Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, August 13, 1909, Zweiter Theil, Image 14

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    Der verschollene Sohn
Roman von
M. Betzhold
s I ckmänkn II
(5. Fortsetzung)
5.
Si wurde dem Rentner Görne
leiden wie er geglaubt hatte der
Fremden auszusorsrhen und das Ver
trauen desselben zu gewinnen; schier
doch act-b Doktor Winter das ttrf
nis zu Zählen, sich über vie i ält
nisse des Generals und die besser
Hinirten Bewohner des Städtchens zu
unterrichten
stus Görner konnte jede daraus
bez aliche Frage erschöpfend beant
warten, und es war nicht mehr wir
recht und billig, daß Winter nun auch
seinerseits die Fragen des Nentnerå
beanttvortetr.
Nach der Tafel tranken die Beiden
aus der Veranda ihren Kassee. und ehe
der Abend anbrach, wußte Görner Al
lei, was er zu erfahren wünschte. und
der Fremde oerhehlte ihm nicht, wie
angenehm es ihrn war, an sdem wohl
unterrichteten acfälligen und dienst
eistigen Manne einen Freund gewon
nen zu haben.
Und Görner wußte diese Freund
schaft auszunusem er verstand es, sich
einem Menschen, der ihn nicht näher
kannte unentbehrlich zu machen. —
Arn nächsten Tage war Doktor
Winter bei dein General zur Tafel ge
laden und lernte bei dieser Geleaenheit
die Damen bes Hauses kennen.
» War aus- die Unterhaltung bei die
skc cksllll Icgcgllllllg clllc l!cf2klls!c, IO
wußte der Doktor doch durch sein ac
wartdtei Auftreten, seine Liebenswiir
diateit und seine warme herzliche
Theilnahme auch die Damen siir sich
einzunehmen wie et das volle Ver
trauen des Generals schon in der er
sten Stunde gewonnen hatte.
Die Familie schuldete ihm aroßen
Dank, und an der Wahrheit seiner
Mitheilungem die er diesmal sehr
ausführlich machte, lonnte sie nicht
zweifeln, da er ihr die Uhr und den
Siegelrinq des Verstorbenen über
brachte.
Diese leyten Zeichen, die jeden
Zweifel beseitigen mußten, versetzten
Alle in eine trähe wehmüthiae Stim
mung, und als der Doktor sofort nach
Aufhebuna der Tafel ausbrechen woll
te, machte Niemand den Versuch, ihn
zurück zu halten.
Der General hielt seine band lange
seh und blickte ihm mit schmerzlicher
Wirth in die Augen
«Sie müssen uns heute entschuldi
Iesnsp sagte er leise, »Dann mir auch
auf den Verlust vorbereitet. so Der
kaagt doch die Trauer um den gelieb
ten Todten ihr Recht. Aber ich denke«
wir werdens bald überwunden haben
und ich brauche Ihnen wohl nicht zu
saaen, daß Sie in diesem hause stets
willkommen sind. Sie bleiben ja wohl
noch einige Zeit in unserer Nähe?«
»Der Rhein und die gastfreundlichen
Menschen die an ihm wohnen üben
ihnen Zauber auch aus mich au5«. er
wiederte Winter, während sein Blick
flächiia die beiden Damen streifte,
««toäre ich noch nicht entschlossen gewe
sen, hier noch einiae Tage zu weilen,
so würde ich mich setzt nach Jhren
freundlichen Worten sicher dazu ent
schließen«
»«-O ckaJklc III V c Woklcll BUT
mittag«,sa-,1te der GenerrL ihm noch
einmal die band drum-nd »ich hoffe,
diesen Marterstulil bald wieder verlas
sen zu können, dann werde ich mir eine
eFreude daraus machen, Ihnen die
Schönheiten unseres Rheine-. zu zei
Mk «
Mit einer Verbeugung verabschiede
te der Doktor sich von den Damen
dann verließ er die Vill.1, und der
Bursche hatte kaum das Tnor hinter
ihm aeschlossen, als Winter sich einer
in tiese Trauer qetleideten 7frau ge
genüber sah, die ihn erwartet zu ha
ben schien.
Sie war eine große, hagere Gestalt,
das vor der Zeit ergraute Haar um
rahinte ein bleiches, furbloses Antlitz,
das einst schön gewesen sein mochte,
jeg: aber die unvertennbaren Spuren
elangen Grarnes trug.
