Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, August 13, 1909, Zweiter Theil, Image 9
- Jahrgang Nebraska Staats— Anzetger uned J set-old 13.Au gnst 909 MW t(Th-k I) Sonntagmorgen. Wenn hell die Sonntagsglocken läuten, Dann wird die Andacht zum Gebet Der Seele, die des Klangs Bedeuten Nur dunkel ahnt, nur halb versteht. Mich mahnt er an der Kindheit Tage, Der Klang, so heimisch und so traut. Da kindlich ost des Herzens Klage Die Lippen leis dem Herrn vertraut. Noch wiegt er in des Kindes Träumen Mich ost tnit seinem Zauber ein, Wie in der Heimath stillen Räumen, Mich mahnend, wieder Kind zu sein. So hat mich freundlich stets begleitet Der Sonntagsglocken Feierklang Zur Heimath meinen Blick geleitet Aus meines Lebens weitem Gang. Flora. Skizze von hermann Horn-itz. »Dr. Oskar Willhaupt«, stand aus den eleganten Visitenkarten gedruckt, die vor detn jungen Mädchen ausge schichtet lagen. Was der Name nur sür eine merkwürdige Wirkung aus Hilda übte! Förmlich Respekt slößte er ihr ein! Und doch stand sie mit dem Träger desselben aus Duzsusz und er- » laubte sich wohl auch mancherlei Frei- ; heiten ihm gegenüber. Dr. Willhaupt,i der interessante Naturforscher, hatte bereits einen Wirkungskreis gesunden, indem er sür ein bedeutendes Blatt’ gut bezahlte Fachaussätze über natur: wissenschaftliche Themata schrieb. Er war nach dem frühen Tode sei: ner Eltern von dem Dampsspritzensa brikanten und Kommerzienrath Emil Diedrichs an Kindes Statt angenom men und mit dessen Kindern zusam men erzogen worden. Er und Willi Diederichs waren intime Freunde ge worden und hatten gemeinsam studirt. Verschiedene Charaktere, ergänzten sie sich tn harmonischer Weise und waren stets unzertrennliche Genossen. Hilda war mit den beiden ausge wachsen. Sie betheiligte sich nicht nur an den gemeinsamen Spielen, sondern sie war auch häufig zugegen, wenn Bruder und Freund laut oder leise studirten, Fragen erörterten und lasen· Sie sing solcherart mancherlei auf und nahm den lebhaftesten Antheil an ihren Studienfteuden und -ersolgen. Da sie gute Anlagen und einen hellen ! Kopf besaß, nahm sie vieles in sich auf . und konnte zuweilen ganz verständig mitreden in strittigen Fragen. Nun hatte dies alles sein Ende ge: . fanden, und mit dem trauten Beisam mensein war es) vorüber. Dr. Ostar Willhaupt und Dr. Willi Diederichg machten nach den Strapazen der letzten Studiumsmonate eine gemeinsame Erholungsreise, für die der Kommer zienrath Diederichs in generöser Weise ein respettables Stimmchen zur Ver sügung gestellt hatte. Während Willi und Osiar nach Ti, rol reisten, übertain es Hilda wie eine Vereinsamung. Still und traurig er schien ihr da die elterliche Wohnung Sie war so sehr an den Ulngang mit den Freunden gewöhnt, an die Erör terungen und Besprechungen diverser Fragen, das; ihr etwas fehlte, wenn sie nun allein dasasz und in den stum men Büchern blätterte, aus denen Willi und Oskar ihr Wissen geschöpft Auch in den Kollegienhesten hielt sie Utnschau und vertiefte sich in ihre Let tiire, als wenn es gegolten hätte, selbst Examen abzulegen über das Gelesene. Mit Vorliebe til-erflog sie die deut liche, zierliche Handschrist Ostars. Während sie die einzelnen Blätter durch ihre Finger gleiten ließ, sielen ihr einige Briese in die hande, die da zwischen lagen. Hilda zögerte einen Moment, ob sie sie lesen solle, dann siegte die Neugierde. Es waren be langlose Korrespondenzen, die wenig Interesse sitt sie halten« Sie wollte die