Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, July 30, 1909, Zweiter Theil, Image 13

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    .- p-—W
o- an- case-seen
Rmllette von Lenelotte Win
feld
Der Nebel spann seine Schleier
sen die Straßenlotemn und um die
leuchtenden Fenster der häufen
Gilde Werber siiblte sich meet
totirdig Geängstigt durch den weißen
Dunst, der ihr den Ausbliu ver
sperrte. Sie hatte den weiten,
abendlichen Wen nach der Bismant
straße gemacht, um vor ilsrer Ab
reise nach dem fernen Lande das
alte daus noch einmal zu sehen, in
dem sie vor Zeiten so glücklich war.
Nun stand es vor ihr, in geheim
nisvollen Flor gehüllt. unt sah sie
seltsam fremd und adtveisend on.
hildes spähender Blick lonnte hin
ter dem hellen Celfenster im ersten
Stock nichts erkennen, ale einen lan
gen dunklen Schatten, der hin und
- der glitt, um dann wieder eine ganze
Weile regungslos am Fenster zu ver
begren.
· Fremde wohnten je t in der alten,
lieben Nedern’schen -ohnung.
die tiefe Nische am Eitsenster noch
so traulich durch Vorbiinge und
Blattgemächse abgeschlossen war wie
früher? —- hilde hätte es brennend
gern gewußt
» Je dichter die Schleier des Nebels
das Ecksenfter umwoben, desto durch
sichtiger wurde der Schleier, der die
Vergangenheit zudecltr.
dilde vergaß, daß sie mit talten
Füßen aus dem nassen Pflaster stand
und zum Eckfenster binausfschautr.
Sie durchlebte wieder die seligen
Minuten, die ihr die verschwiegene
Nische dort oben vor Jahren ge
schenkt.
Sie lebnte weich und warm in
Lotdar’i Arm. Gedämpft tlang die
usisl zu ihnen in die stille Nische, die
chroeren Borbänne ließen seinen
Späher zu. Und sie lauschte seinen
Warten, die ihr, der armen Erziehei
rin, eine leuchtende Zukunft verbießm
Sein Weib sollte sie werden
Da —- einmal kamen unhörbar
Schritte durch das Zimmer, der Vor
bang wurde von leiser lVond gehoben
— Frau von Redern, die Gütige,
Bornet,n«.e, entdeckte Oride’s und Lo
tbar’s Gebeimnisz.
Sie zürnte nicht; nur Besorgniß
lag in ihrem Blick, der Hilde strei
chelte, während Lotmr die bedeu
tungsoollen Worte zu ier sprach.
Nun begann daß Köstliche der
beimlichen Brautzeit Frau von Re
dern hatte zur Gebeimsbaltnng der
Verlobung geratks , bis Lotbar eine
sichere Existenz siir sich und Hilde
hätte. —- Sie selbst tbat alles. um
der Erzieherin ibrer Töchter die paar
Minuten targen Glücks ungeschmä
lert zu verschaffen. Sie ging geflis
sentlich an der Eckfensternische vor
über, wenn sie Lothar und hilde dort
wußte.
-.- --«
Dann geschart das Wrermaze —
Lochar ging ohne Abschied nach dem
sernen Lande.
Frau von Redern gelang es, Hilde
dem Wahnsinn, dein Tode zu ent
reißen. Sie zwana sie, das Leben
als tositbares Gut zu betrachten, auch
wenn die schönste Perle in seiner
Krone fehle.
Sie legte ihre Kinder hilde ans
Verz. Das brachte das Mädchen u
sich. Vielleicht auch war es die leise
uneinaeitandene hoffnung, daß Lo
thar wiederkehren würde.
Tage, Monde, Jahre flossen dahin,
ohne Glück, aber auch ohne Qual. Re
signation ohne Bitterkeit war die Sig
natur des Lebens. Die Kinder wuch
sen heran, wurden eins nach dem an
deren sortgeschickt. Frau von Redern
ging in das haud ihres Sohnes —
ein süßes Entetchen war der Magnet.
hilde nahm eine andere Stellung
an. nach dieser wieder eine andere.
Tag aus, Tag ein, unterrichtete sie.
Allmählich schwand die Seelenruhe.
