreicher Ver
ssnche als den eiaentlichen Erreaer der
Krankheit bezeichnete Die Enchei
tnng stieß jedoch auf starte Zweifel.
Viele Gelehrte erklärten, der Kochsche
Bazillus könne nie und nimmer die
Cholera erzeugen. Sie behauteten,
ihrer Sache so sicher zu sein, daß sie
Reintulturen des betreffenden Bazil
lns zu verschlucken bereit wären. Pet
tentofer, der lieftiaste Gegner Kochs,
that dies wirklich, seinemBeifpiele folg
ten viele andere Forschen Keiner von
ihnen erkrankte an Cholera. So schien
es, daß Kochs Hypothese völlig wider
legt war. Die Frage war außeror
dentlich schwierig, da die Cholera auf
!
Thiere nicht übertragbar ist und die
Versuche daher nur an Menschen ge
macht werden konnten. Mit der Zeit
stellte es sich heraus, daß der Kochsche
Bazillug dennoch Cholera erzeugen
könne, wenn im Magen und in den
Gedärmen gewisse Bedingungen vor
handen sind. Cin glücklicher Zufall
hatt e es gefügi, daß es bei den Geg
nern Kochs an diesen Vorbedingungen
gefehlt hatte! sie wären sonst unbe
dingt der Cholera erlegen, da sie er
hebliche Mengen der Baziilen- -Kulturen
eingenommen hatten.
Zu den Opfern der Forschung muß
man im Zeitalier der Tierschutzvereine
auch die zahlreichen Tiere rechnen, an
denen Versuche mit Krankheitserregern
vorgenommen werden. Der lebende
Körper ist für die niedizinische For
schung leider unerläßlich. Nun haben
wir aber schon an dem Beispiel der
Cholera gesehen, daß die Thiere sich
nicht bei allen Kranlheiten als Ver
suchsobjekte verwenden lassen, daß sie
für gewisse Krankheitserreger nicht
empfänglich sind.
Bie Forschung in also oirert dar
aus angewiesen, sich ihre Opfer unter
den Menschen zu suchen. An sich selbst
können die Gelehrten ihre Versuche
nicht dauernd machen, soll die Wissen
sckast vorwärts-gebracht werden. Im
mer wieder taucht daher in Forscher
trcisen der Gedanke aus, Verbrechen
die zum Tode verurtheilt sind, als
menschliches Versuchsmaterial zu ge
brauchen. Nimmt der Versuch keinen
tödtlichen Verlauf, so soll den Verm
theilten das Leben geschenkt werden.
Pasteur hatte seinerzeit einen derarti
gen Vorschlag dem Kaiser Dom Pedro
von Brasilien unterbreitet. Die Ge
schichte der medizinischen Forschung
kennt bereits mehrere Fälle, in denen
Delinauenten mit großem Nutzen für
die Wissenschaft Versuchen unterwor
scn wurden. Bevor die englische Kö
niggsamilie sich gegen die Pocken imp
sen ließ, wurden sechs zum Tode Ver
Iurtheilte probeweise geimpft. Für den
Fall, daß die Probe gelingen sollte,
w trde ihnen das Leben geschenkt Der
Versuch ergab ein so befriedigendes
Resultat, daß der König gegen die
Jmpsung nichts mehr einzuwenden
hat ite. Nach der Entdeckung des Lemn
Erregerg wurde aus denSandwich m
seln einem zumTode Verurtheilten der
Lepra Bazillus eingespritzi. Thatsäch
Jlich ertrantte der Mann an schwerer
Leum so daß man nun die Gewißheit
hatte, die wirkliche Ursache dieser
strchtbaren Krankheit zu kennen.
Prof.Metschnitow befürwortet nach
driictlich die Idee, sich dasJ menschliche
Versuchsmaterial aus den Reihen der
Verdrecher zu beschaffen. Nach seiner
Ansicht sollten alle Staaten dieser
Forderung der Wissenschaft nachkom
nun. Aus diese Weise würden jene
Individuen, welche ihrer Anlage nach
Feinde der Gesellschaft sind, der
Ilieiischheit Segen bringen.
