Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 21, 1909, Zweiter Theil, Image 16

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    Durch-Fasten
Wie von A. Shipman.
Web Johnson, ein träftiger
San- spn vierzig Jahren, war Kapi
tän des Viermasters »Sunner;1un«, ei
Ii Schiffes, das, von der bedeutend
sten Dil Comoany qecharteri. zwischen
dein Kein der guten Hoffnung und
Weib-time den Handel vermittelte.
Johnson wnr von einer einjährigen
Sees-et nach London zurückgekehrt
ein-d hatte soeben den ihm gebührenden
Ernchilohk von beinahe einem thre
sini setrage von sechshundert Pfund
Sterling in haarem Gelde eintassirt.
In einer kleinen Hand-Wehe die er
eigenö zu diesem Zwecke getauft hatte,
lag die Summe wohlverwahrt, und
dazu seine wenigen quseligteiten die
er sieh da und dort aus der anderen
Seite des Globus beigelegt satte. Tlll
dies wollte er noch Southnmpton mil
nehmen. wo ihn Frau und Kinder er
warteten.
Er seibst weilte seiten unter ihnen
Er hörte zu den Männern. die hart
ar und ein Nackerlehen führen,
um ihrer Familie eine angenehme Exi
stenz zu bieten.
Mit der Tasche in der Hand begab
er sich aus dem Bureau der Handelsge
fellsehast ins Hoteh dessen Gäste zu
nreist aus Seeleuten bestanden. Am
näh-sen Morgen um neun Uhr zwan
zig Minuten gedachte er die heimreise
einzutreten.
Gewöhni. Waffen bei sich zu frohen,
hatte er sieh fiie dasFesiland mit einer
nutonratischen Pistole versehen. Di
schob er, ehe er schlafen ging, unter
sein sonstigen
Das Wetter war warm. and er lieg
das Fenster offen. Der Hof lag zwöl
Faß tief unter der Fenstrrbriisiung.
Nicht aus Furcht. sondern auiVorsicht
legte Johnson seine Kopfbiirfie in deri
Weise auf das halb hinaufgeschobene
Schiebsenster, daß sie bei einem etwai
gen Stoß auf den Fußboden fallen
mußte. Dieses Geräusch, meinte er.
würde ihn wecken.
Dann schloß er die Zimmermur av
und besestigte eine Zeitung an der
Thiirschnalle, so daß sie bei einer Be
wegung der Schnalle zu Boden falle. j
Solche lleine Vorsichtsinaszreieln
schienen ihm nur vernünftig in Anbe
tracht seines Aufenthalts in einem
fremden Hetel und des bekeutenden
Betrages, den er bei sich führte.
Nicht, als ob er Jemanden einer
bösen Absicht verdächtiqt Hätte Sein
Maat. ein sechzig-jähriger Mann, war
streng redlich. soweit er dies im Ver
kehr mit ihm aus den gemeinsamen
Reisen hatte beurtheilen können. Er
and mit ihm aus vertrautem Fuße,
der Kapitän eines Handelsschii
fes darf nur mit seinem ersten Ossizier
an einem Tische essen. Jnsbesvndere
während der letztenSeesabrt hatten sie
sich enaet besteundet und darum wußte
der Ofsizier von den Einnahmen, die
die iiinaste Fahrt aebracht hatte.
Von dem Schiissvoll war es nur
ein Mann, der Ursache zu Borsichtss
maßregeln anb. Er war ein finstern
Geselle mit Raubthieraugem von den
westlichen Inseln her. Von seiner
wilden Grausamkeit wußten seine Ka
nte-des manche Episode in erzählen
Sie Henkelten sogar. daß er in
sei-et deimatls dein Galgen entwich
und seiner Sicherheit weaen unter ver
schiedenen Namen aus See ging.
Das interessirte jedoch den Kapitän
nich-t. Sein zeitraubender Beruf ne:
stattete ihm nicht, sich um die Verhält
nisse oder die Vergangenheit seiner
Mantiss-hast zu kümmern. Ihm ge
niigte, wenn der Mann im Dienst ge
schickt nnd aehorsam war. Um seine
Moral oder seinen früheren Lebens
wandel scheerte er sich nicht. Aber ein
Mr Momente aus der Heimreise ga
km dem Kavitän zu denken.
