Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, October 08, 1909, Zweiter Theil, Image 16

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    R unheimliche Braut
Wie non Dermarrn Roc
FULL
TIERE klapperte meine Papier
gsräble am keusche-wem erlenumsäum
ten Besch. anmuthig breitelen sich
die zagkrgrünen Wiesen in dem von
« stlsises Höh-g begrenzten Thale aus.
Aber Das half mir das reizt-alle
Bild ringsumher, der Besitz der klap
perndes Mühle, wenn mir wie das
Schwert des Tamolels die Gewißheit
über dein dir-me hing, daß alles
mir entriß-en werden würde, ehe drei
Monate ins Land ging-p? Die
Mühle war schon vom Urgroßvater
her Eigenthum meiner Familie. Jch
hatte sie erft vor zwei Jahren vom»
Vater geerbt. aber durch Aus-inhi,
long mehrerer Geschwister und zwei.
kurz ais-einander folgende VInkerotteä
großer Absatzfirmen ward ich der«
Mittel zum rationellen Weiterbetriebe«
beraubt und sao mich ong in Der
ärgjtea Klernsmr.
Nicht was-L US taugt umkomqu
wie eine Humoreste an? Aber der
Humor kommt sei-on noch, das .eißt
er tom an ienem Abend schon in der
Person eines alten Bekannten, des
Försiers Brunnen der behaglich seine
Pfeife schmausend-, gerade vorbei
ging.
«Na, lieber Roemer. schon wieder
so griesgräme redete er mich an.
«Miissen’2 doch nicht so tragisch neb
men! Donnerliittchen, Mann» Sie
sind doch jung und ein schneidiger,
kräftiger, odretter Kerl! Werden
schon anderswo wes iindenl«
»Nicht geiaat Herr FöriterZ Es
ist das Erbtbeii meiner Väter.«
»Die Mühle kommt also wirliich
unter den Hammer?«
Raums nicht verhindern Wollte
ich’s abwenden. so müßte ich wenig
stens iiinfzigtauiend Mart beben.
Woher die nehmen und nicht steblen?«
»den —- inn.« Er analmte eine
volle Minute wie ein Fabritfchorw
stein· »Warum heirathen Sie nicht«-m
frngte er dann plötzlich. «
«Heir.:then?«
»Na ja —- Frou mit Geld —
hilft sich mancher damit.«
Ich lächelte spöttisch und erwi
derte: .Die Frauen mit Geld sind
nicht so häufig wie Jbre Bnchecterm
lieber Förster, nnd auch nicht so
versessen auf ruinirte Fabrikanten
und Kaufleute. Wenn ikb Ihren qu
ten Rotb auch wirklich befolgen woll
te, wo sollte ich eine reiche Frau ber
nehmen?«
Er quolrnte wieder aeuume Zeit,
bevor er mit seiner billigen Weis
heit berauiriicltc »Gegen Sie doch
ein reelles Deiratbsoesuch in die Zei
tung. Frau mit Kapital, häuslich
und gut erzogen und io weiter —
geicbiebt ja so oft, und wer weiß,
vielleicht beißt doch was an.«
Wir sprachen noch mancherlei, ehe
Brunner weiterqina, sein Vorschlag
aber hatte in meinem verzweifelte-i
Herzen Wurzel Erschlagen. Ich hatte
mich bisher wenig um das ewig
Weibliche bekümmert nur einmal als
Einiöbriger einen leider ziemlich un
nlticklich aus-gehenden Liebesbundel
sieh-abt. Mein herz war frei, die Ver
suchung groß.
Schon zwei Tage später sandte ich
das Jnserot unter Beobachtuna ol
ler möglichen Vorsichtsmafzreqeln an
die Eroedition einer der größten Zei
tunaen Der hanotftadt
»Wir-d wohl niemand io dumm
fein, dirauf hereinzuiallen!« dachte ich
bei mir.
Aber schon weniae Taae danach
hielt ich fünf Offetten in den et
trattungsoollen Händen. Drei davon
konnte ich allerdinag qleich zerreißen,
die vierte legte ich vorlänsia zurück
und wandte meine Aufmerksamkeit
ernstlich der fünften zu.
