Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, July 16, 1909, Zweiter Theil, Image 14

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Der verschollenc Solm
Roman von
RI.Beßh01d
(1. FortseynngJ
«Wenn Sie es wirklich gewußt hät
ten, würden Sie nicht vergessen haben,
es mir zu sagen«, antwortete der Dot
tor trocken, aber Görner hörte nicht
mehr ans ihn, er batte hastig die Dose
eingestellt und seinen Hut ergriffen,
rnit einem kurzen: »Aus Wiedersehen,
meine Herren!« stieg er von der Ve
randa herunter.
»Seit der ein böses Wndwert!«
brummte der Doktor, während er die
Brille dichter oor seine Auge rückte.
«West,alb es eigentlich auch solche
Käuze geben muß, ist mir ganz uner
klärlich. Mit dem General steht er
aus dem sreundschastlichsten Fuße, wie
er selbst behauptet, und hinter seinem
Riiaen oerdiichtigt er ihn in der
schlimmsten Weise!«
»Ich hoffe. es wird keine schlimmen
Folgen für ihn baben«, sagte Melus
sen, bedenklich das Haupt wiegend.
.Na, er wird sich hüten, an einein
anderen Ort und in anderer Gesell-—
ächaft solche Behauptungen auszuspre-l
en.«
»Der Polizeidiener Heß hat vorhink
Alles gehört-" I
»Den Teufel auch!« erwiederte derl
Doktor bestürzt. »Weder wissen Sie
dasse« (
»Na der Heß stand ja unten an der
Eis-arm der Beranda.«
.Sie hätten uns warnen sollen!'·
»Als ich ihn sah, war es schon Horn
spöt. Uebrigens haben wir Bei E
nichts gesagt, und dern Görner tanni
es wahrhaftig nicht schaden, wenn er
einmal aus die Finger getlopst wird.«
»Meinetwsegen, aber wir werden
dsnn zeugen müssen, und das tann
uns Beiden nicht angenehm sein. Den
Deß werde ich vor-nehmen« ich will wis
sen, was er gehört hat, er soll schwei
gen, es Jst ja Alles barer Unsinn, was
dies-er Görner geschmäht hat."
»Hm, es liegt dennoch Methode in
diesem Unfmn!«
»Na ja, aber der alte General wird
diese schwanhaste Elfter nicht fürchten,
und sollte sie es daraus anlegen wol
« len, ihtn das Leben zu verbittern,
dann werden wir sie schon zwingen,
einen anderen Wirtnzgslreii zu
»suchen", sagte der Dotier, sich er
eisernd, während er den Rest aus sei
ner Flasche in’s Glas goß· »Er soll
sich in Acht nehmen, es könnte sehri
rasch so weit kommen, daß tein an
ständiger Mensch mehr mit ihm ver
kehren will«
»Sind Sie böse aus ihn. weil er
Ihnen mit dein Doktor Bach gedroht
hat?« scherzte der Apotheter.
»Ach was, Doktor v. Bach wird
nicht so dnrnrn sein, sich in diesem Nest
niederzulassen, und tbäte er es den
noch, treil nun einmal seine Mutter
hier wohnt, dann ioll’3 niich wundern«
woher er die Patienten nehmen will.
Mir kommt er so leicht nicht in’2 Ge
hege, dazu bin ich hier zu alt gewor
den. Ueberdies wäre es rnir auch
außerordentlich gleichgiltig, ich hab’
nicht Weil-, noch Kind, und ein ein
zelner Mann sindet überall sein Aus
kommen, wenn er in teincm Fasse
tüchtiq ist· Witten wir das ab. Col
lege Bach hat den ganzen Feldzua mit
gemacht und nachkicr noch einige Mo
nate kei der Oktnpztionszarmee gestan
den, er wird sich in die kleinlichen
Verhältnisse unseres Städtchens nichtl
Mehr bit-einfinden können Da kommt(
der Mann mit dem Schleier, ille Wet
ter isat der sein braune-, Gesich cht!' i
,,Ftst rie ein Mulatte!« erwiederte
Neliessen, während er die hohe hagere
Gestalt des Fremden betrachtete, der
von dem Besitzer des Hotels und einem
Kellner begleitet, einen guter-. Sitz auf
der Berandakguchtr. »Scheint aber ein
reicher Man zu sein, das sichere Auf
treten und der elegante Anzug lassen
es vermuthen«
Der Doktor hatte sein Glas ausge
trunken und sich erhoben.