Zchmetterltuqsheere.
Wie ein Aussatz von Julius Ste
phan in der Zeischrist »Natur und
Offenbarung« erzählt, treten an ge
wissen Stellen der Bugong-Berge in
ReuSüdwaleg in jedem Frühjahr
ungeheure Mengen eines gelben
Ettachtfalters auf, die so dicht schwär
men, dasz sie nicht nur die Felsen ge
rader bedecken, sondern sich in den
Zellen anhäufen Sie werden von
den Raben niassenhaft vertilgt, aber
auch die Eingeborenen schätzen die
Thiere als Leckerbissen Der Natur
forscher Seitz hat in Algier Schwärme
von Ordensbändern gesehen, deren
Zahl auf viele Millionen zu schätzen
war. Am Tage saßen die Thiere aus
den Blüthen und suchten ihrer licht
scheuen Natur zufolge jeden dunklen
Ort aus. Es genügte, den Hut ab
lzunehmen, um einige derThiere darun
ter zu versammeln. Jeder schräg lie
gende Stein, den man berührte, brach
te einen großen Schwarm zum Aus
fliegen. Derselbe Forscher hat Mas
senvortommen von Schmetterlingen in
der Gegend von Aden im Jahre 1890
beobachtet Dort waren es die soge
nannten Eulen, die in ähnlicher Weise
austraten und auch am Tage in Mai
sen umherslogen. Das Seltsanie daran
ist, dasz für diese ungeheuren Schmet
terlinggvölker die ganze Umgegend
von Aden nicht die Spur vegetabiler
Nahrung bietet. Man tann sich daher
gar nicht erklären, woher die Raupen
das nöthige Futter erlangen können.
Die Erklärung der Erscheinung ist
darin zu finden, das; die Puppen in
der Erde zahrelang liegen, bis- nach
lanaer Zeit wieder einmal heftiger
Gewitterregen losbricht und vorüber
gehend ein Erstarren der Begetation
bewirkt. Der in die Erde eindrin
gende Regen ist gleichsam der Lockrus
sitr die Puppen, denen er anzeigt, daß
es jetzt wieder zu essen gibt. Jn den
Aequatorialgegenden ist die Schwarm
bildung bei Schmetterlingen wie alle
anderen Bethätigungen der Lebens
träfte eine außerordentliche. Eine der
bekanntesten Stellen, an der diese -
Flüge austreten, wäre der Wasserfall
von Maros in Süd-Celebes. Dee
Naturforscher Ribbe erzählt, daß auf
einer kaum 10 Fuß breiten und 35
Fuß langen Sandbant Tausende von
Schmetterlingen auf dem feuchten
Sand saßen, während die Luft von
einer dichten Wolke erfüllt war. Der
Vergleich mit einer Wolke ist hier
wirklich taum eine Redefigur. Es
handelt sich dabei um herrliche Exem
vtare der verschiedensten Arten. Sehr
eigenartige Schmetterlingsfliige weist
das Gebiet des Amazonenftroms auf,
wie dies der englische Naturforscher
Bates in anschaulicherWeise beschreibt.
Er berichtet, daß die Zahl und Man
nigfaltigkeit der bunten Schmetterlin
ge so groß war, daß sie geradezu die
sPhysiognomie der Landschaft beding
ten. Jeder Schritt scheuchte ganze
Schwärme auf. Dabei läßt die Ge
sammtbewegung der Thiere häufig ei
nen Sinn erkennen, indem Morgens
der Zug von Nord nach Süd und
Nachmittag in umgekehrter Richtung
vor sich geht.
Das größte Schienenwatzwetk ver
. Erd-.
