Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 28, 1909, Zweiter Theil, Image 10

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    Was dir Nacht verbarg.
Roman von E. P. Luni-unklar
Der Moan
f
Gast: »I«,onnekwemt, das-: ist ja mein Hin, Tet vom Gndetobessändet
herunter-sehnen :ft...und den benutzte ich schon seit zwei Stunden als
Spuk-mva
Erstes Kapitel.
In dem dalbdunilen Hirn-mer« das
nur von dem im Kamin slackernden
Jener ein unsichere-T matteg und doch
Wes und lebendiges Licht em
Ist-g. standen sie sich gegenüber und
Kanten sich schweigend an. Sie
lehnie an der Brüstunq des offenen
Meisters durch das man die Häuser
aus der anderen Seite der Straße
und einen schmalen Streier des
Pachihimmels mit wenigen, matt
dlintenden Sternen sah, und itülzte
sich auf die Platte des Schreidtisches
—- seines Schreibtisches. Er stand
noch immer in der offenen Zimmer
thür, den Ueberrock über dem Arm,
dsle krennende Ciaarrette zwilchen den
Lippen, den Cylinderhut, auf dessen
länzender Seide sich das Kaminfeuer
piegeltr. auf dem Kopf, den Schlüs
sel am kleinen Finger der Rechten.
Noch war tein Wort zwischen ib
nen gefallen. Die unerwartete Er
ssseinung des anderen hatte jedes von
ihnen Ia sehr überrascht.
Der Mann sand zuerst seine Ueber
legung wieder. Er warf Deinen Uez
beredet über die Ledne eines Sind-i
les. schloß die Thür dinter sich nnd;
drehte dann erst das elektrische Lichtl
In. Die plötzliche Heiligkeit blendete
ih, slir einen Moment mußte er die
Ingrn schließen. Dann sahen sie sich
prüfend an. , — . « » ·
Die Frau am Fenster neigte sich
ein wenig vor. Jn ihren Augen spie
gelte sich sowohl Ueberraschung wie
Furcht. Er sah. wie heftig ihr Atbem
Hing- Dann sprach sie -— ihre Stirn
tne hatte nach dem langen Schweinen
etwas Körperliches. Greifbares. »Wer
sind Sies« fragte sie. »Wie kommen
Sie hierher-V
Er zuckte die Achseln. »Zauber
dar!« sagte er unb lächelte spöttisch
Ich habe mir eingeredet, daß eine
solche Frage zu stellen doch eigentlich
sur meine Sache gewesen wäre. Im
merhin will ich Jshnen antworten. Al
so ich heiße Hollselder, und ich tornme
hierher in der Absicht, in mein Schlaf-:
zimtner zu geb-en und mich zu Bett zu
legen. —- Dars ich nun meinerseits
seagen«, fügte er, immer noch lä
chelnd hinzu, .wae mir das Vergnü:
sen Jhtes Besuches verschafft?«
Sie gab nicht sofort Antwort, und
während er ihr Aeußeres jeht einer
senaueren Besichtigung unterzog,
wuchs sein Erstaunen. Wie sonder-i
bar die Lage immer sein mochte, in
der er sie gefunden hatte, er war doch
sicher, keine aewöhnliche Diebin in
seinem Zimmer überrascht zu habend
Freilich, das eine war tlar — sie hat-i
te seinen Schreibtisch geöffnet und
seine Pariere durchsucht, die in wir-T
rer Unordnung auf der Tifchvlatte
und auf dem Boden lagen. Ebenso
sicher aber war es, daß sie nicht nur
außerordentlich schön war, sondern
daß sie auch den besten Kreisen ange
hören mußte. Sie war einfach ge
kleidet, aber mit jener eleganten, vor
nehmen Einfachheit die sofort den be-—
sten Geschmack verrath. Ein Pelzums
hang, dessen Kostbarkeit außer allem
Zweifel war, lag halb ous einem Ses
sel und halb auf dem Zimmerboden,
wie wenn sie ihn achtlos abgestreift
hätte. Sie schien ihm jedenfalls eine
Dame der großen Welt zu sein, Ge:
sellschaststreisen anghörig, denen er
selbst sich nicht einmal zuzählen durf
te. Wie tarn sie in sein Zimmer?
Welches Interesse hatte sie an seiner
Person und an seinen geringfügigen
habseligteiten?
