Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, August 20, 1909, Zweiter Theil, Image 10

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    .-··.« itjsjUUUOOOOUOO -uf MOIEWITCXJÆF s IYZC i Z Z 07 HO
g-;
Was die Nacht verbarg. «
Roman von E. P. Oppeuheim.
(12. Fortiehung)
Ihre große Aufregung war so un
tertennbar. daß Heinz unwillkürlich
itsdrn blieb und fragte: »Was ist
Mai — Jsi Ihnen etwas gesche
Daö Mädchen hatte offenbar Ver
trauen zu dem eleganten Befucher ih
rer Herrschaft gefaßt der mit Trint
geldern nicht gespart hatte, denn sie
zögerte nicht, ihm Auskunft zu geben -
«Gefchehen ift mir gerade nichts« iag ;
te sie. Aber foll ich mich nicht ärgern -
wenn man mich so — fo unverschämt;
über meine Herrschaft auszuiragen
Nichts« .
Deinz strömte das Bkut zum Her »
sen. Hasiig fagte er: »Sie haben
recht, sich darüber zu ärgern. —- Wer
wollte Sie denn ausfragen ?« «
»Der Herr, den ich vorhin fort
schicken mußte. Er hat die ganze Zeiss
unten vor der hauitdür gestanden —Z
ich weis nicht was er da herumzuspio- s
nirrn hat. Na, bei mir ift er jeden
falls an die Unrechie getommenk s
being entnahm feiner Börse ein
Geld-Miit und drüdte es der Kleinen ins
die dank-. »Sie sind ein braves Miit-: !
Gens fagte er Schicken Sie nur je l
den turzerhand fort, der Ihnen mit
neugierigen und zudring! ichen Fra-;
sen tommt.· -
Ein freundlicher Blick aus ihren
blauten Augen belohnte ibn für die:
reiche Gabe, und mit einem niedlichen
Knrcks fette das Mädchen ihren Weg;
nach oben fort. s
Hetnz aber traf, toie er es nicht mebr
anderj erwartet hatte, oor der haugs
thut auf Deren Paul Mariens.
»Beide hände in die Taschen seines
viel zu weiten modesarbenen Ueber-X
zrehers geschoben, stand Martens oor
tbrn und fixitte ihn mit einem unvers
schämte-n Blieb Er zoa zwar den Hut
als hern- ihn drohend ansah aber algj
dollseldey ohne den Kleinen einer An
rede zu würdiaen, an ihm vorüberge
aangen war, lachte er scharf und spät-,
tisch auf —- ein unangenehmes, beise-;
res Lachen.
Zstoanzigstes Kapitel. i
Die Komtefse sah aut aus, und siez
wußte es. Sie hatte in der Nzcht
vortrefflich geschlafen. ihre lebhaften
graublauen Augen blickten klar und
frisch in die Weit« und sie hatte dies
Sicherheit der Weltdame, die sich be
touszt ist, gut seisirt und gut angezo
gen zu sein.
Jhr Gesellschafter aber in der trau
lichen kleinen Kataostube, wo man von
jungen Mädchen in tteidsamer hollän-,
discher Tracht bedient wurde und oaSIx
beste und wohlschrneckendste Gehört erst
hielt. schien gerade das Gegentbeil
von ihr. Er fah bleich und übermü:
det auf-, seine Gesichtsziige waren
schärfer geworden in der letzten Zeit.
»Ich wünschte", sagte die Grasin
und lächelte« ihm ein wenig zu, »daß
ich thun könnte, was Sie verlangen.