Etliche Male hatte der Mant, wenn
m den »Frachtgeldern« dieRede war
auch den sinsteren Gesellen in Vetnchii
sei-gen. Das hatte nichts Aussälliges
an sich, war aber bedenklich. Der
Mann wußte, daß der Kapitän die
Summe eintassirt hatte. und warTaasL
siehet sammt der übrigen Mannschasi
entlassen worden, weil das Schiff be
jssl Repaeatur und Ausnahme von
tötet Ladung in seinen Schlipp gezo
gen wurde.
Das Gesicht des Matrosen standr
deutlich in der Erinnert-m des Kapi
iZnS, während er sich entileirete, um
sich zum erstenmal seit Monaten in ei-»
seit zu legen, das nicht fchaaieltr. Er
hatte das Gas einqezogem bis es als
kleines blaues Flämmchen brinnte
Sei-Zimpr fo daß er die Umrisse des
zum Theil oifenen Fensters leben
konnte, doch licht arnua, um die Ge
genstände im Zimmer zn unterscheiden
Um zwei Uhr Morgens erwachte er
mit dem Gefühl einer nahen Gefahr.
Ei war wie eine instinltjve Mahnung.
die bei Personen vorkommt, die aug
qefeft sind, bei jeder Begebenheit ge
rufen zu werden und sich dabei zu be
willigen ·
Ein Mairofe oder vielmehr ein Ka
pitiis ist allezeit bereit, auf seinen Po
sten gerufen zu werden« Einen Au
Hblick horchte Johnion verschlaer
auf und glaubte sogar die Stimme
leisebMaaii zu hören, der ibn wegen
Mk Gefahr auf See um Instruktio
m anrief. ,
Die Stimme blieb aus. Aber die
« it war Io mächtig, daß ers
W tosend- erwachtr. Die Stille!
; III-r ils-m und-dsgle Und Most er-»
« - - er war, und daßj
«- - I sie« Fiel-m Ko lissen la
i wes-am- gest
Jett Fai- er ganz munter und bei tlas
ren Sinnen.
Rochmals blickte er zur Thiir. Ihm
war. ais bewegte sich die Schnalle
langsam. vorsichtig. Da hatte er auch
fchon die Piftvle unter dem Kissen
berorgeholt, den Hahn gespannt. be
reit zu schießen, fobald er den Drücker
fand.
Die Waffe war scharf geladen und
enthielt zehn Patronen. Sie verlieh
ihm ein Uebergewicht iiber den etwai:
gen Angreifer. Wer eintrat, war des
Todes, wenn er mit der ihm eigenen
Sicherheit feuerte.
Er war kein nervenfchwacherMann.
und seine Sand blieb feft und ruhig
wie aus Holz gefchnitzt Ein Sechs
penceftiirl hätte er quer durch Zimmer
treffen können, ohne erft angestrengt
zu zielen. Die Kugel vermochte durch
zwei, drei Menfrhen zu fahren und
das Pulver war rauchlos. Er würde
die Situation überfehen und irn
Rothfall nochmals schießen.
Der Empfang, den er dein Ein
dringling bereitete, nöthigte ihm faft
ein Lächeln ab. halt. die Schnalle be
wegte fich, als tviire Jemand im Be
griffe. die Thiir zu öffnen. Johava
hab die Waffe ungefähr zur Kopfhöhe
des etwaigen Einbrechers. Aber die
Thür blieb verschlossen Nichts ge
schah. , » ·
Jm Nu war er aus dem Bett, beim "
Eingang, drehte den Schlüssel im
Schloß um und riß die Thiir auf.
Dabei hielt er die Waffe erhoben.
Nichts als schwarze Nacht draußen.
Nicht einmal das Geräusch eines zu
rücktretenden Fußes war oernehmdar.
Er sprang hinaus und spähte ange
strengt durch die Finsternis nach einer
Gestalt, während es ihm kalt über den
Rücken kroch und die Kehle bedrückte.
Seltsam! Er trat ins Zimmer zu
rück. Fürchtete er sich? Er, der im
verflossenen Jahre täglich der Gefahr
ins Anllis gesehen hatte? Nein, er
fürchtete sich nicht, dessen war er sicher.
Seine Pulse schlugen normal. Nicht
einmal der jähe Sprung aus dem
Bette hatte ihn erregt.