,,Hollfelder!« wiederholte sie nich
denklich, ihn fortwährend ansehend.
»Wenn Sie Hollielder heißen rnuß
ich noch einmal fraaen ivag Eie in
diesem Zimmer wollen?«
»Ja diesem Zimmek7« Er sah sich
Um. wie um sich nochmals zu verne
tvissern, Daß er auch wirklich in fei
nem Arbeits-Zimmer und nirgend an
derswo war. »Aber ich bitte Sie, Das
ist doch mein Zimmer!«
»Ihr Zimmer-S« Sie wühlte ha
stig unterden Papierem seinen Pa
pieren, und brachte einen Schlüssel
vmVorschein »Das Haus ist doch
ankestrasze 179 —-s nicht wahr?«
»Ohne Frage!« bestätigte er.
»Dann ist dies auch nicht Jhr Zim
Inet und nichi Ihre Wohnnna.«
«Das erlaube ich mit doch oanz ent
schieden zu hestreiten«, erwiderte er.
»Miastens hilde ich mir ein, hier
schon seit zwei Jahren zu wohnen.«
»Ich habe aber doch die Wohnungs
ihiik mit diesem Schlüssel öffnen tön
m «
Er sah aus den Schlüssel in ihrer
the-d und auf den seinen und fand,
das sie sehr ähnlich waren. »Z» wem
sollten Sie denn eigentlich?« fragte
et dann.
Deren MartensI
tendlieh begann er zu verste
hen. Er lachte. »Da haben Sie sich
us eine Treppe lgemtz here Mar
iens« wol-it näm ich eine Etage hö
rst gab sieh noch immer nicht be
. »O habe eher doch die Thiti
tmit · fein Schlässel sssnen tön
, — «
-· It « i sen lii eli sei
wän Sie sei-Z tiie seiden
Hei sie-e sehr ähnlich«, sa te er.
Hält-sieh der sie an tigt
: · Ist Mr nicht mit stoben —
Sie strich sich mit der Hand über
die Stirn. Wie ärgerlich!« sagte
sie und zwang sich zu einem Lächeln.
»So habe ich mich also wirklich geirrt.
Ich bitte id usendmai um Verzei
hung.«
Er blieb Vor der geschlossenen Thük
stehen und rührt sich nicht von der
Stelle. Die hatt-e Aufklärung die
et für den eigenartigen nächtlichen
Besuch erhalten, Hatte ganz neue Ideen
und Vetmutdungen über die Person
der Fremden in ihm geweckt Er
kannte den Miethet der oberen Einge,
kannte wenigstens einige seiner Le
bensgewohnheiten und den Ru! den
et iin Haufe genoß. — » l
I Die Fremde empfand jetzt offenbar
sFurchi. Ein paar Schritte machte
sie aus ihn zu und sah ihn halb fra
gend, halb bittend an. »Bitte. lassen
Sie mich gehen«, iaate sie.
«Soz·cleich!«
Er rührte sich ader noch immer
nicht. An die Thür aelekmt, ftand er
und fah sie forschend an. Er war sorg
fältig und eieaant aetleidet, fein Ge
sicht, das den Stempel der Intelligenz
s trug, zeigte jene Visite die man heut
Izutage so interessant findet. Der
Mund war fest und eneraifch geschnit
,ten, und durch feine Anaewohnheit,
die Lippen feft auseinander zu pres
sen, erhielt das Gesicht beinahe etwas
spottet
»Was wollen Sie noch von mir?«
fragte sie. »Ich habe Ihnen meine
Anwesenheit in Ihrem Zimmer er
klärt. und ich habe mich entschulägt
Lassen Sie mich alfo nun gehen!·
.Sie baden mir Ihre Anwesenheit
in meinem Zimmer ertliirt«. erwi
derte er ruhig· »aber Este haben mir
nicht erklärt, in welcher Absicht Sie
die Wohnuna des rrn Mariens
aufsuchen wollten. tten Sie in
der That nor, feine Sachen einer
ähnlichen Mutteruna zu unterziehen,
wie hier die meiniaen-«
Sie warf den Kon zurück. «Was
ich bei Herrn Mariens Zu thun hatte.
ist nicht Ihre Anaeleaenheitk« erwi
derte sie kalt, ihre Hände aber spiel
ten nervös mit dem Schlüssel.