Aber es ist nicht so leicht und nicht so
einfach, wie Sie glauben. Sie mol
len die Adresse meiner Freundin, und
Sie verstehen reizend zu bitten, auch
würde ich Jhre Bitte gern erfüllen,
aber Maraot hat mir’L verboten, ir
gend jemand zu sagen, wohin sie ge
ganaen ist« «
« Sicherlich bezog sich das nicht auchs
aus mich!« fa te Heinz flehend. (
»Aber gewi , lieber Freunds-Sie
nannte sogar ausdrücklich Ihren Its-s
sten«, erklärte die Komtessr. ;
»Und das hoben Sie ganz fest Ver
sprachen?«
»Das ist es ja eben! —- Was sollte
ich sonft thun? Man kann ihr nicht
widerstehen. Wollten Sie sonst noch
etwas von mir ersahrenk
»Ich hoffte in der That noch ande
res oon Ihnen zu hören — mehr,
rchte ich, als Sie mir sagen wer
Jch hoffte zu erfahren, warum
Sie und Fräulein Margot in Berlin
ein so eingezogenes und freudloses
Dasein siihren — und wie Sie in die
Rottensaffiire vermittelt wurdens«
»Ih!« sagte fie. »Das also wün
schen Sie zu Weni«
»Ich hoffte es zu erfahren«, gab er
»Sie begehren so viel, Herr Holl
selder, und Sie geben so wenigl«
»Gniidigste Komtesse, ich versichert
Sie —-—«
Ihr helles Lachen ließ ihn verstum
men. «Seien Sie nicht thöticht, lie
ber Freund!' sagie sie. »Ich will Ih
nen von festen gern sagen, was ich
sagen dar , aber ich fürchte, es wird
Sie nickt befriedigen, denn es ist nur
sehr mai-if
»So sagen Sie mir wenigstens, was
Sie-mir anvertrauen können! bat er
»Als Mel-M nnd ich zusammen
lebet. ertlärt aus unserer Jugend
ftevndschast. Als es zwischen ihr und
ihrem Vater zu einem würfniß ze
kommen war, bat ich ie, zu mir zu
warmer-. und wir haben uns seitdem
niebi wieder getrennt, haben große
Ieisen miteinander gemacht und sind
Uns unentbehrlich geworden. hier in
setiin hatten wir ein·bestimmies Ge
schäft Ich will Ihnen in Unkrissen
- Meer-. tun mai es sich handelte
- -" - dreiviertel Jahren schrieb
s- Æsssrtens an mei—.
U« bitte sue mit, da ge
i« - , inseiue «ade
übergegangen seien, die er uns zum
Kauf anbot. Die Veröffentlichung
dieser Var-irre tonnte iiber eine Per
son« die mir sehr nahe steht« schwe
res Unhei; heraufbeschwiiren. und
Mariens, der sich sehr aenau über alle
in Betracht lornrnenben Verhältnisse
unterrichtet hatte. drohte uns. die Pa
piere an einen anderen zu verkaufen,
der schonunaslos von ihnen Gebrauch
gemacht hätte. Wir sind wohlhabend,
vielleicht sogar reich, aber unser Ver
mögen besteht in dem Besih eines be
deutenden Fideikommisses, non dem
wir lediglich das Jahresettrögniß für
uns verwenden dürfen. Wir tonn
ten deshalb die verlangte Summe
nicht zahlen, und Margot unb ich
keiften nach Berlin, um Mariens we
nigstens hinzuhglten — Das ift ases,
was ich Ihnen sagen tann, Herr holl
feider.«
»Ein nichtswürdiger Erpresser al
so!« faate Heinz voll tiefer Verach
tung. .Sein Schicksal hat ihn bein
nach nicht unverdient getroffen. —I
Aber gestatten Sie mir, Jhre Erzäh
lung, fiir die ich Jhnen oon Herzen
baute, nach meinem Wifsen zu ergän
zen. Sie ablten Otto Mariens vier
teljährlich sechstausend Mart —- nicht
wahr.W
W—.——ff« , —
WielleichtP erwiderte die Grasin
in leichter Unruhe. Ell-er ist es noth
wendia, daß Sie —«
»Ja, es ist nothwendig, das; endlich
einige Klarheit aeichaiien wird«, er
widerte er sest. »Sie zahlten also
Otto Mariens viertelsahrlich sechs
tausend Mark. Aber das aeniiate ihm
wahrscheinlich nicht mehr, er mochte;
fürchten, daß die Einnahmequelle ei-z
nes Taaes versiegte, und er wandtei
sich daher an jenen anderen, der seiner’
Meinung nach ein zahlunassöhiaerer1
Käuier sein würde. Dieser andere
aber bediente sich des Rechtsanroalts
Beraer zur Vermittlung.«
»Ich kenne keinen Rechtsanrvalt
Baaer
»Ich alaube es Ihnen. denn Mai
tens wird sich wohl aebiitet haben. Ih
nen seine Karten aufzudecken Aber
ich beginne jetzt, den Zusammenhang
zu verstehen. Beraer bot Martens im
Namen seines Mandaten eine Summe
von hunderttausend Mart iiir jene Fa- ;
milienoapierr. Martens zöaerte, dass
Angebot anzunehmen, vielleicht er51
schien ihm die Rente. die Sie ihm un—
freiwillig hatten aussetzen müssen, doch
wieder oerlockender. Schließlich aber
erklärte er Beraer seine Bereitwillig
leit, mit ihm abiuschließen Jn der
Nacht seines Todes sollte das Geschäft
zu Stande kommen. Der-halb telepkm
nirte Beraer mir. Martens zu einer
Unterreduna zu bitten· So weit wö
re Licht in der Angelegenheit Nun
aber lommt tiefstes Dunkel — das Gess
beininisz. das über dem Morde Ziegt.;
Freilich, noch eines ist erklärt —- MAX
aots nächtlicher Besuch in Mariens«
Wohnung. Sie kiztte wahrscheiniich
Kenntniß davon bekommen ———«
Nun aber unterbrach ihn die Grä
iin eneraisch. »Bitte —- nickt weiter.