Die Freudlosigteit ji«-re- Lebeng ver
bitterte sie. In einer schlatlosen Nacht
tarn ihr die Erleuchtung — Sie
wollte sort. Dahin, wo der Geliebte
vielleicht unter schweren Kämpfen urn
sein Dasein rang.
Der Entschluß aab ihr etwas, was
sie seit Jahren nicht gespürt: Lust
sum Leben, srisx Mattrast
Ein heftiger tos; riß Hilde aus
ihren Gedanken. Ein Mann hatte sie
angerernpelL
»Der vertrartte Nebel —« entschul
digte er sich.
Bilde schämte sich plöhlielx daß sie
hier aus der Straße stand und zurn
Fenster hinaufstarrtr. Sie machte ed
ernd einige Schritte in der Richtung
get hausthiir Der Mann, der Posi
unisorrn trug. sah es.
Ich. wenn Sie so out sein wollen,
diesen pries rnit nach oben zu nehmeni
—- Dr. Karsten irn ersten Stock
slfdes hände zitterten als sie dan
Ortes entqeaennaym
«Sie gehen wohl nicht nach oben?«
»Ja —- doch!« tagte te eiirig.
Der Mann entfernte ch schnell —
er hatte es eilig.
hilde stand wie betäubt auf dem
saustiur. »denn Dr. Lathar Kar
ften«, stand auf dein stief.
Er wohnte in dem alten baute. Jtn
ersten Stock. Er, den ite in fernen
Landen suchen wollte. .
dilde trat auf die Straße zurück
und sah wieder zutn Caseniter hin
aut. Bewegte-i sich nicht zwei Schat
ten dicht nebeneinander in der Rischet
—- Jetst löste sich der größere vorn
Fenster. Der Nebetlchleier qerrtß et
nen Moment. hikde sah deutlich an
dshantnren des kleinen Schattens,
d etne Frau am Fenster stand.
Die alte Wunde fing von neuem zu
: dluten an. So heftig war der
« Scheuern dem sich ein nagendei Ge
fithl der Ciferfucht und Bitterkeit zu
. gesellte, dass sich die Straße und die
umslorten Laternen noch in einem
»anderen Nebel, als dem wirklichen,
urn Bilde zu drehen begannen.
Jhre Kniee zitterten. Sie schlich
mit Mühe in das alte haus und sehte
» sich auf die Treppenstufem Sie knarr
» ten unter ihrer Last. Wie freudig hat
ten sie einst gepiept, als ihre und der
» Finder leichte Füße iiiber sie hinhusch
en.
Dilde schloß die Augen. Nicht mehr
i denteni — Das Leben-—wie unend
lich schal! Lothar wohnte in der al
ten Redernfchrn Wohnung und hatte
eine Frau!
Warum nun noch reisen· —- Ein
Ende lonnte sie auch hier machen. Ein
» Ende! —- hilde «chauderte. Der Ne
bel lroch durch die Hausthür, um
safzte Vilde’ö Knie mit talten Hän
den und fah aus farblosen Augen
tückisch zu ihr auf.
So talt ist der Tot-! Und soeben
haben noch weiche Erinnerungsträume
sie qewiegt.
Hilde stand so hastig auf, daß die
Treppenstussen entsetzt auftreischten.
Oben wurde eine Thüt geöffnet. —
Hilde dachte an Flucht. -— Da fiel ihr
der Brief ein, den sie abgeben sollte.
Jn großer Verlegenheit wandte sie ihn
hin und her.
Jm ersten Stock erklangen Schritte
auf der Treppe. —- Hilde nahm allen
Muth zusammen. Man durfte sie lier
nicht finden mit dem Brief in der
Hand.
Sie stieg die Treppe empor. Ein
Mann heuate sich iiher das Geländer.
Er prallte zurück, als er Hier sah.
Sie stieg qesentien Hauptes höher.
Jetzt stand sie aus dem Treppenflur
und hob fcheu die Augen. Die alte
Redernsche Thür war weit geöffnet,
und vor der Thiir — —
»Lothar!« schrie sie auf, aller- ver
gessend.
Er fing sie in feinen Armen aus
und zoq sie in den corridon
»Du, du lommst selhft", stam
melte er.
Er küßte sie. Das aab ihr die Be
sinnung wieder. Sie ltieß ihn von sich.