»Seht geehrtet betet Auf Ihr
hoffentlich ehrlich necneintes Jniemt
hin wäre ich nicht abgeneiat mit Ih
nen zu gedachtem Zwecke in Verbin
dung zu treten Jch bin dreiund
zwanzig Jahre alt, völlig unabhän
gig, besite zweihundetttaufend Matt
Vettnönen und glaube auch sonst so
iibel nicht zu fein. Erbitte Antwort
unter E. S» 100, an die Expe
bitt-Ink
Das war kurz Und erbauijch.’
Wahrhaftig erbaulickk Zweibundert s
Tausend Mart Vermöqen —— und erst
reinndzkvanzig Fabre all!
War Das menschenrnöqlichZ
Wenn es umaelebrt aewelen wäre
—- zweibunderttaufend Aal re alt und
nnd dreinndzrvankir Mark Vermögen,
ia dann —- aber fo!
Es war Unsinn, konnte ja gar
nicht fein! Ein funneH Mädchen mit
zweihunderttaufend Mark braucht lei
ne Heirjtbsaefuike zu beantworten.
Sicherlich waren Zier ein paar
Schreibkehler nnteraelauTem
Oder es erlaubte sich jemand einen
Ull mit mir.
Lesen-ei war das wahrlchcinlichste.
Les-n Zweifel — ein fauler Witz! .
Aber die rweihnnderttaufenv lock
ten nnd blendelern
Wenn doch vielleicht! hin —- wenn
lebe-. denn schon! JWI ein Ult, so
läßt Mk- eben nicht ändern, kostet ja
Mässixeejyeskrieflchr be l Nicht b
s se n U C -
seneint —- bitte um PWsphie
Wische Zusammentnnft —
Zeig-III Disltetion Ehrensache und
III-tief
« Dies-wert tmn mgehend
II der Abt-Mk le,
Mkka lag-le
Cene weiße Rose an der Brun.
Sangs-en wandeln, Figur MW be
nnt t.«
Dis Verschen besiärtte mich zwar
in meiner Ueberzeugnng. daß man
jntr eine Falle stellen woktte. ich
beschloß aber trpsdeny das Aben
teuer zu bestehen. Der Ort der Zu
sammentunft war nur eine Stunde
entfernt, und vie bezeichnete alte
Linde kannte ich Tanz genau. Der
Blitz hatte vor langen Jahren den
mächtigen Stamm zersplittert und
einen gewaltigen Akt abqefchlngen
Jn dem fo entstandenen Hohlrantn
hatte sich Erde angesammelt, nnd da
Tranf grünte treuzfidel ein Stachel
beerftuuch. ver sonnt Beet-en trug.
Die Schreiberin kannte dte Linde
nnd die Weidenmükkle aber auch —
und das stimmte knick: wie-der etwas-»
nachdenklich. Aber die zweihundert-;
tausend schlugen alle Bedenten zns
Boden.
Freitaq Abend dreiviertel sieben
stand ich bei der Stachelbeetlin:e,
aufmerksam die Allee rechts und lints
Linnjfektend
C.e.-- ---:
i »Hcciu!usziuuustq Jurist — pas-—
E hundertuuiend Mart«. murmelte ich.
»Wenn’is tein Schabernack iit, wirds
; wohl ein Muster von Häßlichteit
i fein, einen Buckel haben oder einen
"Klnmpiuß —- oder sie wird ein
iiugia sein, oder —- o weh. o wehk«
Niemand inm, und ich setzte mich
auf Die Bank unter der Linde, um
den äußersten Termin wahrzuneh
men.
Da vernahm ich plötziich ein del
les Lachen hinter mir, eine melo
diiche Stimme sagte: »Guten
Adend«, und ich erblickte. mich um
wendend —- nein. ich erblickte eigent
lich nichts mehr, ich schwamm in
einem Ozean von Wonne und Trun
tenheit2
Vor mir stand ein reizend-es jun
ges Mädchen im weißen Sommer
gewand. blauäuaia. mit rztzilem lich
ten Blorgdhaar, fchlant und hoch-ne
wachien, mit einem Worte ein wad
rer Engel in Menschen- oder besser in
Mädchengeftalt, denn mit Männern
sind meines Wissens Engel bisher
nicht verglichen worden.
Daß sie es war. daran ließ die
duftia weiße Rofe an der Bruft tei
nen Zweifel.