Herr hollselderi —- Sie mögen sich
den Zusammenhaan denken, aber ich
will nicht, baß wir darüber sprechen«
»Aber beareisen Sie denn nicht, daß
rrssir darüber unbedingt sprechen mits
sen?—Sie und Margot befinden sich
in aroßer Gefahr. Lassen Sie mich
Ihnen erzählen, was sich seit dem
Morde zugetraaen hat, und was nicht
an die Oeffentlichkeit gekommen ist
Sie wissen, daß ein Bruder des Er
mordeten ausgetaucht ist, ein junger
Mensch, der die angenehmen Eigen
schaften des Todten in nrch ausge
prägteretn Maße besißt Er weiß, daß
sein Bruder ein Jahreseinkommen
von vierundzwanzigtausend Mark ge
tabt hat, er weiß auch aus dem Mun
de des Rechtsanwalts Bergen daß er
es gewissen Bat-irren perdantte, und
daß diese Papiere eventuell hundert
tausend Mart verth sind. Er befindet
sich nun aus der Jagd nach den Datu
tnentern Dabei wird er« von einem
unbestimmten Verdacht gegen Sie ge
leitet, er spionirt Ihnen nach« und
Sie werden einsehen, das ei verhäng
nisvolle Wirkungen nach sich ieben
könnte, würde er von dein esuch
Maraptö in ver Wohnung seines Bru
ders erfahren.«
»Er wird nicht davon erfohren.'
«-Sind Sie dessen io gemäß« Korn
tesse? —- Er würde nichts davon er
fahren, wenn ich allein darum wüßte
aber —«
Die Gröfin erblaßte· »Was heißt
das, Herr Hollielvers Wer denn
Hontt —«
being war entschlossen, ihr alles
Izu sogen. »Sie kennen den Doktor
Dombrowsti den Polen. Er ist rnit
! mir in dem gleichen Glut-, dessen Vor
stand der Oberstiieutenant Arnstorf
Iist. Ein unglücklichet Zufall führt«
Iihn in jener Nacht an meinem Dank
Zvoriiber, und er fah. wie ich Margot
hinauf-begleitete Anfangs legte er:
Yoern toine große Bedeutung bei, ober’
’er dachte anders darüber oon dem
· AugenUick an, als er Motgot in Ih
rer Geiellfetaft fah. Darf ich Ihnen
sogen, worum?« «
! .Bittk!« »
i »Er gab vor, n wissen, da Sie,;
Jkomtessy nagen sittlich der gen-(
zstsno nahtromichen Interesses hoch
-- - - »
stehenter Versönlichieiten seien, nnd
auch er mißtraut Ihnen besinle
Idee Brust hob ein tiefer Sitka
f ..?lh!« sagte sic. .So bebt ich diesen
Tkmbrowsti doch richtig beuribeilt —
damals und iest.«
..Und wofür, wenn ich fragen darf,
, sei-en Sie ibn gehalten?«
»Für einen Spion, Herr dollielZT
s iin einen Spisel der ruliiichen Regie
ru-·g. Sein Aufenthalt in Oktende
— fiel zeitlich mit der Anwesenheit ei
I
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I
s
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)
)
; pokitiicher Natur?«
niger polnischer Tritte-traten zusam
men, die der russiichen Regierung von
ielsser unt-engem innern. Manslästette
ficb allerlei iiber diesen Dambrowöski
zu, das nicht gerade schmeichelbast fiir
its-i war. Jest aber bin ich meiner
Esche io gut wie gewiß-«
«Und warum gerade jetzt?