»Ich wollte nur den Brief abgehen,
den mir der Post-date eingehändigt
hat —«
Er nahm den Brief nnd ihre Hand
zugleich. Ein frohes Lachen tam in
seine Augen und bald auch iiber seine
Lippen.
Sie wollte sich losmachen und ges
hen. Er hielt sie fest.
»Deine Frau steht am Fenster«,
sagte sie zitternd.
Sein Lachen wurde herzlicher.
«Das also is« — Das alte Eck
fenster hat dich hergezogen. — Aber
nun tomm und sieh dir die Frau am
Fenster anl«
Er öffnete eine Thiir und schob die
Widerstrebende in das Zimmer. Er
führte seegur Nische. —- Alleo war
wie einst, die Vorhänge, die Möbel
—- Hilde alaub zu träumen.
Lotshar hob n Vorhang Die
grau am Fenster wandte sich um.
ie, die mütterliche, gute Frau von
Redern.
Sie zog hilde an ihre Brust und
sah fragend zu Lothar hin
.Statt des Briefes lommt sie
selbstim — »Der Brief ist auch hier«,
lachte Lothar.
Er risz den Umschlag auf und
durchfloa den Inhalt. Sein Gesicht
wurde ernst.
»Noch drüben wolltest du, Hildeick
—— Wie bin ich dem Schicksal dant
bar, dad dich mir noch rechtzeitig zu
geführt hat."
Er schloß hilde fest in die Arme.
»Sie wollte vor ihrer Abreise das
alte Eckfenster noch einmal sehen«,
saate er zu Frau oon Redern, »dem
Fenster also habe ich mein Glück zu
oerdanten.«
»So war sie die Nebelerscheinung,
die wir schon feit geraumer Zeit be
obachteten!« ries Frau von Redern
»Gott, Hilde, wenn Sie wüßten, wie
wir seit Wochen nach Ihnen fabnden
und gerade heute wieder auf den
Brieftriiger lauerten!"
dtcde las den Brief. Er war von
der Mutter ihrer verflossenen Zög
lin und theilte Dr. Kasten mit.
da Bilde Werder die Stellung aus
gegeben, um nach Amerika zu gehen.
»Und nun betrachten Sie Ihr
lHeini, bilde, und sagen Sie mir, oh
ich es Jhnen recht aemacht.«
Frau von Redern fiishrte Hilde
durch die Wohnuna und erzählte«
welche Freude der Doktor und sie ge
habt, fitr Htlde die Ueberraschuna zu
bereiten. Als aber alle Nachforschun
gen vergeblich waren, hatten Unruhe
und Analt die Freude verdrängt
Der Nebel draußen stiea langsam
in die Hölle —- um das alte baue
war Klarheit
Kinder-nnd
Jn dem kleinen Rudi steckt ter sei
ner it Jahre ein Stückchen echt philo
lopbischen Geistes-, das ihm bei jedem
Dinge nach dem »Weder« und dem
«Wozu« tragen läßt. Einmal beim
Beschauen seines Bildeebuches blickt er
lange aus einen hirlch, um sich dann
an dik Mutter zu wenden: »Du, Mut
ter, warum hat der Hirsch braune Au
gent« Die Mutter, die et mit aller
hand tiefsinnigen Fragen schon ge
guiilt hat. fährt ungeduldig aus »Du
sragst dir was zurecht! Warum,
warum! Warum hast du denn blaue
Ingeni« Einen Augenblick ist Rudi
ganz still, dann antwortet er gelassen:
.Mutter, nun fragst du aber dumm«
Ver gescheit- Peterle. l
Humoresle von Betty Ritt
wegen
Schulmeifter’s« Peterle war ein
schlauer tleiner Wicht, der beinah das
Gras wachsen hörte· Eine überaus
lehhafte Phantasie vereinigte sich beim
Peterle mit einer wahrhaft genialen
Gleichgiltigkeit gegen Ordnung und
Reinlichleit — alfo würde aus dem
Jungen sicher einmal ein berühmter
Mann werden, vielleicht ein Dichter,
zu dem eine ganze Nation mit Ver
ehrung aufblicktet Vorläufig war der
Peter, wie man in feiner Heimatl; zu
sagen pflegte, nur ein kleiner »Hoer
geier«, das heißt, feine Toilette be
ftand wochentags nur aus Hemd und
Höschem Strümpfen und Schuhen
und der Hemdenzipfel hing ftets hin
ten zurn Höschen heraus. Nur am
Sonntag und im tiilteften Winter
gab’s eine Jacke, und am Sonntag
sorgte die Schulmeifterin auch dafür,
daß der Oemdenzipfel gebührend ver
borgen wurde. Nicht, daf; sie arn
Sonntag weniger Arbeit gehabt hätte,
im GegentheiL da gab’s die zerrisse
nen Kleider der ganzen Woche zu
flicken, aber sie wußte, was sich ge
hörte, und tleidete ihren Buben fchon
am frühen Sonntagrnorgen bliifam
ber an. Jm Sommer bekam er ftets
einen frischen Wafchsanzug der bis
zum Abend allerdings in der Regel
nichts mehr von feiner ursprünglichen
Farbe erkennen ließ, und der am
Montag gleich wieder in’s Wafchfaß
wanderte. Das Peterle wurde dann
wieder zum hofengeier.