.Unter gewöhnlichen Umständen »si
nein!« aab er zu. »Aber die Um
stände sind durchaus ungewöhnlich
Verzeihen Sie. wenn ich offen spre
che. Ich fand Sie dabei, meinen
sSchreibtifch zu durchsuchem und ich
rirre wohl nicht« wenn ich vermuthe.
daß Sie bei Derrn Mariens dat- akt
che thun wollen«
, »Und wenn ich es wollte » was
Iainae es Sie an? Woher wiffen Sie
s denn, daß ich nicht die Erlaubniß das
!,tu von ihm habe? Hier ---- ich habe
ji« doch den Schnitt-! zu seines Werk
nung!«
Sie hielt ihm den Schläsiei bitt.
Er streifte ihn mit einem flüchtigen
Blick und sah sie wieder an. Na
wohl!« tagte er. »Aber wahrschein
lich nicht von herrn Mariens selbst
Der wollte ohne Frage nicht, daß Sie
feine Wohnung in feiner Abwesenheit
und um dieie Stunde auffuchten."
.Wie können Sie das behaupten?«
»Das ift doch fehr einfach. Wenn
Herr Mariens Jhnen den Schlitssei
aegeben hätte, damit Sie sich um Mit
ternacht seine Wohnung ansehen tön
nen, io hätte er Ihnen ohne Zwei
fel auch gesagt, daß er im zweiten
und nicht im ersten Stock wohnt. Er
mußte ia doch wissen, daß sich keine
Namenfchilder an den Thüren befin
den, und daß Sie des-halb leicht irren
, tonnten.«
i
Sie aab keine Antwort Eie »Das-,
te offenbar nickt was sie thun sollte.
Halb mechanisch raffte sie den Um
bana auf, den sie auf den Sessel Ent
te qleiten lassen, leate ihn aber nicht
um die Schultern, sondern bebielt iim
in der Hand. »Ist dieser Mariens
Jsbr Freund?« fragte sie plötzlich.
Er wehrte fast beleidiat -.1l—. »Nein,
nicht im mindesten. Ich lenne ihn
nur von zusalliaen Beaeqnunaen ber.
Unsere Bekanntschaft ist nicht Tiber
sliichtiae Grüße auf der Treppe oder
aus der Straße binausgelommen.«
»Dann haben Sie auch lein Recht,
mich hier zurückzuhalten«, erklärte sie
ruhig. »Nicht einmal eine Entschul
diquna haben Sie dafür-. Ich mag
seine Freundin oder Feindin sein —
es geht Sie jedenfalls nichts an. Teich
bin irrthiirmlich hier bei Ihnen ein
gedrungen -— dasiir habe ich um Ver
zeihung gebeten. Was wollen Sie
noch?«
Er rührte sich noch immer nicht.
»Ich denke, Sie sind ein Ehren
mann, Herr hollselder!« s
Die Uhr aus dem Kaminsims schlug.
E zwölf. Er wartete, bii der lehtei
Schlaa verklungen war. Dann sagte
er hastig und eindringlich: »Sie wer
den zugeben, daß die Lage. in der wir
uns befinden, mehr als eigenartiq ist.
- Ich darf mir daher auch gestatten. of
- sener zu sprechen. als mir sonst er
laubt wäre. Ich kenne Sie nicht, und
es könnte mir schließlich gleichgültig
sein, wen Sie um Mtterna besu
chen. Aber is- waene Sie. könn
ten gesellen werden, und bei dein Rus,
den den Ratten- —«
Sie lachte leise. ein sehr wol-Illin
. sendet Lache-. »Um —- ivolles Sie
eis- n n- n sit-« »S
« M- . . en r ·
Darum-. Idee glauben St mir, ich
-«.. «.«- -j-.
weiß fett-ft, wes ich zu thun nnd zn
lassen bat-U
Er zögerte noch immer. Sie aber
sah fette wohl, daß sie gesiegt hatd
Eine Minute zuvor hatte sie dieer
Mann .1efiirchtet. ietzt fürchtete fie ihn
nicht nicht-. .
»Ich will mit Sehnen neben nnd
oben an der Wodtungothiir wartet-,
wenn Sie durchaus hinaufgehen wol
len", faate er. «Martens ift oft in
einem Zustand. wenn er nach Haufe
kommt, daß —"
Sie lächelte spöttisch. »Es-seien Sie
unbesorgt«. unterbrach sie ihn. »Ich
Ecmuche Ihren Schuß wirklich nicht.
geb « .