,Daraus gebe ich nichts«, sagte er,
»ich habe Manchen gekannt, der durch
solche Aeußerlichkeiten den Leuten
Sand in die Augen streute und nach
her als Schwindler sich entpuppte.
Mir scheint zum Beispiel der Bart ge
färbt zu sein, solch kohlrabenschwarzes
Paar hab ich in meinem ganzen Leben
noch nicht gesetzen Gehen Sie mit?«
»Quinte, ich möchte noch einen
Schoppen trinken, ej ist zu Ingeneksm
hier, und erst in der nächsten Woche
Fabe« ich wieder einen sreien Nachmit
III-«
«Schön, dann komme ich in einer
selben Stunde zurück, ich will nur
noch einen Patienten besuchen-X«
Damit verließ auch der Doktor die
Veranda mit dem But in der einen
nd dem Stock in der andern hand,
ging er langsam tn das Städtchen hin
TM . derilni begegnete
it ich gis-i
rWr Mute hatte in der
. Use ke- nn de- ekste zu sei-Ju
des Doktor umisrt Zodiak-Loch en seiner
-« Pistka dem im schlau-es
ANDERE-sit
« M s« gis-Manches- Pha
gwfxisw kein-« bund
lEmpsang zu nehmen«, sagte er in sta
gendern Tone, »sol!te es aber doch der
I Fall sein, dann rücken Sie ohne lange
« Einleitung her-aus mit der Sprache«
j .Sebe ich aus wie ein Ung!iicks
bote?« scherzte Gönner, wZibreyd er
dem jungen Herrn eine Prise anbot,
jdie kopfschüttelnd abgelehnt wurde.
! «Gniidige Frau Mama befinden sich
wohl ich hatte Leute Miit aa noch das
Vergnügen, sie am offenen Fenster zu
sehen«
»Gott sei Dank«. athmete Kurt aus,
»mich bennrultsigte es, daß weder sie
noch unsere alte Brigitte arn Boot
mar, hat-e ich doch von Mainz aus
kneine Ankunft telegraphisch ange:
zeigt.«
»Machen Sie sich desdalb teineSori
gen, Herr Doktor. wer weiß, ob das
Telearamm rechtzeitig angekommen iit.
Sie kommen direkt aus Frankreich?'
«Dirett gerade nicht. wir sind schon»
vor einer Woche in Mainz einmar-«
schirt, und es hieß, daß ich noch einige
Monate beim Truppentheil bleiben
müsse. erst gestern Abend kam die
Ordre. daß ich sofort entlassen werden
könne«
Justus Görner datte seinen Rohr
stock unter den Arm geschoben und
rasch nach einander mehrere Prisen
genommen.
»Und setzt werden Sie hier blei
ben?« fragte er.
..Vielleicht!"
Jch glaube, Ihrem Herrn Cellegen
würde das nicht angenehm sein«, er
wiederte Görner.
»Dein alten Doktor Bitter? Wie
geht es ihm?"
«Danle, er ist noch immer der Alte,
Fie kennen ja seine göttliche Grob
eit.«
»Na, wenn er die noch nicht verlernt
bat, so ist das ein gutes Zeichen siir
ihn. Und Sie sind wohl auch der Alte
geblieben Herr Görner?" sudr Kurt
scherzend sort »Ich erkenne das an
den zahllosen Fragen die Sie an mich
stellen Was gibt es denn eigentlich
Neues im Städtchens«
«Leider gar nicht-, wes der Rede
wertb wäret Unser alter Nachtwächter
ist in voriger Woche am Delirium
Tremens elendiglich zu Grunde ge
gangen, und oon dem Sohne des Ge
nerals tat man noch immer nichts er
sahren.«
«Weiter! Die Familie Riedel wohnt
doch noch hierf«
»Natürlich-, und das Familienhaupt
liegt noch immer mit dem Fremd-obr
terbuch und der deutschen Grammati!
in beharrlichem Streit. Der älteste
Sohn, das Jaköbche studirt in Bonn
noch immer die Fillerlogie, wie der
alte her-r sich auszudrücken beliebt —
Gott segne seineStudia, aus ihm roird
nichts, Hallelujabls
Lein Lameln »gute urer oas schone
Gesicht des jungen Mannes, dessen
Blick jetzt aus das elterlicbe Haus siel,
das am Marktoljtz des Städtchens
lag, aber dieses Lächeln wich irn näch
sten Moment wieder einem schmerzlich
webmiithiqen Ausdruck.
Wenn doch sein guter Vater, der
jeyt schon seit Jahren aus dem stillen
Friedhofe schlummerte, diese Heimlelsr
seines einzigen Kindes erlebt hätte!
