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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (July 16, 1909)
Was die Nacht verbarg. Roman von E. P. Oppeuheim. (7. Fortsetzung) »Es war rnir überaus interessant und —- wie ich gern zugebe — auch einigermaßen überraschend. von ihren verwandtschastlichen Beziehungen zu unserem verehrten Oberstlieutenant zu hören; aber ich tann nicht einse hen. inwiefern an meiner Aussen-f sung der Sachlage dadurch irgend et was geändert werden sollte. Deinem daß der Oberstlieutenant selbst nichts? mit der Sache zu schaffen hat, bin ichs fest überzeugt, und ich gedenke ihni darum auch mit allen unnützen Fra-! gen zu verschonen. Es giebt für michs wie ich hoffe, wohl auch andere Wege-l um zur Ertenntniß der Wahrheit zu! gelangen.« s »So thun Sie in Gottes Namen,J was Ihnen beliebtt'« sagte Hollfelder, -unfähig, sich länger zu beherrschen. »Aber vergessen Sie gefälligst nicht. daß die junge Dame, von der wir sprechen, in mir einen Beschützer hat, der niemand gestatten wird, ihr zu nahe zu treten. Jn gewissen Dingen, Herr Doktor Dambrowsti. verstehe ich seinen Spaß.« »Halten Sie es wirklich fiir mög lich, mich durch Drohungen einzu-» schüchterntk fragte Dombrowsku schon halb zum Geben gewendet, la chelnd. »Natürlich werden wir von; diesem Abend an in einem gewissen Sinne Widersacher sein, und ich gebe i nickt der geringsten Täuschung aruber in, daß ich taktisch keine grö ßere Ungeschicklichkeit hätte begehen können, als die, Ihnen so offen meine Karten zu zeigen. Aber ich bin ja sein Polizist, und das wissenschaftli che Interesse steht mir höher als das kriminalistische. Ich hindere Sie also ebensowenig« die junge Dame aus drücklich var mir zu warnen, als ich Sie hindern würde, die Reife um die Welt anzutreten, zu der ich anen vorhin in der besten Absicht gerathen habe.« »Sie dürfen unbesorgt sein,« erwi-» derte hollfelder verächtlich. »Es be darf keiner Warnung, und ich denke nicht entfernt an eine Flucht. Fräu lein v. Wehringen und ich —- wir werden beide jederzeit bereit fein, die Verantwortung fiir unsere Handlun gen zu tragen-« Dombrowgki verneigte sich leicht und ging zur Thür. Dort blieb er ste hen. »Ich habe niemals an Ihrem persönlichen Muthe gezweifelt,« sagte er. »Gute Nacht denn —- und verzei hen Sie, daß ich Sie um einen Theil Ihrez Schlummerö gebracht habe. — Bitte —- beniühen Sie sich nicht! Jch finde den Weg schon allein, und ich werde mir das Hausthor vorn Pfört ner öffnen lassen, falls es bereits ge schlossen fein sollte.« » Die Thiir fiel hinter ihm ins Schloß. Zwölstes Kapitel. Heinz Hollfelder war ein Früh aussteher — zum Leidwesen der Frau Babette Friesicke, der es oblag, in den Morgenstunden seine Wohnung in Ordnung zu bringen, und der er bei ihren Reinigungsarbeiten beständig im Wege war. Sie hatte ihm schon wiederholt erklärt, daß ihrer unmaß geblichen Meinung nach ein ordentli cher Mensch am Vormittag ins Ge schäft gehöre, und sie vermochte es nicht zu begreifen, daß er kein Ge schäft hatte. »Ja, entschuldigen Se man, Herr Hollselder —- aher wat machen Se denn eijentlich?« »Ich schreibe Romane, Frau Frie sicke.« : »Je! — Allens mit der Hand?« »Freilich!« hatte er lachend eer dert und ihr die stattliche Anzahl BiiO eher gezeigt, die seiner Feder schon rntstanimten. Kritisch hatte sie den Kopf geschüt telt. »Det jeben Se man ufs, Herr Hollfelderi Se haben’ö doch nich nö thig. Und wat meine Tante selig is, « sei der hat ooch so ’n junger Mann Wohnt der nischt wie jeschrieben hat »i-.- na« und zulett hat er die Jallops « Hemde jetriecht und is jestorben.