Sie brach ab. Es läutete fchrill
und anhaltend. Ei war das Telephon
in der Ecke des Immers
Abek Hollfelder riigrte sich nicht.
Er wollte die Thür nicht freiaeben.
Als er dann aber noch einmal klin
qette. neftia nnd anhaltend, gina er
doch kviderftrebend hinüber und nahm«
den Hörer ab. j
«L1ier bollfelder«, rief er in den!
App.irai, und der Aerqer iider die
unwilliommene Störuna tlanq deut
lich nenua ans seiner Stimme. »Wer
bat denn um Mitternacht ——«
,,Ver,ieibunji!« hörte er eine Stim
me innen. die ihm völlig fremd mar.
..Toch Heer Hollfelder —--— Rankeftras
ße 179?« ..
»Ja doch, aber wer ist denn —«
»Ich mufz wegen ter nächtlichen
Störung tausendmal um Verzeihung
bitten", tönte es zurück. »aber es han
delt sich um eine sehr wichtige Sache.
Ein Herr Mariens wohnt doch in
Ihrem Haufe —--- nicht waht?«
.vaobl — eine Etaae höher
Aber was habe ich denn —--·«
,herr Msxrtens bat leider tein Tes
lepbon Ich bitte Sie herzlichst. Vettll
Mariens davon zu benachrichtixien.
daß er iofart in dasSavon Hotel kom
men muß. — here Matten-J ift doch
dobeim?'
»Ja. wie soll ich denn das einstens
Der Herr tornmt felten vor zwei, drei
Uhr nach Haufe« es ist also anzuneh
men. das-, er noch nicht da ift. Uebri
acns finde ich sp«
»Wenn Sie ihm gütiaft ein paar
Worte aufschreiben wollten, baß er
unbedingt sofort nach feiner heim
tehr ian Saoon Hotel kommen müß
te — Sie würden Herrn Marteng und
mir einen anichänbaren Tienft damit
erweisen. Zie könnten ja den Zettel
an feine Ihiir stecken, falle er noch
nicht dabei-n fein sollte Wirllich. es
ist ungeheuer wichtig« sonst hätte ich
Sie aerviß nicht belästigt Wollen Sie
inir den Gefallen thun ?«
«Meinetwe;a»en«· brummte Hpllfelg
der ärgerlich »Ich kann Ihnen al
lerdings nicht verhehlen, daß ich sc
ein bißchen ftark finde, jetzt um M
ternacht anzuläuten » Also was foll
ich auffchreiben?'
«Daß herr Mariens im Sapoy ho
tel ungeduldig erwartet wirb, und
baß er sofort kommen müßte. Er
wüßte schon, wer ihn erwartet.«
.Wer denn ?' fragte hollselder.
»Ein Freunds klang es kurz zu
rück. »Wollen Sie mir versprechen.
das aufzufchreihen?«
hellfelder war nahe daran, den
letzten Rest seiner Geduld zu verlie
» ren. .Wer sind Sie denn eigentlich?"
i «Vergefsen Sie es nicht!' vernahm
’er statt einer Antwort auf feine
Frage.
.J-a doch, aber Ihr Name?"
Reine Antwort. Jn steige-»der Un
aebuld fragte er noch einmal -- - da
wurde abgelöutet.
Wüthenb hängte er den Hörer an
und wandte sich ins Zimmer zurück.
Natürlich war er allein. Die Ihiir
stand noch ein wenig offen, der Raum
war von dem zarten, biskreten Tuft
ihres Parfiist erfüllt —- aber sie
war fort.
Er ging auf den dunklen Treppen
flur hinaus und lauschte. Kein Laut.
Leise rief er nach ihr. Keine Ant
wart.
Da aina er voll Ingrimm wieder
hinein und warf die Thiir heftia hin
ter sich zu, ohne Rücksicht auf den
Schlaf der übrigen hausbetvohner zu
nehmen«
Ein paar Mai ging er im Zimmer
auf und ab. bis sich seine erregten Ner
ven ein wenig beruhigt hatten. Dann
trat er an den Schreibtifch und starr-»
te auf seine umherliegenben Papiere
hier am Schreibtisch war er am stärks
iten, der feine, fiifze Duft, der feine
Sinne so schmeichelnd umfing. Mit
einer heftigen Bewegung fchlo er das
Fenster, damit das Parfiim n cht ent
weichen konnte.
