Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, June 04, 1909, Zweiter Theil, Image 10

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    Was dEe Nacht verbarg
Roman von E. P Oppenheint
(1. FortseiungJ
»Ich dgl-esse berbeigerufen«. wand
te er sich en den Polizeilieutenant nach
eurer derjen, wortlosen Begrüßung.
Er wissen, um was es sich handelt.
Otto Martens, der die Etage
mir bewohnt. ist offenbar ermor
det worden. Ich fand idn mit einer
Nil-arm noch blutenden Wunde.«
Der Beamte zögerte noch. binaufzwj
sehe-. .Sie hoben oon dem Verbre
chen nichts wahtsenommem kein Ge
tönfch. keinen Schrei?«
Rein Ich saß in meinem Zim
set, war auf einem Sessel eingeschla
fen. Ich bin selbst erst um Mitter
nacht nach hause gekommen. Unmit
telbar nachdem ich aufwachte —- ge
n drei Uhr —- gina ich hinauf und
nd den Todten«
»Verzeiht-us aber weshalb gingen
Stn himan fragte der Polizeiliew
tenant.
Die Gedanken Hollfeldets arbeite
ten fieberhaft . .Jch sagte Jhnen
M, daß ich unt Mitternacht nach
dont kam. Wenige Minuten später
wurde bei mir nntelephonitt von einem
Unbekannter-, der mir —- tros meiner
Aufforderung — seinen Namen nicht
nennte. Er bat mich, herrn Mariens
davon sck benachrichtigen, daß er so
fort in das Saboo hotel kommen
rnsssr. Wenn Herr Mariens nicht zu
haufe wäre, sollte ich ej aufschreiden.
Ich schrieb es auf einen Zettel, den ich
oben in den Ærspalt steckte. Dann
bin ich. wie gesagt, in meinem Zimmer
eingeschlafen MS ich aufwachte, war
es drei Uhr. Jch dachte daran, wie
dringend sder Unbekannte mir dieSache
Mk bette. und weil ich sur-niere.
rtens thue den Zettel übersehen
haben, ging icb lieber nocb einmal hin
auf. Dabei fand ich ibn dann.«
»F feiner Wohnungk
. in —- auf der Treppe. Die
Leiche liegt noch fo. wie ich sie vor
gefunden babe.«
cenieinfam stiegen sie nun zum
oberen Stockwerk empor. Den Tod
ten felbft elihrte der Beamte nicht an;
er begniigte sich damit, den That-set
iu untersuchen. Eine Mindre-esse mit
der das Verbrechen hätte verübt fein
tbnnsen, fand er nicht.
,Derr hollfelder —«'
.sitte-«t«
»Sie sagten, daß Sie den fFettel in
sey sein«-an steckten Ich iehe hier
nichts davon.«
being hollfelder trat zu ihm. Er
tou te genau, daß er den Zettel so
zwi eben die Thiir geschpben hatte, daß
er noch von außen sichtbar war. Jetzt
war er verschwunden
,Biellekcht ift er hinuntergefallen.«
Der Beamte wandle sich «an den
haust-ermattet »das-en Sie einen
Schlüssel, mit dem man die Thür
Iffnen tann?« —
»Der Todte bat ja den Schlüssel
noch in der hand, mit dem er anf
Ichließen wollte, herr Lieutenant.« .
Der Polizeibeamte nalnn den
Schlüssel ans den Fingern des Tod
ten. die noch nicht erstarrt waren, und
Effnete die Thür. Drinnen auf dem
lur fand er den Zettel, aber weit
ton der Thiir entfernt.
»Es muß jemand die Tbür geöffnet
baden, und dabei itt der Zettel fort
Hewebt oder von dem Betreffenden
fortgewdtfen worden«, meinte er. —
«Wer tonunt da?' Er drehte fich
une, du Schritte auf der Treppe ver
sehn-dar wurden.
Es war der Arzt, den Houietoer
gerufen hatte.
Länger wartete Heim nicht mehr.
Er verabschiedete sich von dem Poli
zeilieutenant, der ihn noch urn einige
nebensächlich Einzelheiten befragte,
nnd ging dann in seine Wohnung
hinunter. Von der Anwesenheit der
Unbekannten hatt. er kein Wort ver
lauten lassen.