« III aber heinz ihr erklärt hatte, , - er von dem reichen Ertrag seines lebte, hatte sie die Augen ausgerissen nnd war kopfschüt himögegangem Ei mußte also seht ein gewisser Unterschied sein IS ·’ Herrn hallselder und dem M schwindsiichtigen Schreiber, der Hi m früh bis spät hatte quälen M nd ihrer Tante selig teoydetn H Mk drei Monate dte Wirthe « sei-etc- mk, ais sein freud Mein endete. « » zwei Tage nach seiner M Muttnedung mit Dom nach dem Frühstück sogleich wieder aufs die Ottornane in seinem Arbeitszitn j mer mit dem festen Vorhaben aus schließlich an die Novelle zu denken an deren Entwurf er arbeitete. Aber so sehr er auch dagegen an kämpste, beharrlich kehrte die Erin-» nerung an Margot v. Wehringen und an sein Gespräch mit Dombrowskil wieder. Er hatte noch nicht den Muth gesunden, seinen Besuch bei den bei den Damen zu wiederholen, konnte er sich doch nicht klar darüber werdean wie er sein Verhalten gegen sie einzu-j richten hatte. Er wußte. daß seins Fernbleiben einen schweren Verstoß bedeutete, war er doch Margot sowohls wie der Gräsin eine Erklärung schul- s dig, aber er vermochte sich doch nicht: zu raschem und entschlossenem Han-( deln auszurassen. Plöglich sprang er aus und lauschte. s Kein Zweifel —- iiber ihm, in der Wohnung des ermordeten Mariens. ging jemand umher, und er unter schied jetzt auch den Klang zweier Stimmen. hatte die Polizei eine Entdeckung gemacht, die sie zu neuer-s licher Untersuchung veranlaßte? Jn! den ersten Tagen nach dem Morde hatte es ia nicht an Besuchen da oben gefehlt; seit einiger Zeit aber war es» still geworden, und es war nur na türlich, daß Hollselder, der beständig von einer heimlichen Angst und Un-’ ruhe erfüllt war, diese neuerliche Nachschau mit den Drohungen Dorn browstis in Zusammenhang brachte Er konnte natürlich kein Wort von’ dem verstehen, was droben gesprochen wurde, aber er vernahm« daß nach; Ablauf von zehn Minuten sich jemands aus der Wohnung entfernte, während( die sortdauernden Geräusche verrie then, daß ein anderer darin zurückge blieben war· Heinz hörte, daß die Auswarterin im Flur auf und ab ging, und er ries sie herein. «.ßaben Sie gesehen, wer da oben in der Wohnung gewesen ist, Frau Friesicke?« «Freilich hab’ ick’s jesehn, Herr hollfelder. Ernte von der Polizei und een anderer Herrk »Wenn Sie das wissen konnen Sie mir vielleicht auch sagen wie der an dere here ungefähr ausgesehen hat?« Es war ihm die seltsame Vermu thung genommen daß es Dombrowski gewesen sein könne den die Aufwär terin gesehen hatte. Aber die Schil derung, die sie von dem Aussehen des Mannes entwars, belehrte ihn eines anderen. »Je! war zuerfcht janz erschrocken. Herr Hollfelder, denn wie ick so durch die Thür sehe, denke ick, der leibhaf tige Mariens kommt die Treppe ’ruff. Naiierlich war er’s nich. aber wirklich 'ne tolossale Aehnlichkeit Scheen war er nich, aber scheen war ja der Herr Mariens Doch nich· Und uffjeregt schien er zu sind, nich zu knapp. Wie er anjezogen war? Ja nu, ick hab’ eejentlich nich so dadruff jeachtet — elejani sah er nich aus, aber ooch nicht jrade schädig« Heinz wußte genug und schickte die Frau wieder hinaus· Er lächelte jetzt ielbft über seine Befürchtungen in Be zug auf Dombrowsti. Darüber. daß der Pole seine Nachforschungen nicht in Verbindung mit der Polizei, son dern ganz auf eigene Hand unterneh men würde. glaubte er doch ziemlich sicher zu sein« Dem Umstand, daß der , remde Aehnlichkeit mit Mariens geha t hatte, legte er teine Bedeutung bei, denn Mariens hatte eines von je nen alltäglichen Gesichtern gehabt, wie man sie auf der Straße zu Hunderten! sieht. Die lebhafte Einbildungskrafi der Frau Friesicke mochte überdies die. Aehnlichkeit noch größer gemacht ha ben, als sie in Wirklichkeit war. «’ Eine halbe Stunde später aber, als :er sich eben zu einem kurzen Spazier Egang fertig gemacht hatte, erhielt er keinen überraschenden Besuch. Er hatte gehört, wie oben die Woh nungstbiir ging, und gleich darauf läutete es bei ihm. Voller Aufregung kam die Haitshiilterin, eine Karte in den Fingertvinerkzu ihm herein. »Na, wat ha iek jekaai!