Mit welchem Stolz, welcher Freude
würd er den aus siegreichem Kampf
zurückkehrenden Sohn in seine Arme
geschlossen haben! Wie glücklich würde
es ihn gemacht haben, die Brust dieses
Sohnes mit dem eisernen Kreuze ge
schmückt zu sehen!
Aus seinem webmiithiaen Sinnen
weckte ilin wieder die Stimme seines
Begleiters.
»Sie hatten einen Reisesiihrten, der
mit Ihnen zugleich hier ausstieg«,
sagte der Rentnet, »der bete trug ei
nen weißen Schleier aus dem Hut,
kennen Sie ihn?«
»Nein«. antwortete Kurt in kühl
abweisendrn Tone, während er seine
Schritte beschleunigte.
Aber so leicht ließ der Rentner sich
nicht abschiitteln. er blieb dem jungen
» Manne zur Seite.
s »Ich möchte doch wissen, was der
sFremde hier suchen will«, sagte er«
; «eine Touristenstation ist unser Städt- I
; chen nicht. und von den reisenden Eng- s
Rändern hat bisher noch Keiner daran
igedacht, uns mit seinen Goldstücken zu
l beglückm.«
«Wiinschen Sie wirklich, es zu er
sahrenf seaqte Kurt, der ith vor
dem hause stand.
»Ich aiibe was darum —«
.Dann wird's wohl der kürzeste
Wes sein, wenn Sie ihn selbst fragen
Und nun Gott befohlen, here Gsrner,
grüßen Sie die Freunde am Stamm
tische von knir.«
Die Thüre wurde in diesem Augen
blick Zeissan Furt trat in da- han«
und ein lauter Freudennes war das
W, swai der horchende Rentner
noch vernahm. —
Frau Brigitte, die alteAnnne Kurti
und fest das Falte-inne der Majorin,
Mond neben dein staunenden Dienst
mädchen vor dein stattlicheu Manne
und reiäite then beide Rinde.
»Bei-lich enle haben wir Sie
Wink s IF mitzåitteeäidee
« esse. « egne en I
lieier d- " Sie
;
große und Plötzliche Freude könnte der
gnädigen Frau Martia schaden«
Kurt blickte der kleinen, beieibten
Frau bewegt in die treuherzigen An
gen« in denen Tränen schimmerten.
»Zum Schreiben blieb mir feine
Zeit«. erwiederte er. »aber ich habe
Leute Morgen telegraphirt.«
»Stütin Gott, wir haben kein Te
legrarnm gesehen, das ist ja ganz un
verantwortlich!«
»Und ich dente, die Freude toird
meiner Mama nicht ichs-dem fie war
ja darauf vorbereitet, daß ich erfier
Tage, wenn auch nur auf Urlaub.
kommen würde. Wo finde ich fres«
»Du-en in ihrem Zimmer Aber
warten Sie, ich will doch vorausge
hen. es iit besser fo.«
Kurt nickte und langsam stiegen die
Beiden die Treppe hinauf. Ein-or
ein altes, ichlichtes Bürgersbauz, aber
in feinem Innern entbehrte es nicht
ekner foliden und gefchrnackvollen Ele
aanz. die von der Wohlbabenbeit der
Bewohner zeuate Das erkannte man
sofort, wenn man in das haui ein
trat, und die trauliche, eomfortabie
Einrichtuna aller Zimmer ließ gar
teinen Zweifel Daran mehr aufkom:
» men, die Maiorin v. Bach mußte eine
iebr reiche Dame fein.
Frau Brigitte öffnete leife eine
Thüre, die Beiden durchschritten einen
elenanten Satan. essen Fußboden mit
weichen Teppiche bedeckt»tvar, dannj
gab Brigitte dem jungen Herrn zu’
verstehen, er möge vor der Portiere
warten. bis sie ibn angemeldet habe.
Aber diese Vorsicht erwies sich als
höchst überflüssig, das fcharfe Gehör
der Majoan hatte das Mitten der
Sporen vernommen. und ehe Kurt die
Portiere erreichte, hielten ibn schon die
Arme feiner Mutter umschlungen «
Grosk und jtattlich wie der Donn,
hatte ihr Auftreten etwas Jmponireni
des und zugleich auch fiir Diejenigen,
die mit ihr in nähere Berührung ta
men, ungemein Ylnrkehendes, sprach
doch aus- ihren noch immer schönen
Zitan ein warme-A tief fühlendes
Herz, neben einem feften, willensstar
ten Char.rlter.