An die Brüstung des offenen Fen
sters lehnte er fich, ließ die kühle
Rachtluft seine heißen Schleifen unr
mhen und starrte nsii brennenden
Ian in das Dunkel. Wie still und
frie lich es da draußen war! Mit
einförmigen Vlätschern und Rauschen
El der Regen, als dunkle, schwere
essen lagen die Häuser der ande
ren Straßenseite vor ihm. Er dach
te an die Unbekannte. Wie sie ihn
angesehen hatte, als fie drinnen in
Herein Zimmer vor ihm sa , wie ihre
gen voller Entsehen aewe en waren,
Its fie von oben heruntertam --— von
Ilsen, wo der Todte lag·
Wie lange er so am Fenster ge
nden, wußte er später nicht mehr zu
. Er hörte nur einen Wagen
verfahren, einen schwarzen, unsörmi
sen Kasten —- dai Gefährt, has den
todten Martens zurn Leichenichaw
M drin sollte.
D- f er ers ernd das Fen
Ier Ists le glich it Kleidern aus
Magre imt dein Bewußtsein das
. . f Ia seiner harrten
U Das .. Mal »in dieser Rachi
»in ein M , Herbei-ging gezan
- Z
Drittes Kapitel.
Seit-Stall einerM anl
dasselbe-Minister oel
sYIspi «--·Iier «
.I. :—, ds-.«« HMC
D . . Hinten U seit Ah
, , ’ I —
des durch feine gehirnnißodllen Ne
"denunrftände doppelt senfationellen
Ereignis-fes bemächtigt und hatten
ihren Lefern Tag für Tag ausführ
lich Tiber die Ergebnisse der noli ei
lichen Recherchen und der in groxer
Anzahl erfolgten seugenvernedrnuns
gen berichtet. Aber sie waren bis
zur Stunde nicht in der Lage gewesen,
die Fesinahme des Mörders oder auch
nur die Auffindung einer Fäbrte u
melden, die halbng sichere Schlüsse
auf die Person dieses Mörderi ge
stattet hätte.
Jedenfalls war seit langer Zeit in
der Reichöhauptftadt lein Berbrecheni
verübt worden. dessen Erörterung
den mehr oder weniger scharfsinni
gen Combinationen findiger Köpfe so
oiel Spielraum gelassen hätte, wie
diefe unter dem Schutze der Nacht de
gangene Blutthat Es konnte darum
nicht wundernehtnen, daß heute. am
zehnten Tage nach dern Morde, auch
ant Tische des Oberstlientenants im
«Club der Dreißig« von nichts ande
rem gesprochen wurde.
Mit dein .Club der Dreißig« und
dem .Tifch des Oderftlieutenanti«
aber hatte es folaende Bewandtnis
Eine Anzahl von Herren verschie
denen Sllteri und verschiedener Le
bensstellung, wenn auch in der Mehr
heit dem künstlerische-n und schrift
ftellerischen Berufe angehärig war
durch den Zufall um die Mittags-Fett
tin hinterzirnmer einer ten-unmit
ten Weinstube der Potidamerftraße
iufamrnenaefiihrt worden. Die aus
die mannigfachsten Jnteressengebiete
diniibergrei enden Tischqeimäche dat
ten snr nlniidfung nähern Be
tanntichaften gefüer und man war
einander schließlich so nahe gewin
men. daß das Eint-ringen neuer Ele
mente in das bewußte hinterzimrner
geradezu als eine lästige Störung
empfunden wurde. Mit allgemeiner
Zustimmuna war es darum begräßt
worden, als das älteste und angese
denite Mitglied der Tafelkunde, der
pensionirte Oderitlieutenant Ausfer
eines Taan den Vorschlag mai-te.
man falle lich zu einem geschlossenen
Club vereinigen, der feinem anderen
Zweck als dem des geselliaen Beisam
menieins dienen un feinen Mitglie
dern ein unaestörtereö Behagen ge
währleisten solle, als eg eine jeder
mann zuaiinaliche Wirtdfchait zu bie
ten vermöge.