Um die schmalen Lippen lag der
scharf ausgeprägte Zug einer tiei und
fest wurzelnden Erbitterung, der
Zeit-senden mit der Welt und den
enschen und aus den sieberglii heni
den Augen blitte die Entschlossenheit
siir jedes zerstörte Glück, jede vernich
tete Oeffnung Rache zu nehmen.
stund Winter war stehen geblieben
et music es, weil die Frau ihm der
Des vertrat.
.Ste W in jenem Hause«, sagt·
sie mit hohler Stimme, indem sie ou
ds- pisq des Gerne-Its deutete, «licttei
M M Istsseschsitek
Of verstand den Sinn deru Frag
Ies, iesunrdet blickte er Heu dei
MDCI der aus edeln Zug(
mer« M th«
distriåtsiebieeduge
-« » f H VIII Indes sie aus
meisten mit-euch fuhr sie fort
« Mit-stets sitt-« m stehe
Indi- sem- stesttant, ode
esse net-dunklen se
ON W aus umdie person bei
m. so- weis-ist
Wust-Wiss
—
aber wollte sich darüber Gewißheit
verschaffen ,
«Jk,re Aussagen?« fragte er, sich
"» reich in die ihm aufgeben-name Rolle
; htneinimdend. .Was können Sie aus
; sagen?«
»Ich bin die-Wittwe des Ermorde
ten«, erwiederte sie, sich hoch aufma
teno. .-Wnö damals geschehen i
lebt in meiner Erinnerung noch so
frisch, als ob es ersi gestern sich mig
« net hätte.«
HUnd wen klagen Sie des Mordes
an «
«Den General Man hat damals
mich nicht hören wollen« der Unter
suchunasrichter legte gar keinen Werth
auf meine Ausiaaern knan weiß ja, wie
es aebt. wenn ein reicher, angesehener
Mann angetla t wird.«
Das Intere. e des Doktors war ge
weckt, aus jedem Zuge seines braunen
Gesichter-Z sprach das Verlangen. in die
ses duntle Gedeimniß einzudringen;
er tonnte nur dann auf die Erfüllung
dieses Wunsches hoffen. wenn er die
Rolle eines GerichtOVeangten weiter
spielte. i
»Ja ireilich«, faate er sinnend, in!
solchen Fällen glaubt man in der Åesl
ael auf die Stellung des Angellaatens
sbesondere Rücksicht nehmen zu mästi
en.«
E gen Himmel. bis der Mord nesiihnt ist.
. Ich weiß. wer meinen Mann erschossen
»Nein, Madame!«
Der aliihende Blick der Frau Print
mann rnlsie durchdringend Jus ihm,
sie schien ihm so recht lein Vertrauen
zu schenken und deshalb seine geheim
sten Gedanken erforschen zu wollen.
»Gleichei Recht iiir Alle!'· sagte ste
:nit scharfer Betonung, »der reiche
Verbrecher ist nicht besser wie der
arme. nor dem Grse e sind wir Alle
gleich, nnd das veer ene Blut schreit
«Werden Sie das auch thun-" l
hat« und ich ruhe nicht« bis den Mör
der die Strase ereilt."
Bruno Winter nickte: die Sskche
wurde immer interessanten und die
Kenntniß dieses Gebeimnisses konnte
von große-n Wer-the sein.
»Sie müßten Beweise vorlesen tön
nen«, soqte er, während er langsam an
ihrer Seiie weiterschritt, «ot1ne Be
weise kann-man lgegen einen solchen
herrn nicht vors-geben« «
weise?« wiederholte Frau Brinks E
»wenn sartostisch zJch sür meines
T klagt wäre. Wann soll ich zu Ihnen
Person habe sie, und sie würden ge-E
nügen. wenn ein armer Teufel enge-s
kommen?" ,
»Ja irriti« erwiederte Winter rasch-«
.Dos wäre nicht ratösarn, die Leute
wiirden sofort ersadrern daß ich rnit
Ihnen in Verbindunq stehe, nnd es ist ;
besser. wenn sie es nicht wissen. "
wohnen Siec» ;
.Jn dein kleinen weißen Häuschen
hinter der Kirche«
.Wollen Sie rnich heute Abend er
warten?
Die Wittwe nickte sustinirnend, ein!