Aber er war nicht Halluzinationen
unterworfen. Phantastifche Vorstel
lungen hatten ihn niemals heimge
sucht. Jede seiner Handlungen war
ibis nun von der Vernunft eingeste
»ben. Gegen Windmühlen kämpfen,
war nie feine Sache.
J Aufs Bett warf er die Pistole, legte
;stch nieder, doch so, daß er das halb
;erndorgeschobene Fenster im Auge be
ihalten konnte. und zog die Bettdecke
bis zum Hals. Er dachte noch eine
Weile über feine sonderbare Lage und
fah nach, ob sein Geld unter sein-n
Kissen lag, dann verwirrten sich seine
Gedanken, und er schlief ein.
Mehrere Male fuhr er aus dem
Schlaf auf und sah nach dem Fenster
und in das Dunkel hinaus, das aber
nicht so tief schwarz war. als daß
man die gegenüberliegenden Häuser
nicht hätte unterscheiden lönnen.
Plöhlich schien die Oeffnung im
Fenster kleiner geworden. Das wun
derte ihn, und er blickte aufmerksamer
fhin. Ein Gegenstand tauchte im lin
len Winkel auf, weitete sich und nahm
die Form eines Kopfes an. Der Ron
hob sich, bis ein Paar feurige Augen
über der Brüstung funkelten, dann
hielt er still.
Johnfon war fest ganz wach. zor-: —
nig wurde er. Er war fchläfrig, und
»die Zwischenfälle in der letzten halben
Stunde kamen ihm in die Quere. Er
faßte den Griff der Pistole, fpannte
den Hahn und wollte eben gegen das
Augenpaar losdriicken——da verschwand
der Kopf.
Das geschah lautlos und wirtte ge:
fpenftifch auf feine Nerven. Ein hei
ferer Fluch, ein Schuß, ein wilder
Kampf waren Johnfonz Sache. Da
ran war er gewöhnt. Viele heiße
Kämpfe hatte er gefehen und an man
chen theilgenommen, wenn die Noth es
erforderte, aber diefe unheimliche
Stille ging ihm gegen den Strich.
Sie ärgerte ihn· Um fo mehr war er
entfchloffen, es mit dein Einfchleicher
aufzunehmen.
Die Hand, die die Piftole hielt, glitt
langsam hinunter und blieb unter der
Bettdecke liegen. Jin gegebenen Augen
blick wollte er sie hervorziehen, in die
entsprechende Höhe heben und nöthi
genfalls feuern.
Er fei ein Narr, fagte er fich dann
Er brauchte doch blos auf den elektri
fchen Knon an der Wand zu drücken,
um Leute zu rufen und das haus zu
alarmiren. Er befand fich in einem
hotel und zweifellos wachte irgend
Jemand im hausflur unten.
Dieser Gedanke wurde, kaum aufge
stiegen, auch fchon verworfen. Joha
fon war gewöhnt, fich felhft zu helfen,
ohne fremde hilft Uebrigens konnte
er sich leicht lächerlich machen, wenn er
das hau- auf die Beine stellte — viel
leicht ohne allen Grund. Jiir einen
furchtsamen, feigen Menfchen wiirde
man ihn halten, der fich ängstige, inl
einer großen Stadt wie London allein
zu schlafen
Rein, lieber warten. Vielleicht blieb
der Kerl verfchwunden
Eis paar Minuten später erhob sich
siedet etwas am sanfte-. Das Lam
MIM sei-dies die Wim- schwatzt-!
stauen eines ate- Mannes,
und als das » hole, er
mit-visit- its-m
T "t THE-akk- ««·
J
Schnurrdart des wilden Gesellen· den
sein erster Offizier ein gefsdtsiches
Subjekt genannt hatte.
Die fefi auf ihn gerichteten wikden
Tigenaugen unter den dunklen, langen
Brauen bekehrten ihn, daß mit des
Individuum nicht zu spaßen war.
Wenn etwas geschehen sollte. to
mußte ei mit einer Schnelligkeit und
Energie geschehen. die der Witdheit
dieses Kerls gleichkom. Da gab es
kein Schwanken und kein Bedenken.
Bei einem Manne solcherart bedeutete
ein Zögern den sichern Tod feines
Opfers.