Dann fette er sich nieder. unt fein
Versprechen einzuliifen und die Vot
schaft zitterte dabei noch immer vor.
Erregung fo stark hatte das Zittern-«
mentreffen mit der schönen Unbekann
ten auf ihn gewirkt. Seine Gedan-4
ken abjulenlem griff er nach einer Et
garrette und entzünden sie, während
er sich, den Zettel in der Tasche, auf
den Weg nach dein oberen Stockwerk
- machte.
,
Oben war es dunkel und still. Er
zog die Glocke, aber wie er es nich-r
anders erwartet hatte, rührte und
regte sich drinnen nichts. Wohl fünf
Minuten lang stand er lauschend an
der verschlossenen Thür. Er hatte rnit
der Versuchung zu kämpfen, sich mit
seinem eigenen Schlüssel Eingang zu
verschaffen. Sicherlich öffnete der
Schlüssel diese Thiir so gut, wie Mar
teni’ Schlüssel die seine geöffnet hat
te. Dann konnte er sich selbst über
zeugen, ob sie noch da war und was
sie da drinnen machte.
Aber er erinnerte sich noch zur rech
ten Zeit, wie gefsihrlich ei- solches
Thun gewesen märe. Er kannte ja
Mariens inne-. nnd wenn der Mann
nndernmtbet bei-nieren, ibn Tiberraschs
te —- das hätte eine angenehme Si
tantion geben könne-!
Er ging in seine Web-tunc hinun
ter. Aber er vermochte-es nicht über
sich zu bringen, sich zur Ruhe zu legen.
Nervös ging er ini Zimmer auf nnd
ab, machte einenv fruchtlosen Buan
ieine Papier-e aus dem Schreibtiich zu
ordnen, tauchte eine Cigarrette nach
der anderen und wußte nicht« was er
thun sollte. Schließlich nahm er lich
vor. auf Mariens Hei-erlebt zu war
ten nnd mit ihm über den merkwürdi
gen Beinch, den er danebabt hatte. zu
reden.
Er öffnete also die Flurtlziir zu ei
nem schmalen Spalt, ließ auch die
Zimmertbiir oiien nnd seßte sich in
einen bequemen Sessel in der Festen
Absicht. auf alle Fälle wach zu blei
ben·
Aber er hatte einen in bequemen
Sessel oerogiblt. Eine Viertelstunde
später schlief er seft und traumloå
Zweites Kapitel
Hollfelder fuhr empor und starrte
schlastrunten und verwirrt um sich«
Das eleltrische Licht brannte noch. dies
Cigarrette. die er brennend neben sichs
auf den Tisch gelegt hatte, war zn
einern Häuschen Asche geworden nnd
hatte eine dunlelbronne Stelle in die
Tischplatte gebrannt, das Feuer irn
Kamln war erloschen. Ueber zwei
Dinge wurde er sich sofort klar: er
stens. daß er iror J und zweiten-,
daß er sich fürchtete.
j Er war sonst nicht furchtsam. Wie
jeder Mensch, war auch er in seinem
« Leben oftmals in schwierige und ge
’ söhrliche Lagen gekommen. aber er er
innerte sich nicht, sich je gefürchtet zu
haben. Jetzt aber gestand er sich, daß
ihn in diesen ersten Minuten nach dem
Erwachen eine räthselhaste Furcht er
siilIte. Er starrte aus die geöffnete
Thiir mit einein seltsamen, unerklär
lichen Gefühl der Erwartung von ir
aend etwas Schrecklichem .Er glaub
te auch wahrzunehmen daß die Flur
tdiir sich bewegte -- natürlich nur ei
ne tsinbildunq seiner überreiiten Ner
ven. Cir fühlte an sein Stirn. Sie
war brennend heiß.
Was war das mit ihm! Heftig
sprana er empor. Es war still« tod
tenstill um ihn ber, kein Laut oben
oder unten. Er suchte sich zu erin
nern, iras iIn eigentlich aufgeweckt
hatte « vereben6. Er wußte nur
bestimmt, da es irgend etwas gewe:
sen war. Er lauschte hinaus· Aber
nichts war zu hören. und wie er aus
die ostene Thitr starrte, erinnerte er
sitt-— erst. daß er selbst sie ja ossen ge
lassen hatte, um nie Heimiekrr Mar
tens’ abzuwarten. Mit einem leisen
Lachen, das seine Furcht verspotten
icllte, aber nicht all u natürlich aus
siel, schenlte er sich ein Glas Wein ein
und leerte es aus einen Zug.