Zug der Beseieoiaung qlitt Tiber ihr«
bleiche-, mageres Gesicht. sie schien zu
versichtilch zu glauben. daß sie schon;
isseslte vor der Erfüllung ihrer Witnsche
e .
s
rä
.trenisen, eg ist besser, man sieht uns
E nicht beisammen, damit meine Abs-ich
ten nicht durchkreuzt werden« —
Jch werde kommen, sollte es au
etwa-Z sqkjt werden's sagte er ich
werde Hör n st -ie mir iu sagen
tsaben und danach meine Maßregeln
treffen Und nun wollen wir uns
I
«
s
)
Er zoq ariißend den Hut ab und
s schritt am Rheine entlanq rasch auf
das Städtchen zu aber er hatte es
noch nicht erreicht, i ls er dem Rentner
begegnete der hier schon seit einer
Stunde auf und ab wanderte, um den
neuen Freund zu erwarten ;
Und doch schien er überrascht, alåk
er ietzt vor ibrn stehen blieb und ihm
die Hand bot.
»Sie sind schon wieder das-« fragtei
er in erstauntem Tone. «Vor Abend
hatte ichs-« sie nicht zurück erwartetk !
»Sie vergessen, daß meine Mitthei- «
lungen einen schmerzlichen Eindruck;
erregen und rnir für heute den länge
ren Aufenthalt peinlich machen muß
ten«, erwiederter Winter ruhig, «niich
steni werde ich wobl länger in dein
angenehmen Kreise weilen-"
Justus Görner holte seine Dose aus
der Tasche und bot seinem Begleiter
eine Prise an.
Eine liebenswürdige Familie!«
fasse er. Eennt man die schwachen
Seiten des Generals, so läßt sich gut
mit ils-n verkehren Te und seine Da
inen suchen freilich keinen Verkehr
sondern leben still sin sich, nur mit
ihren Nachbars-, der Familie RiedeL
sind He eng liirt.
»Sie hoben auch eine Jersinnige iin
Städtchens« fragte Winter während
er stehen blieb, mn eine Eigarre anzie
Madam
Gesteh wüßteP erwieseer
sue-c emporzie
M sollte das sei-ist«
neschwces kleidete Dante —"
»Ich, die ttwe stinkt-rennt
Spiel-see Doktor, die ist so wahn
Mtxwie wirseide es sin III
nurhietzcestenertnmets
Ins-h Bohre- erniroedet worden,
den tot san bit heute
W Guido-Of
l
)
»Und sollte das nicht ans den Ber
ftand der armen Frau einen bösen
Einfluß geübt habeni"
»Gott bewahre! Sie weiß ganz ge
nau, wer der Mörder ist« ader Rie
ntand glaubt idr, nnd das Geri t hat
damals die Sache auch nicht so reng
untersucht, wie es hätte gefcheden mits
sen. Ich spreche nicht gerne dariideiu
Adern-ex Sie wünschten ja die Fami
lie Riedel kennen zu lernen.«
»Juki-obl. aber ich tann mich nicht
entschließen, dort einen Besuch zu ma
chen — diese Anstandsvitsiten sind mir
zuwider."
»Ist auch nicht nöthig, wir sind hier
so ceremoniell nicht«, erwiederte Göt
ner achselznckend «tvahrscheinlich tref
fen wir seht die Familie in i rein
Garten, und wenn Riedel uns ht,
wird er uns schon einladen, einzutre
E ten. Kommen Sie, es ist gerade die
richtige Zeit.«
Bruno Winter zögerte nur einen
turzen Augenblick, dann leistete er der
Aufforderung Folge, langlam schrit
ten die Beiden aus die Ban zu.
«Sagien Sie nicht« Riedel sei sehr
reicht« fragte er nach einer Pause, und
sein Blick streifte forschend das Anti
litz seines Begleiters.
»Er muß ei sein', erwiederte der
Nentner. Alles deutet darauf hin.
und Erlundigungen, die ich frühers
einmal bei meinen Freunden in Köln
eingezogen habe, bestätigen ei. Er be-«
sitzt ein ziemlich großes Etabliffeinentz
in Köln. den gröfieren Theil des Ich-«
reå nodnt er mit seiner Familie dichl
nur im Winter bringt er einige Mo
nate in der Stadt gu. Weshalb auch
nicht! Man tann ja von hier aus sehr
rasch in Köln sein, überdies behauptet
er, sich auf feinen Gefchäftsfiihrer ver
lassen zu dürfen·' »
»Und wie groß ist lerne Jammer
.Fran«, Zahn und Tochter. Der
Sol-n studirt schon seit Jabten in
Bonn und ist in den sinnt-wissenschaf
ten besser bewandert. wie in jeder an
deren. aber dem alten herrn scheint
wenig daran zu liegen, ob sein Ja
töbchen etwas Tuchtiges lernt, er bin
terlöszt ibrn ja spater einmal so viel,
dasz er von seinen Zinsen leben tann.«
»Und die Tochter?'