Schriftstiicle schon wieder an ihren Platz legen, als ihr Auge an einem Schreiben haften blieb. Daran stand folgendes zu lesen: »Geehrter Herr! Aus Jhren jüngsten Aussiihrungen entnehme ich mit Vergnügen, daß Sie wieder Zeit gesunden haben, sich mit der Flora zu beschäftigen, die Sie so lange arg vernachlässigt haben. Jch bin nun sehr begierig aus hre De richte." Es folgten einige Qö lichtem phrasen und eine unleserliche Unter schrift. Dieser Bries machte aus hilda einen unbeschreiblichen Eindruck. Von der Existenz dieser Flora hatte sie ja gar leine Ahnung gehabt. Es stand bei ihr außer Frage, daß es sich um eine heimliche Liebesgefchichte handelte. Natürlich spricht man über derlei heille Dinge nicht mit jedermann, am allerwenigsten mit einem Mädchen wie sie. Nun, das hätte sie dem jungen Dot tor wahrlich nicht zugetraut. Und wie gut er sein Gebeirnniß bis jetzt gehütet hatte. Ob Willi darum wußte? Viel leicht. Ein Gefühl von Unmuth über lam sie. Seh’ einer diesen Duckmäu fer an! Es gab eine Flora, und sie, die alles wußte, was das Leben zu Haufe betraf, hatte leine Ahnung davon ge habt. Was ging sie’s schließlich an? Und doch nagt-: der Gedanke unausge seht in ihrem Inneren und ärgerte sie unaufhörlich. Sie suchte eifrig nach anderen Brie lfen, aber sie konnte nichts weiter fin Jden. Je mehr sie über die Geschichte nachdachte, desto mehr festigte sich in ihr die Ueberzeugung daß sie auf diese mhfteriöse Flora eifersüchtig war. Bis nun hatte sie es nicht gewußt oder sich nicht eingestehen wollen, daß ihr Herz schon lange heimlich fiir Ostar schlug. Freilich war ihr Gefühl bisher nur verschwommen in ihr zum Ausdruck gekommen. Es lebte fast unbewußt in ihrer Brust, die derlei Empfindungen noch nicht aus eigener Erfahrung kannte. Jetzt aber hatte der geringfü gige Anlaß Klarheit in ihr geschaffen: plößlich fühlte sie es deutlich und unzweifelhaft, daß sie in Oslar bis ijber beide Ohren verliebt war. Und er? Ach, das fc unvermuthet entdeckte Vorhandensein dieser Flora, die sie haßte, obschon sie sie nie gefe hen, schien nur zu deutlich zu sagen« daß sein Herz bereits einer anderen gehörte. Hilda war in den folgenden Tagen auffallend ernst und schweigsam, so daß es den Eltern ausfallen mußte. Aber sie fagten nichts zu ihr, und Mama lächelte sogar zuweilen verstoh len zu Papa Kommerzienrath hin über, der das Lächeln verfiändnißin lllg qUUULIL Mit dieser scheinbaren Kenntniß der Sachlage hatte es indeß folgende Be wandtnifz: Bald nach der Abreise der beiden Doktoren hatte herr Diederichs von seinem Sohn einen sehr ausführ lichen Brief erhalten, in dem er ihm davon Mittheilung machte, daß sich fein Freund Dr. Willbaupt entschlos sen habe, auf die akademische Lauf bahn zu verzichten und einen längst gehegien Lieblinasplan ,-,U verwirk lichen· Seit Längerem schon hatte er für Fachzeitschriften vielbernerkke nie dizinische und naturtvissenschaftliche Artikel geliefert und nun den Ent schluß gefaßt, sich ganz dem publizi frischen Beruf-: zu widmen. Ein nam hafteg Fachblatk hatte ihm ein unge mein vortheilhasteg Anerbieten ge macht, als Leiter des Journale die Chesredattion zu übernehmen, und ei. nen mehriährigen Kontratt mit ihm abgeschlossen An diese Mittheilung knüpfte Dr. Diederichs die Nachricht, daß sein Freund ihm seine tiefe Nei gung siir Hilda gestanden und die Absicht geäußert hatte, gleich nach sei Jner Rückkehr von ihrer gemeinschaftli schen Erholunggtour bei den Eltern um ihre Hand anzuhalten