Rasch hatte man sich über die Sta
tuten und Einrichtungen des neuen
Cluds oeritändigt, und hatte ihm mit
Rücksicht auf die einhellig angenom
mene Beitimrnuna, daß der Mitalies
derbeftand niemals über dreißig din
auigehen dürfe, den etwas iarbloien
Namen »Gut) der Dreißig« gege
ben. Jni ersten Stockwerk des Han
lel, dessen Iarterrerönme die erwähn
te Weinitube inne hatte. war ein Reihe
von Zimmern aemieihet und den Zwe-;
cken des Cludi entsprechend ausgestat- s
Ftet worden. Man hatte nach den tKaclk
tundiaen Angaben des immer gleichst-s
» tigen und immer dienstbereiten Oberst
lieutenants einen hübschen, eleganten
Speis-taum. einen überaus bei-sali
chen Rauchsalon, ein Leietadinett und
ein Billardzimmer geschaffen, und du
mit den zumeiit unverdeiratheten
iClubgenassen alles geboten, was ein
lJnaagesellenlebsen gemiithlich und an
Igenelnn gestalten kann.
Als die größte Annetmilerrxkest krei
lich wurde von den Mitgliedern die
Gewißheit empfunden, sich hier im
mer inmitten einer sympathischen Ge
sellikbaft neiitvoller Männer zu be
wegen deren verschiedene Lebensftel
lung von vornherein jede eintonige
Fachsimpelei ausfchloß und deren Ge
sichtskreis weit genug war, um dem
Gedankenaustausch immer neue Ante
gunq und immer neuen Reiz zu
sichern.
Man verfuhr bei der Ausnahme
überaus streut-, und eine einziae
schwarze Kugel, die sich bei der Ab
stimmnnq in der Wablurne avrfano.
verschloß dem Bewerber fiir immer
den Eintritt in die Clubriiume. Aber
man ließ sich bei der Beurtlceilung ei
nes neuen Kandidrten einziq von dem
Werth oder Unwerth feiner persönli
chen Eigenschaften, nicht aber von dein
größeren oder geringeren Ansehen,
das er draußen in der Welt genoß,
oder gar nvn einer engberzigen Miet
sicht auf seine Vermögensverhömisse
leiten.
Besondere willkommen waren un
ge aufstrebende tiinftlerische Talsente
von tüchtigern Charakter und ernstem
Wollen, für deren Aufnahme nament
lich der Dberftlieutenant immer mit
dem größten Eifer bemüht war, und
die alsdann sicher fein durften, von
Seiten des Clubi jede nur mögliche
, Förderung und Untersiiiiung zu er
lahm
» Mit der äußeren Form wurde es
: nicht allzu streng Wen, unt
; wennesanchvanvp als ganz
teibttverftändltch singe worden
me, de die Leitung is seinen ande
ren hin als in seien des Oberst
ltettesnts Diesen bitte, f· var m
M Meist doch kam etwas
Wir hören Il- das jederzeit
- esse Arn s
,W
-, bestthtwiwnukI wie-M M
die teisette Störung der asgsetneiues
Darstan suec seine nie versagend
LieWrdigteit und der Mr
in den altermettten M ste
der beseitigt war. e andere als die
unmittelbar Betheiligten W
Kenntniß erhalten hatten.
Natürlich hatte ei nicht ausbleiben
können. daß sich innerhalb der Drei
ßig mit der Zeit tleinere Gruppen
bildeten. die untereinander einen en
geren und vertraulicheren Verkehr un
terhielten, als mit den übrigen Eine
solche Gruppe war es, die man itn
Club lurzweg alj den «Tisch des
Oberstlieutenants zu bezeichnen
pflegte. Sie fand sich Taa fiir Tag
in demselben behaalichen Winkel des
Rauchzitnmers zusammen. nnd be
ftand außer dem Clubpeiisidenten
selbst in der Hauptsache aus dein
neuerdings in der Oeffentlichteit viel
fach mit Auszeichnuna aenannten
Schriftsteller Deinj demselben aus
dem talentvollen. vielversprechenden
Bildhauer Kurt Hain-zu und dem Dek
tar Greaor Dombrotosti. der sich bei
feinem Eintritt in den Club als Pet
vatgelelyrter bezeichnet hatte
Auch heute waren es diese vier, die
in ihrer gewohnten traulichen Ecke
Plan genommen hatten, urn ein
Stündchen bei späten Nachmittags zu
verplaudern. »
Auf den ersten Blick tonnte die tlei-J
ne Gesellschaft freilich als bunt genug;
zusammengesest erscheinen-»denn es ’
war schwer, sich grsßere Verschieden
heiten vorzustellen, als sie in detn
tAeußeren dieser vier herren zu Tage
raten.