dessn Ihre Angelegenheit ebenfalls
Die Gräsin schüttelte ben Kopf.
l Licht doch —- es iit eine Privatange
leaenbeit unserer Familie. Ich tann
« Ibnen nicht erklären, wie es damit zu
iqxnmenhiingh aber ich glaube nun
doch bestimmt zu wissen. daß Dam
» browsti nicht mebr unb nicht weniger
ist als ein Spion.«
«Unter solchen Umständen ist es
allerdings meine Pflicht. meinen
Clubgenosien die Augen zu —«
.,Um des Himmels willen. lieber
Freund, begeben Sie teine Unwis
heitenl —- Oie bliesen nicht vergessen.
baß Drombrowsti siir uns augenblick
lich ein sehr gefährlicher Gegner ist«
Beschwören Sie nicht seinen Daß übers
sich bei-aufs Jai glaube. dieser Mann’
tann tödtlich, tann ianatisch hassen.«
-Sie haben vielleicht recht«· gab
sein« zu. ,Man hält sich im Glut-«
überdies seht etwas von Doinbrowsti
zuruch und ich glaube nicht, daß er
dort Schaden anrichten t.inn.u
4Margot weiß kon alledem nichts-"
»Ich hatte bisher teine Gelegen
heit, mir ihr dariiter zu sprechen. Aber
ich wünsche in der That dringend, es
setzt noch thun zu können. Wollen
Sie mir Ihre Adresse noch immer nicht
mittheilen?«
Die Graiin sah in unruhigen Zwei
sein vor sich nieder. aber sie erklärte
schließlich: »Ich tann ee nicht verant
worten· sie Ihnen unter diesen Unt
ständen zu verschweigen. Ich werde
Dzhnen schreiben, noch ehe der Tag unt
it.«
21. K a di te l.
Zwei Herren saßen an einein unge
reettem viendend weiß gescheitesten
Holztifch im Garten des Gast oses
zur Post des tleinen oherbahrizchen
Dörfchen-z Bucht-erg. Vor ihnen stan
den zwei ossene Ratassen init wür
zigem· goldtlaren Tirolerwein.
«Wie haben Sie nur von dem Ort
aehört7« fuhr Vollselder in der Un
terhaltunq sort und sah dem blauen
Rauch seiner Ciaarette nach. der in
der unbewegten Lust terzengerade em
porstieg. »Wir sind ja die einzigen
Gäste hier«
Sein Gesiihrte. ein breitichultriger.
elegant getieideter Mann, drehte spie
lend sein Weinglas zwischen den Zin
aern. Sein tühn und energisch ges
ichnittenes Gesicht war sonnenge
bräunt, über die ein wenig start vor
ipringende Stirn lies eine breite dunk
le Narbe. Er mochte wenig iiber sein
dreißigstej Lebensjahr hinaus sein,
und seine strasse. ausrechte Haltung
ver-rieth dem tundigen Blick den ehe
maligen Ossizier. »Ich hin vor Jah
ren einmal aus einer Fußwanderung
hier durchgelommen«, sagte er in Er
widerung aus Hollselders Frage. »Die
Lieblichkeit des Ortes ist mir unaus
» löschlich im Gedächtnis haften geblie
» ben. Da reiste ei mich. wieder ein
mal zurückzukehren —- Wie aber
sind Sie hierhergelommen ?«
»Nein zufällig«. erwiderte Heinz
in leichter Verlegenheit. »Ich hatte
die Absicht, ein paar Sommerwochen
in Murnau zu verleben. Von dort
aus hin ich aus einem Ausslug hier
her, und es gesiel mir so außerordent
lich. daß ich mir sogleich im Gasthaus
hier ein Zimmer nahm und niein Ge
pöck von Murnau herübertommen
ließ. Ei maa Orte im bahrischen Gr
birge geben. die sucht-er an groß
artiger Schönheit übertres en, aber ei
nen lieblicheren Erdensleck hab ich
taum tennen gelernt.«
Sie saben beide schweigend in d:es
sonnenbelle Landschast hinaus· Vor
ibnen erstreckten sich bis zu den Ab
biingen der tannenbeivaldeten Vor
berge lichtgriine Wiesen« aus denen
ungezählte Frübiommerblumen aller
Art und aller Farben standen. hier
und da ausblitzend dann wieder aus
weite Strecken unsichtbar zog sich ein
Flüßchen durch das That, dessen ge
dömpstes ,gleichrneißigee Rauschen ei
ne so tiistlich beruhigende Musit war
wie das Branden des Meeres-· Fern
ber grüßten die schrossen Spitzen bei
Karmendelgebirgei herüber, beute von
teinem neidischen Wolkenschleier ver
hüllt, und über ihnen wölbte sich in
unendlicher ·Klarbeit der tiesblaue
SommerbirnmeL
heinz wandte den,Bliel. Da lag
das Dörschen, von dem nur die hoch
aiebeliaen rothen Dächer über den
Winseln der Obstbäurne sichtbar wa
ren. Jn einiger Entfernung aber er
hob sich aus einer mäßigen An öbe ein
billenartiges Gebäude, dessen auern
J weiß durch das Griin der Partanlas
; en schimmerten, die ei umgaben —
aj Schloß Buchberz
- »Ich möchte wissen, wer dort lebt«,
;saate heinz und machte seinen Ge
"sir·brten auf das Gebäude aus-nett
sarn. »Ich werde mich jedenfalls beim
» Wirth ertundiaen.'