« meinte sie triumphirend. »Er heeßt nämlicht ooch Martens.« Ungestüm nahm ibr Heinz die Karte ab, auf der nichts alt der Name Maul Marien-« stand. »Das ist der herr, der —« «Der vorhin nach oben jegangen is —- iaivoct Er mechte Ihnen spreche-if «Jähren Sie ihn hereint« gebot Dei-z hastig. kund sorgen Sie da für, das wir nicht gestört werden.« In lebt-after Crngung ging er auf und ab, vergebens griidelnd, in wel ches Verhältnis er diesen Paul Mar iens zu dem Todten su bringen hatte. Dannwnrde leise an die Thilr gepacht, nnd ans feine Aufforderung schob sich If Mist-. kWigs Gestalt iibet . erste W den tote Heu et «H«’ ·. wöhnlich unser Verhalten ihm gegen über aus lange Zeit zu bestimmen I uns eine gewisse Vorstellung von dte Persiinlichteit des anderen zu gebe-, j die sich schwer wieder abschiitteln läßt Hollselder fand diesen Besucher auf den ersten Blick höchst unsympathisch. Seine nichtssagenden Gesichisziige zeigten wirklich eine aussallende Aehn lichkeit mit denen des ermordeten Mariens, nur daß ihnen ein paar un angenehme Linien um die schmalen Lippen ein absioßendes Gepräge ga ben. Paul Mariens blinzelte fort während mit den Augen« und er hatte, wie viele Menschen, die stets besiirchg ien, unwilltommen zu sein und sich da her in ständiger Verlegenheit befinden» die unangenehme Angewohnbeii, sei nen Hut in den Händen zu drehen. Noch eine weitere Wahrnehmung» machte Heinz, während sie sich Augen blicke lang schweigend mustertenJ Paul Mariens trug äußerst elegantel Besuchstoilette, aber es schien, als seien die Kleidungsstiicke für jemandi verfertigt, der über weit größere Kör- s persiille verfügie, als dieser junge, i schmächtige Mann, dessen Alter Heinzi auf höchstens sechsundzwanzig oder! siebenundzwanzig Jahre schätzte» Selbst der sehr moderne hohe Sieh-; tragen war ihm viel zu weit, und das! gab seinem Aussehen etwas grotestl Komisches »Ich bitte um Verzeihung wegen der ! Störung« sagte der Besucher endlich »Mein Name ist Mariens —- Paul Mariens. Jch bin nicht sicher, ob Sies wissen —« Er hielt zögernd inne. Heinz den-; iete aus einen Stuhl und sagte höf lich: Bitte nehmen Sie Plan, herr! Mariens. Womit tann ich Jhnen die nen?« Der Fremde ließ sich aus den äu ßersten Rand des Stuhles nieder. »Otto Mariens war nämlich mein Bruders« sagte er erliärend. »Ich hielt mich zufällig in Europa aus als ich die Nachricht von seinem schreck lichen Ende beiam. Wirklich, es war ein schwerer Schlag. Der arme Otto! Jch habe geweint» wirtlich geweint, als ich es las Ganz zufällig, daß ich es in einer Zeitung gelesen habe — ganz zufällig. Ein Berliner Blatt des mir in Amsterdam in die Hände kam. Jch hätte sonst vielleicht gar nichts erfahren.