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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (Sept. 17, 1909)
Der verschollene Sohn Roman von M. Betzhold (10. Fortsetzung) 9. «Wohiauf. noch getrunken den funkeln den Wein! Ade nun, ihr Liebestr. geschieden Muß ein! Ade nun, ihr Berge. du väterlich-Hauses Es treibst in die Ferne mich mächtig hinaus. ! Judivallera, judivallera, judivallerai lern, Indivalliera, judivallera, judivallew lernt« Die Familie Riedel hatte sich schon bei den ersten Klängen dieses kräfti nen Burschen - Gelanaef von ihren Sinen erhoben, sie sisnd an der Ter rassenmauer und harrt-e der Sänger, die im nächsten Augenblick sichtbar werden mußten. »Das ist mein Jatöbche mit feinen ,Comtllitionen’,« wandte Riedel sich zu dem Doktor Winter. und aus jedem Zuge seines Gesichtes leuchtete freudi ger Stolz, .so melden sie sich immer an, wenn sie den Pwa Riedel be satt-Denk Bruno Winter trat ietzt auch lang sam an die Mauer, er hatte schon oft den·Wunich qeäußert. den Bruder Eu geneens kennen zu lernen, nnd jetzt durfte er doch nicht zeigen, daß dieser Wunsch nichts weiter als eine höfliche Redensart gewesen war! Bier Studenten mit breiten Tore-s bjindern auf der Brust und dem win sig kleinen, goldgestickten Käppchen auf dem Haupt kamen mit hellem fröhlichem Gesange den Wen berauH ihnen folgte ein elegant gelleideter Betr. der an ledernem Riemen eine kleine Geldtaiche und über dem Arm einen Plaid trua. Allen voraus schritt eine hohe träf tiae Gestalt mit wallendem Haar Jnd rothblonsdein Vollbart. das Urbild ei nes bemoosten Hauptes-. Jakob RiedeL der nun schon im zehnten Semester «Fillerlr-aie« ftudirte und bis zmn heutiaen Taae noch nicht daran ge dacht hatte, daß dieses Studium end lich mit einem Examen zum Abschluß gebracht werden müsse Bor der Terraffe machten sie Halt, ein kräftig-es »Vivat!« begrüßte die· Denkenden, dann zog die tleine Schaar durch das Gittertbor in den Garten nnd auch ver fremde Herr folgte ih nen. Bruno Winter hatte beim Anblick dieses Fremden die Lippen seft auf einander gepreßt, ein böser Zug um znckte seine Mundwinlel aber Nie iirrt-nnd achtete in diesem Moment aus n. Papa Riedel erwartete rnit stolz er hobenem Haupt feine Gäste, siir ihn war solcher Besuch stets ein Fest« moch te die Vresche auch noch so aroß fein. die dieses Fest in seinem Weinleller dinterliefz. .Da sind wir wieder«, sagte das Jatöbckten mit tiefer Baßsiirnme, in dem es seinem Vater die Hand drückte, daß dieser schmerzhaft das Gesicht verwa, .es zogen fünf Burschen wohl Tiber den Rhein. das beißt eigentlich( nur vier. der fünfte ift ein Philister, aber ein fideles Haus. —- Herr Wer ner Felsina«, stellte er darauf den vFremden vor, der verlegen an den4 Spitzen seines blonden Schnurrbartsl drehte. «Wtenet Blut und« wie gesagtJ ein fideleö haus. Wir lernten uns auf dem Damvfboote kennen, und da ers auch hier aussteigen wollte habe ich ihn eingeladenX «Jch muß tausendmal Um Entschul digung bitten«, nahm Felsing das Wort, aber Riedel ließ ihn nicht wei ter kommen, er schüttelte ihm dies-nnd und ertliirte es sei ihm eine ganz be sondere Ehre, die Gäste feines Sohnes in feiner Villia« zu empianaen Dann stellte Papa Riedel feine Da men und den Doktor Brutto Winter vor und er war nicht wenig über rascht, als der Doktor jeht auf Fel fing zufchritt und ihn wie einen alten lieben Freund mit herzlichen Worten begrüßte. »Wir lernten uns in Wien tennen«, fM Wintey als der Fabrikant seiner Ueberraschung Worte lieh, und wenn auch das Lächeln, mit dem er diese Erklärung hegleitete, mehr gezwungen ali·auirichtia schien. so that das der scheinbaren Aufrichtigkeit feiner Worte doch keinen Abbruch, und außer Eu genise hatte Niemand ei bemerkt. »Ur-, ietzt laß mal was voriahrenT : lief das Iatöbchen nachdem die ganze Mich-sit lich an dem Tisch nieder kaput hatt-. »wir haben Durst wie Optik-Muther Ichthyoiauruö!