i »Ich kann Ihnen Auskunft darüber
s.
geben«, erwiderter der Fremde. »Buch
berg gehört der Gräiin Waldenvorif.«
«Ah!« sagte heinz mit gut spiel
ler Gl ülttskeit. rmut lich ist
auch ges- erer Grund fis dabei?«
Equ ift Fideilominis und,
wenn ich recht unterrichtet bin. eines
der ettragreichften Giiter in der Um
gebung.«
.Sie scheinen ja mit den Verhält
nissen wohl vertraut zu lein. Ich irre
wohl nicht. wenn ich Sie fiir einen
näheren Landsmann von mir, fiie ei
nen Norddeutichen halte?«
»Mir-". erwiderte der Fremde. ,Jch
bin Narddeuticher. aber ich habe lehr
wenig dort gelebt.'
»Da wir vermuthlich längere Zeit
hier zusammen leben werden« ge
statten Sie wohl, daß ich mich verfiel
le«, tagte Heini. »Mein Name ist
hollielder.«
.Herbert!« gal- der Fremde mit ei
ner leichten Verbeuaung zutiiit »He-be
ich vielleicht die Ehre, mit dem be
t:nnten Schriftsteller —"
Heini lachte. »Ich glaube in der
i That, daß ich der einzige Schriftsteller
meines Namens bin«, erwiderte er.
»Aber ich ahnte nicht, daß mein Ruf
schon über die Grenzen Berlins hin
aueaedrunaen ift.«
»Ich las erit vor wenigen Tagen
eine Ihrer Rai-eilen in einem Mün
chener Blatt«. tagte heil-ert, .und
ich aesiehe, daß sie mich ganz außeror
dentlich interessirt dat. . ch weiß
nicht« ol- es Ihre jüngste Arbeit war
,Tuntle Nachts lautete, glaube ich.
der Titel.« « f —
us war in der Idat teine jungite
Arbeit. eine Arbeit. die er erst nach
der Mordnacht sertiggestellt hatte. Er
batte teine Ahnun davon gehabt«
das-, sie bereits abge ruekt worden war.
der Verleger mußte mit der Beriissent
lichung begonnen haben« unmittelbar
nachdem er das Manuskript in die
Hand bekam. Lieb war ej einz
nicht. Die Arbeit war roie eine eith
te seiner Gefühle und Stimmungen
in und nach der Mordnacht etvorden«
und er hatte sie deshalb» a chtlich ei
nem Münchener Blatt gegeben« damit
sie seinen Berliner Bekannten und de
nen, die Näheres iiber den Mord wuß
ten, nicht in die hände kam. Wie
leicht war es nun aber möglich« daß
auch Margot sie gelesen hattet »
Allerdings —- meine jüngste Ar
beit« erwiderte er nach einer Pause«
dann lenkte er sogleich von dem Ge-;
imachsthema ab« indem er aus einige
besonders schöne Punkte in der Land
schast aufmerksam machte.
Sie saßen dann eine gute Weilei
schweigend nebeneinander. Die Sonst
ne näherte sich schon dem horizont undl
nahm immer mehr eine goldrothe För
bung an. Die Fenster des Schlöß
chens blikten aus« getrossen non den
let-ten Strahlen, und es machte sich
ein leichter Abendwind aus« der ange
nehme Kiihlung brachte und die Blät
ter der Baume leise tauschen ließ. Ein
Starenpiirchen« das in einem Risiko
sten hoch oben am Stamm einer knar
rigen alten Buche seine Heimstatt hat
te« begab sich unter vielem Geschwäh
zur Ruhe« und in slammender Mase
stat versank der Eonnenball hinter den
Bergtuppen
i
heinz ließ den Blick sinnend aus
dem Antlitz seines Gefährten ruhen.