Und dennoch zögerte Johnson, zu
schießen. Es ging idm durch den Kopf,
daß der plödliche. gewaltsame Tod des
Mannes eine Untersuchung mit sich
brächte, nnd diese unangenehmeFolgen
für idn hätte. Sein Lebenswandel
würde grell beleuchtet. jede feiner
Handlungen zergtiedert werden. Man
würde nichts übersehen. Bis ins
kleinste Tetil würde man seine Ver
gangenheit vor den Augen der neugie
rkgen und Ernst-often Welt entdiillem
Da fiel Linn ein, daß der Getelle sich
der Disziplin unterwarf Und nie gegen
die sofortige Erfällunq eines Befehles
verstieß. Das Gehorchen war ihm fo
zufogen isur zweiten Natur Sen-orden
Bei solchen Individuen konnte ein
olöplich erfolgter Befehl feineWirtnng
nicht verfehlen Im Augenblick da der
Mann Anftalten traf. ins Zimmer zu
treten, wiiede er ihn im Kommandoton
dinaueweifen. Sonst war es zu spöt.
Denn war die Fenfterbriiftuna über
schritten, fo mußte er Feuer geden.
Innerhalb einiger Seinnden hatte er
sich zu entscheiden. In feinem Kopfe
überstiirzten sich daker die Gedanken
und Entlchliissr.
Der Mann aina waabalfia einem
iafi sicheren Tode entgegen. dachte
Jodnfon, und ieinZorn legte sich. Ihm
nöthiate Matt-, in welcher Gestalt er
lich auch zeigte, Bewunderung ab
Eine volle Minute funielten ihn die
Augen regungslos an. Dann streckte
iich der Kon behutsam durch das of
iene Fenster, und der Blick fiel auf die
Bürfte. Ein langer Arm langte nach
idr, uno eine breite Hand hob sie. de
ren Fall dem Kapitiin als Warnung
sigrcal hätte dienen sollen, vom Plain
Das aelckeah in tiefster Stille. Den
nosio blickte Der Mann wieder auf fein
Opfer im Bette. um tu sehen, ob es
schlief. Dznn lkob er sich mit einer er
staunlich-en Betendiaieit geräufchlos
bis zum Gürtel in die höhe.
Johnfon datte sich indessen ent
fchloeffn. dem Mann ein paar Schil
lina in Anerlennuna feiner Gefchicks
lichteit anzubieten und idn dann hin
auszutommandiren Vielleicht befand
sich der Mann in einer oerztoeifelten
Lage und brauchte nothwendig Geld.
Er —- der Kapitiin —- tvar nicht selbst
fiichtia und aönnte einem tapferen
Bart-den der fein Leben in die Schan
ze schlug, ein paar Schilling. Fur
zwei, drei Pfund wiirde der Mntrofe
sicherlich aern das Feld räumen. So
gar fiinwfnnd fand de! Kapitiin nicht
zu theuer, wenn er bedachte, wie viel
Zeit eine Unterfuchungund ein Pro
zeß verschlingen würden.
Plötzlich wurden alle Lebensaeifter
des Kapitiins anfgeftachelt. Bitterer
Undant traf inn. Der Undant eines
Menfchem der ihn feindlich angrtff,
während er ihm friedlich begegnen
wollte.
Als der Mztrofe fich mit offenem
Rock zur Fensteröffnuna emporzog, fah
Jobnfon einen Stahl blinken. Und in
den Raubthieraugen lag eine kalte, un
erbittliche. erbarmungslofe Graun-rn
teit. Sie sprachen von Mord, ohne
Rücksicht Die Pulse des Kapitäns
ginnen schnellen
Er sammelte sich, um denAngrits tu
variren. Als der Bursche leichtsiiszia
ins Zimmer surana, bitte er die Pi
stole schwingend aus ihn angelegt
Aber der Angreiier war schneller
als Jokmson Während er mit der
Rechten nach der Waffe an seiner
Brust ariss, hatte er, wie ein Mich-en
der Schatten das Gasticht erreickt, mit
der Linien den Dahn umaedredt.
Im Nu herrschte totale Finsterniß,
unterbrochen von einer zuckendenFlaw
me aus Johnsons Pistole. Der Schuß
klang wie Donner in dem enaenRaurn
Ihm folgte ein anderer in der Nähe
des Gasarmeö.