« « Irr kleine korpulente Herr Mittel Ist-ed das Vauvt und sah dabei sti- mit sinwa Ve »Was ist denn das für ein Thier?« fragte et. »Ach mö, Alter, zerbrich Dir den Kopf nicht Aber die Bestim, die vor der Sündflvtb ynfete Erde unsicher mail-i hohem sondern steige in die umerikdifche Bibliothek und Zaß einige Dutzend Winde in Gestalt bestaubtetx Massen verfahreu!« E siedet warf einen raschen, verstohle Its W auf die Studenten, die sich giftig betrübtem vor den Damen ihre VI Muswskdiateit zu entfalten, « M et. nwi ist-net lächelt-di «1 irnit der band über sein rothes, strah " lendes Antlin »Da werd’ ich wohl wieder ein Börolrben doliren müssen«, sagte er scherzend «Ob Du die Botole polirt oder un polirt vorfädrst, ist uns furchter aleichailtia. wenn Du nur überhaupt sie donirst«, erwiderte das Jatöbchklb »aber ich bitte Dich inständing fo rasch wie möglich fiir trinlbaren Stoff zu foraen, denn uns Allen klebt diel Zunae akn Gaumen. Riedel nickte ilnn freundlich zu nnd eilte von dannen und jetzt destete das Jatöbchen die tiefblauen Auaen mit frrschendeni Blick auf den Doktor Winter, der sich mit Felsan über die Wiener Gesellschaft unterhielt. Wenn man dem wechselnden Aus druck seiner Ziiae glauben wollte.- so gefiel ibtn dieses braune Gesicht nicht« das schien auch der bedeutsame Blick zu sagen, den er seiner hübschen Schwester zuwari die ebenfalls ver stohlen und scheinbar in absichtsloser Unbefangenheit die Beiden beobachtete Aber er war auch zu leichtlcbig, um an diesem Antlitz tiefere Studien zu machen. was liimmerte idn der Frem de, mir dein er deute einmal nnd dann vielleicht nie wieder in Berührung lam! Der alte Herr kam auch schon bald zurück und das Dienstmädchen, das ibm folgte, trug in der einen Hand ei nen reich aefiillten Flaschentorb und in der andern ein Präsentirbrett voll Gläser, zwischen denen einiae Bündel Ciaarren laaen: fest batte das Jakob eben natürlich keine Zeit mein-, feine Aufmertsarnteit anderen Dingen zu widmen. Und als den Flaschen bald darauf die aefiillte Von-le folgte, wurde die Fröhlichkeit der jungen, lehenslustigen Zecher immer ausgelassenen in die Papa Riedel aus vollem Herzen ein stimmte. Mancher Trintspruch wurde ausge: bracht, manches Lied aesunaen und Papa Riedel hatte vollauf zu thun, die stets leeren Gläser immer wieder zu füllen. Bruno Winter und Felsina nahmen an dieser ausgelassenen heiterteit nicht Theil, sie tranken langsam und lehnten häufig die Aufforderung das Glas zu leeren, ab. Es schien ihnen bald klar zu werden, daß sie in diesen heiseren Kreis nicht paßten und für die sröty lichen Zecher selbst in gewisser Be ziehung ein störendes Element waren. So machte denn auch Niemand den Versuch, sie zurückzuhalten als sie sich erhoben, um Abschied zwhmem selbst Papa Riedel nicht, der sonst so un aern einen Gast scheiden sah; er er klärte sich zufrieden, ais sie ihm nach einigem Drangen das Versprechen ga ben, am nächsten Tage ihren Besuch wiederholen zu wollen. Felsina hina sein Reiietäschchen über die Schulter und nahm den Plaid auf den Arm. »W-) loairen Sie?« sraate er seinen Begleiter, als sie die Ban verlassen hatten, und es laa nichts weniaer alss freundschaftliche Zuneiguna in dem Tone, den er anschlag. s »Beal:sichtiaen Sie, längere Zeit( hier zu bleiben?