Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, April 30, 1909, Zweiter Theil, Image 10

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    v v 7 V
Die verlorene Krone.
Roman ans dem Jahre 1866 von Henkiette v. Meer-beinah
A — — n
— —
(12. Fortsetzung)
»Jetzt gebe ich auch bald in ein fer
Ies and —- unnahbar euren Schrit
M —- und Du wirst mir wieder ei
nen Kranz aussehen und —
«Sei still Mathilde —- ich kann das
nicht mehr ertragen!« Giseta schluchzte
Leidenschaftlich auf. Rasch faßte sie
W aber wieder. »Mit-trittst Du König
dwig sehen Mathilde? Er schreibt
sit und erkundigt sich nach Dir Jch
glaube, er käme sofort, wenn Du es
Bildichestk
Mathilde blieb eine Weile stumm.
»Nein —- ich dars ihn nicht wiederse
heut« sagte sie dann ernst. »Sein
Glitt würde die ganze Sehnsucht
nach Leben und Glück in mir auf
wecken-— Wer klopft da? Laß nie
mand herein, Gisat"
Gisela schlich zur Thür. »Es ist
die Kammer-krau, mein Herz. Prin
zeß Fredrite schickt einen ganzen Korb
mit Rosen und möchte wissen, wie Du
eschlafen hast, und ob sie Dich heute
sehen kanni«
»Wie gut alle zu mir sind!«
thiide strich über die haftenden Ro:
sen, die Gisela ihr hin hielt. »Welche
Pracht —- rothe, weiße und rofa —
fo schöne Farben. Leg sie auf mein
Bett —- bitte. Ja, ich will Fredrite
sehen, wenn sie iornint — aber nicht
lange.«
»Mir wenige Minuten, Verz. Wenn
ich sie ganz abweisrn muß, denkt Prin
zeß Fredrite ich will sie abs ichtlich von
Dir fernhalten. Sie ist sehr verändert
in ihrem Benehmen gegen mich, seit
sie weiß daß tch Königsecls Braut
din —- steif und unnahbar wie gegen
eine Fremde«
«Tltut Dir das web Gifela? Dann
will ich sie bitten, anders gegen Dich
Bitten sein.b Sie schlägt mir jetzt keine
«Laßb das nur, Liebling. Beun
ruhige Dich deswegen nicht. Es war
dumm von mir, das überhaupt zu er
wähnen Vielleicht ift die Prinzefz auch
nur ein bißchen eifersiichtig, weil ich
mehr um Dich fein darf als sie.« "
Die Er herzogin lächelte nur matt
e Kräfte waren durch das Spre-?
erschöpft — sie lag ieit gW still
sann merklich athrnend da.
Gfela ging auf den Zehenfpihens
im Krankenzimmer herum. Eine
Schwester und die Kammerfrau hal- «
sen ihr, alles in Ordnung zu drin
gga Die Fenster wurden geöffnet
blaßgriinen Damastvorhiinge am
Bett tnisterten leise im Luftzuge
Gisela erschauerte. Das gründet
ljangene Bett mit den darijber ver-—
sireuten Rosen erschien ihr wie ei n mit
Rasen und Blumen bedecktes Grab.
Sie hätte sich gern vor dem Bett aus
die Kniee geworfen und ihren Jam
mer in die Kissen hineingeschluchzt,
aber sie mußte still, ganz ruhig und
gefaßt bleiben. Die Aerzte erwarte
en täglich den Tod der Erzderzogin
Die Brandwunden waren in Eiterunq
sbergegangem dadurch trat eine Blut
dergiftung ein. Die namenlosen Qua
len die diesem unvermeidlichen Aus
gang vorangingen, hatten die Kräfte
der Kranken völlig erschöpft Meist
lag sie ganz apathisch da.
Jetzt aber hörte sie das leise Spr
chen der aufräumenden Kammerfrau
und Pflegerin Was flüstert Jlirs
daf« fragte sie unruhig. Jn ihren
Augen lag ein gespannt barchender,
crgtvöhniicher Ausdruck. Sie sah ab-;
wechselnd in der Schwester gesunde-I
frisches, dann in ihrer Kammerfrau
altes, vergriimtes Gesicht. Das über
reiste Gedin der Stett-enden war
durch die innere, mühsam verborgene
Todesangst rinnatiirlich geschärft
Va- leisefte Flüstern errieth sie. -
»Nichts — nichts, Kaisexliche Ho
heit!!« beschwichtigte die Kammeriraii
»Die Schwester fragte nur etwas
ganz Gleichgültiges.«
«Beliige mich nicht, Liesei! —-— Ihr
« belügt mich ja immetJ Ein paar
große Thränen liefen über das zarte
Gesicht. »Die Zchwetter fragte ge
wiß, ob ich nicht beichten wolle?«
oen dem schmalen schneeweißen Ge
iicht drückte sich die ganze Lenz-zerrei
ßende Angst eines jungen Menschen
aus, der vom Leben scheiden foll.