Und vertriippelt war sie auch nicht.
weder buckelia noch tlumpfiißia noch
einöugia!
Um io auffälliqer war es. Denn
wenn sie es aufrichtig meinte, wirt
lich aufrichtig, so —- io mußte dann
ein anderes Etwas im Staate Dö
nemart faul fein. Gewiß trat dann
der aefiirchtete Schreibiehler in Kraft.
Mihunderttaufend —- vielleicht nur
eine Null oder aar zwei Nullen zu viel
waren ihr aus der Feder aerutfcht.
Doch dann war sie eine Betrügerin —
und fo fal- sie nicht ani. Sie blickte
fo lieb, fo aufrichtig, so vornehrn —
fonderbatt Ein Mädchen wie sie hätte
mit teinern Pfennig Vermögen sicher
keines Heiratbsaeiuchs bedurft. Die
Sache wußte doch einen Daten haben!
Allerdinas war ietzt teine Zeit, ihr-.
zu suchen. Ich befand mich auch gar
nicht in der Stimmuna dazu. Jch
war wie berauscht von dem iiißen
Geschöpf mit dem ich bald in ein
anziehendes Geplauder oertieft war
Ich schilderte ihr offen meine Ver
hältnisse. Sie nickte nur lächelnd und
sagte: »Wenn Sie mich lieben tön
UM- to ift Ihrem Unaliick ja bald
abzudelfem Ich bin reich und selbst
ständig — nur wünsche ich nicht« daß
Sie mich allein um des Geides wil
len- heirathen«
TM deineuette tot, usw-Dem Im ne
gesehen, hätte ich der Bedingung des
Gefuchs ganz vergessen, sofern mich
nicht meine Wahrheitsxiebe zur Dok
sielluna der Sachlage gezwungen
hätte.
Dis schien ihr zu gefallen, und «
iurz und aut, wir wurden nocb am sel
ben Abend einia. Elsie Seher gab mit
einen Kuß und ihre Adresse. ich beglei
tete sie auf den Bonnhof und wankte
dann wie ein Trunkenet überselia nach
Haufe. —
Ani nächsten Morgen kehrten meine
Bedenten mit verdoppeltet Bucht su
rück.
Ein fo herrliche-, Mädchen, so reich
— denn Die Beitätiauna batte ich ja
nun aux ihrem eigenen Munde —
und fie antwortet auf heirathsge
suche, kritit sich dem ersten befien an
den hals!
» »Wenn ich auch nicht der erfte beste
H bin". sagte ich zu knir, »so doch im
Hner ein armer Teufel in tritischer
Laqr. Die Sache muß einen halenj
haben!« ;
Ader was fiir einen? Das liebliche
Geschöpf ward mir unheimlich. Häs
Iich war sie nicht, alt nicht, dumm
nicht, sie bekaß fein Gebrechem war
vielmehr die Anmutd und Klugheit
selber, und auch gutbekzia offenbar
—- da mußte der Hase also wo an
ders im Pfeffer liegen.
So sehr sie es mir angetbaen ge
dachte ich doch nicht ganz blind ins
Unglück zu rennen. Ich fuhr nach der
Hauptstodt und zog Ertunvigungen
ein«
Ein Kunde von mir tannte sie ge
nau. Er ahnte übrigens den Zweck
meiner Nachforschung nicht
.Wohl ein übersvanntei Musik«
fragte ich. «Aufgeblasen, eitel- ge
fallfsichtigf
»Ganz und gar nicht. - Ein rei en
det. durchaus mftsndiges öd
sein«
aMeer wohl nett etwas —- nun mit
W
, f«
weis-W .
EBook-Inmit- M«
« Die Braut ward mir finster us
brimlicher.
""·..Wodl viel Freier ziehan Oef
ters verlodt gewesen?«
»An Bewunderern und Deiner-been
kann es einem solchen Mädchen ja
nicht fehlen, aber ortlobt war sie noch
nicht. Sie scheint wählerisch zu
sein-«
»Vielleicht unglückliche Liebe ge
dabti Racheschwur gethan. den ersten
besten in heirattleni«
»Wie kommen Sie nur aus so
schnurriqe Jdeeni EIhre beste Freun
din verkehrt bei uns. daher find wir.
ganz qenau unterrichtet. Keine Ah
; nuna von so ehrt-ask
» Jnnner unheimlicher wurde mir
’,-in.!nutl)e. Ich stellte weitere Rach
sorschunnen an. Umsonst! Es war
tein Verbrechen in ihrer Familie vors
aetommen. lein besonderes Ereigniß,
nicht-Z Gebeimnißvolleå
Ich liebte sie immer toller. ie liins
aer unser Verlebr dauerte. aber das
Gefühl ihrer Undeixnltchleit wird im
mer aröszer in mir.