« erwiderte Winter b»Das hängt von den Verhältnissen a .« .Sie gehen mir eine ausweichende Antwort, muß ich daraus entnehmen, daß Sie mit seindlichen Absichten hier her aetommen sind?« »Warten Sie, bis wir im hotelI sind, dann werde ich Ihnen offen und säh-le Rückhalt antworten«, sagte Fel-« na. Bruno Winter schwiea, aber er schlug mit seinem Stock so heftig in »die niederhiinaenden Zweige einer Linde, daß seinem Begleiter dieses unvertennbare Zeichen innerer Er reguna nicht entaehen konnte. »Kann ich in Ihrem hotel noch ein Zimmer haben?« fraate Felsina nach einer Weile. .Ohne Zweifel.« ,Gut, so werde ich dort wohnen.« »Um in meiner Nähe zu keins-» »Ich habe keinen Grund, das zu leuanen.« «Und was bezwecken Sie dadurch?« »Sie könnten et etkathen Indes fen schon der Umstand, daß ich mich hier einmietben will, mußi anen be weisen. daß Sie einstweilen das Schlimmste noch nicht zu befürchten haben. Sie scheinen mit der Familie des Studenten schon seht befreundet zu sein, wollen Sie biet dieselbe Ko mödie spielen -—-« «Felsing!« fuhr der Doktor auf» »Sie baden kein Recht, mit aus jener» Komödie. wie Sie es nennen, einen Vorwurf zu machen, im Geaentbeil—« «Lassen wir das fett, wie tonimen späten darauf zurück. Ich Stätte Sie eher im Hause des Generalö v. Stein thal gesucht, es scheint, Sie haben den Dank nicht geerntet, den Sie erwarte -ten.· .Etiparen Sie sich fruchtlose Ver mnthnnaen·, spottete Winter, »in der Pisa des Generali bin ich person-« sein« und wenn Sie ei wünschen, werde ich ei Ihnen bewisen. Uebrigens sollten Sie nicht von dein Einen di rekt ans das Andere schließen und das im te weist-en weil ich Ihnen damals offen und oertrauensvotl die Verhält nisse aus einander sente, die mir nicht gestattetern mein Wort einzuiösen.« »Sie vergessen die Hauptsache — Fekieå bier find wir wobl vor dein Do Der Doktor nickte zustimmend, sie traten hinein· uns Herr August Fol ler war natürlich sofort bereit, dem neuen Gast ein bübsches Zimmer an zuweisen. Das Zimmer lag an der Rheinseite, der Küble weaen waren die Fenster ge öffnet. e’feli"ina schloß see nnd deutete auf einen Stuhl. »Nehmet: Sie Platz«, saate er, »ich balte es file das Beste, daß wir schon in der eritenStunde uns über unsere geaenseitiae Stelluna zu einander klar werden. Als Sie damals nach Wien kamen und ich Sie im Caie kennen lernte, bielt ich Sie fiir einen Mann von Ehre und Charakter, und ich trug deshalb kein Bedenken. Sie in den kleinen Kreis meiner Familie einzu führen. Meine Mutter und meine Schwester wußten Sie durch Jbr aal alattes Wesen rasch zu gewinnen, hätte mein Vater noch aelebt, so würde er Sie vielleicht aleich durch fchaut haben und uns wäre dadurch viel Trübes erspart aeblieben.« «Sie urtheilen einzia nnd allein von Ihrem Standpunkte aus —« Können Sie verlanaen, daß ich ob jektiv bleiben soll?. Es überraschte mich allerdings, als Sie schon so bald um die Hand meiner Schwester war ten. aber weil ich Sie fiir einen Eb renmann hielt, fand ich nichts dagegen einzuwenden. Meine Mutter sah in anen den künftigen Schwiegersobn und alaubte ihm die Verwaltung ilms kleinen Vermöaens anvertrauen zu dürfen. Viel war es freilich nicht, aber der Schweiß meines Vaters hing an diesen Ersparnissen, Sie wußten ras. Sie wußten auch, daß meine Mutter außer ihrer lleinen Pension nichts weiter besaß. als die Werthpai viere. die sie Ihnen einhändiatr. Sie hatten ihr versprochen, dieses kleine Kapital hinnen kurter Zeit zu verdop peln. und die alte Frau glaubte Jhs nen, selbst ich vertraute ani den Erfolg Jhres Projektz. das Sie als ganz un fehlbar zu schildern wußten.