«Rerven —- nichts als Nerven!'
murmelte er. »Ich bin ein Narr ae
wesen. mich hier hinzusehen«
Er schauderte zusammen »Diese
verwünschte Milte!' dachte er und
ging zum Kamim um zweatos in der
Asche herumzustochern Ihn fror wirt
iich so, daß seine Zähne auseinander
schlugen. Ein Blick aus die tlbr zeigte
ihm, baß es siins Minuten vor drei
war. Beinabe drei Stunden hatte er
Hier also gesessen.
Plöhlich guckte er zusammen. Was
wars das iiir ein Geräusch? -— Er
lauschte. Dann lachte er wieder. War
er denn aani verrückt? Es reanete
draußen, weiter nichts
heftig stieß er das Fenster aus.
Der parte Duft des Parsiirn5, der noch
innner im Zimmer war, war ihm jeßt
lästig, Es reqnete ziemlich stark. und
ei war so finster draußen wie in einer
mondlvsen Winternacht Nur wie
matte Piinttchen ohne Leuchttrast sah
er unten die Glaslaternen
Tiesausathmend wandte er sich ins
Zimmer zurück. Ei wurde Zeit, daß
er su Bett ging. Seine schlechte Stim
; mutig schrieb sich wohl nur den Fol
l gen des zu ausgiebiaen Trinkeni am
Abend zu. Er mußte wirklich solider
werden. Ausschweisend lebte er ja
nicht. aber gerade in der letten Zeit
hatte er etwas viel gebuinmeli.
Gedankenlos amg er hierhin und
Dahin und lauschte dabei fortwährend
hinaus. War Ulartene heim-geleer
hatte er die Unbekannte oben gesun:
ben? Zu dumm« baß er eingeschla-»
sen war! Wenn Matten-z aerade beutej
betrauten war —--- es war zehen gegenJ
ein«- zu wetten, daß er es war ——- und?
er batte sie oben in seinem Zimmer
gesunden, so rote er selbst sie hier ges«
sunden hatte! Er stampfte unwilllur
lich mit dem Fuß auf.
Er subr zusammen. Ueber ibrn wur
de eine Thür geschlossen ——-- leise und
behutsam. aber in der nächtlichen
Stille vernaan er das Geräusch doch.
Er lauschte angestrengt Da war es
ihm, als oernabrne et einen aedärnpss
ten, halb unterdrückte-r Ausruf des
Schreckens. Rasch trat er an die Woh
nungötbiir.
heiß strömte ihm das Blut zu her
zen. Aus der Treppe vernahm er das
leise Rauschen seidener Frauentleider.
Sie san-. herab. Und dann stand sie
ihm gegenüber.
Da- Licht aus dein Urbeitszirmnee
siel aus ihr bleiches Gesicht, aus die
schlank Gestalt, die zitterte und bebte.
Jhee ugen waren weit geöffnet, vol
ler Angst und voller Entseiern Sie
versuchte zu sprechen, vermochte es
aber nicht« halb als-mächtig stüste sie
sich aus das TreppengelänlIeL .
Evas ist W asska Dem
llselder trat aus sie In und ergri
F- hand »Nun-ten Sie bereist
lite, kommen Sie heteinl Sagen
Sie mie,-eoaa«ich silr Sie than kanns«
Er zog sie durch die offene Thiir ins
Zimmer. Sie war willenlos wie ein
Kind. Er drückte sie sanft in einen
Sessel und neigte sich iiher sie.
.Nun sagen Sie mir, was ich iiir
Sie thun kann. Vertrauen Sie mir.
Darf ich Ihnen ein Glas Wein ge
ben?'