Es war nicht leicht. das Alter der
Dame genau zu bestimmen; das Ant
litz zeigte noch leine Falte, aus den
dunllen Augen blitzte eine Fülle von
Lebensluft, aber dass Haar, das reich
und voll die bohe Stirn umrahmte,
war sittergrau
Lange hielten die Beiden sich um
schlungen, dann legte die Majorin ihre
Hände auf die Schultern des Sohnes,
um ihn nicht minder lange mit einem
innian Blick voll zärtlicher Liebe und
stolzer Freude in’s Antlitz zu schauen.
»Ich danle Gott, daß er mich diese
Freude erleben ließ', sagte sie. »Aber
werden wir nun beisammen bleiben?
«Jch hoffe es, Mama«, erwiederte
er, »wenigftens lehre ich nicht zum
Truppentheil zurück
»Hättest Du nur vorher geschrieben,
Du Böser, wir würden Dir einen
recht festlichen Empfang bereitet ha
ben! Aber dem wolltest Du wohl aus
dem Wege gehen?«
»Dann habe ich wirklich nicht ge
dacht«, sagte er fcherzend, während er
ihr in das anfioszende Zimmer folgte,
das außerordentlich behaglich einge
richtet war, »ich erfuhr meine Entlas
tung erst gestern in später Abendstuns
de und habe heute Morgen meinem
Burschen ein Telegramm an Dich
übergeben, das aber, wie ich höre, nicht
angetornrnen sein soll. Wer daran die
Schuld trägt, weiß ich nicht« es wird
sich auch nun schwer feststellen las
en —«
Wer-richten wir darauf«, unter
brach die Mai-drin ihn, »mir genügt
es, daß ich Dich wieder habe.«
Sie hatten Beide auf den- Divan
Plan genommen Frau Brigitte brach
te im silbernen Kiihleirner eine Flasche
Wein, sie holte geschäftig Gläser und
fündete die Gaslampe an. und bei die
er ruhigen, gerät-schlafen Geschäftig
teit traf aus ihren treuen Augen
monch’ froher inniger Blick den jungen
beten, der in hei ern Tone sein Zu
sammentreffen mi Görner erzählte
«Ja, ja, es ist fast Alles noch to,
ioie es war, als Du von lfiier fort
ginast«, sagte die Majorin, als Bri
gitte sich entfernt hatte, »es hat sich
wenig oder gar nichts geändert, die
tieiniichen Verhältnisse sind ganz die
selben geblieben. Wenn Du Dich hier
niederlassen willst« wirst Du Dich bald
hineingelebt haben —«
»Das möchte ich nicht, Mama«, er
wieoerte er rasch. »wir ist der Wir
kungskreis hier u beschränkt, und ich
fürchte auch, da ich nicht die geistige
Anregung finden würde, deren ich be
dars. Ei ist gewiß ganz hübsch, mit
den alten Herren dann und wann ei
nen Abend hinter der Flasche zu ver
plaudern, zu scherzen und zu lachen;
aber aus d,ie Dauer wird das doch zu
langweilig weil diese Unterhaltung
kleinen tieferen Eindruck hinterläßt.
HUeberdies möchte ich meinem alten
«Freunde, dem Doktor Bitter, auch
nicht gerne Konkurrenz machen. Jn
dessen wollen wir uns iiber diese Frage
heute noch nicht den Kopf zerbrechens
—- tomrnt Zeit, iomrnt Rath.« T
.So denke ich auch»«, nickte die alte
Dame. »Ein den ersten Tagen wirst
Du die besteundeten Familien be
suchen, sie haben alle herzlichen An
theil an uns genommen, vorzüglich die
Familien von Steinthal uno Riedel
Elsriede v. Steinthal hat mich sast
täglich besucht, um sich nach Dir zu
erlundi en«, fuhr sie sort, und ig:
sorschen r Blick streifte dabei versto
len das Antlit Kritik «i glaube,
da ich Dir das auch geschrie n habe;
un er den Liebe-gaben die ich Dir
irr-s Feld sandte, var viele-, Ia
—J
Elsriede rnir siir Dich übergeben
batte.«
Die Wangen des iunaen Mannes
hatten sich dunkler gefärbt, ein Lächeln
des Glücks umspielte seine Lippen.