« »Sie sind wenigstens so ehrlich, ein zuaeitehem das-. Sie selbst der Bethei liauna an diesem Projekt ziiaestiinmt kahen'·, saate Winter mit gering schätzendem Achielzucken »Nun wohl, wenn man durch Spelulationen an der Börse sein Vermöan vermehren wilL so muß man andererseits auch auf Verluste aefaßt sein, es ist eben ein busrdsviel wie jedes andere. Und es war nicht meine Schuld, daß wir dieses Spiel und mit ihm Alles ver loren, mir hat das Aetaer und Sok aenua bereitet.« Ein verächtlich-es Lächeln glitt iider das dlasse Antlis Felsing’s. .Und dann nahmen Sie Ihr Wort zurück, das Sie meiner Schwester ver viiindet hatten'. fuhr er fort, »das srevelhaite Spiel war siir Sie been det —" « .Erlauben Sie, nicht der Verlust des kleinen Vermögens war es. pas mich Zu dem Bruch zwang. Sie wis sen selhst, daß Ihre Schwester nicht mit mir harmonirte, meine Anschau ungen waren nicht die ihrigen, und vorzüglich ihre Veraniigungösucht mußte —« f ..Schma·hen Sie meine Schwesterr nicht!" unterbrach Felsina ihn zornig. »Wir wollen iiber die Gründe« die Sie zu dem Bruch bewoaen haben, nicht streiten, Sie haben damals schon ver sucht, sich zu rechtfertigen, aber es ist Ihnen nicht aelunaen, weder bei mir, noch bei meinen Angehörigen Und dennoch haben wir über diesen Bruch tein Wort des Kummers verloren, es wurde uns tlar, das-i Marie an Jhrer Seite niemals glücklich geworden mä-: re, und unsere bisherige Zuneiauna verwandelte sich in Hinrichtuan Bruno Winter hatte eine Cigarre angezündet« mit fcheinbarem Gleich muth blickte er den blauen Stauden-bli chen nach. die in phantastischen For men zur Zimmerdecke emporstieaem «Sind Sie hierher gekommen, um nur das zu saaen?« fragte er spbttisch Deshalb allein nicht. Der Verlust des ileinen Kapitals und die übrigen herben Erfahrungen warfen meine Mutter auf das Kranienlager, sie er laa schon nach wenian Tagen einem bösartigen Nervenfieber.« .Das thut mir herzlich leid —« «Berschonen Sie mich mit hohlen Phrasen, ich maa sie aus Ihrem Munde am wenigsten hören. Meine Schwester ist als Gesellschafterin mit einer Familie nach England gereift, nachdem ich auch sie versorat wußte, faßte ich den Entschluß. Sie auszu suchen.« »Ja welchem Zweck-i« »Um Sie zu zwingen, den Raub herauszugeben « Sind Sie wahnsinnig?« sagte der Doktor höhnisch »Jn slsifrern Inte resse und mit Ihrer Zust stimmuna habe ich das kleine Kapital an der Börse gewagt —« »Sie werden mir wohl gestatten müssen diese Behauptuna alt eine . Liiae zu bezeichnenc unterbrach ihn Felsina mit schuksei Betonung, »ich tann Ihnen beweisen, dass Sie reinen I Kreuzer dieses Kapitals an der Börse Wiss VAW « Pruno Winter äuttkückdiikchäeasulä zu antmen nezvneu U guckte aus seinen Men. « »Wie könnten Sie das beweise-IF erwiderte er. den höhnischen Ton hei behsltend. M Sie alle Diejeni aes al- aen verführenHeu sit-J an der e eierrieht gesehen Mklfeheu Weiden Geschiiftem so wurden Sie wissen. daß Privatpersonen sich dazu der Ber mitteluna eines Maklers bedienen.« aMinnen Sie Ihren Vermittler mir nennen?" »Gewiß, aber ich lann nicht aner kennen, daß ich dazu verpflichtet sein ioll.« »Ich wußte, daß Sie mir auswei chen würden'. saate Felsina achsel guckend. Ach habe den Beweis, daß Sie erst kurz vor Ihrer Abreise oon Wien. also nach dem vollzogenen Bruch mit meiner Schwester, die Wettbew oiere. welche meine Mutter Ihnen an vertraut datte. verkauft und aeaen deutsches Gold umgewechselt baben.