« Sein Wortschwall gab hollselder Zeit sich von seiner Ueberraschung zu erholen Ein Bruder des Todten! Das konnte ganz neue, ungeahnte Ver wicklungen geben Wie war es nur möglich, daß man von dessen Existenz so gar nichts gewußt hatte? »Sie sehen mich überrascht, herr Mariens,« sagte er. »Ich wußte in der That nicht —« s »Daß Otto einen Bruder hattei Ja, ich tann es mir denten, denn er wird nicht viel von mir gesprochen ha ben, so großartig, wie er hier gelebt hat — und ich bin nur ein einfacher Angestellter. Sehen Sie, ich sage es ganz offen. Jch bin nur ein Ange siellter augenblicklich sogar ein stellen loser, und ich tann nicht leben wie mein Bruder, großartig wie ein Fürst. Sehen Sie ich habe beinahe meine leßten Groschen ausgegeben, um von Amsterdam hierherzuiommen, und habe nichts mitgebracht als den An zug, den ich aus dem Leibe hatte. Des halb« — er stockte wie in leichter Ver legenheit — »sehen Sie, deshalb mußte ich sogar einen Anzug von ihm anziehen, um Sie aufsuchen zu tön nen.« »Sie sind der einzige Angehorkge des Herrn Otto Martens?« fragte Hollselder. »Jawohl,« entgegnete Paul Mar iens. »Sehen Sie, unsere Eltern sind sriih gestorben. Andere Ange hörige habe ich nie getannt, bis aus einen Onkel, der in Südasrita lebte, und der nun auch lange todt ist. Al les, was der arme Otto besaß, gehört mir.« »Wenn Sie der einzige Hinterblie bene sind, gewiß.« «Jawohl — jawohl. Jch war ausj der Polizei, und man hat mir die Sachen meines Bruders sreigegeben. . Jch bin schon vor ein paar Tagen ge « kommen, und ich habe bis jeht im ho tel wohnen müssen. Mein lehtes Geld ist drausgegangen. Jest wohne ich natürlich oben —- es ist ja noch sür ein Vierteljahr bezahlt, theuer genug! Finden Sie nicht? Sechshundert Mart für vier Zimmer —« »Die Wohnung war möblirt ver: miethet — soviel ich weiß. Da ist es siir Berliner Verhältnisse nicht zu theuer.« »Ja, sehen Sie, nicht einmal die Mdbel gehören mir. Bis aus ein paar Stück, die mein Bruder getauft hat. Ich habe noch die Rechnungen gesunden —- Gott sei Dankt« Ei war tlar. daß er noch nicht bei dem eigentlichen Zweit seines Besuches angelangt war-« und et wußte essen bar nicht recht, wie et damit heraus kommen sollte. Veinz verspürte in seiner Gesellschaft geradezu ein tör perliches Unbehagen, und er wiinschte lebhaft, diese Unterredung möchte ihr Ende recht bald erreicht haben. Aber es interessirte ihn aus der anderen Seite doch Mole etwas Ritheres iiber Otto Mariens zu erfahren, und er sa e deshalb: »Sie bemerkten vor n, s Sie aus Amsterdam kämen. den Sie da Nichts« »Nein, o nein. Jch habe in Siidaf- ! rika gelebt, bin bei einer Minengeiells ; schaft angestellt gewesen. Die Gesell schast ist während des Krieges sozufas J gen in die Lust geflogen, und ich wars stellenlos. Es war unmöglich, unter; den Verhältnissen da drüben feinen7 Lebensunterhalt zu gewinnen. Da bin ich nach Amsterdam gefahren — Sie wissen, da sind die größten Dies-il mantenschleisereien, und ich hatte dort · schon meine Geschäftsverbindungen — ich glaubte, dort etwas Passendes zu finden. Es ging nicht mehr in Süd asrita.« »Nun, Jhr Bruder scheint dort doch » sein Glück gemacht zu haben,« bemerkte heims Aber er war überrascht von der Wirkung seiner Worte. Paul Mar tens schnellte förmlich auf seinem Sitz herum und sagte lebhaft: »Ich sage Ihnen, zwei Tage, bevor er nach Eng land fuhr, hat er seinen letzten Cent ausgegeben. Nichts hat er gehabt, rein gar nichts. Er hat den Burens trieg mitgemacht, wissen Sie, aber er ist davongelaufen, wie er gesehen hat, daß die Sache doch aussichtslos war. Zu mir ist er gekommen und hat vor mir gefammert und gebettelt. ich sollte ihm Geld leihen, er müsse sonst ver hungern. Jch habe ihm die Ueber sahrt bezahlt nach Europa —- nach London, denn er wollte durchaus nach London. Vier Wochen später habe ich schon aus Berlin einen Brief bekom men —- die Hälfte des Geldes, das ich ihm geliehen habe, hat er mir zu rückgeschickt. Die hälstr. Herr Holl selder —- und ich habe seit der Zeit nichts mehr von ihm gehört. Nicht einmal, wo er wohnt, habe ich gewußt· Und ich habe mich quälen müssen drü gem während er hier«-——! O, der — er —" Heinz wehrte durch eine rasche Handbewegung ab. »Vergessen Sie nicht, daß Jhr Bruder todt ist!