Zuletzt forschte ich sogar ihren
Hausarzt aus. Ich sagte ihm die
Wahrheit und versicherte mich seiner
VerschwieaendeiL »Es-into in der Fa
milie etwa gefährliche Krankheiten
vorgekommen?«
»Niemals. Eltern. Großellern kern
«iefund.«
Jan Fräulein Elise ist nicht etwa
belastet mit Wahnsinn oder derglei
steif-«
»Mit nichts als einem crewichtigen
Geldiack«, scheute der Doktor.
Ich lachte und aina. aber meine;
Braut Mir mir von Stand an un
Leimlicher als ie.
So war ich endlich glücklich — und
doch auch unendlich unaliicklichl Der
Haken störte mich immer mein-.
Jch sraate sie schließlich selber, wie
sie aus die Idee gekommen lei, Inein
Gesuch zu beantworten, da iie doch
Männer in Hülle nnd Fülle bätte ha
ben können, aber iie lachte nur. laste:
.Das ersölirit du erll nach der hoch
ieit«, und schloß mir knii einem Kuß
den Mund.
Zwei Monate später standen wtr
vor deni Altar« So reich. so wunder
bar schön. so aut und edel — und
durch ein heirathsqeiuch meine Frau!
»Der baten. der ichrectliche ha
len!'· dachte ich. »Bielleicht ist er io
aroß, daß du dich aleich daran auf
iiiinaen lagnst!'« —
Ase wir uns allein befanden, war
meine erite Frage an sie: »Nun, Elife,
nun stille endlich meine Neuqier. Wa
rum dait du aerade wein Geiuch be
antwortet? Oder war es nicht das
einziae?«
Sie lachte errstbend und erwiderte,
ibren Kopf an meiner Brust beraend:
sit-sittlich war es das einzige, du thö
richter Mann! Und snit voller Ub
sicht aerade wählte ich deines aus« eben
weil es —- das deine war!«
»Aber du lannteit rnich ia aar
nicht?«
.Meinit du? War ich nicht wäh
rend des voriarn Sommers zwei Mo
nate bei Föriter Brunner in der
SommeriritcheZ Da dab’ ich dich oft
aeiehen und beobachtet Du warst io
ileifiia und Doch to sorgenvoll, nnd ein
io schöner Mann! Walter —- ich
liebte dich ichon damals nud tonnte
dich nicht wieder vergessen. Aber ich
konnte mich dir doch nicht antraaen,
wußte ja auch aar nicht« ob du nicht
länait aebunden warst. Da kam vor
einiaen Monaten der Förster mit sei
ner Frau auf Besuch in die Stadt.
Die Rede lani auch auf dich. Da er
eäbtte er oon deiner Dranaial und
daß er dir ein heiratbsaeiuch anne
ratben hätte. »Und denlen Sie,
Fräulein«, riet er und lachte aerade
beraus, «beut Abend itebt’s wirklich
in der Zeitunat Lesen Sie nur —
es tann niemand anders sein als eri«
— Ich las, und die aanze Nacht
schloß ich kein Anat Und am ande
ren Taa ichrieb ich. Ziirnit du mir
deshale«
Ich gab meinem Zorne mit einem
Duiend Küssen gebührenden Aus
druck.
Von dein Anaenbticke an war mir
meine liebe. iiiße Elise nicht niebr un
heimlich.
»Ist-di small-«
XI
Sie: «Frühek warst du für mich
Feuer und Ftamme!«
Er: »Ja, da bat deine Schönheit
auch noch gezündet!«
J- Jrkmmu
Frau: »Was-je bat gekündigt-«
Manu: »Warum den-M
»Sie beklagt sich, Du hättest sie ge
stern durch's Telephon barsch ange
fchtieen.«
.D weh! Und ich dachte, das wärest
Du sen-ein'
Umwan- Glnck rrndörfdgf
Eine Tonitornödie von A l b e r t
B o r e e.