«Friiulein Eugenie ist ein hübsches,
liebenswürdiges Mädchen. mich wun
dert’s. daß dieses Goldsischchen noch
Keiner aesangen bat. Die Mutter- ist
eine schlichte, brave Frau. und der alte
Riedel ein gastfreundlichen berzensgui
ter Mann; er slunkert allerdings ger
ne. aber das nimmt man einem reichen
Herrn nicht ijbel. Und aus Eins will
ich Sie noch aufmerksam machen: er
ergeht sich außerordentlich gern in
Fremd-verren, bat aber von einer rich
tigen Aussprache derselben seine Ab
nung. und lebt außerdem mit der deut
schen Grammatik auch biiusig in Un
frieden Das ift nun so seine schwache
Seite, indess um seiner sonstigen guten
Eigenschaften willen besteundet rnan
sich rasch damit«
Sie batten seit den Garten ber
Van erreicht, und Jastus Görner sab
sich in seinen Erwartungen nicht ge
täuscht· Die Familie Riedel saß aus
ber Terrasse. und der kleine lorpulente
herr knüpfte, nachdem er den Gruß
erwiederi hatte, sosart ein Gespräch
mit bern Nentner an. woraus der Let
tere seinen Begleiter vorstellte.
«Außerordentlich ersrerrit« sagte der
Fabrikant in seiner lebhaften Weise,
and dabei leuchtete arti den bellgranen
Augen mebr Neugierde alt Vergnü
gen. .Wenn die herren nichts Besse
rei borbaben, bitte ich rein die Ehre,
Sie tennen ja den Weg, Szenen
Der Rentner nickte zerstirnmenb nnd
össnete bat Gittertbor. die Beiden
schritten durch den Garten nnd wur
den am Fus- der Terrasse von dem
Fabrikanten empfangen. der sie gleich
äalelaus seiner Frau rrrrd Tochter vor
e te.
Frau Riedel harte aan die Statut
ihres Mannes, sie war eine kieine, tu
aelrunde Dame mit einem außeror
dentlich freundlichen nnd gutmüthiaen
Gesicht, während ihre Tochter einen
sit-lauten Wuchs zeigte und einen ern
sten, sinnigen Charakter zu baden
schien.
»Freut mich wirklich, Ihre werthe
Bekanntschaft zu machen«, nahm Rie
del wieder das Wort, wädrend der
Blick Eugeniens forschend auf dem ge
bräunten Antlitz des Fremden ruhte,
»der Herr General v. Steinthal hats
mir schon gesagt, daß Sie seinens
Sohn so treu gepflegt haben. Der;
junge Mann hat ein trauriaes Ende
qenommen.«
»Ein solches Ende ist ja häufig das
Laas des Seesahrers", erwiederte
Bruna Winter ruhig. «mein Freund
war immer darauf gefaßt. — Sie ha
ben dier eine sehr schöne Besiyung,
meine Damen; um dieses tleine Pa
» radies sind Sie wirklich zu beneide-U
s Eugenie schlug die blauen Augen
snieder und sente die unterbrochene
häkelarbeit wieder fort; Madame Rie
del aber niate lächelnd und erwiederte
daß dieses Paradies im Winter auch
seine Schattenseite-! habe.
.Dann sind wir in Fölns ergänzte
Itiedel eifrig, ,die Utllia bewohnen
wir nur in der schönen Jahreszeit
Wir könnten hier auch den« Winter
iiber wohnen. ich bade die Billia mit
allein cnmsaet eingerichtet, aber er
stens verlingt das Oeschast meine An
wesenheit, nnd zweitens baden wir
hier tein This-ten terne Ida-zarte und
keinen KarnevaU ·
Madame siedet wars ihm einen
warnenden Vlies au. sie kannte seine
W aber er achtete nicht da
raus, denn Ieise Aufmerksamkeit war
durch den nteressanten Fremden zu
sehr in Inspench W.
.slso Sie hol-en dte weite Reife
mitgemacht?«« fragte er. Sie sind
wohl. wenn ich fragen dors· Doktor
der Fillerlogie?«
».Der Esset-in's erwiederte Winter,
«ich beschnsti mich nur mit den No
turwissenscha en.«
Æine schöne Be chästiunz wenn
sie was einbringt. in » lbbche stu
girt Fillerlogie, er will Professor wer
n.«
»Auch eine schöne Beschäftigung«,
sagte Bruno Winter mit leiser Jronie,
»wer es können Jahre vergeben. ehe
dieses Ziel erreicht wird.«
«Thut nichts, mein Plöbche kann
warten. er braucht sein Brod nicht da
mit zu verdienen, wir haben genug«.