Sie sah ihn iortaeietzt an mit einem
Mich den er nicht verstand, der ihn
aber seltsam ergriff. Zu antworten
vermochte sie nicht. Vorhin war sie
eine vornehme und seibitsichere junge
Dame .1eweien, ietzt war sie das hilf
ioie, ichwahe Weit-, das sich gefügig
dem siiirteren Willen des Mannes un
terordnet. Er empfand dar-. und er
sprach mit ihr wie mit einem Kinde
.Irinten Sie ein Glas Wein!«
sagte er zuredend und füllte ein Glas
mit dem ieurigen Trank. »So H
und seien Eie ruhig. sie tat-in Ihnen
nichts aeichehen hier. Jst Ihnen bei
ier jetzt?«
Sie nickte. »Ja. ja«, iliiiterte sie.
«Bitte —— tiimrnern Sie sich nicht um
mich. Geben Sie hinaus.
»hinoni? Zu Mariens-? — hat
er —-«
«Nein. nein fragen Sie nichts!
Geben Sie hinaufs«
»Und was wollen Sie thun?'
Sie stand mühsam qui. »Ich gehe«,
iiiiiterte sie. ,.Bitte — Tassen Sie mich
gehen. Ich iiihie mich schon wieder
ganz wohl. Aber, bitte, arhen Sie
hinauft«
Beharriich wiederholte sie diese
Bitte immer wieder. Er begriff sie
nicht. aber er begriff doch, daß er sie
·n ihrem Zustand nicht allein gehen
lasien durfte.
»Wenn eg Sie ber:rdiat, will ich"
perspeecksem hinaufzugehen«, erwider
te er. »Und ich will Sie auch nicht
hier zurückhalten Aber Sie müssen
mir erlauben, Sie hinunter-zubringen
und eine Troichte zu beioraen.«
Zie erhob keinen Widerspruch da
aeaen. Auf seinen Arm gestützt, ließ
sie sich von ihm die Treppe hinunter
iiihrsn Als sie dann aber aus der
Straße standen, als die tiihle Nacht
iust sie umsina, gelang es ihr, sich aus
turaisen
»Ich danke Jehnen«, iaate sie. »Auch
dafür, daß Sie nichts mehr aesraat
haben. Und nun, bitte, kümmern Sie
sich nicht weiter uru mich. Sie sehen,
daß ich aanz aut im Stande bin, allein
bis zum nächsten Droschtenplah zu
aehen. Vergessen Zie nicht, was Sie
versprochen habe-it«
Sie ioa ihren Arm aus- dem iet
nen und aing die Straße hinunter
Er stand regungslos und sah ihr
nach, ohne an etwas anderes zu den
len als daran, daß sie schön war. Erst
als eine Straßenbieauna sie seinen
Blicken entzog, tam er zu sieh. Ver
wirrt strich er sich das reaennasse
haar aus der Stirn und aing nach
iekundenlanaem Zögern in das baue
"zurii(t, in feine Wohnung hinaus.
hier erinnerte er sich dee Verspre
chens, an das sie ihn so eindringlich
armahnt hatte. Was tollte er nur d!
oben ——— hei dem Manne, der ihm noch:
vor ein paar Stunden gleichgültig-J
vielleicht verächtlich geweien mar, und·
den er ietzt beinahe hinte? Aber er
hatte ei versprochen, und es reizte ihn
zudem, die Ursache ihrer leitsamenj
Bitte zu ergründen
Er zündete ein Licht an und itieg
die Stufen zum oberen Stoacoert hin
aus, voll Unruhe und in gespannter
Erwartung reisen. was kommen sollte.
Ali er den Treppenabsa erreicht
hatte, sah er oben« auf dem odeti vor
Martenk Wohnungsthiiy einen Men
schen lang ausaesireat aut dein Hoden
li en. In dem hellsardigen Ueber
zie r erkannte er Marterto, der stets
gearnhast elegant gekleidet aing. Er
glaubte, einen set-unteren vor
zu hohen, der da kutamrnenaesunten
war, und ein Gesilh des Clet- erfüll
te ihn. Ube- als er ein paar Stu
sen höher war. prallte er entsest u
ritek, und der Veräng Ustockte i
für die Dauer net themsu es.
Denn ieit sah er, da der Kopf s
Mannes da oben in net dunklen
Blutlache ruhte. die sich von Sekuan
zu Selnnde ausbreitete
Ein Schwindel erfaßte ihn, e! fiihls
te sich in Versuchung, um hilfe zu
rufen. Aber er wurde der Schwäche
Herr. Mit einiaen raschen Säsen
ftand er oben, setzte das Licht auf die
Stufen und lniete neben Mariens nie:
det.
tfr wußte sofort, daß er neben ei
nem Ermordeten tniete.