Dieses kühne, schars geschnittene Ge
sicht trug ietzt einen weichen« vertröum
ten Augdruet Wie gebannt hing der
Bliel des Fremden an dem Schlöß
chen, hinter dessen Fenstern es jest hell
wurde. Er hatte das Aussehen eines
Menschen« dessen Geist von ganz ande
ren Bildern erfüllt ist als von denen
der Wirklichleit. Mit welchen Gestal
ten mochte er die Nasenslächen des
Partei beleben« deren helleres Griin
sich in der Dämmeruna deutlich von
dem dunklen Laub der Bäume abhobi
War es wirtlich nur die sanste Lieb
lichkeit der Landschast gewesen« die ihn
hergezogen hatte? ;
Der Wirth« der herbeikam, sich nacht
den Wünschen siir das Abend-essen Jus
ertundigen, wectte sie aus ihre-n Sin«
nen.
Gemeinsam nahmen sie dar- ziemlich ·
belcheidene Mahl ein; aber als sie es
beendet hatten, erhob sich Heinz.
»Ich hab-e Luft, noch einen tleinen
Spaziergang zu machen", iaate er.
seine vorn langen Sitzen stets gewor
denen Glieder reaend «Gu:e Nacht,
Herr herbert.«
«Gute Nachtt« aab der andere bös
» lich zurück und erhob sich ebenfalls,
I um in das Haus zu geben.
heinz schlenderte langsam durch das
Dorf und ging dann aus der Straße
weiter, die in sansten Windungen zum
Schlosse emporfübrte. Jn weni er ais
zehn Minuten erreichte er die aner,
die den Parl abschloß, und das große
schmiedeiserne Einiabrtstbor.
Er trat dicht an die Gitterstiibe und
spähte in den Part. Aber es war nicht
eben viel. was er da erblicken konnte.
Dicht binter der Einiabrt machte der
Weg eine Biegung, und ein an dieser
Stelle angepilanztes Gebüsch binderte
den jungen Schriftsteller, ihn weiter
zu verfolgen. Da gewahrte er. daß
neben dein großen Einsahrtstbar et
ne zweite tleinere Tbiir fiir Fußgiins
aer angebracht war, und tur ent
schlossen betrat er durch diee den
Part.
Er hatte drinnen erst wenig-Schrit
te tbun können, als er sich von einer
barschen Stimme angerufen hörte:
»Mit wallen S’ denn bin, herri«
Es war offenbar ein Gärtner« den
er da var sich hatte. Gelassen ab
heinz zurück: »Ich Hiaubty das e
treten des Bartes se niF verboten
Jch habe nicht die Absicht, lumen ad
I
zupslilcken oder ähnlichen Unfug zu
treiben-«
Der Mann musterte seine elegante
Gestalt und sagte ein wenig höflichen
»Die derrschast is aus ’tn Schloß —
da is J perbot’n, hier z’ gehn. Daß
Sö tvane Blumen net abrups’n, diis
glaub i scho. Aber i derss'ö net er
laub’n!«
»Wa. dann gehe ich eben dran n
spazieren«, erwiderte heinz. « s
Unglück ist ia nicht so groß. — Gute
Nachtl«
.Guate Nachtl« gab der Gärtner
zuriiet und wartete, bis sich being wie
der durch die Ihiir entfernt hatte. utn
sie sosort hinter ihm zu verschließen
Hollselder schlug einen Weg ein, der
an der Partmauer entlang Iührte —
in der hofsnung an einer anderen
Stelle doch noch Eingang zu finden.
Seine Hoffnung hatte ihn nicht be
tragen.
Nach einer kurzen Wanderung
schon tam er zu einer kleinen Pforte,
die ossenbar nicht mehr benüst wur
te, denn die Angeln waren eingerostet,
und der Griff kaum niederzudriicken
Aber die Thiir war nicht verschlossen.
und mit einiger Anstrengung gelang
re bringt« sie zu öffnen.
Gleich daraus stand er im Part.