erwiederte der tleine here mit einer
gerinqschädenden Geberdr. »Sei-ladet
drum auch nichts, wenn er länger stu
dirt wie seder Andere. so lange man
) jung ist. soll man das Leben genie
en.' «
f »Diese väterlichen Grund-Töpfe wer
den dem deren Sohne gewiß ge allen«,
i sagte der Dotter, und wieder begeg
x nete et desn sorschenden Blick Enge
nieneL der ihn einigermaßen befremden
mußte. »Wenn nur die süße Gewohn
heit des Genieszeno nicht zu ties ein
niurzelt, bester Herri«
»Das ist’s, aus auch ich befürchte!«
seufzte die Mutter. .Das Leben uus
der Universität —«
»Ach was. Verthei. ich sehe darin
nichts Gesährliches, wenn er auch ein
mal ein Seivel über den Durst trinkt·»
unterbrach Niedel sie, »ein richtiger
Rheinliinder muß einen Stiefel ver
tragen tsnnen. un Alles will gelernt
sein. Die beeren erzeigen uns wohl die»
Ehre. den Kaiser mit uns zu trinken?« »
Die Eint-Luna wurde angenommen, .
und Frau Riedel ging in’s Bau-, nm’
die nöthigen Anordnungen zu treffen»
Brnno Winter tniipfte fest ein Gesi
sprach mit Euaenie an, und es wurde’
ihm nicht schwer, die Aufmerksamkeit
des Mädchens zu fesseln, denn er per
itand es. über die arringkiinigiten
Dinge interessant und geistreich zu
plaudern.
Tier Fabrikant hörte eine Weile gu,
dann schüttelte er das blonde Haupt.
als ob er sagen wolle. idn intereMre
das Alles nicht.
Kommen Sie. Görner«, wandte er
sich zu dern Rentner, «Sie werden
Idee Freude an meinen Seit-linksste
sichen halten« wir tdnnen nächstens·
set-on ein Böivlchen davon ansehenk j
Der Rentner nahm eine Priie nnd;
folgte ihm in den Garten dir-unten er -
wußte wohl, daß Riedel seine Pfiriiche !
nur als Vorn-and benust hatte. um
mit ihm einige Worte unter vier Au
aen zu reden. Ader austorfcben woll
te er sich auch nicht lassen. er tam dein
Fabritanten zuvor, indem er das Ge
spräch auf ein anderes Täeina brachte.
.Sie waren ia gestern noch tranl'.
lagte er, .hennernann wallte sogar be
dankten, Sie lägen an einer Lungen
entzündung nieder.«
,Der denneenann lügt wie ge
druckt'. erwiederte Riedel schiel
zuckend Juni der sagt, glaube ich nie
mals. Es war weiter nichts, wie ein
garstiges Fiel-en·
,Gin gastriiches i eber?«
«Sie nennen’z riichs Na, ich
dank für folchen it! Der Dotter
meinte freilich, es wär gar nicht-, ich
sollte mir nur nehsrig Bewegung ma
chen und tän Bier trinken. Wenn der
Dotter selbst den Gerftensatt lieber
tränk, wie seinen fauren Inseln-ein,
würd« er ihn mir verordnen. Unter
uns gesagt, die Herren wollen Alles
kennen und verfiel-en gar nichts, ein
einfaches Vauimittelchen ist mir lieber
III ein Topf voll Arznei Der Gene
raltkat sich auch wieder rnit ihm ge
m —. i
«Mit dem Doktor Bitter?«
.Natiirlich! Dem bat er den Wein
verboten, aber da iit er an den Rechten
qeiommen.«
·Die Beiden zanken sich immer und
können sich doch nicht entbehren ——-"
«Jehi doch!'« fuhr Riedei fort. »Der
General bat von der Frau Hesz ein
hausmittelchen bekommen, dsbei innn
er essen uns trinien. was er will. Aber
was ich sagen wollte, ist der Doitor
Winter ein reicher Manni«
«Das weiß ich nicht« ,erwiederte
Görner achselzuckendx Jedenfalls muß
er sein Auskommen haben, denn er bot
sich in der ,Sonne’ eingetnietbet.«
»Bleibt olso länger bier i«
«Wie ei scheint, allerdings, Fürch
ien Sie fiir Jbre Tochter?«
»Gott beevobrel Was sollte ich denn
zu fürchten boben2«
«Sie iiinnte sich in ibn verlieben?«
«Wär' ein sonderbarer Geschmack,
der Mann siebt ja aus wie ein Mu
lotte!«
«?ennemann bat sogor einen Kof
sern iirsien aus ibm gemacht.«
Der kleine here blieb stehen und
lachte, dass die Vögel, die über ihm
aus den Zweigen saßen, erschreckt bo
vonslogem
Rossesiirid das ist gut!« sagte er
«Der Denneknann iit ein gottvollei
Subietti«
»Nicht Ksifer. sondern Kofferns
hält's verbesserte Oörner.