Der Oberstlieutenant Arnstors ver
leugnete in haltung und Geboten tei
nen Augenblick den ehemaan OE
zier. Bo hoher, beinahe hagerer -
statt. zeigte er troh seiner weißen
Haare und seines ·grauen Schmier
barts in jeder Bewegung die unge
brochene Elastizitiit eines an körperli
che Strapazen jeder Art mehr denn
ein Menschenalter hindurch gewöhn
ten Mannes Aber er offenbarte zu
aleich auch die elegante Sicherheit, die
sich nur im Beriehr mit der besten
Gesellschaft erwirbt, und die nament
lich Jüngeren gegenüber stets den
Eindruck einer ehrsurchtgebietenden
Ueberlegenheit hervorbringt. Sicher
lich würde sich niemand unterstunden
haben, im Verkehr mit diesem bei al
ler Zwanglosigteit immer aristrkrntii
schen Kavalier iiber eine gewisse, von
ihm selbst gezogene Grenze der Ver
traulichleit hinauszugehen oder ·enen
freien. ungenierten Ton anzuschla
ae, der so leicht zur Rücksichtslosigs
leit ausartet. Aber es waren doch
nicht diese respetteinslößenden Ei- -
schasten gewesen. die dem Oberweie
tenant ohne alles eigene Zuthun zu
seiner herrschenden Stellung im Eli-b
der Drei ia oerbolsen hatten. Solche
alten Os iziere laufen in den Stra
ßen Berlins ia iu hunderten umher,
ohne daß man sich bei aller schuldig-en
Hochachtunq sonderlich zu ihnen bin
gezogen fühlte. Was Harro Arnstors
von der großen Mehrzahl seiner Ka
meraden unterschied, war der gerade
zu bezwingende Ausdruck lautersier
herzensgiite und innerlicher Beschei
denheit aus seinem in den äusseren
Formen so tiihnen und energischen
Gesicht. war die woblthuende Ruhe
und Milde im Mann seiner Stimme,
war vor allem der köstliche. fchalthafs
te humor, über den er in jeder Le
benslage zu oersiigen schien, mit dem
er alle Gegensätze in seiner Umgebuna
zu versöhnen und selbst des hier und
da unvermeidlichen Tadel jede oeri
letzende Schärfe zu nehmen wußte
Es rrnr innerhalb des Clubs kein
Gebeimniß, daß der Oberfilieulenant,
wenn er auch nicht geradezu in ärmli
chen Verhältnissen lebte, doch außer
feiner Pension nur über ein beicheides
» nes Vermögen verfüng und er selber
» pflegte oft genug über seine geringen
fMittel zu scherzen oder aber in den
droIigfien Uebertreibungen von fei
nen »iiiritlichen Reichthümern« zu
reden. Aber es war auch kein Ge
beimniß. daß es unter den Dreißig
keinen freigebigeren Menschen, lei
nen hockiheriigeren Förderer gab, als
diesen weißlöpiigen Jünglinn. dessen
Seele sich auch in dem alternden Kör
per ihre volle Empfänglichkeit be
wahrt hatte fiir die Regungen inni
gen Mitleids mit dem Unglück und
heiliger Begeisterung für alles Schöne
und Große.
Daß ein Mann vieles Schutzes
junge Leute wie sden Schriftsteller
hollfelder und den Bildhauer Dai
nau mit feiner besonderen Freund
schaft ehrte, ließ sich ja am Ende noch
verstehen, wie zahlreich und wie aus
geprägt auch die äußerlichen Verschie
denheiten fein mochten. Während
halt-aus gesunde, manchmal etwas
formlofe Nätiirlichleii unfchwer die
herkunfi des jungen Künstlers aus
einein lehr bescheidenen Milieu und
seine Abstammung von bäuerlickzen
Vorfahren errothen ließ. war being
hollfelder ganz der Typus des ari
nervigen, in der zugleiZ hefru ten
den und zeheenden Gro adlluft auf
Æenen Menschen ssen durstige
le frühzeitig alles in lich aufge
nommen. was ihr groß und bedeut
lani eri ·en, nnd bei dein lich infol
gedessen e Phantasie ein wenig aus
tollen del ich-Its III lvoiich denken
den, nüchtern stillan verstand-e
entwickelt t. Seine näheren se
kannien me , dofz er der zuverläsq
nnd enfop erndiie kenn-i der
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!