Johnion spürte ein-n schweren
Schlag qegen die Wange. Vom Bett
sprang er aus und seuerte einen Schuß
nach dem anderen ab gegen die Stelle
din, wo der Einbrecher dieFlamrne ab
gedreht hatte.
Ein plötzliches Geräusch am Kaps
ende des Bettes fesselte seine Anker-ert
sarnteit, und er stürzte daraus zu. Es
schien, als flöge etwas durch das
Zimmer. Für einen Bruchtheil einer
Sekunde bemerkte er, daß die Dess
nuna im Fenster sich verdunkeln
Er schoß auf den Schatten, schoß
wieder und wieder. Die Schüsse meet
ten ein Echo in der Stille der Nacht.
Die Pistole streckte. Sie war leer.
Johnsvn stürzt mit einem Sa zum
Fenster und haschte nach den- egen
stande, der über die Iensterbriistung
sank. Er saßte einen Rost und hielt
ihn seit tvie mit eisernen Mein-neun
Deus-end athernM, lauernd. beugte
er sich vor über die Gestalt, die re
gungslos hinunterhina. Schreie ell
ten durch das hauc. In den Fen ern
drtkben gut-ten Lichter aus. Fu tritte
hast-en utch den Sack« Des ade
Schlägesielengeqeu UT r,fse
sprengten ste, und eine Muth von Liät
BRUNO-tm L- vtsuste ein
er m
MVWJMIMM .
san- W die sa- »Is
L
an. während ein Ehor von Stimmen
hundert Fugen stritte. Ein kräftiger
hin-sche, der erste im Gedränge, eilte
dem Kapitiin zur Heite. ihm sol ten
andere. und mit vereinten Kästen
wurde der niederhöngende Leichnam
eines Mannes ins Zimmer gezogen.
Johnson trat, erschüttert von dem
Anblick, zurück und sagte nichts. Sein
Blick schweiste zum Kopfende seines
Bettes, wo er seine Geldtasche ver
wahrt hatte. In wachsendem Schrecken
weiteten sich sein-e Angen, als er aus
den leeren Plns sah. Das Zimmer
drehte sich um ihn. Er erschauerte.
»Mein Gott. es ist sort!« stieß er
endlich hervor-, tanmelte auf die Stellr
zu und fiel schwer nnd besinnungtlos
zu Boden.
Erst am späten Nachmittag des sol
aenden Tages fand er die Krast, nach
der Todtentammer zu gehen, um die
Jdentitöt des Todten festzustellen.
»Ich weiß, es wird der wildeGeselle
sein«, sagte er zu dem ihn begleitenden
stizier. «D-ichte, lange Brauen und
Augen wie die eines Tiaers. War ich
nicht mit ihm ein halbes Jahr aus
demselben Schiffes«
Damit betraten sie die Kammer.
Johnson blieb verblüfft vor dem aus
eine r Marmorplatte ausgestreckten
Leichnam stehen.
Es war die hohe schlanke Gestalt
eines Mannes von rnelsr als sechzig
Jahren. Das glatt rasirte Gesicht
trug einen friedlichen Ausdruck. Die
Augen waren geschlossen, aber ihre
Winkel waren von Nuß beschmuht Er
zog sich von den start geschwärzten
Brauen hinunter.
Eine lange Weile starrte der Kapi
tän auf den Todten. Dann Ariihrte
der Offizier leicht seinen Arm.
.Erlennen Sie ihn-F fragte er
«Jawol)l," erwiderte fest der Kapi
tän. »Das ift der Leichnam Mr. Wil
liarn Jackson3, des ersien Offiriers
des Schiffes «Sunnerdun«. Offen
bar war er nicht allein bei der Af
faire. Er war ein guter Kamerad
und hat sicherlich das Geld durchs
Fenster dem Manne zugeworfen. der
draußen darauf wartete.«
Ver neue Doktor-.
Eine luftige Geschichte von Paul
B l i ß.
Feldberg, ein ruhige-L kleines-Wand
städtchen in der Mart, war eines Ia »
ges in regelrechtem Ausruhr. Jn das
beschauliche Dasein der biederen Leut
chen fiel plöglich die Bombe einer
Neuigleit, die nahezu geeignet war, die
Ruhe sämmtlicher Einwohner zu stö
ren: ein neuer Arzt beabsichtigte« sich
im Städtchen niederzukassen.