.E ander Geri. weeß Gott«, sagten
die poor Leidtrooenden, als sie ihren
Landsmann hinausgebrockt holten
nnd die Todkngräber die nasse- Erde
in dir Grube schon-selten »un hat doch
ooch for jed’s orrne Luder en Wes-Tro
fchen ihriq urbar-h no, und nodiers
lich. wenn eens ourn Theater gam. nu,
do war er ja glei auf-I Heiden-m den
bod er doch überhaupt nlei rurn Mid
daoessen eingeht-m Oädde schon noch
e Weilchen läb'n nennen. ower wos fo
merklich qude Leide sein, dir missen
eaol frieb fort, oder irqend so e MU
orr ousaernachter GsljenvooeL der
werd so alt wie Medusolrm Arm. ’5
is doch ooch wahr!«
Do das Wetter wieder einsetzte.
drückten die then Burschen ihre wi
derbooriyen Anaktröbren tiefer in die
Stirn, dirUrn die Brotenriicke mit den
knochiqen Fingern kromvhaft zu nnd
« steht-n mit tonaen Schritten heim.
Auf die fadenfcheiniqen Schirme troms
meZte der Regen.
Anton Reumann ichusterte sich,
gleich seinem Vater, ehrlich durchs Le
ben. In seinen Mußestunden san-; er
zweiten Paß im Getangoerein Apollo
lll'«. Nachdem er dergestalt zu den
Musen in nähere Beziehungen getreten
war. regte sich in ihm der Diana nach
Höherem und da er einige Fürsures
cber besaß. glückte es ihm, als Mit
glied des Königlichen Schauspielchors
beim Hoitheater anaeitellt zu werden.
Tsznit war sein Sehnen eriiillt: er
oünlte sich der Knopf aui Fort-»was
Mühe. ohne deshalb den Sohlen ihrer
Schuhe untreu zu werden: er ilickte
und riesterte im Nebenamt ileißia wei
ter.
Abends aber, wenn die Dämme
rung ihre Schleier spann. räumte er
alles sorgsam beiseite, that die Horn
brille ad. wart mit stolzem Schwung
den Haveloct um, bürstete den Rola
breter, den er für das nothwendigstes
Reauisit wahren Künstlerthurns hielt,.
und schritt dem Schauspielhause zu.i
Frau und Kinder blickten ihm in zärt
licher Ehrfurcht nach.
Die Nachbarn in der schmalenGasse
grüßten ihn voller hochachtung, und
Neumann nahm ihre huldigungen
wohlwollend entgegen, ohne zu ver
heimlichen, daß zwischen ihm und ih
nen denn doch ein kleiner Unterschied
sei. Nicht umsonst wimmelte er aus
der Bühne meist in der Umgebung ir
gend eines Machthabers herum, be
gleitete heute den Tyrannen Gebiet-.
half morgen die Feinde König Dein
richs in die Psanne hauen und mischte
übermorgen seinen ungesiigten Paß in
den Begeisterungsruh Es lebe derf
König Karl der Siebente!«
Die Wahrheit zu sagen, brachte
Neumann sür die Darstellung fürst
licher Granden und Begleiter oder
grimmiger Krieger nicht allzuviel mit.
Er war um haupteslange zu tlein ge
rathen. Zudem schienen seine kurzen
Beine immer unter ihm wegzulausen.
Desto grösser war der Kons, der wie«
ein ungeheurer Kürbis zwischen deni
Schultern saß, getrönt von eineml
Wald mausgrauer Haare. Zur schönen 1
Sommerzeit machte sich der lange Ge
hilse des hoftheater - Perückenmachers s
drüber her und schor das Dickicht mit;
der Millimetermaschine. Vierzehnj
Tage lang liei Neumann wie ein»
Striisling herum, der Kalabreseri
kutschte ihm über die Nase, dann aber.
begann es mächtig zu sprossen, und zu
der neuen Spielzeit Beginn war be
reits wieder eine stattliche Schonung
zur Stelle, die sich bis Weihnachten
zum gewohnten Urwald auswuchs.