Aber heute, an einem herrlichen
fonnigen Sommerfonntag hatte es der
Schlingel doch zu arg getrieben. Als
er zum Nachmittagslaffee — aller
dings eine Stunde zu fpöt —- nach
lhause kam, war der weiß-— und blau-i
geftreifte Anzug mit Grasflecken und!
Wagenfchmiere förmlich überzogen.i
Und zwei Risse im Hofenboden tlaff:i
ten sperrweit. Ganz und gar verdor- ;
ben, der gute Anzug, der noch wie
neu war, trotzdem ihn fchon der hand,
L der in der Stadt das Gnrnynafium be
—
suchte, und der Fritz, der vier Jahre
älter war als das Peterle, ihrer Zeit
getragen hatten. Aber Peterle brachte
eben alles fertig, bei dem hielt nichts!
Diese heutige Ausführung forderte
eine exemplarifche Strafe. Nach Ge
nialität und tünftigem Dichterruhm
fragte die empörte Mutter nichts; sie
zog das Peterle trotz feines Sträu
bens und Bittens bis aufs hemd aus,
holte die Ruthe, die nach altemBrauch
hinterm Spiegel steckte, herbei, und
mit dem iammernden Ausruf: »So
ein Ferkel, fo ein Ferkel« verabfolgte
sie ihrem Spröleing was er ihrer
Ansicht nach reichlich verdient hatte.
Dann mußte der arme Sünder fofort
mit einem trockenen Stück Schwarz
brod in’s Bett. Da lag er nun, am
lieben Sonntagnachmittag —- von
draußen drangen die fröhlichen Rufe
der glücklichen Bauernjungen, die
teine hellen Wafchanzüge antriegten,
zu ihm, und fchluchzend fragte er sich,
was die wohl jegt gerade spielten.
Und dann tarn der Vater nach Haufe
und hielt ihm, von der Mutter ener
gifch dazu aufgefordert, auch noch eine
Strafvredigt, und in der Stube afzen
sie Abendbrod, und dann lief der
Fritz wieder hinaus, und Vater und
Mutter festen sich in’s Gärtchen, und
das Peterle hörte durchs offene Kam
merfenfter, wie der Vater aus der
Zeitung, die der herr Pfarrer jeden
Sonntag Abend schickte, vorlag. Nun
unterhielt sich das gefcheite Peterle
mit Laufchen. Das war doch ein klei
ner Zeitvertreib!
»h·or’ nur,« fo rief jeyt der Vater
— »hd«r’ nur, Frau —- nein, fo etwas!
Jeyt dürfen Fertel in Säcken als
Handgeväck mit in die vierte Klasse
genommen werden. Da, nach Para
graph achtundzwanzig des Perfonen
und Gepäck-Tarifg. Das ift doch
mal ein guter Einfall. Kostenlofe
Beförderung der Ferkel! Am Markt
tag allerdings möcht’ ich künftig nicht
gerade vierter Güte in die Stadt fah
ren.« Das Peterle wußte nun zwar
nichts von Tarif und Paragraphen
und auch nichts von oierter Klasse.
Aber daß man mit der Eisenbahn in
die Stadt fuhr und daß er felbft ein
Fertel war, fo gut wie die kleinen
»Vierfüßler, die einem fo leckre-»Bro
rten geben, das wugte er, vesyata er
regte die Sache sein besonderes Jn
teresse, und er träumte, als er endlich
einschlief, ganz schrecklich. Er steckte
in einem engen Sack und fuhr in der
Eisenbahn, was ihm bis jetzt nach
nicht passirt war. Aber es war gar
nicht sa schön, das Jahren, wie er
stckys dargestellt hatte, und er fürchtete
sich entseylickz denn in dem Sack
war’s stackfinster.