» Seit Menschengedenten war etwas
sderartiges nicht vorgekommen. Wozu
iauch so etwas? Alle Welt schlug die
ihönde zusammen. Ein Arzt war voll
Istiindig genug gewesen« und gottlob
igab es wenig Krante im Ort. Wozu
nun also noch einen zweiten? Man
stritt sich herum, was daraus werden
sollte, und manches böse Wort über
den «neuen Dottor« wurde laut —
noch dazu tam er aus Berlin, und
man hatte ein geheimes Mißtrauen
gegen alles, was aus der Hauptstadt
sam.
Plößlich aber änderte sich die Si
tuation.
Irgend jemand hatte der Frau
Postmeisterin im geheimen anvertraut«
daß der neue Doktor ein bildbiibscher
underbeiratheter Mann sei, dasz er
ein immenses Vermögen besiisze, bei
der Garde gedient habe und in dem
Ruse stände, ein kleiner Schwerenöther
zu sein.
Das stimmte die gute Postmeisterin
nachdenklich. Sie hatte eine heiraths
fähige Tochter und deshalb beschloß
sie, von nun an siir den neuen Arzt
Stimmung zu machen.
Es geschah auch und zwar so nach
driicklich, dasz bereits in wenigen Ta
gen alle Welt von dem neuen An
tömmling nur in Tönen des höchsten
Lobes sprach; es gab eben noch meh
rere heirathssäbige Töchter mit hass
nungsreichen Müttern in dem Städt
chen; ganz im geheimen aber flüster
ten sich die guten Leutchen zu: »Das-en
Sie denn schon gehört. Es soll ja ein
arger Schwerenöther sein!« Ein Kons
nttlen dazu, dann ein Lächeln und
Augenzwinlerm und dann trug man
diese interessante Neuigtett weiter. bis
daß jeder im Orte wußte, was siir
ein ausgezeichneter Lebemann und
Schwereeiöther der junge Arzt sei.
Endlich war der heißersehnte Tag
da, an dem der Neuling seinen Ein
zug hielt. Man steette die Köpse zu
sammen, sprach dies und das — der
eine war enttiluscht, der andere be
geistert, interessirt aber waren sie alle.
Doktor Iris Schwallach war mit
einein Schlage der Löwe des Tage-.
Als er dies wahrnahni, mußte er
heimlich lächeln, er that aber nichts
dagegen, sondern spielte den harmlo
sen Menschen, der von alledem nichts
sah und hörte. Er machte seine Ve
suche bei den honorattonen und maß
den Leuten des Städtchens,
wurde von allen Seiten mit ossenen
Xenien empsangen und betarn bald sp
ptel Einladungen, das er gar nicht
sehr G Ausübung seiner hier zu er
W Pksxu Am WMU M
un. wenn er alle diese He ek
M UM III-. irr einer
tarn then ein wenig tiihl entgegen: der
alte Arzt.
.Run, lieber·herr Kollege«, sagte
der alte herr. .Sie finden ja alleror
ten essene Arme hier, da lann ej
Jhnen bei dem guten Ruf, der Ihnen
vorangegangen ist« doch nicht fehlen.
Sie werden schnell Jhr Glück hier
machen."
Fritz verstand wohl vie leite Ironie
dieser Worte, aber er hütete sich, näher
darauf einzugehen und empfahl sich
bald darauf.
Das Glück blieb dem neuen Doktor
hold. Bereits in der ersten Woche be
lam er drei Patienten und wurde
Hausarzt bei Postmeisters. Jn der
zweiten Woche stellten sich plötjlich bei
der Frau Steuersekretär die alten
Athembellemmungen wieder ein, na
türlich mußte der neue Doktor kom
men. der denn auch gar bald Abhilfe
schaffte. und nach sechs Wochen tvar
dder alte Doktor so gut wie vergessen.
denn Jedermann war darüber einig.
daß der neue Arzt neben seinem gedie
genen Können und Wissen ein wirt
lich feiner Mann war, der niemals
sich erlaubt hätte, derartige Grobhei
ten zu sagen, wie es der alte Arzt so
oft gethan hatte. Er war der Lieb
ling des Städtchens geworden. Die
Männer fanden ihn gesellschaftlich
und am Stammtisch als einen Unter
haltet ersten Mannes dem der Ruf
eines tleinen Schwereniithers mit
Recht vorangegangen war, und die
Damen sahen in ihm nicht nur
den interessanten Mann, der so viel
lchon erlebt hatte· londern auch den
beiratbsfiihigen Mann der alle gute
Qualitäten eines Mustergatten hatte;
denn bekanntlich werden die
ieniaen die besten Ghemönner, die ibre
Diuaend genossen haben «—· so lallulir
ten sie.