Papa und Mama Diederichs waren über die Mittheilungen ihres Sohnes nicht wenig überrascht. Die Absicht »Dr. Willhaupts, sich aus eigene Füße "zu stellen, anstatt einer nnsicheren Praxis als Arzt entgegenzugehen sanden sie ganz vernünftig, und was sein Vorhaben betraf, ihr Töchterchen zu freien, so waren sie darin beide ei nig, daß sie sieh keinen braveren nnd netteren Schwiegersohn tviinschen tönnten als Oskar. Ob Hilda von seiner Neigung wus; te? Mama Diederichs wollte ihr so gleich aus den Zahn fühlen. Antnü psend an ein paar hübsche Ansichte iarten, die Willi und Oökar aus ei nem herrlichen Alpenthale gesendet hatten, lenkte sie bei Tische geschickt das Gespräch aus den jungen Anbeter in der Ferne. »Warum sprichst Du immer von Ostar und nicht von Willi?« versuchte Hilda dem versänglichen Thema aus zuweichen »Von Willi liegt gerade nichts Be sonderes vor « »Und von Qökar?« ,.Vielleicht mehr, als Du denkst " Eine eigenthitmliche Beklemmung ergriss hildm Sie empfand vorah nend daß es sich um etwas Außerge withiilkches handeln müsse. Gott« wenn ihm nur nichts passiet ist! Daß es sich bei Nennung seines Namens auch um ihre Person handeln könnte, ahnte sie nicht im entferntesten. »Nun, was soll’s mit ihm?« fragte sie unsicher. »Er hat die Chesredatteurstelle bei der Wissenschastlichen Revue ange nommen, erhält ein hohes Gehalt bei siinsjährigen1, unttindbarem Kontratt und hat im Uebrigen die Absicht, sich bald nach der Rückkehr von der Reise zu verloben. Hilda gab es einen Stich, als sie die letzten Worte vernahm. Sie glaubte umsinten zu müssen. Keines Wortes mächtig, blaß und zitternd, starrte sie die Mutter an. Diese zog aus der sichtlichen Verwirrung Hildas den Schluß, daß diese von dem Plane Oskars bereit-Z Kenntniß hatte. Aber dem scharfen Mutterauge entging es gleichzeitig nicht, daß der augenschein liche Schrecken, den das Mädchen zeigte, durchaus nicht danach aussah, als ob es ein freudiger Schrecken wäre. »Und was sagst Du zu meiner Neuigkeit?« konnte sich·5 Frau Die derichs nicht versagen, die Tochter zu fragen. »Ich —- ich weiß nicht, ob ihm zu gratuliren ist. Wer —- ist denn — seine Auserwählte?« »Na, weißt Du, Rind, das hätte ich Dir wirklich nicht zugetraut, daß Du Dich so herstellen tannst. Jch glaube. Du wirst ganz gut wissen —« »heißt sie nicht Flora?« ,,«’flora? Wie kommst Du denn aus diesen Namen?« »Nun, ich meinte nur so." »Aber Hilda, nun thu doch nicht so! Du wirst ganz gut wissen, daß es sich um Dich handel1.« Hilda wollten fast die Sinne schwinden; sie mußte sich an dieStuhl lehne antlatnmern, um nicht zu Boden zu gleiten. Dann sagte sie mit Thra nen in den Augen: »Das ist nicht schön von Dir, Mama, daß Du mich so zum Besten hältst· Was soll die ganze Komödie?« Damit hielt sie sich das Taschentuch vor die Augen und eilte aus dem Zim mer. Frau Diederichs stand vor einem RäthfeL Sie wußte sich Hildass Worte absolut nicht zu erklären Sollte sie sich doch in ihrer Vermu thung getäuscht haben? Nun, es hatte ja weiter nichts auf sich, wenn Hilda in Unkenntnisz der Sachlage war. Jbr Benehmen bei der Eröffnung von OE tars Werbeabsicht war aber jedenfalls ein sonderbar-M Aber das würde sich ja wohl bald auftlären. Zwischen dein Ehepaare Diederichs gab es großen Ariegsrath Sollte man die Sache ruhen lassen, bis Dr. Willhaupt zurückkehrte, oder war es angezeiater, Hildas Auffassung der Sache schon jetzt kennen zu lernen? Nach reiflicher Ueberleaung wurde das-» letztere beschlossen. Papa