Hier ließ sich niemand sehen, der den
Versuch gemacht hätte, ihn hinauszu
weisen, und nachdem er wohl zwei
Minuten lang abwartend stehen ge
blieben war, schlug er einen Weg ein,
der seiner Meinung nach aus das
Schloß zuführen muste.
22. K a b i t e l.
Noch war der Mond nicht über den
Baumwipseln emporgestiegen aber die
linde Sommernacht war trosdem hell
genug, um Hollselder die Qrtentirung
nicht-zu schwer zu machen. Der Ein
druck, den er von seiner Umgebung
empsin , eoar der, daß es sicks um ein
altes, fett Generationen mit derselben
liebevollen Sorgfalt aepslegteg Be
sitztbum handeln müsse. Dir mächti
gen Stämme der breittriipieligen Bäu
me sprachen dasiir, unter deren Laub
dach er aus sauber gehaltenen Kies
weaen dahinschritt, und nicht minder
die mehr als mannsboben, torgsältia
beschnittenen Iaruebeckem oon denen
die haupttvege etngesaßt waren
Der Ausblick aus das Schloß wur
de ihm durch diese Hecken sast bis zu
dem Augenblick versperrt, da es un
mittelbar oor ihm lag. Es bildete die
Bekrönung des Hügels« an dessen
Bänken sich in sonster Steiaung der
" art Manuson und mit seinen zier
lichen Bat-formen seinem schlanten
Würmchen seiner modernen Veranda
glich es mehr der sommerlichen Luxus
oilla iraend einer Iinanzgriißh als ei
nem alten seudalen berrensis.
Die Mehrzahl der Fenster im unte
ren Stockwerk waren erleuchtet, aber
die zugezogenen Vordänge würden den
Einblick in das Innere auch dann ver
wehrt haben, toenn ein neugieriger
Spötter sich bis bart an das Haus ber
anaeioaat hätte. So weit aber mochte
Hollselder, einaedent des Versprechen-,
das er der Komtesse gegeben. seine
Verweaenlteit doch nicht treiben. Er
trar im beraenden Duntel des dichten
Buschtvrrles sieben geblieben und blick
te oon da unverwandt nach dem weist
schimrnernden Gebäude hinüber, des
sen Mauern siir ibn das lostbarste al
ler irdischen Besiytbiimer umschlossen.
Sein »Herr erzitterte in unermeßlichen
Sehnen. und vielleicht hatte er nie u
vor so übermächtig, wie in diesen i
nttten aussichtslosen harrens und Hos
sens, die Gewalt der Leidenschast em
pfunden, die von seiner Seele Besitz
ergrissen batte. »
Mußte er sich doch sagen, dahe
iasi einem Wunder gleich kommen
würde, wenn er noch an diesem ersten
Abend Gelegenheit fände, Maraot zu
sprechen oder ihrer auch nur von ferne
ansichtig zu werden. Die zehnte Stun
de war vorüber, und oon den Bewoh
nern des Schlosses dachte sicherlich nie
mand daran, sich nochMn viele Zeit
in den Bart hinaus zu begeben, wie
weich und warm auch die duitges
lchwönaerte Last unter den taum von
einem teilen Windhauch bewegten
Bäumen lein mochte.
Es war ein aussieht-wies Warten
—- aetoisit Und doch konnte Heinz
sich nicht zu«r Umlehr entschließen. Es
war lein Verfah, hier auszuharrem
bis auch der lehte Lichtichimmer hin
ter den Fenstern erloschen lein würde,
und bis er damit die» Ueberzeugung
gewonnen hatte. daß die Geliebte sich
—
zur Ruhe begeben. Oh er his zu die
sem Augenblick Viertelstunden oder
Stunden hier stehen müsse, ihm galt
es gleich. Wann — seit dem Anbe
ginn ver Welt — hätte denn aus-, je
ein Berliebter aus der Macht vor den
Fenstern seiner Angeheteten Müdig
teit oder Langeweile empfunden!
Ein paar Mal schon war es Heinz
vorgekommen, als ob sich hinter der
gleichsalls verhängten hohen Glas
thiir, die aus dem Erdgeschoß der Vil
la aus die seinem seobachtungsposten
zugekehrte breite Terrasse hinaussiihr
ke. schaltenhaste menschliche Gestalten
beweg-ten Aber die Entfernssg war
zu groß, als daß er aus ihren ver
schwiminenden Umrissen hätte darauf
schließen tönnem ob es die Schatten
Paunlicher oder weiblicher Personen
elen.