Der alte Arzt hatte sich zurückgew
gen, er grollte nicht, er lächelte nur, er
! tannte die Welt.
I So verging ein halbes Jahr.
E Der .neue Dottor«, wie er allgemein
! genannt wurde, tonnte zufrieden sein.
, Er hatte eine sehr gute Praxis bespin
;men und war noch immer der inter:
’ essantelte Mann in den Gesellschaften.«
Nur eines machte ihm oit ein heim-I
liebes Untehagem dafj man ihn immer(
wieder zwang. etwas aus seinem »in-l
teressanten Vorleben« zu erzählen; an:
fangs hatte ihn das ja riesig amiisirt,
und er hatte drn guten Leuten am
Stammtisch derartig tolle Geschichten
erzählt. daß man ihn nahezu mit
Ehrfurcht ansah; als man aber immer
mehr von ihm verlangte und er, um
»seinem einmal bestehenden Ruf nicht
i zu schaden« immer neue Abenteuer er
I sinnen mußte, da wurde ihm die Sache
l schließlich zu fade, und er beschloß. die
! Situation zu ändern, —- er dachte an
I eine Heirath.
Schwer fallen tonnte ihm das doch
gewiß nicht, er brauchte ja nur zuzu-»
greifen, es boten sich ihm ja allerorten
Gelegenheiten dazu. aber er wollte auchl
sicher gehen, und deshalb wählte er
" lehr sorglich. ,
Nach langem Suchen und genauenil
Erwägen fiel seine Wahl auf Fräuleins
Frieda Beckmann, der einzigen Tochter
des reichen Amtmannes Sie war ein
hübsches und tluaes Mädchen, hatte
aber, obgleich sie schon 25 Jahre zahl
te, noch teinenFreier gehabt, und zwar
deshalb nicht« weil sie in dem Rufe
stand, zu herrisch und zu rechthaberisch
zu fein. Auch der Dottor hatte dies
wohl gehört, aber es hielt ihn nicht
ab. trotzdem um das hiibsche und reiche
Mädchen anzuhalten, denn er traute
sich die straft zit. dies wilde semini
num zu zähmen; auch vertraute erset
neni guten Ruf. der ihn ja als einen
Frauenbiindiaer bekannt gemacht hatte.
Er hielt allo uni das lchiine Mäd
chen an uiid betam das Jawort von
Tochter und Vater. Zufrieden lächelnd
erzählte er die Neuigteit am Stamm
iilcb. «
Zuerst gab es natürlich im Städt
chen eine allgemeine Enttiiulchung.
denn jede Mutter hatte ihn als Freier
gerechnet, endlich aber fand man sich
mit der Thatiache ab iind tröstete lich
damit, daß er doch nur Eine heira
then konnte.
l
i
i
Nun aber war jedermann darauf
begierig, ob es dem Doktor wohl gr
linaen werde. sich das Recht im Hause
zu wahren, denn obwohl man ibn fiir
einen in jeder Beziehung erfahrenen
Mann hielt, so zweifelte man doch an
feiner Kraft und Zäbigteit, denn
Fräulein Braut galt eben als durch
aus zanttiichtia und berrtchlsedsirttig.
Aber man täuschte sich auch hierin
wieder. Die Ebe war schlechteroinas
musterhaft Anfanas batte zwar das
Frauchen versucht, ihren Willen durch
zusehen, der Doktor aber batte ihr dies
gleich zu Anfanq der jungen Ehe abge
wöhnt und zwar mit Liebe und Wis.
bis lie einlab, daß er ihr wirLli
überlegen war und sich von der Rei
ab willenlos seinen-Wünschen und Än
ordnungen fügte.
Das trug natürlich nur dazu bet,
das Ansehen und die Würde des Dot
tors in dem Städtchen zu mehren und
ibm immer neue und gute Eigenschaf
ten anzudtchtem to daß fein Eint-nn
men blühte und gute-ahnt.