,een. febr erst oder par tra ifch zu
nehmen, feinen In zurn riibeln
und die Launenba is it keiner Stim
neu-gen.
Daß feit been Tage, an dem man
zum ersten Male in den Zeitungen»
von dem Mord in der Ranteftrase ge
lesen, eine augenfällige Veränderung
mit ihm vorgegangen war. nahm im»
Gran-de niemand wunder. der länserj
mit ibm vertebrtr. Man wußte ia4
aus jenen Berichten, wie nabe er per-!
fönlicb an dem gräßlichen Sehnt-unin-1
niß betbeiligt gewesen war, und manj
fand nichts Befremdlicbee darin, daß
feine senfible Natur fich von den ein
pfangenen Eindrücken schwerer frei
zu machen vermochte, als es den Inei
ften Durchfcbnittsmenfchen möglich ge
wesen wäre. Man fah mit Bedauern.
aber vbne eigentliche Verwunderung,
dafz er bleich und angegriffen umbers
ging. daß sein Wefen manchmal, wenn
er fiir kurze Augenblicke feine gewöhn
liche Selbstbeberrschung verlor, etwas
geradezu Verftiirtei hatte, dafi er bald
die Gesellschaft feiner Freunde scheu
vermied. bald mit gemachter Lustigkeit
an Zerstreuungen und Bergniignngem
i die er fonft nur maßvoll genossen, fast
. bis zur Erschöpfung tbeilnabrn. ·
J Gewiß war er unter bieten Umstän
» den bei weitem nicht mehr der amiis
’ sante Gefellfchafter, als den man ibn
fonft im «Elub der Dreißig« geichäst
hatte. von dem Dberftlieutenant aber
wurde der darum nicht weniger lie
benswürdig und rückfichtsboll behan
delt als bisher. Ja« es hatte sogar
ganz den Anfcheim als ob ibm der al
te herr neuerdings ein verdoppeltei
Jntereffe zu wende, alj ob er bei den
Unterhaltungen an feinem Tifche ine
mer in erfter Linie zu ihm und fiir
ihn spreche. unb als ob er mit befunde
rer Sorgfalt darauf bedacht fei, alles
zu vermeiden. was ihn verlehen
Von dem vierten des kleinen Krei
ses, dem Privatgelehrten Doktor Gre
gor Dombrvrvsti, ließ sich dasselbe
nicht gerade fagen. Aber man war
zu sehr an allerlei lleine Sonderheit
leiten von Seiten des Duktorj ge
wöhnt, als das man sich iiber die Ur
sachen feines veränderten Benehmentt
gegen Hollfelder hätte den Kopf zer
brechen tollen
Begriff man doch überhaupt nur
schwer, welchen Umständen Dam
brorvsli seine Aufnahme in den enge
ren Zielet des Obersilieutenanti zu
danken habe. Jn der äußeren Erschei
nung des ungefähr dreißigjähriaen
Mannes war gewiß sehr rvenig Befie
chendee oder auch nur Sympatdifches.
Von zarter-n faft Ichrviichlichem Kör
perbau und dlafsen gelblicher Ge
sichtöfarbe, verleugnete er weder im
Schnitt dei Gesichts. noch in feiner
Redeweise die llatvifche Zukunft Sei
ne duntlen Augen hatten den mit-·
den ,verfchleierten, gleichfam nach in
nen gelehrten Blick eines Menschen«
der awöhnt ift, sich mehr mit sich
feibft als mit anderen Zu befchiiftigen.
und schön war an ihm nichs als die
feingemeißelte Stirn
Man wußte im Club nur wenig
über feine perfiinlichen Verdältnkfsr.
Ei hieß, dafz er schon ais Student in
den erften Semeftern aus feiner pol
nifchen Deimath nach Berlin getrun
rnen fei und fich feitdern von der gafts
lichen Hauptstadt des deutschen Rei
ches nicht mehr habe trennen können.