« · Der Doktor hatte sich rasch von ser nem Sih erhoben, diese direkte An tlaae schien er nicht erwartet zu ba den. - »Ich kann das nur als eine- Un wahrheit bezeichnen, und es wird Ih nen nicht möglich sein« diese Behaup tuna zu beweisen'. sagte er. »Ueber: dies widerstrebt es mir auch, wegen der unbedeutenden Summe rnit Ih nen zu streiten. und trondern ich in teiner Weise dazu verpflichtet bin, würde ich sie Ihnen augenblicklich zu rückgeben, wenn ich in der angeneh men Lage wäre. das zu können. Jch befinde mich. offen gesagt, selbst in einioer Verlegenheit, schon daraus müßten Sie entnehmen, daß meine Taschen nicht gefüllt waren, als ich Wien oerliess.« Felsina nickte ruhig bei den Wor ten Winier’s. die seine Bereitwilligkeit ausdrückten, das ibm einst anvertraute Kapital zurückzuzahlem mit Umstapr als hätte er saaen wollen, ihm bliebe auch nichts anderes iibrig. »Und wann werden Sie das Geld zurückerstatten tönneni« fragte er dann kalt »Ich weiss es nicht —« »Der General wird es Ihnen ge ben, er schuldet Ihnen Dank sitt die Pflege seines Schneck »Ist-lieu Sie mir zumuthem Be rahluna siir die Dienste zu fordern, die ich einem unaliieilichen Freunde geleistet habet« fuhr Winter au . »Und glauben Sie, daß der General mir dreitausend Gulden mir nichts dir nichts auszahlen wurde? Sie müssen sich aeduldem sobald ich in der La e bin. werde ich Ihnen das Geld sak len, aber wann dies geschehen wir , vermag ich Ihnen heute noch nicht mit Sicherheit zu sagen." Die Lippen Felsing’s nmznckte ein iranisches Lächeln. »Sie hoffen durch eine Heirath Init Fräulein Riedel in diese angenehme Lage zu kommen-P sraate er. »Und wenn ich nun wirklich diese Hoffnung bei-trit« »So könnte ich mich veranlaßt se hen, die Dame iiber Ihre Vergangen heit autzutläreni« »Sie werden das nicht thun«, er widerte Winter tiilil, »Ihr eigenes Jn teretse verbietet es Ihnen. Aus eige nem Antriebe will ich Ihnen das Geld zurückzablem und das tann ich nur dann. wenn es mir gelingt, eine var tdeildafte heiratlp zu machen.« .Eine Heirath, durch nelche ein araloies Mädchen um das Glück sei nes ganzen Lebens betrogen wird!'· »Mit welchem Recht können Sie das behaupten? —- Bin ich deshalb schlecht, weil ich meine erste Verlobung aus schwerwieaenden Gründen wieder gelöst habet Ich muß Sie ernstlich ersuchen, Alles zu vermeiden, was mir Hindernisse schasfen und meine Pläne durchtreuzen könnte. So sehr Sie mich auch hassen mögen. haben Sie doch kein Recht, mich zu oerleumden und meinen jetzigen und früheren handlunaen Motive unterzulegem an die ich selbst nicht aedacht habe. Nach diesen Auseinandersetzungen werden Sie wohl zugeben, daß Sie nichts Besseres thun tönnen, als morgen wieder abzureisen —" , b wfNicht doch, ich werde hier blei en.« »Bis ich Ihnen das Geld gezahlt habe?« »Ja, so lange«, nickte Felfing »Ich habe meine letzte Hoffnung auf das Geld gesetzt und lann schon deshalb nicht auf dasselbe verzichten« «Besihen Sie aeniigende Mittel fiir einen längeren Aufenthalt an diesem Orte?« fragte Winter sartastiieh.