Nun aber —- er siihlte siir die Dauer
einiger Selunden im Uebermaß hoff
nungsvoller Erwartung den Schla
seines Herzens stocken —- nun that fis
diese Glas-thut plötzlich aus, und in
dem Lichtstreisen. der aus dein Jn
nern aus vie Terrasse hinauss, er
schienen Seite an Seite zwei weibliche
Gestalten, die langsam der marmor
nen Brüstuntz zuschrittem gerade nach
der Stelle hin, wo er unten jenseits
der düstehauchenden Blumenrabattm
iin bergenden Schatten stand.
Die grossere der beiden ioar ihm
fremd. Er lonnte, da eben fest der
oolle Mond sein silbernes Licht iiber
das Schloß und seine Umgebung aus
goß, jede Cinzelheit ihrer Kleidung
und jeden Zug ihres Gesichts erleu
nen. aber er war nicht darüber im
Zweifel, daß er dies schöne stolze Ge
sicht zuni ersten Male in seinem Leben
f erblickte.
l
I
» Die junge Frau mochte in der Mit
te der Zwanzigsahre sieben. Jhr Ant
llitz diintte Heinz natürlich viel weni
, get schon als das seiner geliebten Mar
igot, aber er hatte sich in seinem
sschwärinerischen Enthusiasmus dockz
lnoch Unbefangenheit genug bewahrt.
s um anzuertennem daß ed eines von je
nen interessanten und sesselnden Ge
sichtern sei. die ein Mann nicht leicht
Hioieder vergißt. Namentlich die gro
szen Augen, deren Farbe er seht nicht
lergriinden lonnte, mochten von unge
wöhnlicher Schönheit sein. Und un
gewöhnlich schön war jedenfalls die
s Silboueite der hohen, wahrhaft König
licheri Gestalt, deren haltiing und de
ren Bewegungen auch dem ungeiibten
Beobachter die Empfindung erweckt
haben würden, daß diese Frau un
zweiselliast von jeher gewöhnt wesen
»sei, aus den hohen der Mens it zi
» wandeln.
; Aber das waren Eindrücke, die Hin
semdsangen siir being ein einziger Blick
’aus die Unbekannte hinreichend gewei
s sen war. Denn mehr als diesen einen
.Blick hatte er siir sie nicht iibrig ge
’habt. Sein Interesse und seine Aus
mertsamteit galten sa nicht ihr, der
Fremden, sondern einzig dem liebli
chen, schlanteii Geschöpf an ihrer Sei
te, dessen Schönheit aus den jungen
Schriftsteller bei jedem Wiederseheir
mit dein überwältiaenden Zauber ei
ner ganz neuen Qsienbaruna wirtte,
wie greisbar lebendig auch nach seiner
lleberzeugung das Bild gewesen seirs
mochte. das er von ihr ini herzen ge
tragen.
- Er kannte trotz der gerinan Entset
;niing, in der sie sich ietzt von ihni be
!iauism, nicht vernehm, was die vkivm
Tiniteinander sbrachem denn sie hatten
Jibre Stimmen gediiniost. als ob sie
’trcsz der sorgfältigen Bewachung ihres
sWohnsihes hier in der tiefen abendli
schen Stille das Ohr eines Lauschers
sittrchteten Nur der Klang eines dun
tel gesärbten, weichen Organs von
geradezu musitalischein Wohllaut
drang zu Heini herüber, so ost die Un
bel.iniite das Wort ergriff, und er hat
te den Eindruct, daß es selir ernste
Dinge sein müßten, von. denen sie
s prachen.
sFortseyung solgt.)
, »Wer-on leben Sie eigentlich, here
Müller?'« —- «Noch immer von dem
»Blumentopf, der mir vor fünf Jahren
auf den Kopf gefallen ift.«
i i I
Ein Mann in Alabama behauptet,
mit demWhisley, der in feinem Staate
verkauft wird, ein Tafcheniuch grün
gefärbt zu haben. Das ift eigentüm
lich; Misley wird fonft gewöhnlich
die Eigenschaft zugefchrieben, Sachen
hilbe rot anzuftreichen.
Minute-h
y--;,»;,-c3
Weiuvantfchet hu seiners!·Gehil feu): »Allo, das Faß da merken Sie
sich aut, das habe ich selber mit Ver schiedemm behandelt — bös Weines
wird heuet noch seine 20 Jahre um«