Ein paar Tage später sagte der
Vater beim Abend-dran »Peter, mein
Sahn, freue dich. Morgen darfst du
mit in die Stadt zum Vagelschieszen«,
ej waren gerade Pfingstferien. —
,,Du bist nach niemals mit der Eisen
bahn gefahren, und es wird Zeit, daß
du einen Begriff vam großen Welt
vertehr betammst mit deinen fünf
Jahren.« Das Peterle jauchzte laut
auf: Eisenbahn — Stadt —- Vogel
schiefzenl Das waren Warte, die wun
derbare Genüsse in Aussicht stellten.
Iris sprach schon seit Wochen fort
während vom Vagelschießen, van den
Thierduden und aam Karufsel Var
Aufregung konnte Peterle Abends gar
nicht einfchlafen, und da kamen ihrn
aus einmal allerlei Bedenken. Er
hatte«isnal den hand, als er abfuhr,
an die Haltestelle begleitet und hatte
gesagt: »Wenn ich doch auch einmal
in der Eisenbahn fahren lönntet« Da
hatte· der hans gelacht und gemeint:
»Meine Buben wie du, fahren im
hundewagen Da loftet’s nur die
Halfte.« Und als er daran dachte,
fielen ihm die Ferlel ein« die einfach
in einen Sack gesteckt wurden —- hu
—- in einen engen Sack, der oben zu
gebunden wurde. Das Peterle schwitz
te vor Angst unter der Bettdeckr. —- —
«Als am folgenden Tage nach dein
friihen Mittagessen —- der Zug ging
schon um zwölf Uhr —- Ldie Schul
meisterin das Peterleanziehen wollte,
wac- sie aus guten Gründen bis zur
leßten Minute verspart hatte, da war
der Junge verschwunden. Ein eiliges
lrampfhaftes Suchen begann, die Zeit
drängte. Aiber das Peterle war nir
gends zu finden. Die Nachbstschst
wurde befragt; niemand hatte das Pe
terle gesehen. Der Ruf: ,,Peterle, Pe
teile!« hallte durch das Dorf, unsd nack?
einer halben Stunde war alles au
den Beinen, und die Aufre ung ftie
von Minute zu Minute. Die Nach
fotschungen wurden organisirt, der
Dorfteich wurde mit langen Stangen
abgesucht, und die ältere Schuljugend.
durchforschte den nahen Wald. Aber
lein Peterle fand sich, nicht km Teich«
nicht im Wald. —- — H
Eg ging schon auf den Abend, als;
die arme Mutter, die ruhelos von»
einein Ort zum andern wanderte, inJ
die Schlafkammer ging, um sich ein
frisches Taschentuch zu holen; ihres
faßte leine Ihriinen mehr. Da fiel
ihr Blick auf des Peterle Bett und
—- Herrgott -— da lag der Junge und
schlief den Schlaf des Gerechten! Mit
einem Freudenfchrei ftiirzte sie auf das
Bett zu, riß das Peterle aus dem
Kissen und herzte und küßte das
schlafteunlene Bürschchen wie —- nun,
wie eben eine Mutter ihr Kind herzt,
das sie schon verloren glaubte. Das
Peterle rieb sich die Augen und stam
melte: »Gelt, Mutter, jetzt ift’s Vo
gelschießen vorbei, und ich muß nicht
in den Sack? «
»Jn den Sack? Du träumst wohl,
mein Peterle? Was ist das mit dem
Sack?«
»Nu, die Ferkel kommen doch in der
»Eisenbahn in ’n Sack -— ich hab’s
Jgehört, wiss der Vater aus der Zei
Etung vorgelesen hat —- und da hab’
iich mich so gefükchm und hab- mich
im Heu versteckt, und nachher war ich
so müd’, und es war so heiß im Heu,
und da bin ist zur hinterthiir ’rein
und hab’ mich ins Bett gelegt. Und
gelt’ ich brauch’ nun nicht mehr in den
»So-, und wenn ich auch ein Ferkel
bin?«
»O, du dummer Bub, du einfälti
ger Bub'«, so rief die Mutter unter
»Lachen und Weinen. Und der Schul
meister, der gerade in die Thür getre
ten war, als das Peterle seine Erklä
rung losließ, schüttelte den Kon und
-ries gleichfalls: »O, du dummer
Bub« und feßte dann bekümmert
;hinzu: »Wie kann nur so ein geschei
Ites Peterle so dumm sein!« Und es
;kanien ihm gelinde Zweifel an seines
sJüngsten künftiger Berühmtheit
JVie Geschichte vom Kriegsfrei
T willigen Thiei.