Aus dem alten, wettersesten Antlitz
ragte eine gewaltige Nase weit in die
Welt hinein. Zmei Zahnbürsteln von
Brauen lagen wie schühende Simse
über den ernsthaften Augen, auch aus
den Ohren wuchs allerhand Strauch
weri, und jeden zweiten Tag, der nicht
Rasirtag war, teimten starre Stoppeln
um den wulstigen Mund, site welche
die mächtigen Backen unendlich viel
Glas boten.
Entgegen seinem Kindergemuth sah
unser Freund wie ein rechter Raubin
ter aus, und es bedurfte vieler
Schminle, um aus diesem vierschröti
gen Gesicht ein halbwegs liebenswür
digei Antlih zu gestalten, wie es lö
niglichen Begleitern und getreuen
Mannen so wohl ansteht· Das Be
merkenswertheste aber waren die
hande. Sie sahen aus wie Wasch
hölzer. Wenn er sie zu Fäusten ballte,
schien er in jeder hand eine Reisetasche
zu tragen; hob er sie aber huldigend
tin ihrer ganzen Größe empor, dann
entng er einen guten Theil der Bühne
dem Anblick des Publikums. sei sei
ner hochzeii hatte er sich nach Hand
schuhen umgethan, er mußte aber
schließlich barhönhig sich iopuliren
lassen, nachdem er maßloses Staunen
in allen handschuhgeschästen wachge
rufen hatte. Das waren überhaupt
keine hande, das waren Pranlen, wie
sie der starke han- sein eigen genannt
haben mochte.
Troß alledem genoß Neumann die
Gunst der Regisseuee in hohem Grade.
Er statirte stir drei, er wimmelie aus
der Bühne siir sechs. «
Die handlung der Stil-e nie aus
den sagen verlierend, nahm er einen
geradezu rührenden Antheil an dem
Szenengnng ließ den herrschen dem
er gerade diente und huldigte, nicht
ans den Augen und begleitete jedes
seiner Worte oder Thaten mit freudi
gem Kopfnicem mit leuchtenden
Blicken und einem wohlgefiilligen
Gransen aus der Tiefe der Magen-»
höhle. (
Man konnte sich auf ihn oerlassenn
aufs genaue Stichwort lam das vor
geschriebene Murmeln oder der« begei
fterte Jubelruf ebenso pünktlich wie
die Gebärde des Entsegens und das
ftaunende Augenaufreißen
Deshalb wurde er bei großenVallö
szenen, zu denen man die bewaffnete
Macht als Statiften heranzog, mitten
unter die Soldaten gesteckt. Da ver
oierfachte ersich. Wie ein Wiefel lief
er zwischen den langen Grenadieren
herum, sie anfeuernd, sie begeisternd
zu den Schlachten, in denen ja beson
ders Shaiespeare ein Erlleetliches lei
itetL Schild und Schwert aneinander
rafselnd und in allen Tonlagen wilde
Kriegsrufe ausstoßend bis schließlich
die Söldnerfchaaren feinem Beispiel
folgten und aufeinander losschlugen,
daß es eine Art hatte.
Und da geschah eines Tages das
Ungeheuerliche: Neumann wurde mit
einer Solorolle betraut! Der Traum
seines Daseins ging in Erfüllung; er
durfte am hoftheater aus dem allge
»meinen Gemurmel und Kriegsgeschrei
auftauchen in die höheren Regionen
der Kunst.
Viel mass ja nicht, was er sagen
sollte, aber gerade in der Beschränkung
sgeigt sich der Meister.
; Der Königliche Theaterdiener über
gab ihm feierlich ein blaues Heftchen,
das den Bermert trug: «Wilhelm
Tell. Ein alter Mann: Herr Neu
mann." Da stand: 1. Alt. Dritte
Szene. Oeffentlicher Platz bei Al
wis.
Frohnoogt:
Was murret ihr? Das ist ein schlech
tes Polt,
Zu nichts anftellig, als das Vieh zu
melten -
Und faul herumzuschlendern auf den
Bergen.
Das war das Stichwort, nun tarn
seine Rolle:
Alter Mann iruht aus):
Jch tann nicht mehr! —- —
Es war ein großer Tag, als Nen
mann heim iarn und die Rolle auf den
Tisch des hauies niedertegte.