Ach mi. Koiiee oder soffen das
ist anz egoi, die hanntsoche dabei
biei t immer der Kofiee«, erwiederte
Fiedel. »Nein, Ebenen in den verliebt
meine Engenie sich nicht, wenn sie
überhaupt noch —- ober auf diesen
Matt will ich weiter nicht uriickioms
men. Finden Sie es nicht onderbqr.
das er noch innige hier bleiben wills
Er bot ieine Pf cht erfüllt, fest kann
er wieder geben -—«
Eber mein Gott, weshalb wollen
Sie ilnn das Ueegnii nicht gönnen?
Wenn es ibnr her se iitlt —«
»Mein-einreißen ich le ' idrn wi
nichts in den We .« g ge ß
»Und wenn «e ibn näher kennen
lernen. werden Sie Gesellen an ian
finden. Ich fiibre ibn deute Abend bei
unseren EStainrngsiisten ein."
«Ns. vielleicht komme ich auch«, sag
te«Riedel noch einer Pause. «wifsen
Sie, er hätte rnir das nicht sagen dür
fen nrtt meinem Jntöbche, das muß
ich selbst wissen, denn ei ist mein
Sohn, und die Kosten get-In nicht aus
seinem, sondern aus tne ern Beutel.
Jedt wollen wir wieder zur Gesell
schaft geben«
Justus Görner konnte sich eines
Lächelns iiber den Groll des kleinen
Herrn nicht erwehren. aber er schwieg,
dertbeidigen durfte er den Fremden
nicht. wenn er es nicht mit dem reichen
Fabrikanten verderben wollte, und das
Leitere lag keineswegs in seinem Jn
teresie.
Sie fanden die Damen in eifriger
Unteebattung mit dem Doktor, der ge-—
rgde fest ibnen den Schiffbruch rnit
all’ seinen Schrecknislen schilderte, odne
tu ahnen. wie furchtbar diese Schilde
rung iiir Eugenie war.
Die Lebendigkeit dieser efseltoollen
Schilderung setselte bald auch die
Aufmerksamkeit Riedel’s, der sich sonst
für solche Dinge nicht interessirte, und
als Winter dann seine eigene gefahr
dolle und kniibsanie Wanderung durch
Attila berichten, solgte Riedel auch
diesen Mittbeilungen mit gespanntern
Interesse.
Mortsedung singt-)
Torpedoboote.
Sitz-Je aus dem Marineleberi von A.
Wiens-lit
Wenn ein Roman mit der eingehen
den Beschreibung eines hübschen
Mädchens bginnt, das leichtfiißig wie
ein Reh auf der Straße geht, die blon
den Löckchen vorn Irithlingswind zer
zaust, oder das nachdenklich am Fen
ster siyh die schmalen, weißen Sande
auf dem Schoon gefaltet, so ist das
immer von neuem interessant, viel
leicht, weil nicht viele sich der Belannts
schast eines wirklich hübschenMiidchens
ruhmen können. an das man beim
Lesen des Romans denkt. Inwiefern
ich mich erdreisten lann, Torpedoboote
mit hübschen Mädchen zu vergleiche-is
Tenn darauf soll's doch hinaus? Nun,
kecde haben schon manchem den Kopf
serorrxkt und die Sinne verwirrt.
erstere in wilder. stiirmischer Fahrt
auf hoher See, beide haben schon viel
Unheil in die Welt gebracht. Man lese
iiter erstere das Generalstabsweri von
dem russisch-iapanischen Krieg. Und
endlich gibt's auch nicht viele, die ein
modernej Iorpedoboot esehen haben
oder auf ihm gefahren ind, und alle
anderen. so oft fie nun auch schon da
von gelesen haben mögen, sie wissen
doch nur, daß sie tlein und schwarz
sind und vielleicht —- daß sie unter
Wasser fahren können, was aber nicht
einmal richtig ist! Also darf ich mit
meiner Plauderei wohl auch auf eini
ges Interesse rechnen.