Heinrich Sohnrey in der
« »Köln. Zig." vom 2. Juni.
. Der Ministerialdirektor Mr. Hugo
i Thiel, der heute seinen TO. Geburtstag
»seiert, war 1870 Professor der Natio
.nalökonomie am Polytechnikum in
IDarmstadt, als die erste großdeutsche
Bewegung einsetzte. Er trat in Vor
trägen kräftig für sie ein und machte
ssich dadurch bei den Hessen sehr miß
!liebig. Die maßgebenden Kreise wa
sren der Ansicht, daß man, wenn der
Krieg ausbriiche und die Franzosen
»Darmskadt besetzten, um so schwerer
werde leiden müssen« je entschiedener
man sich fiir die deutsche Sache ausge
sprochen habe.
»Ihr seid Landesverräther,« rief
Thiel zornig aus, »ich schüttele den
Staub von meinen Füßen und trete
als Ireiwilliger in ein preußisches
Regiment.«
Inzwischen war der Krieg zwischen
Frankreich und Deutschland erklärt.
Der Zufall wollte es, daß Thiel, nach
Bonn zurückgekehrt, seinen Freund
Kyllrnann (jeßigen Geheimen Bau
rath und Stadtoerordneten von Ber
lin) traf, der Führer der 4. Egtadron
dei; 7. Reserve - Ulanen - Regiments,
spclckkll Z. schwckcll Reserve-Melus
Regiments war, das in Saarlouis
nicht fotmitt werden konnte, und in
Deus eingezogen, mit Künstler-Aus
stattung versehen wurde. Jhtn sagte
Thtel: »Kyllmann, ich teite als Frei
williget mit Dit!«
Kylltnann erwiderte: »Das geht
nicht, Du bist ja nur kurze Zeit Sol
dat gewesen!!"
Das war« in der That so, denn
Thiel hatte slch nach etwa sechs-wischt
ger Dienstzeit einen geringfügigen
Schaden zugezogen. so daß et als
Jnvallde hatte entlassen werden müs
sen.
Als Thlel über die erhaltene Ant
wort sehr niedergeschlagen war, hielt
Kyllrnann ihm vor, wie schade ei
wäre, wenn er, der seine großen Fil
higteiten doch besser verwerthen
könnte, als einfacher Soldat mit ins
z Feld zöge, er solle sich im hauptmiav
; tier in Koblenz melden und versuchen,
den Feldzug als Berichterstatter im
Generalstab mitzumachen.
Thiel befolgte den Rath, jedoch ohne
Erfolg. Jn nichts weniger als rosiger
Stimmung kam er zu Kyllmann zu
rück und bestürmte ihn aufs Neue,
ihn doch in seiner Schwadron unter
zubringen.
Einem fo heißen Patriotismus ver
mochte der Freund nicht länger zu wi
derstehen, und er wies ihn an, sich in
Brühl, wohin dir Gestellungsordres
2 der Landwehrleute lauteten, zu melden
als »Husar. Jahrgang 1860«.
Auf dem Kasernenhofe inDeutz mel
dete ein Feldwebel dem Leuinant Kyll
mann: »99 Mann von Brühl, es sind
aber 10().«
»Wie geht das zu?«
»Es ist ein gewisser Thiel dabei, der
Hsieht aber nicht in der Liste.«
»Dann tragen Sie ihn in der Liste
nach, Feldwebel!«
Diese Zumuthung überstieg doch die
Grenzen dessen, was man von einem
Königlich Preußischen Feldwebel ver
langen tann, und es bedurfte erst der
Mitwirkung eines anderen Freundes,
des späteren Senatspräsidenten Mer
rem. der als Adjutant es risiirte.
Thiel in der Lifte »nachzutragen«.