« sagte er kalt. Paul Mariens verschluate das Wort, das ihtn schon auf der Zunge gelegen hatte. »Ja, aber sehen Sie, was er siir ein Bruder wart Er wuß te, daß es mir schlecht ging. Er mußte es ja wissen. Und er hat mir nur die Hälfte von dem zurückgezahlt, was ich ihm geliehen hatte, während er hier eine Wohnung hatte, die im Jahr zweitausendvierhundert Mart kostet. worin er lebte wie ein Fürst. Kann man das glauben, herr? Er schickt mir das Geld und schreibt mir, daß es ein Vorschuß seines Prinzipals sei —- er hätte eine Stellung gesunden, hundertachtzig Mark im Monat. Da von werde ihm nun der Vorschuß in Raten abgezogen· haben Sie fo et was gehört! hundertachtzig Mark, und hat eine Wohnung, die allein zweihundert kostet. Dreihundert habe ich i in geliehen, hundertsiinszig habe ich z iickbetommen —- keinen Pfennig mehr. Und er schreibt mir keine Zeile. Freilich, er wußte wohl« daß ich fosort herüberlommen würde, wenn ich das hörte —- das mit der Woh nung von zweihundert Mark. «Und zahlt mir nicht einmal zuriich was er von mir geliehen hat! Nicht einmal das!« Heinz kämpfte mit Anstrengung sei nen Ekel und seinen Widerwillen nie der. »Sie werden ihn ja jedenfalls jetzt beerben, Herr Martens,« sagte er und bemühte sich, nicht zu viel von der Verachtung durchklingen zu lassen, die er fiir den anderen empfand. Aber Paul Mariens schlug sich in zornigster Erregung aus das Knie. »Ja, sehen Sie, sehen Sie, Herrs« sagte er. »Doran will ich ja eben kommen. Die Polizei bat ein Ver zeichniß der vorgefundenen Sachen aufgenommen, und ich habe noch ein mal alles nachgesehen. Nicht ganz dreihundert Mart in baarem Gelde — eine Unmenge Kleider, alles vom er sten Schneider, Stiefel, daß man ein Geschäft damit ausmachen lönnte — der himmel weiß, ivas er dafiir aus gegeben baben muß! Alte Rechnun gen iiber die unsinnigsten Sachen, Gott sei Dant alles bezahlt, Photo graphien schöner Damen, Liebesbrief n — er muß gelebt haben wie ein Paschal Und sehen Sie hier —« . Er sprang auf und brachte mit zit ternden hör-den ein Notizbuch zum Vorschein. »Da bat er feine Ausgaben und Einnahmen gebucht. Sehen Sie, hier«. k— er bliitterte eine Seite auf — »3.; Oktober, eingenommen: sechstausend Mark. Dann kommen eine Unmenge Ausgaben dann hier weiter: 2. Ja nuar, ein enommen: sechstausend Mart. Wieder Ausgaben, und hier wieder: 4. April, eingenommen: sechs tausend Marl. Sechstausend, sechs tausend, sechstausend — also achtzehn tausend Mart, herr! Und er ging aus Südafrika mit dreihundert Mart in der Tasche, die er von mir geliehen hatte. Am Z. Oktober hat er die er stes sechstausend Mart bekommen — das ist also ungefähr fünf Wochen, nachdem er nach Berlin gekommen sein konnte. Und nach allem, was ich übek ihn gehört habe, hat er niemals einen Strich ethan. Keine Stunde, die er nicht einein Vergnügen gewidmet hätte. Und ich drüben habe manchmal vierzehn Stunden am Tage arbeiten mitsen —- fiir elenden Berdtenstt Sa Ste mir, sagen Sie mir was das r ein sendet wart« - »Allerdings —- er hat nicht recht gehandelt. Aber Sie werden ja nun als sein Erbe auch sein Einkommen haten.« »Werde ich das-Z« schrie Paul Mak tens erbost. »Ja, werde ich das? Dass will ich ja gerade wissen. Jch habes sein Notizbuch, habe jeden Fetzen Pia-l pier in ieiner Wohnung durchsucht —« meinen Sie, ich hätte herausgebracht.j woher er das Geld hatte? Sechstau-; send Mart alle drei Monate, das hats er ausgeschrieben, aber woher, ooni wem er es bekommen hat « dariibers keine Silbe! Schlagen Sie mich todt, wenn ich weiß, woher er das unge heure Einkommen hatte!