Also: Ein hochseetorpedoboot ist
etwa 260 Fuß lang, 18 Fuß breit. die
Konrrnandobriicke liegt 10 Ins, jeder
der beiden Schornsteine 18 Fuß iiber
Wasser. Verzeihung, wenn ich gleich
am Anfang mit Zahlen komme. aber
die nnd zu ornweroeise norhrg, das c
init der «Kleinheit' doch eigentlich
nicht so schlimm ist. Ei erscheint nur
sc, weil es nur etwa 5 Fuß iiber
Wasser liegt. Dasiir brauchen wir
auch bloß drei Trepdenstusen hoch zu
klettern, und schon sind wir mittschisss
an Deck. Aber bitte, stehen bleiben
und nicht blindlingg geradeaus laufen,
denn zmei Schritte weiter, und wir
stoßen mit der Nase an einen der dei
den Schornsteine. wenn diesem das
auch höchst gleichgültig ist« der resp.
Nase vielleicht weniger· Rechtsum und
dem Iiihrer nach achtern gefolgt. Der
Deckel eines niedrigen, schwarzen Ka
steni wird ausgemacht, wir dürfen
hineinsehen. Du, wie gruselig! Wie
in einem Grabe! Bei spärlichern Licht
hämmern und tlopsen da ein paar be
) ruhte Gesellen an Itesseln und Maschi
) nen herum. Eine mit Oel und Petroi
steum durchtröntte Lust steigt zu uns
heraus. Die müssen sich ja dort unten
todtungliialich sühlenl Doch nein, sie
winken uns vergnügt lachend mit der
band und rusen, wir sollten doch mal
runter tommen, ei wäre ganz gemiith
lich. Richtig, da bricht gerade einer
einer lasche den Hals und ein andrer
steckt ich eine neue Pseise an. Nun
sind wir von der Gemüthlichleit über
zeugt
Mit geheimnisvoller Miene weist
der Führer aus ein langes, dicker
Rohr, er tlappt es aus und — wie
reizend — da liegt ein bronzegliinzen
der Torpedo drin. Das sind also die
Dinger, die, nachdem sie durch die
Kraft der Preszlust aus ihrem mollii
en Bett — das nach einer anderen
esart auch wirlltch einem miiden
Seemann gelegentlich als Schlassosa
dient —- geschleudert sind, sich »unter«
Wasser verkriechen. wo dann die in ih
rem Leib eingebaute Maschine zu ar
beiten beginnt, bis ihr nach etwa 1500
Fuß die Lust auige —- Ein Sig
nalmast mit seinen en und Si -
nallarnpem der hinter ihm stehen
Kommandothurm mit ausgepslanztiem
Geschüt, von diesen technsehen n
eiehtungen verstehen wir zu wenig, um
uns lange dabei auszuhalten, diel lie
ber folgen wir der Einladung des
Kommandantem eines Kapitiinleuts
rinnt-, der uns in seine Kaiiite ein
laoen läßt. Eine schmale Treppe hin
unter, unb wir besinden uns in einem
behaglichen Raum, in dem vielleicht 15
Personen bequem Plah haben. In be
Mitte ein Tisch. Stühle, an benWäni
ben Lederpolster, Bilder. Zeitungen,
Bücher, was will man mehret-Und wir
glauben gern, wie unserWietb erzählte,
baß hier schon so manches schöne Fest
gefeiert worden ist, wenn nach an
strengend-er Tagsahrt die Torpedoi
boote siir die Nacht in eine ruhige
Bucht geschickt wurden, wo sie sich
dann einträchtig dicht nebeneinander
legten; und wen das Loos gerade tras,
der mußte Küche und Keller den site
materielle Genüsse stets empiiinglichen
Kameraden öfsnen, die sich ihrerseits
mit Gesang und Gitarresviel reoans
chirten Daß die Schlaftantmern
neben berKaiiite nur winzig ind, bar
iiber wanderten wir uns weiter nicht;
Schlaf, so wurde uns erklärt, sei
überhaupt eine sehr unprattische An
gewohnheit, bie wenigstens aus Tor
pebobooten abgeschafft werben sollte.