Nachdem die Mannfchasten in die
«und er war nun schwerer Reiter der
Schwadronen vertheilt waren, steure
sich heraus, daß man sechs Mann zu
viel hatte, die somit wieder ausgemu
stert werden mußten. Unter den Sech
sen, die also nun wieder nach Hause
geschickt werden sollten, befand sich
auch unser ThieL Er aber trat vor
und erklärte sich sofort bereit, freiwil
lig an Stelle eines der endgültig ein
gestellten Reseroisten zu treten, der aus
Familienriiasichten den Wunsch hätte,
entlassen zu werden. t
Seine Meldung wurde berücksichtigt f
4. Schwadron.
Die erste Gelegenheit, sich im Regi
ment bekannt zu machen, erhielt der
frischgebackene Soldat bei einem Pfer
demusterungsgeschäft, zu dem er als
Schreiber tommandirt war. Der Prä
ses der Musterungs - Kommission, ein
General, äußerte sein Wohlgefallen,
an dem «Schreiber«, indem er zu dem!
Schwadronführer Kyllmann sagte:
»Herr Kam’rad, ich muß Sie darauf
aufmerksam machen, daß Sie ein sehr i
brauchbares Subjekt unter Ihren
Leuten haben.«
Kyllmann stellte sich unwissend und
fragte, wer denn das sei. Darauf der
General: »Ein gewisser Thiel, der ist
zum ersten Male bei der Pferdema
sterung und versteht ohne jede Anlei
tung die Sache so gut, als ob er seit
Jahren nur solche Listen geführt
hätte.«
Der General und Thiel hatten sich
an dem Tage schon so angefreundet,
daß der hohe Vorgesetzte sich nicht
scheute, mit Thiel, der die Drillichjacke
trug, am folgenden Tage über die
Rheinbriicle zu gehen.
Für ThieL den kräftigen Mann mit
dem prächtigen, schwarzen Vollbart
waren die Uniformen der Kammer zu
eng, denn er zählte damals bereits 31
Jahre, als aber die Uniform zurecht
geschneidert war, freute sich alles über
unseren »prächtigen Professor« im
weißen Kollek. Jn den Dienst der
Schwadion lebte sich das ,,brauchbare
Subjekt« schnell ein. Als auf dem
Vormarsch nach Frankreich sein
Schwadronführer dem Regiments
tommandeur die Meldung erstattete,
daß er einen Freiwilligen mit in’s
Feld führe, billigte der Kommandeur
den Husarenstrech machte Thiel zum
Unteroffizier und übertrug ihm die
Führung der Stabswache.
Jm Feldzug hat Thiel wiederholt
Gelegenheit gehabt, sich auszuzeichnen,
und dem Regiment werthvolle Dienste
zu leisten. Er ist zum Offizier ge
wählt worden, hat das Eiserne Kreuz
zweiter Klasse erhalten und zeitweise
als Negimentsadjutant Dienst gethan.
Die Geschichte des 2. schweren Rei
terregirnents wurde von ihm geschrie
ben. Mit seinen Freunden Khllmann
und Merrein hat Thiel alljährlich in
immer abnehmendeni Kreise der Feld
zugslarneraden das Regimentssest in
Köln gefeiert, wo bei der Erinnerung
an die Kriegsafsären die Geschichte
vom »Freiwilligen Thiel, einem sehr
brauchbaren Subjelte« nie gefehlt hat.
Wir wünschen ihm und seinen Kame
raden noch manches stramme Regi
mentssest in frischer Trunlfestigteit.
Wahrscheinlich.
Spund tzu seinen Freunden Säf
fel und Buinniel): »Eine Frage ini
Vertrauen: Habt Jahr gestern Nacht
dem Professor die Fensterscheiben
eingeworfen?«
Kollegm »Nein —- wir waren
ausnahmsweise ’mal zu hause.«
sSpund (resignirt für sich): »Dann
werd’ «ich’ö wohl wieder gewesen sein!"
Immer unzufrieden.
A.: »Nun, Jhr Freund hat zu sei
nem Holz- und Kohlengeschöft auch
noch eine Eisiabril errichtet?«
B.: »Jawoihc —- jetzt lann er doch
das ganze Jahr hindurch jammern.