Aber irn übrigen gingen bezüglich fei
ner Lebensführung die allverfchieden
ften Gerüchte. Sicher war nur« daß
er Vermögen besitzen mußte, daf-, er
ebne Knauferei auf ziemlich befchei
denem Fuße lebte, fich aber niemals
ausschle wenn es galt, einem be
drängten Clubmitgliede oder einer
außerhalb der Vereinigung stehenden
bedürftigen Persönlichkeit —— der
Oberftlieutenant hatte immer ein hal
bes Dutzend solcher Schüstinge auf
Lager —- hilfreich beizustehen ·
Welcher Art die Studien waren."
die er ale Privatgelehrter betrieb,
ahnte man nicht, weil er niemzlg dar
über sprach. Aber durch die Indis
tretion eines Redakteurs hatte man
erfahren. baß er hier und da scharfe
boleniiche Artikel iiber allerlei Miß
stände des öffentlichen Lebens für an
geiehene Zeitungen schrieb, ArtileL
die von ebenlo glänzender itiliitifcher
Begabung wie einbrin enber Kennt
niß aller menschlichen inge ieuaten.
Aber er war sehr schron und abweilend
geworden, ali- man ihm argen iiber ei
ige Andeutungen iiber diese iourna
liftiiche Thiitigteit gemacht hatte.
urrd man hatte ej deshalb aufgege
ben, sich um dieselbe zu kümmern. Jm
persönlichen Verkehr war der Doltor
weder liebenswürdig noch unliebenes
würdig. weder ichweigiam noch beredt.
Zwar liebte er es irn allgemeinen, sich
auf die Rolle des Zuhörers zu be
tchränten, aber er hielt auch nicht rnit
seiner Meinung zuriich wo es ihm an
gezeigt schien, einen schädlichen Irr
thunr zu berichtigen oder einein this
; richten Vorurtheil energiich entgegen-»
zutreten, und wenn seine Aeußerunsr
gen bei iolcher Gelegenheit auch nicht
gerade etwas Blendendei oder Geist
tunlelndes hatten, lo waren tie doch
stets von unerbittlicher Logik. und
niemand im Club konnte sich riily
men, aus Doinbrowslis Munde ie
rnals eine Dummheit oder eine Un
wahrheit geb-its r- bsbeu- , »
Er hatte hier keinen Freund im ei
geut n Sinne be- Woetee, aber
sanch lich keinen Feind. Sein
senehrnen war se n jedermann das
eines höflichen zuvortotmnendem
wenn auch etwas reiervirien Man
nes. Etti in den allerjtlngtien Ta
gen ssla seini besonders auf
merf me ba warmem-sen
is haben. baß er in seinem veriehe
schimnfssnmnk
kL «(.' PL
Festrednet tauf dem Wege-zum Vetfammlungglolal): »Um Gottes-wil-J
len. fahren Sie doch etwas langsamen Chaufjeut - Sie eiitteln mit ja
meine ganze Rede durcheinandeeP
mit being holltetder eine Verschlos
senheitsund abweist-ist Kälte an den
Tag letzte, ie erbebiich über das Maß
feiner gew ntichenZuriiahaitung hin
ausging.
Auch in diesem Nachmittag hatte
er sich bisher mit teinem Wart an der
Unterhaltung betheiiigt, deren Kosten
zuweist von dem Oberitlieutenant be
stritten wurden. Der Bildhauer Hai
nau war es gewesen« der das Gespräch
zuerst auf das geheimnisvolle Ereig
niß gebracht hatte
Nach einigen allgemeinen Betrach
tungen über unaufgetlört gebliebene
Verbrechen der lesten Jahre hatte
Arnstorf giagt: »Ich bin ja tein
Krtminatift und maße mir nicht an,
tcharfsinniger zu sein. alj die durch
Erfahrung gewitigten herren am;
AlexanderpZaß; aber ei will mich doch(
beinahe bediinten. ais ab man ein-ask
zu einseitig verginge, indem man im-?
mer nur nacheinem Mörder tuchtt
und fein Augenrnert iediglich auf Ver-I
sonen männlichen Geschlechts richtet.s
die etwa tiir die That in Betracht;
tammen tönnten.« «
Jn diese-n Momeni eran Dorn-;
browsli zum ersten Male die Liber,;
und feine müden, verschleierien Auii
gen richteten sich voll auf das Gesicht!
des ihm gegenübersihenden HollieH
der. Es kannte ihm laum entgeknJ
daß sich die blassen Wangen des jun-!