«Gisela —- was muß ich denn beich
tenk Ich hab’ die Stismama ja
nicht gemacht —- iein bissel lieb bab’
ich sie gehabt, und oft hat-« ich die ver
botenen Cigarretten getaucht Sonst
weiß ich aber nicht« Die Worte
waren nur noch schwer verständlich.
«-Oder bin ich dem König Ludwig zu
seit gewesen —- iit das eine Sünde?"
»Nein, mein Liebling Jemand zu
lieben, ist nie eine Sönde«, antwor
tete ciseia ruhig« während die Kain
serstste die Schürze vors Gesicht
Aug nnd schischzen tin Stuhl zu
emnensemt Die Schwester stand dem
seu obs-sehn ht- ichwarze Gestalt
pgkf eines scha en Schatten auf die
sand. Idee wenn man jemand
Reichs-M leiden kann —- wiss-: ist viel
KEPLE- TMUUISMTMM
h—ms.dehrdie
--Otmis.--ewmsci
ter freuen, Mathilde. Er gtämt sich
so sehr.«
»Der atme- Papa — er hat mich
doch wohl ein bissel gern gehabt —
gloubsi Du das auch, Gisa?«
»Seht —- sehr liebt et Dich.«
»Gut — ich will die Stiesmama se
hen —- beut Abend vorm Eins-blasen
—- gelt?«
Eisela nicktr. Augenblicklich brach
te sie lein Wort heraus.
»Hei-l nicht« LieseL Du lriegst ja
immer solche rothe Nase davonl« Die
Erzherzcgin streckte ihrer alten Kam
metsrau die Hand hin.
Die alte Dienerin fiel vor dem Bett
auf die Kniee. »Ach. mein goldner
Engei, meine süße, süße tleine Hoheit
—- und nun —«
»Nimm eine Scheere, Liesel, und
schneid Dir eine schöne lange Locke
ab. Die datffi Du behalten· weil Du
mich immer so arg getauft hast beim
Kämmen. Fiir Gisela und Prinzeß
Fredrile auch eine. Wie Deine Hände
zittern! So bringst Du das nie fertig,
Du Dummerl!«
Gisela winkte der fassungslosen
Kammerert- zu .hinauszugel:.sen. Die
kSchwester nahm die Scheere in ihre
; händQ
l «Soll ich es thun. Koiserliche Ho
i VOLK
. Mathilde nickte. .Ja, Schwester
;Angelita, tltuii Sies. Jcb war ja
ininier felir eitel auf inein Haar, aber
l nun ist- - egal —«
i Ein Schauer lief über ihren Kör
lper. Sie lag wieder ganz still —
nieiriand konnte erkennen, ob sie es
inoch wahrnahni als bald darauf
Prinzeß Fredrile leise an das Bett
trat und auf die sterbende Freundin
heruntersah
»Ist sie schon lange so theilnahms
los?« fragte sie Und küßte die Stirn
der Kranken und die kleinen durchsich
tigen Hände, die lose zusammengeiab
let zwischen den Rosen auf der Decke
lagen.
»Seit kurzer Zeit erst. Vorhin
sprach sie noch viel —- dcii hat sie wohl
angegriffena Giseln überließ der
Schwester ihren Platz aQn Bett und
begleitete den Besuch hinaus.
Jn Prinzeß Frederites Gesicht lag
ein seltsamer Ausdruck, den Gisela
nicht entriitliseln konnte, der sie aber
peinlich berührte. Die großen brau
nen Augen der Prinzeisin niufterten
esite mit entschieden feindseliaen Bli
en.
MKönigliche hoheit könnten heute»
vielleicht noch einmal·oersuchen, Ma
ihilde zu sehen« schlug sie vor. Der
Ziåstand ist gegen Abend oft ein wenig
er
»Ich wünschte sehr. daß Mai-h die!
arnie Mathilde noch sehen lönnte.«
»Komm Prinzessin Marn jetzt her,
uni Mathilde zu besuchen?« fragte
Gisela lebhaft.
»Nein —- deswegen nicht. Meine
Mutter und ineine Schwester verlas
sen die Marienburg, weil nian ihnen
dort den Aufenthalt unertraglich
macht·, antwortete Prinzeß Fredrite
niit mühsam unterdrücktein Zorn.