! Jm Jahre 1895 ist in Amerika zum
bersten Male elektrische Antriebskraft
fzum Betriebe der Walzenstraße eines
:Hiittenwerks verwandt worden. Es
Jwar die Jllinvis-Stahlgesellschaft, die
Idamals versuchte, mit dem Elektromo
tor zu arbeiten. Den amerikanischen
Hiittenwerten lag aber nicht viel an
Sparsamkeit im Kohlenverbrauch, und
daher war ienes Beispiel nur in ver
einzelten Fällen nachgeahmt worden.
! So kam es, daß in Deutschland unver
;g!eichlial) mehr Pferdestärten aus elek
trischer Quelle in Hüttenwerten im
Betrieb waren als in Amerika. Jn
jüngster Zeit ist nun dort eine Anlage
zum Hiittenbetrieb geschaffen worden,
deren Graßartigkeit alles bisher Ge
kannte weit in Schatten stellt und das
heute in seiner Art einzig dasteht. Das
Wert ist niit Rücksicht aus billige Ver
frachtung von Erz und Kohle an der
Siidtiiste des Michigan-Sees angelegt
worden, an dessen Nordwestküste reiche
tiisenerzlager ausgebeutet werden.
Das Haupterzeugniß sind Eisenbahn
sehienen für den ,,fernen Westen«. Wie
derElektrische Anzeiger mittheilt, wer
den durch Vermerthung der Hochver
gafe vierzehn Gasmotrren von je etwa
Mus- cliferdetriiften betrieben, die 22,
000 Vierdeftärten Gleichstrom und
Nin-O Pferdeftiirken Drehstrom erzeu
aen. Diese Elektrizitätsmenge soll
bei vollständiger Durchführung der ge
planten Anlaae verdoppelt werden.
Sie wird größtentheils im Schienen
tralziverk verbraucht, das in 24 Stun
den 4000 Tonnen Schienen erzeugt,
die aneinandergereibt etwa 60 Mei
len lang sind. Das Walzwerk ar
beitet mit hochqefpanutem Drehstrom,
der mit 660 Bolt cirkulirt und ohne
Umforniuna zur Verwendung gelangt
Die Walzenftrafren verfügen zu ihrem
Antrieb iiber Lein-in Pferdestärten, die
iiig auf k:f3,sw) erhöht werden können.
Die Eigenart desJ Betriebes erfordert
eine besonders starke Konstruktion der
Motoren· Das Gewicht jeder dieser
Maschinen beträgt 400 Tonnen. Be
sondere Rücksicht irar auf die bei je
dem Walzbetrieb nöthigen Schwung
massen zu nehmen, die bei diesen Mo
toren durch Ansihrauben von Guß
Stricken verändert werden können.
Die atneritunischen Teilnehmer am
Aerztetongreß in Budapest haben das
dortige Denkmal Washingtons be
sucht. Unter anderen konnten sie ihn
als den größten Chirurgen seiner Zeit
aus politischem Gebiete feiern.
se «- J.-.
Daß die Lustwettfahrten sich gegen
wärtig noch im Stadium eines ziemlich
unsichcrcn Experimentes befinden, et
tennt man am besten aus der Sorgfalt,
mit der die Buchmacher sich von den
Flughahnen fernhalten
st- Iit sit
I Als der Mond kürzlich den Plane
ten TIJtarLi bedeckte, war er diesem etwa
250,i)«(1 Meilen näher, als die Erde.
»Aus die Ermittelungens die der Mann
zim Monde über die Matgtanäle an
Istellte, darf man gespannt sein.
sit «- sit
! Die Meldung, der Kaiser beabsich
tige, Zeppelin zum Fürsten zu machen,
I klang schon deshalb sehr unwahrscheins
lich, weil es für den König der Lüfte
eine ganz unverdiente Rangetniedri- «
gung bedeutet haben wär-ZU
si- si
Der Yanlee: »Mir kann Zeppelin
nicht imponieren. Jch laß mir jetz
einen Ballen bauen von New York
bis Chicago und laß in der Gondec
.’nen Luxuzzug verkehren.«