gen Schriftstellers jäh mit einem rasch!
wieder verichwindenden heißen Roihf
überzoaem aber seine Stimme hatte»
ihren aewiihnlichen, gleichgültig weit-z
ten Klang, als er. ohne den Biick von
Hollselder zu verwenden, staate: »Sie
glauben allo, dass-J ein Weib aewe-’
sen sein könnte, die jenen Marien-i er
ichluaK 4
Ach glaube es nichi gerade. aber
ich halie es doch auch siir leineswegs
unmöglich. Die Bruialiiöi bei der
Ausführuna des Verbrechens und die
stl der Mordwasse, die nach der
Meinuna der Sachverständigen nur
ein Beil oder ein ähnliches schweres
Instrument gewesen sein tann, isheii
nen ja allerdings iiir einen männli
chen Thäier zu sprechen; aber die
Seition hat ergeben, daß es keiner be
sonderen Realiaufniendung bedurfte,
um dem Manne diese unbedingt tödt
iiche Verletzung beizubringen Nach
dem Befunde war seine Schädeldecie
so dünn, wie die eines Kindes im er
iien Lebensalter. Jeder Fall nnd iei
der auch nur mit mä iger Wucht tie
iiihrte SchlaaI oder Stoß hätte ihm
schon längst verbiingniszooll werden
tönnen."
«Möglich«, jagte Dombrowsii«
»aber daran allein können Sie doch
Ihre Hypothek unmoalich itiisen
haben Sie denn noch irgendwelche
andere Urlache, die Thäterschast eines
Weibes zu vermutheni«
«Keine andere als die Erwägun
gen, die sich einem aufdriingen müs
sen, wenn man die Person des Er
mordeten und die Art feiner Lebens
führung in Betracht zieht Die ber
ren sind darüber aus den Berichien
des Zeitungen ja hinlänglich unter
richtet.«
«Jch nichi«, wars der Bildhauer
ein. »Die Spalten. in denen von
Unaliicksfiillen nnd Verbrechen die Re
de ist, pflegen im allgemeinen kein
Interesse sin mich zu haben. Dies
aber icheini doch ein ganz außerge
wshnlicher Fall zu sein, und wenn es
i Sietnicht ermüdet, here Dherstlieute
nan —«
«Bitte das laßt lich ja mit we
nigen Worten wiederholen. Dieser
Otto Mariens scheint nach allem ein
liederlicher Mensch aeioeien zu sein
Nackr Ausweis der polizeilichen An
meldung war er erst vor nicht langer
Zeit aus London nach Berlin gelb-n
rnen, in seinen Umganqgtreisen war
er allgemein unter dem Spiynaenen
»der Afrikaner'· bekannt, weil er sich
oit der heldentbaten zu riihmen
pflegte, die er im Burentriege egen
die Englander verrichtet hobe· eine
verichwenderiichen Palsionen brechen
für den Besitz reickrlicher Gel mittel,
obwohl man in feiner Wobnuna n·ur
eine verhältnismäßig geringiiigig
Summe und teinerlei susweii über
sein Vermögen oorge unden bat. Aber
es fleht fest, das er eit Monaten all
abendlich große Beträge artige ben
nnd gleichzeitia mehrere Verbot nisse
init meiit recht toftspieli en Deirnchen
unterhalten hat« Gewi e Speziali
tötentbeater räblten ihn zu ihren
Stamnrgöilten, and zwar nicht bloß
vor. sondern auch hinter den Kral« -
len. Ei ißt ferner, da er bei le
nrr deine ebr meist an runten ge
wesen lei. sie-entweichen millen
oertebe oder Freunde aus be eren Ge
ielllchaltstreiien scheint dieser muster- l
halte Jüngling überhaupt nicht e
habt zu haben. Wenigstens hat ch
bis fest niemand gemeldet."
»Ein wenig schmeichelhaftes Cha
ratierbild, das Sie da von dem tin
gliietlichen entwerien«, meinte der
Bildhauer-.