Mariens laa mit dem Gesicht auf
dein Boden. Sein Hinterbanpt aber
war nur eins einzige, gräßlichh weit
klaffende Wunde, aus der das- Blut
fortwährend siclerte. Es mußte ein
furchtbares Instrument gewefen fein,
mit dem diefer Schlag geführt wor
den war. Hollfelder war halb irr vor
Grauen und Gntfetzenz was er that.
aefchab mechanilch und gedankenlos
tkin sicheres Gefühl faate iden, daf:
der Mann todt war, tro dem suchte
er auf alle mögliche Wei e feftqnftel
len, ob noch Leben in ihm fei. Dann
hockte er wohl fünf Minuten lang re
gungslos neben der Leiche, fturnpf vor
sich binftarrend Er war ganz von
decn entfeslichen Gedanten erfüllt. ei:
nen Ermordeten neben sich zu haben,
und doch dachte er feltianierweife auch
an taufend andere. unwichtige und ne
sbenfächliche Dinge. Es fiel ihm ein.
daß die Fremde Dandfchuhe von der
gleichen Farbe aetraaen hatte. wie
Mariens Ueber-lieber fie zeigte. Er
suchte fich zu erinnern, ob fie fastvar
zes oder blondee Haar aebabt hatte.
und entfann sich. daß itrre Augen sehr
dunkel aetoefen waren. Und dabei
tonnte er sich noch verwundern da
tiiber, daß er an Co etwas denlen
tonnte.
Da liess ihn irqeno ein Geräusch im
hause erschrocken znianiniensabren
Er erinnerte sich, daß es siir ihn an
deres zu thun anb, als hier untbiitig
zu sitzen· Das Licht lies; er neben
der Leiche sieben. Mit nnsicheren,
schwersiiliigen Schritten ann- er vie
Treppe hinunter und iiber ber- Hof
in das GartenbauS, um den Daneber
walter zu weiten. «
Der Mann verlor bei der Echte
denstunde, die ikrm Hollseider brach
te. glücklicherweise nicht den Kons. Er
aina sosort mit an den Thau-et
,,Die Polizei snuß sofort benachrich
tiat werden«. meinte ner Mann dann,
uuni) ein Arzt muß geholt werben,
wenn er auch nicht-.- mehr belsen rann.
Der arme Herr ist ja sicher todt."
»Ja, er ist wohl schon todt«. erwi
derte Hollselder geistesabwesend. Dann
J aber ermannte er sich. »Ich werde zur
HPolizei und zum Arzt telepboniren«,
Esagte er. »Bieiben Sie nur hier siir
sden Fall, daß irgend jemand kommen
sallte.«
» Er aina in seine Wohnung hinan-—
Jter nnd teiepbonirte zur nächsten Po
»li·zeiwache. In kurzen Worten theilte
.er dem wachthabenben Beamten mit,
’was geschehen war; o n ries er tete
» pbonisch einen in der äbe wohnenden
FArzt an, der ibm sosortiges Kommen
» zusichertr. Als das geschehen war, sey
te er sichxerschiipst nieder, mn das Er
i scheinen der Polizeibeamten abzuwar
k ten.
s uevek den Mord und des- ist-ih
maszlichen Tbäter zerbrach er sich nicht
lden Kons. Er vermochte sich nicht
vorzulügen, baß er siir Mariens mehr
als ein allgemein menschliches Mit
leid empfand. Viel mehr als an den
Ermordeten dachte er an die rstbsel
baste Unbetannte. hatte sie« etwas
mit dem Verbrechen zu schaffen? Er
vermochte es nicht zu glauben. Sie
mit te in der Wohnung gewesen sein,
wä rend bat Verbrechen vernbi wur
de; aber ste batte vielleicht ebensowenig
etwas davon bemerkt, wie er, ber sa
doch alle Thüren ossen gehabt tie.
Er erinnerte sich, in welchem Zu and
sie kewesen war, als sie zu iben herun
ter am. Entsesn veränsstigt, balb
wahnsinnig vor Ausregting, aber wie
eine Schuldi e war sie ni t gewesen.
Oritbleris , versunken n quälen
be Gebanien und Zweifel saß er, bis
er die Veamten tonnnen hörte. Dann
ging er Urian-. Gortsesuna solIU