« ,,Sind Sie bei einem titechtsanwalti gewesen?« i Mariens machte eine verächtliche Haut-bewegung. »Was soll ich da?" meinte er. »Für nichts und wieder nichts Kostenvorschuß zahlen, den ich nicht einmal habet Ein Rechtsan walt ist auch nur ein Mensch und sieht nicht mehr wie andere Menschen« »Warum tommen Sie dann zu mitf« »Sie haben doch meinen Bruder ge kannt —- und Sie haben ihn gesun den. Ich dachte, daß er Jhnen ge genüber vielleicht einmal eine Andeu tung, die mir ein Fingerzeig wäre-« »Ich muß bedauern, Jhnen da nicht dienen zu können. Meine Belannt schast mit Jhrem bedauernslverthen Herrn Bruder beschränkte sich aus ge legentliches Grüßen, und vor jener Nacht bin ich niemals zu seiner Woh nung hinausgelommen·« Tief enttäuscht sah der Besucher vor sich nieder. Da sragte heinz nach einer turzen Pause: »Hat man Jhnen aus der Po lizei nicht gesagt, wer es war, der in jener Nacht bei mir antelephonirte?« Paul Martens nicktr. »Man hat mir gesagt, daß der Betressende sich gemeldet hat —- ein Rechtsanwalt, wenn ich nicht irre. Jch habe den Na men vergessen. Er ist auch sür mich ohne Bedeutung.« »Doch vielleicht nicht so ganz, Herr Mariens-. Jch hatte Gelegenheit, ein paar Worte mit diesem Rechtsanwalt —- Berger heißt er — zu sprechen, und ich musz sagen, ich empfing den Eindruck, daß der Mann mehr wisse, als er sagen wollte. Vielleicht nicht gerade über das Verbrechen selbst, wohl aber über die hertunst des Geldes. das Jhr Herr Bruder —« Wie elettrisirt sprang Mariens aus. Er ließ hollselder gar nicht aus sprechen. »Ich bitte Sie —- wenn es so ist, muß ich natürlich sosort zu dein Mann! Sehen Sie, ich dachte mir's gleich, dasz Sie mir würden helfen können. Jch habe ein Gefühl siir so etwas, wissen Sie. Berger heißt also der Mann? Wissen Sie vielleicht auch seine Adresse?« Allerdings Aber ich bin vielleicht mit meiner Aeußerung zu weit gegan gen. Erinnern Sie sich. daß es ledig lich eine Vermuthung von mir ist, und daß Sie sich teinensalls daraus beru fen dürsen.« Seine kühle, abweisende Art er niichterte den Mann etwas. Er setzte sich sogar wieder nieder. »Aber Sie begreifen doch, dafz ich begierig zu sasse, wo sich mir eine Hoffnung bie tet! Und ich bitte Sie recht herzlich, versagen Sie mir Jhren Beistand nicht. Ich habe teine Betannien hier in Berlin, niemand, an den ich mich wenden lönntr. Sehen Sie, Sie thun ein Wert der Barmherzigkeit wenn Sie sich meiner etwas annehmen.« »Ich will Jhnen gern behilflich sein, soweit ich es vermag,« erwiderte Heinz zurückhaltend »Auch mir, der ich wider meinen Willen in die trau rige Angelegenheit hineingezogen worden bin, liegt viel daran, sie auf geklärt zu sehen. Wenn ich Jhnen aber einen Rath geben dars, so über stiirzen Sie nichts und gehen Sie be hutsam zu Werte. Sie verderben sonst nur, anstatt zu nützen« »Gewiß, ich will mich Jhnen gern fügen. —- Uebrigens habe ich heute noch nichts gesrühstiickt Wissen Sie vielleicht ein bescheidenes Restaurant hier in der Nähe?" heinz konnte nur mit Mühe ein leichtes Lächeln verbergen. »Ich habe ebenfalls noch nicht gesrühstiiclt,« sagte er. aWenn ich Sie bitten darf, mit mir zu gehen und mein Gast zu sein —« Die Eilfertigleit, mit der herr Paul Mariens diese Einladung an nahm, ließ fast darauf schließen, daß er etwas derartiges gehofft hatte. heinz brach also mit ihm aus und bestellte in einer nahegelegenen Wein stube ein ausgiebigee