Dombrowsti aber tam auf seine
vorige Frage zurück. »Und warum
Follte es gerade ein Weib gewesen
ern —-—«
»Das habe ich nicht bedaupiet«. er
widerte der Oberitlieutenant mit nach
driietlicker Betonung, »aber unmöglich
wäre ei is nickt« weil Lebemiinner sol
ckxen Schlages in einer gewissen Sphä
re ein lehr beaelnter Artitel und das
rmn oft ein Gegenstand der erbittert
ften Eifersucht sind. Vielleicht hatte er
einer bisher Verein-ten plötzlich seine
Gunst entzogen und dadurch die Rache
in ihrem her-ten entiesselt.«
Domkrowsti lchien ganz in die Be
trachtung seiner um das Knie gefalle
ten mageren Finger vertieft. »Glau
den Sie nicht. daß die Polizei nach
dieser Richtnna hin bereits eingehen
de Nachforschungen aneliellt haben
dürfte?« fragte er. , an scheint
iider feinen Verkehr außerhalb des
den-les doch ziemlich genau unter
richtet.·
»Verzeihuna. lieber Doktor. es wis
mir im Geaentheil scheinen. alt ob
man da noch vor manchem ungelöften
Niikdfel stände. Man bat ein paar
Chariftinnen ans dem Eldoradotheai
ter vernommen und von ihnen ers-od
ren, dafz Matten-Z den leßien Abend
feines Lebens in ihrer Gefellfchaft
zugebracht habe. Es hat sich ferner
ein Drofchtenkutlcher gemeldet, der
ihn aus der Wirthichaft, wo er ch
von der ausdaueendften feiner Bea ei
terinnen verabschiedet, nach der Nan
keftraße gefahren hat. und man weifr
»aus der alaubtoiirdigen Bekundung
« dieses Manne-, daf; Martens, der ihm
nicht nur dem Aussehen, sondern auch
dem Namen nach bekannt war, ohne
Begleitung nach Hause zurückgekehrt
ift. Ueber den Dingen aber. die sich
Inach seinem Eintritt in das Haue zu
"aetr-sz1en, liegt ein undurchdringlichee
Dunlek.«
»EinDunkel. in das nur die Wade
inemnunaen des Herrn bollfelder eis
nen Lichtfchimmer werfen«. Dom
,bro:oitti hatte nicht aufnebiickt« neiilk
rend er das faate, und es war auch
nichts Anziiglichea im Ton feiner Re
de gewesen.
Trondem fuhr der junge Schrift
fteller beinahe unnefkiirn auf· »Meis
ne Wahrnehmungen?« wiederholte er.
»Ich wüßte in der That nicht. inwie
fern fee danach anaethan wären, den
Oergang der oerdrecherifchenThat aufs
zuklären.«
Der Oderftiieutenant legte ihm be
fchtoichtigend die band aufs Knie
.Ratiirlich sind sie nicht danach ange
than«, ftimmte er zu. »denn da Sie
ohne Zweifel der Polizei nnd dem Un
terfuchungorichter alle dtele Wahr
nehrnungen mitgetheilt hohen. hätte
es ia in folchem Fall den Betten be
reits gelingen müssen. den Schleier
zu lüften. Aber wag Sie erlebt lea
ben. macht die Sache nur aeheimn k
nallen Sie litten um Mitternacht n
Ihrem Zimmer. als ein Unbekannter,
ein Mensch. der sich beharrlich weigert,
feinen Namen zu nennen, dte Keekheit
befiht, Sie an den Fernfprecher zu
rufen —- su tetnem anderen Zweck,
als um Ihnen eine dringliche Bot
fchafl aufzutragen an jemand. der Ih
nen ebenfalls nicht weiter als dem a
men und der äußeren Erfcheinnns
nach bekannt ift. Denn Sie unterhiel
ten doch keinerlei Beziehungen zu die
fenr Warten-F
Gottheit-da Mat)
—--—
Es ist nicht verwunderlich, wenn die
»- rauen das Stimmrecht haben mol
Fem wenn Stimmen in Colomdo 86
das Stück kosten; da ist gute Aus-H echt
auf einen Frühjahtshut für bill ges
Gelt-.
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Gelegenheit moqt Diebe — der Zu
falfzuweilez ansthåxdege Penfchen
Wellman tritt wieder eine Reife u:
Entdeckung des Nordwi- em. is
nn Hierwegen wird die Oe Wie in
M chet Weise glatt, wie ges mieet ge
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MeIe Worte machen, um wenige
Gedanken enU uteilen. M Ubeenll das
knkeügllche chen der Mietetmäßigi
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Die Liebe i de betete
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