»Aus Deinen Worten darf ich wohl
entnehmen. daß Du es gerne sehen
würdest, wenn ich Eifriede als meine
Gattin beimsiibrte?« fragte er. »Wir
können ia ganz offen mit einander re
den, liebe Riemen es ist niemals meine
Sache gewesen, mit dem, was ich auf
dem Herzen hatte, hinter dem Berge
zu halten« und vor Dir habe ich über
haupt keine Gebeiennisse.«
»Und siir diese Offenheit. dieses
Vertrauen danke ich Dir, Kurt«, er
wiederte die Majorin in ihrer herzli
chen Weise. »Ja, es würde mich
glücklich machen, wenn Du mir diese
Schwiegertochter in’s Haue brächtestz
ich kenne Elstiede seit dem Taae. an
dem ihre Eltern in Clemensrub einze
aen, sie ist eine Perle unter den Mäd
chen and der Liebe des besten Mannes.
werth. Auch Du lennst sie seit eineri
Reihe von Jahren, und ich müßte michs
febr täuschen, wenn ich nicht bemerkt
hätte, daß eure Bergen sich längst ge
sunden halten«
»Glaubst Du das wirklich?«
«Zweiselst Du daran?" fragte die
alte Dame schreiend
»Dann, daß ich Elsriede liebe,
zweisle ich keineswegs-C antwortete
Kurt mit ernster Ruhe, «ob aber diese
Liebe erwiedert wird, das ist eine an
dere Frage, die ich einstweilen noch
nicht beantworten kann.«
»Ich bade Dir die Antwort daraus
aeaeben. Aber tron dieser sesken Ueber
zeugunza möchte ich Dir den Rath ge
ben« Dich noch einige Zeit zu gedul
den; in Clemensrub herrscht Trauer,
und das junge, siir seden Eindruck
empiiingliche Herz Elsriedens wird da
von am tiefsten berührt«
Kurt blickte seine Mutter erwar
tungsvoll an.
«Øorner tagte mir schon, von m
sriedens Bruder habe man noch immer
nichts gehört«, erwiederter er. »Man
muß ihn also zu den Verfchollenen
rechnen, indeß ist es ja schon oft vorge
tommen, daß ein Verichollener in seine
Heimath zurückkehrte."
Die alte Dame wiegte sinnend das
Haupt und ein schmerzlicher Zug zuckte
um ihre MunbwinteL
»Habe ich Dir denn damals nicht
geschrieben, daß der General betrüben
be Gewißheit über das Geschick seines
Sohnes erhalten habe?« fraqte sie.
»Ich erinnere mich nicht ———«
»Dann muß ich es in der eigenen
Sorge um Dich vergessen haben, nun,
möglich ist das immerhin. Also bald
nachdem unsere Truppen in Frankreich
eingeriickt waren, empfing General v.
Steinthal einen Brief aus Bremen, in
welchem der Schiffskheder ihm mit
theilte, das Schiff «Alemannia« sei an
der afritanischne Küste geftrandet und
mit der ganzen Bemannung unterge
nangen.«
»Und dies war eine verbiirigte Nach
richt?« fragte Kurt bestürzt.
»Jmmerhin durfte man das anneh
men, da ja der Rheder, der Eigenthü
mer des Schiffes, dieselbe gesandt hat
te. Der General begnügte sich aber
damit noch nicht; er schickte Briefe
iiber Briese nach allen Weltgegenden,
und die Antworten, die er empfing,
lauteten sehr verschieden. Daß die
«Alemannia« untergegangen, wurde
übereinstimmend bestätigt, aber wäh
rend einige Nachrichten dahin lauteten,
daß die ganze Bemannung dabei urn’s
Leben getommen sei. besagten andere,
einige Ofsiziere und Matrosen hätten
das Leben gerettet. Nun llammert
der General wie Du Dir wohl deuten
kannst, sich an die softwan sein
Sohn befinde sich unter den rette
ten, aber alle Bemühungen, darüber
Gewißheit zu erhalten« sind erfolglos
geblieben. Der alte herr hatte einmal
sogar den Vorsan gesaszt,«sel«bst nach
Afrila zu reifen, uno wurde ihn aucn
unzweifelhaft ausgeführt haben, wenn
nicht ein heftiger Gichtansall dies un
möglich aernacht hätte. Nun ift vor
Kurzem wieder ein Brief angekommen,
der die Mittheiluna enthielt, das
Schiff sei mit Mann und Maus e
funten und der Untergang so ra ch
und plötzlich erfolgt, dasz die Mann
schaft lerne Zeit gehabt habe, an ihre
Rettung zu denken. Diese Mitthei
luna soll aus sehr zuverlässiger Quelle
stammen und ist wohl taum noch an
ihrer Wahrheit zu zweifeln.«
Kurt hatte fein Glas langsam aus
getrunken, die Majorin füllte es wie
der und erhob das eigene Glas, um
mit ihm anzuftoszen
»Ich nehme gewiß recht herzlichen
Antheil an dem schweren Schlag, der
diese Familie betroffen hat«, sagte er,
»aber ich meine, der General habe in
zwischen Zeit knug gehabt, den
Schmerz über diesen harten Verlust zu
überwinden«
,So rasch überwindet man solchen
Schmerz nicht, wenn auch im Laufe
der Zeit jede Wunde bernarbt«, er
wiederte die alte Dame. «Und man
ches Andere kommt hier hinzu, was
den Schmerz noch herber macht. Die
Generalin ist fürwahr reine schlimme
Stiefmutter gewesen« wer dies behaup
ten wollte, würde sich einer argen Llige
; fchuldig machen.«
.,,Und doch gibt es Leute genug, die
ei behaupten«, fchaltete Kurt ein.