Essen. Wäh rend der nächsten Viertelstunde konnte von einem Gespräch nicht die Rede sein« denn Martens as- mit dem Ap petit eines ausgehungerten Wolfes und ruhte nicht, bit er auch das lette Speisentriimchen vertilgt hatte. Da bei trank er zwei laschen Wein, mit dem angenehmen wußtseim nichts bezahlen zu miissen. Als er endlich fertig geworden war, lehnte er sich aus seinem Stuhl zu rück und sagte mit einem Seufzer »Ah, wer sich das tagtäglich leisten lönntel Ein reizender Aufenthalt Wi« »Es sin sich ganz nett da,« gab Renz zu. »Aber wer ein vierteljähr s Einkommen von sechstausend Mart hat. tann sich in Berlin noch weit Besseres leisten.« « »Ich werde es haben ——— und wenn ich jahrelang sorschen müßte! So ein Leben verlohnt sich doch noch!« »Uebrigens,« sagte heinz, indem er mit seinem Messer spielte und es ver mied. den anderen anzusehen. «Sie - scheinen ganz zu vergessen, in welcher Weise Ihr Bruder ums Leben gekom men ist.« Paul Mariens riß die kleinen Au gen, deren beständiges Blinzeln Heinz ganz nerviis machte, weit aus und starrte den anderen verdunt an. »Ich —- das vergessen?« sragte er verständ-« niszlos. »Wie meinen Sie das. herr Hollselder?« »Ich meine, daß doch möglicherweise zwischen dem geheimnisvollen Ein tommen Jhrec Bruders und dem Mord ein gewisser Zusammenhang be steht.« »Man es möglich?« Mariens ließ vor Erstaunen seinen Mund so weit ossen stehen, daß man zwei Reihen häßlicher gelber Zähne sehen konnte. »Wie denken Sie sich dass« Heinz spielte noch immer« mit denr Messer und sagte nachdenklich: »Ihr Bruder hat ein iiihrlicheö Einkommen von vierundzwanzigtausend Mark ge habt. Das wären, zu siins Prozent gerechnet, die Zinsen eines Vermögens von fast einer halben Million. Ueber ein so großes Vermögen aber hätten sich doch irgendwelche Ausweise finden müssen. Aber es hat sich nichts ge sunden. Es ist also oermutblich auch kein Vermögen dagewesen. Von wem und siie welche Dienste belarn nun Jhr Bruder das Geld?« « »Das will ich ja eben wissen,· meinte Mariens. lFortsetzung solgt.) Ironie des Schicksals -..-. Sie trägt Toiletten erster Güte, Sie trägt die allergrößten Hüte, Sie trägt die kostbarsten Jupons — Doch immer, ach! nur-in KartonU Dienstbitraktatfckh ,,Qb wohl Frau Haber zu ihrem Zchiviegerfohn in Berlin oder zu dem in München oder zu dem in Tanzig ziehen wird?« »Ja« das weiß ich nicht! Alle drei wünschen fre!« »So?« »Ja, der Berliner wünscht sie nach München, der Münchener nach Danzig und der Danziger nach Berlin.« Wohltaten um des Dankes willen sind goldene Pfeile mit Widerhalen. Ein Mann in Illinois fordert von der Regierung von Honduraö 838,000. Weshalb hängt er nicht noch ein paar Niillchen an? Das macht sich doch bes ser und wiirde gerade so leicht einzu treiben fein. Es sieht der Mensch die Welt fast immer durch die Brille des Gefühls, und je nach der Farbe des Glases er äeeblelint sie ihm finster und purpur Weil Radium auf die Freilisie gesetzt worden ist, braucht niemand sit lau ben, daß er ein Pfund davon ill g er lien wird; eine Unze kostet schon ein leines Vermögen. , Zigaretten dürfen auf der Ansstel lung zu Seattle nicht getaucht wet den. Aber die Besucher diirfen Sum mi lauen, und wenn sie wollen« dazu singen: »Freiheit, die ich meinet« An einein Tage der vorigen Woche hatte sich der Jugendrichter von New York·nnt nicht weniger all M n gendlichen Uebeltätern zu brichöitts gen, und der Tag bildet eine Aus nahme, an dem ihre ahl nicht 100 übersteigt. Ein erfch tterndes Bild von der modernen Großftadt nnd ih ren Uebeln. Den Mangel an Not-leise erkennt man oft gerade m —- Nod-list