(l »Am Rhein ift das Leber thener ——« » »Wenn meine Mittel nicht mehr ausreichen, dann werden Sie die Ko sten fiir mich zahlen« aUnd wenni ch selbft nichts habet« »Dafiir gu sorgen überlasse ich Ih nen«, sagte Felfing mit gemessener Ruhe. .Sollten Sie aber Jhren Ver pflichtungen fich entziehen wollen, so werde ich sofort —« «Ve«rschonen Sie mich mit Drohun gen, ich fürchte lie nicht«, unterbrach Winter ihn trohia »Ich verspreche Ihnen nichts, aber je nachdem die Dinge sich aestalten, will ich Ihnen das Geld geben, darf ich bis dahin auf friedliche Gesinnungen Jheerfeits neni« xj »Ja, das heißt so lange, ais ch den Glauben hegen kann, daß Sie mich » nicht noch einmal betrltgen werden. Pech verlange o Ihnen, daß Sie mich in alle Kreise einführen. zu de nen Sie Zutritt haben, damit ich Sie beobachten und unausgefeht im Auge behalten kann. Ich werde J e Pläne nicht pur-strengem so lange «ie nichts unternehmen, was meine eigenen In teressen zu schädigen droht, im Uebri gen will ich mir den Unfchein geben« als ob ich mit Ahnen befreundet sei. as km schwe- fene diese neue einem Manne aegeniibee durchzuführen den man verachtet. aber ich w ll mich he mssph ice so in spielen- du Rie mand derbes-i sei-Spit- ich« n ja durch die Verhältnisse dazu gezwun geth« Bruno Winter wanderte langsam aus und nieder, auch in seinem Jnnernl schien es ruhiger aeworden zu sein die siederhaite Erregung war verschwun den wenn auch aus seinen hlitzendens Augen noch immer glühender Haßl leuchtete. i »Wenn Sie llua sind können Sirt hier Ihr Glück Lachen« sagte er nach einer Pause, «der General ist ein rei cher Mann und hat eine schöne Toch ter gelingt es Ihnen Herz und band dieser jungen Dame zu erobern so——««j »Ich resleltire nicht daraus!« Sie werden vielleicht andere spre chen, wenn Sie die Dirne tennen ge lernt habenk »Schtverlich«!« Was tönnte ich deej reichen Dame hietnl Ich bin ein ar mer Teufel ich bade weder Standj noch Namen: die Antwort, welche ich erhalten würde, wenn ich es wagens wollte, um die Hand dieser Dame zu werben. kann ich voraussehen.« »Und woraui wollen Sie Ihre Zu lunst grittiden?" »Aus die tleine Summe. die Sie mir schulden Sie wissen ietzt, woran Sie sind und werden so vernünftig sein sich meinen Bedingungen qu sü- j gen, nur in diesem Falle schweige ich iider die Vergangenheit, wenn ich Ih nen auch niemals das Unglück, das Sie ilber uns gebracht haben. vergeben ann." Winter erwiderte daraus lein Wort, er guckte nur die Achseln als ob ee sa aen wolle, er werde so handeln, wie ess ihm gutdunle, dann verließ er dass Zimmer, um aus der Veranda über diese unerwartete Beaegnung und de ren Folgen nachzudenken. Schon in der ersten Viertelstunde gesellte lich der Rentnee Göener zu ihm, um ihn über den Fremden aus zusorschem der mit den Studenten gesj kommen und jest inder Sonne abge I l stiegen war. Bruno Winter tonnte feinen Aerger iiber diese Störung nur schlecht ver hehlen, die Neugier Görner’s war ihm ost lästia gefallen, aber er durste auch den Fragen nicht ausweichen, konnte er doch nicht w"isen, in welche Bezie hungen Felsina ipiiter zu dem Nentrierl trat. Ueberdies war Justug Görner! die geeignete Person, durch die mani allen etwaiaen Verdachtiaunqen von; Seiten Felsina’s vorbeugen tonnte. - So berichtete er ibrn denn, daß! Werner Felsing ein vermögenrerMann; sei. dessen Vater in Wien eine habet einflußreiche Stelluna einnek-me. Erj selbst sei rnit diesen herin sehr eng« beitrundet, ratbe aber Keinem, ibms rnit neuaieriqen Fragen lästig zu fal len« denn Felsina sei nicht nur miß-’ trauiich. sondern auch rasch mit einer derben Antwort bei der Hand. Julius Görner war rnit dieser Aus tunit teinesweas zufrieden. aber da der Doktor nicht aeneiat schien. wei tere Fragen zu beantworten, so schwieai er, vielleicht bot sich später eine bessere« Geleaenheit zur Befriedigung seiner; Neugier. , i Mortießuna solat.) s sum-, die Hausfrau Es ist nicht zum ersten male der Fall, daß der weltabgelegene Fe stungsplay Melan zu Europas Sor gentind