»Weil die späteren Ereignier diese
Anschuldi ung alaubwitrdig er cheinen
ließen. ie Generalin hat Alles ge
than, was sie thun konnte, um das
heez ihres Stiessohnej zu gewinnen,
aber tzå konnte ei doch nicht verhin
dern, ß ihr eigenes Kind in manchen
de. Eben
NR ÆZM Musik-MS
denn Kinder beobachten scharf, ein un
uderlegtes dartee Wort kann sie ver
Wem Da mass denn eine natürliche
FULL, daß der Knabe in feiner Er
bitterung Opposition gegen die Stief
mutter machte. die das ganze Haus be
derrichte und ihm, wie er glaubte, auch
das her-i des Vaters entfremdete« und
diefe wachsende Opposition nöthigte
den General zur Strenge« in der
Eduard nur lieblofe Härte erblickte.
Und als nun der General die Thor
deit beging, ihm eines Tages zu sagen,
das ganze Vermögen rühre von der
Stiefmutter der und Eduard werde
keinen heller davon erden. da war dem
FaF der Boden ausgeftoßen, und von
die er Stunde an bederrfchte den Kna
ben nur noch der eine Gedanke, das
band fiir immer zu verlassen. das ihm
nach feiner Ansicht niemals eine Vei
niath werden konnte. Er wallte See
inann werden, die Sucht nach Aben
teuern, der tiefinnereDrang, alle Welt
theile zu durchstreifen, bederrfcht ja
faft jeden Knaben. Der General war
mit diesem Proiett nicht einverstanden,
es tam, wie Du Dich erinnern wirft,
zu harten Kämpfen zwi"chen Vater
und Sohn, denen das aufgeregte lei
denschaftliche Temperament des Gene
rals eine Schärfe gab, welche den Kna
ben mehr und mehr verbittern mußte.
Eines Tages war Eduard verschwun
den, und der General v«. Steinthal er
tliirte fortan, er habe teinen Sohn
mehr·«
Ader fpiiter -——'·
»Spiiter tain Cduard als Schiffs
offizier zuriich und die ehrenvollen
Zeugniffe, die er feinem Vater vor
legte, ließen den alten Herrn alles
Vorgefallene vergessen. Du warft da
mals auf der Universität und fandeft
nur zu einer flüchtigen Begrüßung des
Jugendfreundes Gelegenheit —« «
»Nicht doch, er war, ehe er sich wie
der einfcbifite, einige Tage bei mir in
Hedelberg.« - » sp·
ilnd hat er damals ntan mir zur
über seine Beziehungen zu der Stief
mutter aespeocken ?« ;
»Er ließ ihr jetzt volle Gerechtigkeit»
widerfahren, aber einmal äußerte er
doch, sie habe ihn aus dem väterlichen
Hause in die Fremde Zingusaetriehen
Er sprach nicht aerne über sie, aber er
tonnte nicht müde werden, iiber seine
Schwester Eltriede und Euaenie Rie
del zu plaudern. Wennfich dem Reinl
tat meiner damaligen Beobachtungen
vertrauen dars, so mußte er mit Fräu
lein Niedel im Stillen verlobt sein; er
sprach davon, daß dies seine leßte
Reise sein solle und er nach ihrer Be
endigung den eigenen herd zu grün
den aedenle.«
(Fortseßung solgt.)
«- —
ste euer Ich tee Judteu Mit-lau
verscham.
Zu den Beauemlichleiten des Le
bens, die der Europäer in Kaltutta
und Jndien überhaupt zu einer eini
germaßen erträglichen Existenz dens
thiat, gehören oor allem dieMittel zur
Abtühlung in der heißen Zeit und eine
genügende Anzahl von Dienern.