sollte mit ihr sprechen· »Als er bei nächster Gelegenheit Hilda vornahm und ihr Willig Brief zeigte, aus welchem sie ersah, daß Ostar ernstlich gewillt war, uiu ihre Hand anzuhalten, da sagte sie in großer Aufregung, daß sie davon nichts wissen wolle. Aus das »Warum« des Vaters machte sie verschiedene Ausftüchte, vie dieser aber nicht gelten ließ. Er ver langte eine bestimmte Begründung it) rer ablehnenden Haltung. Da faßte sie sich ein Herz und er widerte, sie hätte gegen Ostar weiter nichts einzuwenden, aber sie wisse» das-, eine andere eriftire, zu der er in Be ziehungen stände, und darum könne sie seinen Antrag nicht annehmen. Der Kommerzienrath drang in sie, deutlicher zu werden, und schließlich blieb Hilda nichts anderer- iibrig, als Farbe zu bekennen und den ominösen Brief vor,zuweifen. Der Vater ftutzte. Jn der That. ei gab eine »Flora«, mit der sich Ostar fleißig beschäftigte, und es Ivar nicht gut möglich, zu entscheiden, ob vie Sache so harmloser Natur war, daß man sich über sie einfach hinwegsetzen konnte. Jedenfalls erschien nun Hil das Weigeruna begreiflich. Für den Augenblick ließ sich in der Angelegenheit nichts weiter thun. Sie mußte in der Schwebe bleiben, bis Dr. Willhaupt zurück war. Gleich nach dessen Ankunft beschied ihn der Kommerzienrath zu einer Un terredung unter vier Augen, während deren er ihm zunächst mittheilte, daß er bereits durch seinen Sohn von der Absicht Dr. Wtllhauptg Kenntniß er langt hatte. Er beglückwünschte ihn zu seinem Entschlusse, sich selbstständig zu machen und sich eine Existenz zu aründen, und bemerkte dann, daß er ihn gerne Sohn hätte nennen wollen. Es sei ihm indessen zu Ohren gekom men, daß er einBerhältnisi haben solle, und auch Hilda wisse davon und wolle unter solchen Umständen nicht die Seine werden. Ostar war nicht wenig erstaunt über diese Eröffnung. Er schwor hoch und theuer, absolut keinerlei Bei iiehungen zu Damen zu haben, und derjenige. der dies behaupte, spräche als abscheulicher Verleumder. »Kennst Du teine Dame Namens Flora?« inauirirte der Kommerzien-. rath daraus scharf. .,««’5lora? Jch babe nie ein weibliche-J Wesen dieses Namens getannt,« ant wortete Dr. Willhaupt ernst und be stimmt. »Nun, ich erlaube mir, Dir hieraus diesen Brief zu zeigen, den Hilda zu fällig gesunden hat,« bemertte Kom nierzienrath Diederichs und überreichte Ostar das fragliche Schriftstüct. Dottor Willhaupt wars nur einen flüchtigen Blick daraus, während sich feine Züge plötzlich erhellten und er in ein lautes Lachen ausbrach. »Diese Flora lenne ich allerdings,« sagte er, als er seinen Lachtracnps end lich überwunden hatte. »Die habe ich in der That gänzlich vergessen. Sie ist wirtlich eine stille Liebe von mir, und ich beschäftige mich schon seit Jahr und Tag init ihr: es ist die herrliche Flora Oesterreichg, über die ich für eine naturwissenschaftliche Rundschau in Deutschland Auffätze schreibe.« Ter Kommerzienrath machte ein sehr loniisches Gesicht bei dieser Of fenbarung. Dann aber brach auch er in ein unbändigcg Lachen aus, das so wohl die Kommerzienräthin als auch Hilda und Willi herbeiloctte. Bald hatten auch sie von dem to mischen Jrrthutn erfahren, den der harmlose Verlegerbries hervorgeruer .haite, und nun ertönte ein Lachquin tett, aus deui man Hildag Stimme am hellsten heraushörtr. Und der bejahenden Antwort ge wiß, näherte sich Dr. Willhaupt Hilda und schloß die Ergliihende in seine Arme. Sie war gar nicht mehr eiser« süchtig aus ,,Flora«, als