wird. Seit Jahrhunderten wird um diesen Ort zwischen Spa niern und Marollanern gelömpst, und erst vor anderthalb Jahrzehn ten mußte das Kabinett Sagasta gegen die Rislabvlen einen gleich unseligen und hoffnungslosen Krieg inszenieren, wie heute das Kabinett Mai-ra. Zum Schlusse haben sich die Spanier nach Opferuna ganzerArmeen noch immer behauptet, aber Vortheile und Ersilge dauerten nie, und immer von neuem loderte der Maroltaner Daß gegen die Spanier aus« und er wird nicht enden, so lange die Spanier vie sogenannten Prefsdioö — die vier Festungen Ceuta, Penon da Beleg, Al cuhemas und Melilla s-— aus man-kla uischern Boden halten wollen. - iese Festungen sind eine svridauernde ro Oolatiom eine unversieglicheQuelle von Rachegier, eine immer neu erwachende und zündende Erinnerung an die Ver treibung der Mauren aus Spanien, aus jenem Lande« von dem der am bische Schriftsteller an Chaldun in seiner Geschichte der Berber voll Weh ; math, Stolz und schmerzhaft süßerEr innerung sagt: »Dieses Land war der Schauplah unserer heiligsten Kämpfe, einMiirthrerseld und einEingangsthor zur ewigen Seit leit siir die tapseren mozlernischen Nr eger.·« f Die vier spanischen Festungen aus maroilanischern Boden haben mehr als alles andere dazu beigetragen, im Her Ien der Mauren die Sehnsucht nach ihrem andalusischen Paradiese wach zuhalten und in ihnen die Hoffnung nicht sterben zu lassen, daß sie durch einen Krieg das alie, schöne Reich zu rückerobern könnten. Vor einem hal ben Jahrhundert machten sie erst den letzten großen Versuch. Die Errich tung von Besestigungen um Ceuta, die die Spanier 1858 unternahmen, gaben »dem nnnvohnenden Stamm der An ghere Veranlassung zu seindlichen De monstrationen, die schließlich zu ei nem Maurenlrieg sich entwickelten Um 22. Oktober 1859 mußte der spa nische General D’Donnell mit 40,000 Mann Fußvoll, 2000 Mann Kavalie rie und 150 Geschüsen den bedrohten spanischen Pr dios zu hilse eilen. Ein halbes Ja r dauerten die Kämpse — und was war das Ende? Marol o sollte 20 Millionen Piasler Kriegs entschildignng zahlen! Spanien hatte Fdaö Zwanzigfache ausg ben. Zehn ltansende seiner Söhne Mgeopfert — fund es betam doch nicht einen Piaster, lnnd Ruhe herrschte seither nicht mehr. jStatt der offenen indseligteiten gab es fortan ununter rochen hinter listige Ueberfälle. Besonders um die Festung Melan toneentrirten sich die Mönipfe seit fünfzig ahren. Melan ist das a te Rusadir, das don den Karthagern gegründet wur de und später in römischen Besih kam. st fünften christlichen Jahrhundert war hier ein weitberiihmter Bischofs !iß. Als die mozlemischen Araber I ch des» Playes bemächtigt hatten, verwandelten sie den Namen Rusadir in Melela, Honigstadt; nach Lea Afrieanus war ja die Gegend allerd her wegen ihres Honigreichthums be kannt. 1496 eroberte der spanighe Herzog von Medina-Sidonia die e stung« und aus dem arabischen Mele la ward das spanische Melilla. Von dem alten Glanz der arabischen Epo che war aber nichts übrig geblieben Die Spanier überstelen damals Me lela so unerwartet, daß die Mauren teine Zeit fanden zur Vertheidigungz aber da sie flüchten mußten, setzten sie den blühenden Ort an allen Ecken n Brand, um den Feinden nichts zu rückzulasfen als einen Trümmerhau fen. Die Spanier bauten die Stadt selbst nur nothdiirftig wieder auf»er richteten da egen großartige fFo stu.gsbauten, ie den Marvttanern so sehr importiren, daß sie sagen: «Me lilla ist gleich einer aus dem Meere emportauchenden Niesenschildtröte, die mit ihrem Festungspanzer unserer Angriffe bisher gespottet hat.