Draußen bunlelt es bereits. unb
wir wollen uns verabschieben, da sor
dert uns der Komrnandant aus, eine
Fahrt mit seinem Boot mitzumachem
Es handele sich um einen Nachtangriis
cus zwei Linienschisse. Zwar könne er
die Verantwortung siir unser Leben
nicht übernehmen und wir sollten die
Geschichte, bevor see verfährt, nicht
gleich ausposaunem weil er ohne
höhere Erlaubniß keinen Cibiliiten
mitnehmen bürse, aber vielleicht würde
ei Uns Spaß wachem Aber naklttllchl
Auf dem Wege nach der Kom
mandobriicke ftatteten wir noch den
Mannfchaftsräumen sowie dem vor
deren, unter Wasser gelegenen Tor
pedoraum einen kurzen Besuch ab und
dann geben wir uns ganz dem herr
lichen Genuß hin, in immer fchneller
werdendem Tempo aus der hell er
leuchteten Föhrde, vorbei an der drit
ten vor Anter liegenden Flotte zu
dampfen. Das Schlingern und
Starnpfen, an Land .Schaukeln« ge
nannt, macht uns nichts aus, die See
lrantheit ift ein überwundener Stand
punkt, andernfalls hätten wir bon
dem Mitfahren auch wenig gehabt.
Auf unfere Frage, wo wir denn die
beiden Schiffe treffen würden, meinte
der Kapitänleutnant, er wäre ganz
froh. wenn er das wüßte, aber einft
weilen hätte er noch keinen blassen
Schimmer, ihm fei nur bekannt, daß
sie fo gegen 9 Uhr aus einer der beiden
nach der Nordfee führenden Wasser
ftraßen kommen würden, und daß er
sie fpäteftens um 10 Uhr abfangen
müßte, wenn anders feine Aufgabe
nicht ais mißlungen bezeichnet werden
follte. »Ja, fo’n bißchen Gliicl muß
man fchon haben,« fagte er, «hefons
deri wenn man ganz allein ifti denn
im Ernftfalle würden natürlich M, 20
Hund mehr Boote zurVerfiigung stehen.
’Mir ift’s überhaupt ganz Wurfcht, ob
»ich sie kriege. denn die ganze Sache
fcll vielmehr eine Uebung für die Be
fahungen der beiden Schiffe fein, die
fich jeht fchon die Augen nach dem bö
fen Feind auigucken.« Auf ut Glück
singen wir mit 30 Meilen schwin
jdigkeit vor dem roßen seit auf und
fab, ei ifi halb zesm der Kommandant
iwird etwas nett-oh alfo scheint's ihm
doch nicht fo ganz Wurfcht zu fein.
Noch ein paar Minuten. .Da find fie,
nun gnad' ihnen Gott!' »Wo? Wir
fehen ja nichts. alles dunkel rings
um!« «««1a, fehen thu ich auch nichts,
kenn fee fahren abgeblendet, d. h. alle
Lichter find gelöfcht, aber hören!« Und
richtig, als uns zuliebe geftoppt wird,
vernehmen wir ganz in derZerne eben
III-II ein Mlsulcq« Ulls, Islc Mlc III
belebten lassen, oon dem Gang der
Schrauben und Maschinen herrührt.
Der Kommandant beginnt nun zu
manöoriren, er will das zweite Schiff
schräg von oorn angreifen in der An
nahme. daß beide hintereinander fah
ren. Er wählte das zweite, weil er
glaubt, daß auf diesem die Wachsami
keii im Vertrauen auf den Vorder
mann etwas geringer sein würde. —
6000 Fuß! Dort fahren sie! Der Ka
pitiin zeigt mit der band in die Nacht.
Wir sehen begreifticherweise noch im
mer nichts. 3000 Fuß! Jetzt dran
los! Beide Maschinen äußerfte Kraft
voraus! 35 Meilen! Da plößlich ein
blendender Blitz, wir müssen uns die
Augen bedeaen, im selben Augenblick
ein furchtbares Geknatter — von den
Maichinengewebren, ein rothes Etwas
flimmert uns oor den Augen, ein paar
laute Kommandoi tönen uns in den
Ohren, und dann alles dunkel. Wir
brauchen eine Zeit, um uns zu fassen.
der Kommandant lacht uns aus. »So,
die Sache wäre ausgestanden, nun
können wir nach hause fahren." —
»das-en wir denn getroffeni« können
wir uns nicht enthalten zu fragen.
»Na. die da drüben werden ei na
tiirlich abstreiten, wie immer, und
richtig iii auch, daß sie uns wegen des
ziemlich ruhigenWetters schon beleuch
tet haben, bevor ich meinen Torpedo,
d. b. den rothen Stern. abicho aber
ich bin der Ansicht, daß ich i m im
Ernstfalle doch eins ausgewischt hätte·
Ueberlebt hätte ich·s freilich kaum;
denn ein paar ordentliche Trekier der
Granaten, und wie sind kurz und
klein geschossen.
Unten in der Messe können wir unt
dann auf der Deimfahrt noch weitere
Auftlörungen geben lassen.
Kultur iit Verzicht auf Geschmack
lostgkeiten.