ihr Ogtar den Verlobunggtuß auf die Lippen drückte. Dir wandelnde Stadt Jn feinem zehnten Lebensjahr tleti terte Tom Brootg auf eine Ulme, um der dort nisten-den Rkähe die Eier weg-: Juni-brum- Beirn Hekuntersieigen brach ein morscher Ast; die Eier fie len in einen Büschel Nesseln und blie ben ganz, Tom aber fiel auf einen Grenzstein und brach ein Bein. Als er vom Krankenbeti auf ttand, mußte er an Der Jeruere gehen. Dadurch wurde das Versprechen sei: ues Vaters-, ihn demnächst einmal mit uachLondon zu nehmen, hinfällig; wie sollte sich der Junge init seiner Brücke durch das Gedränge arbeiten! Wenn man den zerfahrenen Weg, der an der väterlichen Farn-. vorüberfiibrte, bis zum Hügelkamm verfolgte, sah man hinter Feldern, Weideland und Hecken ein weites, graues Meer mit starren Wellen, aus denen die Trümmer ge waltiger Schiffe undeutlich emporstan: den, bei klarem Wetter erkannte man Kantine, Kirchthürme und Kapiteln Nachts schwebte da ein fahler, röthli cherSchein amHimmel und, je nachdem aer Wind die Nebel über den Wiesen austrieb, glitzerten winzige gelbe Punkte. Dass war London. Tom war niemals dort gewesen. Von Städten lannte er nur Cotvhilh dag nach der andern Richtung, eine gute Viertels stt nde von der Besitzung seines Vaters entfernt. lag. Tom hatte eine hohe Meinung von tsowhilL besonders von dem parkumaebenen ManorHouse dessen Besitzer manchmal in vierspän niqer Kutsche aug- London tan1, und von einigen Läden der Oauvtstrasze, die ihm mit ihren verstaubten Süßia: teiten, ihrenAngelaeräthschaften, Luft buchsen, Abenteuerbijchern als uner schöpfliche Handelsemporien erschie ne. Jn Wirklichkeit war Cowhill ein stilles, fchläsriges Landsttidtchem die Bewohner interessirten sich lebhaft für die Fleisch- und Wäscherechnungen ih rer Nachbarn, munkelten von Trunk sucht und Rain, wenn sich ein Bürger einmal eine Viertelstunde an der Bar Des Wirthshause-s aufgehalten hatte. Mit der Zeit tam ein Bahnhof nach Corohill. Samstag Nachmittag und Sonntag trafen Ausfliigler aus Lon don ein, die den Weißdorn der Hecken abrupsten und in dein Bach mit Ta schentiichern nach Gründlingen fisch ten; kleine Villen entstanden in der Nähe des Städtchens-. Toms Vater, der früher hauptsächlich Viehzucht be trieben hatte, verkaufte einenTheil sei nes Landes und warf sich ganz aus Gemüfez Obst- und Blumenzucht, die bei der zunehmenden Zahl der Villen, s den größern Ansprüchen der Cowhiller und dem leichten Transport nach der Hauptstadt ausgezeichnet lohnte. Die chhiller fuhren jetzt, auch ohne ge schäftlichen Zwang, oft nach London und erweiterten ihren Blick; Tom, der im Garten behend und fleißig umher hnmpelte, blieb zu Hause. Zuerst hatte er sich geschämt, daß seine Altersgenos- ; sen ihn auslachten wenn er sie nach; allbekannten Dingen in London fragte; als er aber zu Jahren lam,s schlug dieBeschämung in Stolz um. Jel großstädtischer sich die Cowhiller ge bci. deten umso eifriger stand er beiml alten Herkommen, und nachdem ein mal —— der alte Brools war damals schon gestorben und Tom Herr des Ge schäftes —— seine Fruchtbirnen bei ei ner Obstschau in Cowhill den erstenI Preis davongetragen hatten und der Besitzer des Schlosses als Patron der Ansstellung ihn einen Mann vom gu ei-, alten, echt britischen Schlage ge nanl und ausdrücklich hervorgehoben hatte daß er immer der heimathlichen JScholle treugeblieben und niemals in Lordon gewesen sei, da nahm Tom die Gewohnheit an, wo es irgend anging, Hscine Rede zu beginnen: »Ich bin nie sin meinem Leben nach London gekom n en aber ........ Die Aussicht vom Hügel hatte sich als gemach geändert. Wo früher Wie sen gewesen, da erkannte man setzt zgli tsernden Schiefer: an der Stelle ei nes alten, von Eichen überschatteten Bauernhaufes, dessen rothes Dach wie ei-: Filiimpchen Siegellaa in dem Lardschaftsbild qeleuchtet, machte sichl ei e plumpe Gastrommel breit Nachts glinnnten die Lichter deutlicher durch die Finsterniß und man unterschied eii:,ielne Strassenstng Auch Eowhill wichs ständig. Es hatte«jeß«t »zwei Bisynnofe uno cme Anzayi warmem fer, die durch riefengrofze Laternen, eiserne Veranden, bunte Gaslamven« Mahagonithüren und protzige goldene» Auffchriften das Staunen Toms er-; tvcdtenx den übrigen Cowhillern boten sie nichts Neues. Das an Tom-Z Gar ten anftoßende Gelände war in einen öffentlichen Pakt verwandelt: unter der Ulme, wo Tom fein Bein gebro chen, ftand eine Bant und daneben ein eiferner Korb zur Aufnahme von But terbrotvabier und Apfelsinenfchalen. Der fchlechte Weg vor dem Haufe wurde verbreitert, der Fabrdainm miti Steinen bedeckt und glatt gewalzt, eini gepflafterter Bürgerfteig lief an deni Seiten bin, in fparfamen Abständen mir Laternen bepflanzt »Ich bin nie nach London gckonimen,« faate Tour, aber ftaubiger tann es auch dort nicht feii:.« Durch den anstoßenden Parl indessen und weil der Bach sich in der Nähe zu einem Sumpf mit Schilf und tuisdem Gras-«- erbreiterte, blieb die Um gebung des BroolsfchenAnmefeng noch liiisaere Zeit ländlich: im Frühling fdsluaen dort die Nachtigallen, und der Kuckuck rief aus dem Gehölz. l Das wurde Plötzlich anders. Die titemeinde trat den Parl, deffen Grund und Boden sehr werthooll geivordens war, einer Terraingesellfchaft ah. Viele Bäume fielen, schmale Verge. bes stehend Jus Ziegelsteinbroclen, Mörtel, Tapetenfetzen, rostigen Büchsen schoben fich in die Wiesen ein, die von den; Stiefeln der-Arbeiter zertrampelt wur:’ ien nnd lsei Regen einen schwarzen Morast bildetenx lange Bretterzäune machten durch ihre qrelldunten Plakate die Wüste umso häßlichen Heute sah man Balkengerippe, aufgeschichtete Steine, Thonv und Bleiröhren, bald darauf standen fertige Bauten da, ei ner nsie der andere, gleich saubern, in der Fabrik nach demselben Muster ge schnitzten aus demselben Farbentiihel l«einalten Puppenhiiusein, die ein Kind aufreiht. Schlunde, wenn auch noch dünnbelauhte Gärtchen bedeckten die Oedex der Sumpf wurde zum Theil zugefchiitteL der andereTheil lebte fort als run:er, auseeinentirter, mit einem Gitter umgehener Teich, in dessen Mitte eine kleine Jnsel aus Grotten fteinen ein Paar träntliche Weiden trug. Jn Toms Geschäft rechnete man ietzt mit Pfunden, ivie früher mit Schillinqen, aber er niurde dessen nicht mehr recht froh. Staub und Ruf; lzwangen ihn, die Kultur einzelner empfindlicher Pflanzen die sein Stolz waren, aufzugeben; die Nachtigallen blieben aus, dafiir vernahm er den Kuckuck-ruf auch im Sommer nnd Winter, aber er kam aus der Kehle ei nes Papageis, der sich in einem Fenster der Nachbarschaft schaukelte, und klang scharf und heifer, wie zerbrochen. Ra scher noch, als Eowbill sich nach Lon don hin ausdehnte, schwoll das Häu sermeer Londons gegen Cowhill an. Als Tom ein Mann mit grauen Haa ren war, führte der Weg von London nicht mehr durch Wiesen und Gebüsch, sondern durch Häuser, Häuser-, Häu ser. Die Straße vor Toms Grund stück hieß zwar noch der Weißdorn Mang, aber Weißdorn war dort nicht mehr zu entdecken; inmitten der neuen Gebäude, die zum-Theil schon recht ab genutzt und herkommen aussahen, stand das ländliche Haus Tom-?