Im Sommer klagt er libe» lz
und Kohlengeschäst — und im "n
ter ticher die Eissabril!«
IW Ists-It
s« - - s
»Lentbares Klavier-Luftfchiff«, er
möglicht das Klavierspiel fern von je
der menschlichen Behaufung bis zu er
ner Höhe von 9000 Fuß.
Ausgleich.
Baronint »Schön, ich engagire
Sie und Sie können Ihren Diensft
gleich bei mir antreten; nur eines
möchte ich noch bemerken. Da Sie
denselben Vornamen haben, wie ich,
so können wir Sie natürlich nicht
»Amaslie« nennen, sondern wir wer
den sSie einfach mit demselben Na
men, den unser früheres Dienstmäd
chen hatte, nämlich ,,Marie« rufen!«
Dienstmädchen: »Gut, dann gestut
ten Sie wohl auch, daß ich Sie ein
fach, wie meine frühere Herrschaft
»Frau Schulze« nenne!«
Sachkundig.
Ortsbiirgermeifter lin der Gemein
derathssitzung): Was denn die
Aufstellung eines Straßenwiirters
anlangt, fo muß das ein Mann fein,
der mit dem neuen Verkehrswesen
Vertraut ist. Jch fchlaget’ da den dicken
Tonl vor — der ist fchon zweimal
von einem Auto überfahr’n word’n!«
Durchschnitt
Vorsitzender (zu den Vereins-mit
gliedern): »Meine Herren, nächsten
Donnerstag ift eine fehr wichtige Sitz
ung. Jch muß dringend bitten, an die
fem Albensd vollzäshlig zu erscheinen.
Entfchuldigungen werden nicht ange
nommen... eventuell können Sie ja
Ihre Frauen mit-bringen!«
Mißverständnis.
Tourist (zu.sn Bergwirth): »Mit)
geb-en Sie mit so ein Beeffteat, aber
nicht seht gepfeffert.«
Bergwirth: »Na, was es kosten
wird, wirst halt zahlen«
In einem Als-entwich
»Ich bestelle hiermit bei Ihnen ein
Zimmer mit Abendbrod, Frühstück
und Sonnenaufgang zu 5 Mark.«
: »Bitte sehr —- der niedrigste Preis
bei uns beträgt 6 Matt 50.«
»Na, dann lassen Sie halt den
Sonnenaufgana weg!«
«:Fi·ellner, bringen Sie mir eine Axt,
ein Beecheisen, eine Baumsäqe und em
Beefsteat.«
Ahnung-vom
Frau (in’s Bad reisend): »Adieu,
mein lieber Mann; ich werde Dir recht
bald schreiben.«
Mann: »Was-? Das Geld. das ich
Dir mitgegeben habe, muß mindestens
einen Monat reichen.«
Wiedumit»...
Die Gemeinde Ochsendorf schickt
eine Deputation zum Landrath.
Landrat-h: »Nun, Ihr Ochsen....
(er hüstelt absichtlich)...dotfer, was
bringt....«
Schulze: »O, wir sind nicht solche
Ochsen swie Sie... (hiistelt auch ab
sichtlich) vielleicht den-ten, Herr Land
kath!"
Bestätigung.
Professor (am Morgen in einem
Kopenhaaener Hotel): Der Haus
knecht hat meine Stiefel noch nicht ge
bracht! So hat Sthatespeate doch
recht: »Es ist etwas faul im Staate
Dänematt!«
Atla!
Hotelier: »Sie glauben gar nicht,
wag mein Junge fiir eine Phantasie
besitzt!«
Gast: »Das habe ich fchon öfter be
merkt, deshalb lassen Sie ihn auch
wohl immer die Rechnungen ans
fchreiben?«
Was nun?
Besuchen »Ist Papa zu Hauer«
Söhnchem »Nein, Papa ift ausge
gangen.'«
»Wann kommt et denn zurückf«
Söhnchen (in’g Zimmer rulendy
»Was foll ich fest sagen, Papa?
Was will man mehrt
Mutter ( die mit fünf heirathsfähfs
gen Töchtern in die Sommer-frische
eingerückt ist, zum Wirth)): »Sagen
Sie ’mal: ift unter dem Kurpusblikum
auch die Uniform reichlich vertretenW
Wirth: »Ei, freilich! Wir hat-en
ieht zwei penfionirte Brief«-Sigm drei
Weichenfteller und einen Macht-either
als Geists