Man könnte vielleicht einwenden,
daß es bei uns im Sommer auch heiß
genug ist, und daß man trotzdem laum
besondere Vorkehrungen zur Abtiih
lung trifft. Jawohl, unser Sommer
ist mitunter auch bedeutend warm,
aber im ganzen ist er viel kürzer, die
sehr heißen Tage sind doch ewöhnlich
nur wenig zahlreich; auch isSt gewöhn
lich die hiße dei Tag und Nacht nicht
gleich intensiv, die Nächte lind lühler,
Gewitter und Regen bringen öster
länger anhaltende Ahtlihlung mit sich;
man hat hier frisches Quellwasser,
andere gut ahgetühlte Getränke, kühle,
schattige Erfrischungsorte.
Anders ist es in Indien im Som
mer der Fall (natiirlich die Bergstu
tionen ausgenommen). Dort dauert
der Sommer lmit Einschlußderjsto
aenzeitj von Mitte Mars vis Unoe
Oktober; die Nächte sind gewöhnlich
nur wenig kühler; alle Räume, selbft
die schattigen Plätze find durchwärmt,
sodaß nichts anderes übrigbleibt, als
sich künstlich, roie nur möglich, Abtiih
lung zu verschaffen. Schon die ganze
Vauart der Häuser ift derartig, daß
die sengende Kraft der Sonnenstrah
len womöglich abgeschwächt wird und
freie und ausgiebige Luftcirtulation
soviel als möglich stattfinden kann.
Zunächst ist es die Pankha, die in ih
ren mannigfachen Formen und Grö
ßen uns labende Kühlung spendet.
Pankha bedeutet den Fächer über
haupt (Pankhi einen kleinen Fächer),
der aber in Jndien überall einen viel
praktischeren Zweck hat, als z. B. bei
uns zu hause, wo er vielfach nur ei
nen Toiletteartikel bildet. Schon in
Aegvptem z. B. Alexandrien, -Kairo,
Suez usw. bekommt man allerhand
Fächer angeboten, und auch auf den
Schiffen, bei der Fahrt durch das
Rotbe Meer und den Jndischen Ozean
werden solche gehandhabt.
Jn Indien gebraucht man vorerst
die sogen. handpanlha, mittels deren
sich jeder einzelne selbft Luft zufächelt;
für diese werden fast allgemein Palm
blätter verwendet, und zwar stärkere.
nach einer Seite gerichtete, von der
Fächerpalmh dann etwas schwächere,
ogen. chinesische, auch von einer
Palme solche, die auch bei uns sehr
allgemein geworden sind und auch
vielfach benuht werden. Diefer Blät
trri ndpankhas bedienen sich auch
die ingeborenen allgemein, und häu
fig kann man sie sehen, wie sie, auf
dem Rücken liegend, fich Kühlung mit
dem Fächer zuführen oder ein ander
mal, tote sie auch den Kon oder selbst
den Rücken anfächeln. Die Weißen
Hihuu ei in ähnlich-e Weis-, aber -
wohnlich im Lehnftu le ausgestreistz
ohne handpanlha wir , in der heißen
Zeit wenigstens, nicht nusgefahren.
Diese Blätterpanlhas werden aber
auch von den Köchen dazu beniihh um
bei der Bereitung der Mahlzeiten an
den offenen Herden das Feuer anzu
fachen. Die Ausstattung der Panthas
ist verschieden; entweder sind es ganz
einfach die Blätter ohne jede weitere
Verzierung, oder die Blätter find
mannigfaltig bemalt, oder sie sind am
Rande noch mit einem Ansatze aus
weißem Stoffe versehen und mit
Glimmerbliittchen beliebt usw.
Sehr häufig lommen auch größere
Blattpanihas in Anwendung, die aus
Blättern der Talipotpalme bestehen
und von einem eigens hierzu bestellten
Diener iiber der betreffenden Person
hin und her geschwungen werden.