- mit modsigem Ziegeldach, umrantt von Geißbtatt und Kletterrosen, wie ein Ueberbleibsel alter Zeiten. Omnibnsse tlapperten iiber das Pflaster, dann kas men schnaufend und rasselnd die Auto- « mobile; endlich wurden Schienen ge legt, hohe Pfosten errichtet, Drähte ge spannt, und riesige gelbe Wagen sau stcn an dem Hause vorbei, das früher nnr felten den Karten eines Bauers gesehen. Wenn die Fenster beim Vor-— iiberfahren eines schweren Motors klirrten, oder das scharfe Getöse der elektrischen Wagen Toms ans dem Schlafe weckte, seufzte cr: »Ich bin nie ricch Landen gekommen, aber mehr Stand-II kann es auch dort nicht ge ben.« Toms Haar irar weiß wie die Blü thenblätter feiner «Narzisfen. Erstaun iiih hohe Summen hatte man ihm fiir feinen Besitz geboten, "aber seine Erben, zwei entfernte Vettern, konnten das Haus ja immer noch friih genug ver taufen. Es wurde ihm schwer, fich an der Krücke durth den Garten zu schlep pen. So saß er oft still in der Son ne, ließ die matten Augen müde über die Beete wandern, nickte ein und träumte, daß eineSchaar lustigen jun gen Volks singend über den Weiß dorniGang zöge und sich die Hüte mit blühenden Zweigen von den Hecken schmückte-. Erwacht, ward er sich-be wußt, daß der Gesang von einem Pho nographen herrührte. Eines Tages traten ein Herr nnd eine Dame. Frem de nnd augenscheinlichHochzeitsreiseni Uc, Vcl DUM clll, nllgclocll UUFUJ clllcll Strauch prachtvoller Rosen, den sie durch die Gartenthiir erspäht. Die Ge hilfen richteten hinten im Garten ein Treibhaus ein, deshalb schnitt Tom den Fremden die Blumen ab Die Fremden waren jung Und glücklich: mit Ausrufen des Entzückens betrach teten sie das idyllische Haus. und un terhielten sich freundlich mit dem alten Manne. »Ich bin nie nach London Jekommem aber. . . .« begann Tom seiner Gewohnheit nach einen Satz. Die Dame unterbrach ihn erstaunt und lachend: »Wie meinen Sie das: nie nach London gekommen? Sie woh nen doch in London! Eine halbe Stun de mufz man noch fahren, um aus den cschrecklichen Häusern hinauszukom men» »Ja, ja,« sagte Tom und setzte sich schwer auf eine Bank. Draußen rapnelte ein Motor, die Pfeife einer Fabrik schrillte, im Hause nebenan wurden Tonleitern gespielt, Kinder treischten in einem Hose, und hinter diesen Einzelqeriiuschen summte der unentwirrbare, dumpfe Klang einer aroszen Stadt. »Ja, ja,« murmelte Tom halb siir sieb, »ich bin nie nach London gekommen London ist zu mir gekommen« Gebannten-litten Besser nicht verstanden, als miß verftanden zu werden. is- -·- »- - Vertraue dich dem Besten, doch nicht dem Erstbesten. see It- st Ueber einen gefunden Humor tann man sich oft krank lachen. si- Iit It Lft kann man bei jemandem an einer Kleiniateit seine Kleinlichtekt er tennen. It- sk Il Mancher schimpft über die-schlechten «-3eitverl)ältnisse nnd meint damik seine eigenen. si- sk Il Nichig wird mehr mit Vorschiissen betrat als- das Leben. so- -k sc Am bittersten empfindet man sein Fremdsein — zu Hause. — Tie Pfcisr. »Mann! Fast ataube ich sicherlich, Du hast Deine Pfeife lieber als mich!« »Das nicht. Doch eins hat sie schon voraus, nämlich sie geht nicht so oft aug.« Latoniseth A. tzu seinem Freunde, der ein ge fchtvollenes Gesicht hat): »Rosen Zahn?« B.: »Nein, böse Frau!« Vorn Märchen des Hans im Glück Pelz-it jeder einmal ein Stück an sich el t. "