« Melilla ist mit dem afrilanischen Festlande nur durch eine ganz schmale andzunge verbunden, bildet also fast eine Jnsel. Nur etwa dreitansend, durchweas spanische Einwohner bilden die Bevölkerung. Melilla ist das sdai nische Sachalin: die Jnsel der Ver bannten. Aber auch die, die hier als Wächter der Deporiirten oder als Soldaten leben« sind nichts anderes als unglückliche Gefangene. Sie dür sen sich nicht iiber den schmalen Jsths mus binauswagen der Melilla mit Astila verbindet, aus Furcht vor den Kabylem Ein Schritt vor die Stadt —- und ein Uebersall ist geschehen. Solch ein Uebersall war vor andert halb Jahrzehnten Anlaß zu einem Krieg. Damals mußten nicht weni ger als 20,000 Mann Spanier ausge boten werden, um die Kabylen in Schach zu halten; und viele tapfere Söhne Andalusiens verbluteten sich in den unriibmlichen Kämpfen, darunter die tüchtigsten Osiiziere und Gedral Margallo, der Militiirgouverneur von zMelillm » Die Spanier begingen stets den Fehler, den Gegner zu unterschäden »Die Kabylen beginnen einen Klein lrieg mit wenigen hundert Mann und verlocken dadurch die Feinde zu schwa cher Abwehr. Aber buchstäblich iiber Nacht ersteht dann ein Kabylepheer von 50,000 Mann und wächst auf 100,000 Mann und endlos. Die Zahl der Kabylen ist jedem Fremden völlig undelannt. Aus räthselbastenSchlupf winleln brechen bewassnete Schaaren hervor, iider die niemand Macht bat, die niemandem Tribut zahlen, die nur von Raub und Mord leben. Es ist ein Boll, wie geboren zum Räuber bandwerl. Der Blick der Männer ist sinster und drohend, der schlanke, selp nige Körper trotzt allen Mühen und Gefahren. Und dann dieses Terrain, dieseg wilde Nisgebirge! Hier ragen schwarze Felstanten hervor, deren düstere Schatten geheimnißvolle Schluchten bedecken; dort wieder er hebt sich ein Bergrücken, aus dem Mil lionen von Baumkronen gen Himmel streben. Nie hat eines tfuropäers Fuß sich hierher verirrt, nur der Idol le vermag sich in dieser Wildniß sicger und gesahrloö zu bewegen. Manchmal thut sich ein schsnales, grünschimmern des Hochthal aus, aus dem bald das Dickicht der Olivenhaine, bald das weiße Dörfchen eines Kabylenstammes schimmert. Am Meere entlang endlich sieht man allenthalben die zertliisteten, altberiichtigten Buchten der Seeräu ber, jene unheimliche Zusiuchtsstätten der Piraten, die seit urdentlichen Zei ten bis in die jüngste Gegenwart der Schrecken aller Mittelmeersahrer wa ren; hier leben die leßten der Kor saren. Jn diesem Lande und mit solchen Gegnern hat heute Spanien den Strauß zu bestehen, der ihm teine Lor beeren, nur Leiden bringen muß. Sein ärgster Feind aber ist der religiöse Fa natismus, der durch die überraschenden Triumphe der Mauren erweckt wurde. Hunderttausende Mosiems santen einst aus den Schlachtfeldern von Za lata, las Nadai de Tolosa, Alarcos freudig überzeugt, daß die Theilnahme an dem Kriege gegen die Christen ih nen Mahammeds Paradies sichern Hunderttausende Mauren ziehen heute iå den Krieg sitt das gleiche Ideal. ag ein Sti lstand in den Kämper eintreten —- enden können sie nicht, so lange ein Spanier aus maurischem Boden gebietet. Wahrlager ziehen von ;Ort zu Ort, und die Schlüssel zu den lThoren der Städte Cordoba und Granada werden als lockende Ver heißungen dem siegs- und tritts truntenen Kabdlenvolle gezeigt. Flte Spanier und Mauren ist in Marotto Z- gleicher Zeit tein Raum. Erst nn wird Friede und Ruhe herrschen. wenn aus Melilla, der honigstadt, ei ne Stadt des Blutes und des Todes geworden sein wird. Leonhard Stern· N