Eines Tages tatn Besuch ins Haus
des Arztes und war Hinz plönlich,
unan meldet. s toar ein Jugend
treu des Doktors, etn lustiger fetchek
Mann in den betten Jahren. Als er
nach einigen Stunden feiner Ankunft
mit der jungen Frau allein war, sprach
er n thr: »Nun, lagen Sie mir mer«
s Riese-tuqu Siena-se
stellt, daß aus unserem Iris ein ls
slotter Kerl geworden illi« —
Gang erstaunt sragte Frau Friedm
»Sie sprechen von meinem Manns Ja.
der war doch nie anders! Der isi hier
eher solider geworden als das Gegen
tbeil; als er hier ankam. ging Ibm ls
bereite der Ruf eines argen Schwere
niithers voran-if
Jest lachte der Freund laut aus.
Heiß ein arger Schwerenötherli Das
ist einfach gottvolll Nie ist er das ge
wesen. gnädige Frau! Das gerade Ge
gentbeil sogar war er! Einen Trauer
lloß nannten wir ihn stets!« Sprach
loi sah die junge Frau ibn an, sie be
gann das Spiel zu durchschauen. mit
dein ihr Mann damals sich hier einge
führt hatte, aber sie war doch tlug ge
Wg. sich mit keinem Wort zu verra
then.
Als der Freund wieder abgereist
war, stellte sie ibren Mann zur Rede,
was an der ganzen Sache eigentlich
wahr lei.
Und da antwortete der gute Iris
mit einem etwas verlegenen Lächeln:
« »Ja, liebes Kind, es ist wahr. ich habe
f Euch allen hier damals eine lleinefkos
s mödie vorgespielt, aber nicht ich tatte
! sie beabsichtigt, sondern sie wurde mir
l biet geradezu ausgezwungem irgend
jein Spaßvogel muß iene erste Nach
’ eicht iiber meinVorleben hier verbreitet
baden, und als ich anlam und lah, mit
welchem Interesse man daraus wartete,
meine Abenteuer lennen zu lernen, da
gab es sitr mich kein Zurück mehr
toenn ich nicht meine Stelluna dreig« -
ben wollte: da fabelte ich eben tap er
darauf los, bis ich alle Welt von mei
ner Abenteuerei überzeugt halte. Man
» wollte ea ia io baden.«
’ Schweigend sah die junge Frau vor
« sich nieder.
j Frih aber sprach schnell weiter:
»,.Und nun, mein Schob lassen wir
das Geschehene vergessen sein und
sreuen uns, daß wir beide uns so ge
funden baben und dadurch glücklich
geworden sindl« Damit unisaßte und
liisete er sie. « » -
Die junge Frau mußte sich naturlich
fest darein finden. aber auch sie hat
das Geheimnis des Gatten treu be
wahrt. weil sie einsah, dass er doch
Recht hatte: die Welt wollte getäuscht
sein.
Eines aber hat sich von nun an doch
geändert in dem hauowesen des Dot
toeo — ietzt ließ sich die kluge ener
gische Frau nicht mehr imponiren
durch die sogenannten Ersihrungen
ihres Manne-, jeßt seyte tie, wenn es
daraus autom, ihren Willen durch,
was her gute Fritz wohl oder übel
geschehen lassen mußte.
Die Nachbarn aber, die diese Nen
derung gar bald bemerkten, sagten
dazu nur: »Da kann man doch wieder
sehen, wie selbst der tollste Mann
zahm wird, sobald er geheirathet hat.«
Sancta Simplicitas!
—-— - —-.
Gntee Ort-d.
- »Alle Welt beben-nnd du heirathen
mich lediglich meines Geldes wegen.«
»Gut-if den Unsinn doch nicht«
Schad, denn das bekommen doch nut
» meine Gläubiget!«
i Elizm »Sagtest du nicht, Sam ver
diene viel Geld mit feiner SiimmeW
—- Cloe: »so-wohl an der Opet.« —
Eliza: »An det Opet?" —- Cloe: «Ja,
ek ruft die Equipagen.«
A Gesteins-sue Quinte-.
«Aber, liebe Frau, unser Kleidung-·
lonto ist in der kurzen Zeit schon mit
zweiundvierzig Matt belassen
«Aber, lieber Mann, et sind M
gemeinsame Au aben.««
»Is, wobei-oft e! Ihr mich ist eine
Man-alte M ach sig Pfennig M«