Seiner Entma tarnen fait die Thra
nen, und die Kinderchen standen rnit
großen Augen da und blickten ehr
furchtsvoll auf den Vater. Nach dern
Essen hackten sie sich im Winkel zu
sammen und besprachen das Ereigniß.
Vater sollte was aussagen im Hof
theater, ganz allein. wie die großen
Schar-spielen von denen sie in der Zei
tung taten. Gott, wenn sie ihn da ie
den tönnten! Er würde gewiß sehr
schön ansichauem vielleicht anaeeban
mit einem rothen Mantel und Gold,
ein aroiies Schwert in der Hand. Va
ter war doch ein bedeutender Mann.
und wie qui war das. daß er aeeade
ihr Vater war.
Neumann aber machte sich ans Etu
dium. Zunächst aina ee im Braten
roet eusn Doktor im ersten Stock und
bat untertbiiniait um den T-Band des
Konveriationslerilon6. Dann las er
seiner Ernma vor. wet Tell eigentlich
war. Bei einer zweiten Visite tauichte
er das Lerilon aeaen den Schiller um
und dellamirte den aanzen Tell herun
ier, die Kinder in den Glauben ver
setzend, das-, er das Alles im Theater
auiiaaen sollte. Und zum Schluß
nahm er sich seine Rolle vor und stu
dirte. was darin stand: »Ich lann
nicht mehr!« auf tausend Weisen. Im
Tone des Jntriaantem des Helden und
des alten Avmödienvaters, jede ein
zelne Nuanee aeiärbt mit ieinetn hei
’tnatlilichen Dialett aus Großenhaim
’ »Ich aann nich mehr!« Seine Emma
stellte er als Froh-wogt die Kinder als
s Maueergefellen in die Stube und ver
7 arbeitete die Sache dramatisch. iiel auf
den Schulterichemel, der eine alte
Schiebetarre darftellte, ließ sich das
. Stichwort bringen und stöhnte: »Ich
L sann nich mehr!«
Heiliger Bewunderung voll staunten
ihn die Kinder an. Was aad es blon
alles auf der Welt! fern Hof spielten
sie nur noch Tell. Die irchsiiihriae
Auauite wankte aus das Hintertrepos
chen zu. ließ sich äwiend darauf nieder
und pieoite: »Ich aann nich mehr!«
Aus der kleinen Stube, die als
Werkstatt eingerichtet war, itieq ein
bliihender Traum empor voll Glorie
und ZukunftgakiicL Auf dieie Rolle
würden andere folgen. Ganz sachte,
Stufe um Stufe, würde er empor
klinnnen, die Leiter hinan zum Ruh
me, würde einer von denen werden, die
er bisher in itummer Ehrerbietuna an
aeitaunt. Und deshalb war er oon
ariißter Wichtiateit, daß er immer
aufs Neue dieie erkte Rolle durchnahrm
urn ei in höchster Vollendung heraus
zubringen, sein: »Ich nann nich
mehr!«
Aber her Menschen Wünsche lind ia
nicht dazu da, um erfüllt zu werden.
Zu einer entkehkichen Stunde brach
ten sie ihn getragen. Ein Auto hatte
ihn niederaeworsen, war ihm über den
Leib aeaanaew da er, aanz von seiner
Rolle erfüllt, in tiefern Sinnen den
Strahendamin überschritt. Der Arzt
karn rnit: es war nichts zu retten. Mit
gläsernen Augen starrte er auf Frau
kund ais-der .- wptue spreche-e da
quoll ein Blutiironr aus seinem Mun
s de. Dann laa er still ein paar Gelun
- den. schlug noch einmal die Blicke auf
und hauchte, launr hörbar: ,Jch —
aann —nicki — mehrt« Damit ver
schied er. —————————
Beim Marthenlranz hebt die Mut
ter ein blaues bestchen auf als heilig
stei: »Wilbelm Tell. Ein alter Mann
herr Neumann.«
Islckssso
Von Adlern die den Tod oon Köni
gen verkünden, erzählt der italienische
Hauptmann Basletta im »Fierarnos
ca«: Arn 1. August 1900 —- so liest
rnan dort —- war die Nachricht von
dem furchtbaren Verbrechen. das in
Monza begangen worden war, selbst
bis in die serniten Alpenthiiler gedrun
gen. Eine Abtheilung italienischer cLil
ueniäger, die sich auf rein Pian Pala
dino besand, sah gegen Mittag am
blauen Himmel einen großen Adler
sliegen, der seine Kreise immer niedri
aer Zog, bis er nur wenige Meter vorn
Laaer entfernt war. Die Soldaten
wollten auf ihn schießen: in dem Au
genblicke aber. in dem sie anlegten und
zielten. erschien eine alte Frau, oie
feierlich, wie ein Berageist, ausries:
»Schießet nicht: es ist der Aar, der
unseren todten Königen den Weg nach
Saoonen sei-at. damit sie sich zu ihren
Vätern versammeln lönnent« Der Ad
ler wurde nicht aetödteh er erhob sich
majeitiitisch wieder in die Lüfte und
flog in der That gen Frankreich hin.