Viel wichtiger aber ist die Zimmer
pantha lPanlha im eigentlichen Sin
ne); das Prinzip dabei ist, innerhalb
des Zimmerrauines mittels einer ge
eigneten Borrichtuna einen soviel als
möglich kräftigen Lustzug oder Lust
ftrom hervorzubringen Diese Vor
richtung besteht gewöhnlich aus einem
lönglichen, mit Stoff überzogenen
Holzrahmem an den nach unten ein
Stoffanhang, "vorhangartig zusam
mengelegt, angeheftet ift. Die Dimen- «
stonen sind, nach Größe des Zim:ners,
verschieden, und davon hängt natürlich
auch der Preis ab; derselbe wird ge
wöhnlich nach dem Liin enausmasze
berechnet. Bei besseren orten von
Zimmervanlbas ist der holzrahmen
durch eine fiarle polirte Holzstanae
lgewölznlich aus Tealhom ersetzt und
daran der zwei bis drei Fuß breite
Stoffanhang angebracht. Der Preis
dieser Sorte stellt sich etwas höher.
Diese Panlhas nun sind mittels
Schnüren am Plafond fo befes«iat,
daß sie mittels einer anderen Schnur,
die an der Panlha selbst angebracht ist ·«
und auf der gegenüberliegenden Wand
gewöhnlich «iiber eine Rolle geführt
wiro, von einem eigene oazu benimm
ten Diener, dem foa. Panthaschwinaer
in schwingend-er Bewegung erhalten
werden können. Durch dieses Hing und
Herschwingen wird eine mehr oder we
niger lonstante Bewegung der Luft
erzeugt. Diese Pantha ift in ganz
Indien südlich vom Himalaya ein
nothwendiaes Bedürfniß von wenig
stens Monat März bis Mitte No
vember. Während dieser Zeit sieht
man sie überall. in den Privathiius
fern, in den Aemtern, Kanzleiem in
den hotels, Berlaufslolalen usw. von
der Decke herabhängen und fast den
ganzen Tag nicht zur Ruhe lommen.
Sie sind stets so hoch gehängt, daß
man frei darunter herumgehen lann;
ebenso können sie ohne weiteren Nach
theil iiber die Tischlampen hinweg
schwingen, denn diese sind über dem
Zhlinder mit einem eiaens lonstruir
ten Deckel versehen, sodaß der Luftzug
die Flamme nicht beeinflussen kann.
Viele gebrauchen die Panthas auch in
der Nacht; »aber,« sagt Professor
Fetstmantel« der iiber diese und andere
wohlthuende Einrichtungen in Indien
eine fesselnde Studie geschrieben bat,
«erfahrene Jndier halten dafür, daß
die Rachtpanlha einen schädlichen
Einfluß auf den Organismus übt."
Anfangs kommt es einem recht ei
genthiirnlich vor, so ein Ding iiber sich
rastlos hin und her schwingen zu
sehen, zumal gewöhnlich der Panlha
schwinger außerhalb des Zimmers sich
befindet sindem dann die Schnur
durch eine Oeffnung in der Wand oder
Thüre nach außen geleitet ist). Ge
wöhnlich verrichtet ein Panlhaschwins
ger seine Arbeit sechs bis sieben
Stunden hindurch und bekommt dafiir
8222 monatlichen Lohn. Diese Leute
sind fast wie lebende Maschinen, die es
schon so weit gebracht haben, daß sie
bei dem· Ziehen auch schlafen können
Da sieht man sie ans theilnahmslos
dasißen mit gefchlo enen Augen, die
HiiIZde mechanisch auf und ab bewe
gen .
s
Das Tagedlatt in Bitterfeld bietet
im Romanabschnitt der Nr. 98 folgen
de Schilderung: ,,Ausbliktend bemerkte
er zu seiner Rechten ein hübsches Häus
chen mit tleinem Vorgarten, den eine
junge Dame, die Blumen begiesiend,
durchritt.« hoch zu Roß? Das ist in
einem kleinen Vorgarten nicht aui
möglich. Vermutlich ritt sie, als sie die
Blumen begoß, nur ihr Steckenpserd.
O f I
Wesche Menschen sind unerträglichen
die gar nichts ernst nehmen« oder die
clles ernst nehmen?
O i I
Wer nicht standesgemäsz leben kann,
muß verstandeigemiiß leben.
s ·- -
Nicht nur große Unternehmungen,
auch lleine Passionen können ein Ver
mögen kosten.
i
se i
Seinem Unglück schaut man tieser
ins Auge als seinem Glück.
, I O I
hat der Mann, der Uncle Samt
Gewissenssonds 98 Cents einschickte,
von dem Dollar das Briesporto abge
zogen oder einen Bargainpreis ge
macht? — .
s
«Konsiabler,« sagte der Polizeitich
ter, »was liegt efen den Angellagten
vort« —- »Er it m Besitze einer Höl
lenmaschine esunden worden, Euer
Eulirmgman gierigde Bkamkr. —
« nar o er u eur· ragte
de Richter.