Kein Oiiiiier und lein Soldat lachte.
als die alte Frau dann erzählte, daß
der Adler. der »Ainla«. wie sie ihn in
jener Alpenaeaend nennen, dort nur
beim Jede der Herren aus dem Hause
Savonen erscheint So habe sie ihn
auch gesehen, als aus Portugal die
Nachricht lam, daß Karl Albert dort
feinen Geist ausgehaucht habe; oer
.Aiila" habe einen mildenFlua gehabt,
als wenn er verwundet gewesen ·wäre,
Ullv ULDI aussale als weil-i n iiukzku
wollte: der hochheriige König sei ja
auch im fremden Lande gestorben, und
der Adler sei vielleicht von der langen
Reise müde gewesen. Beim Tode Mi
nig Viitor Emanuels sei der Adler wie
ein Pfeil und mit starkem Flügel
schlaa durch die Luft gezogen; er habe
aewusz daß et dein Geiste eines jagw
liebenden Königs daranziehex eines
König-, der nie seine Zeit verloren
habe. Jetzt ideim Tode König hum
bertsi war der Adler iur Sonne ent
voraeftiegen, und fein Flug gewährte
einen vräichtigen Anblick: mußte er
doch. daß er den Geist eines Märty
rero, der schon im himmel erwartet
wurde, begleite. So deutete die alte
Frau den Adlersan und sie zog sich
dann erst in ihre hätte zurück, als der
maiestätische Aar am fernen horizont
verschwunden war.
---..-.---—
site venerierten-re Uebensfchuus
wurde einer großen Anzahl Radfah
rer zutheil. die in einem tleinen Dorfe
im Mannsfeldifchen einem Voltsfeste
deiwvhnten. Das Fest hatte sv viele
Fremde und insbesondere Radfahrer
herbeigeloctt, daß ein Wirth eine be
sondere Aufbeivahrungsftelle fiir Mi
der einrichtete. Das Ungliiit wollte
es nun, daß eine alte Garderabenfrau
den Auftrag erhielt, die Fahrräder
anzunehmen und auf sie auszuvassen.
Mit Kontrollnuininern und Naveln
versehen nahm sie die Räder in Em
pfang. Nun hieß es für sie, wo die
Nummer anstecken? Nach einigem
Ueberlegen tam ihr ein Gedanke, den
sie auch sogleich verwirklichtr. Der
Gunimi der «Radiniintel" mußte ja
geradezu zur Befestigung der Num
mern herausfordernl Wohl mochte
sie ein eigenthiimliches Zischen etwas
stutzig machen, doch vielleicht mußte
das so sein. Als die Radfahrer spät
Abends ihre Fahrriider in Empfang
nehmen wollten und die alte Frau sie
treuherzig zu den Rädern führte, eva
ren alle im ersten Augenblick starr vor
Schreck, um dann gegen die arme
Frau die heftigsten Verwünschungen
auszustofien Schließlich legte sich die
Wuth, und man ging schweren her
zens daran, die Räder wieder zu
fliaen, um danii um eine Erfahrung
reicher nach Hause zurückzukehren.
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Hund and Kast
. A ,-I
Warum nur unser hude den Stu
diofus so suchst-at Inbellt?«
»Hm, fehl einfach, der führt ja ge
rade feinen »Natu« spazieren-"
—
Ins der cchnlr.
Lehm: »Weder kommt es, daß vie
Pelor-tacht viele Wochen dauert?«
Schüler: »Weil so lang net Tag
with» -