.Wieso?« Gifela wurde abwech
selnd roth und blaß. Diese Mitthei
lung berührte sie peinlich und machte
sie unwillkürlich befan en. obgleich
.sie nie in ihrer Korrespondenz niit
Königsecl politische Fragen berührte
Sie fühlte aber instinktiv den Arg-l
wohn heraus der diefer Mittheilungs
zu Grunde lag. L
Prinzefz Fredrike beobachtete scharf
Giselas Farbenwechsel entging ihr
nicht. »Sie werden in ganz blaf·,,
Grafin Waldstein!«
«Jch bin wohl etwas angegriffen
von den vielen Rochtweichenk -
Die Prinzeß irr-te fast unmerklich
die Achseln. genug habe ich
inich an boten: Sie abzulösen, aber
Ae la en ia niemand zu Mathilde
an.«
»Könia1iche Hoheit sind heute un
gerecht gegen mich.«
»Bin ich das-? Vielleicht — viel
leicht auch nicht.« lIzrinzesz Fredrites
seingezeichnete Augenbrauen schoben
sich zu einer schwarzen Linie zusam
»n1en. Das gab ihrem schönen jungen
Gesicht einen düsteren Ausdruck. »Hu
zverwundern ist es jedenfalls nicht«
tdvenn wir bitter und mißtrauisch wer
en.«
Königliche Hoheit sind doch hier
nur von Freunden umgeben.«
»Weiß ich noch, wer Freund oder
Feind ist? Vielleicht tragen unsere
besten Freunde eine Maske. O diese
Unsicherheit, dies Tappen im Dun
teln, dieses geheime Mißtrauen ist
entsetzlich!«
»Was isi denn eigentlich geschehen,
unt Königliche hoheit so zu erregen?«
»Nichts weiter, als daß es der
preußischen Re ierung zu Ohren ge
kommen ist, do unsere Getreuen eine
Ehrenlegion gebildet haben. Man
vermuthete, daß die Fäden dieses
Kemplotti in der Marienbur zu
sammenliesen. Der König von ren
ßen vertan daher von meiner uti
ter, sie so ihren hessiaat entla en
und eine preußische Umgehen l
ieu, da er sie nur o als tie
is sei-e- emqi m « OR
Meint meineer
sites s II net-h und
1. «---f--p.«. »Es-Y- --» — -,-k---,-»,«,
preußische hosheeren auszwingen zu
lassen. So hat man ihr denn anein
psohlen, die Marienburs io bald all
möglich zu röten-eg
»Wie traurig!«
»Traurig! Das ist ein sehr milder
Ausdruck Mir fehlen die Worte da
siir. Dr werden nusgewiesen —- pet
trieben nicht nur aus unserem König
reich, sondern sogar aus dem Privat
besitz meiner Mutter-, wo sie in siillsier
Zurückgezogenheit mit einigen alten
Freunden leben wollte!«
»Kiinigliche Hoheit müssen beden
len. daß Preußen im Frieden keine
geplanten Feindseligteit dulden dors.«
»Wir haben noch leinen Frieden
mit Preußen geschlossen.«
»Dann dürfen Königliche Hoheit
sich aber auch nicht wundern, wenn
das weliische Königshaus so behan
delt wird!« ;
»Ich merke, daß ich nicht mehr mits
der mir besteundeten Oesterreicherin,j
sondern mit der Braut eines Preußen;
spreche. Aus unserer nächsten Um
gebung muß vieles hinausgetrngen
worden sein, sonst lönnten diese -
reimen Vorgänge Preußen nicht ge
kannt geworden sein«
»Ein-then Königliche Hoheit. da
ich die Verrätherin bin? Wann i
jemals in meiner Gegenwart von po
litischen Dingen geredet werden's«
»Ja unserem Familienlreise nicht.
Aber Gras hallet-mund, der, wie ich
hörte, um Sie angehalten hat, Ihnen
also sehr zuqetdan sein muß, ist viel
leicht weniger vorsichtig gewesen«
»Wer slößte Eurer Königlichen Ho
heit diesen schrecklichen Verdacht eins
Aus Ihrem Herzen lommt der nicht!«
»Ihr eigener Vater warnte uns,
Gräiin Waldsiein, ehe er nach Prag
zurückkehrte.«
»Mein eigener Vater! Das hätte
ich mir denken können! Es giebt
Anfchuldigungem Prinzeß, gegen die
sich auch nur mit einem Wort zu ver
theidigen eine Herahwiirdigung Eft.«
.Sie haben sich vielleicht nichts Bö
ses gedankt«
»Ich torrespondire mit Herrn v.
Köniaseck nur über persöniiche Bet
txältnisse —- etgrkas anderes tann ich
nicht sagen. Jch will Mathitde nicht
verlassen. fonft wiirde ich noch in die
ier Stunde von Diesing abreifen, vor
allem die Van Braunfchweig nie
wieder betreten.«
» Prinzeß Fredrike war im Grunde
zeine zu edle Natur, um den Ton der
Wahrheit nicht herauszuhören Die
furchtbare Erbitterung aber. gefchiirft
durch die Sorge um Namrningens Ge
;fchick, die aufsteigenden Zweifel an
der Wiederherstellung des Königreich-Z
zhannover hatten fie hart und uns
Hrecht werden lassen. Schon jetzt -
» reute fie ihre Warte. »Wenn ich h
! nen unrecht that, Gifela, fo verzei n
Sie mitt· tagte sie warmer und mit
«einem Anfiug der früheren Verglich
teit im Ton.
Aber ·der tränkende Verdacht hatte
Giiela zu tief getroffen. Sie ant
wortete nicht« sondern begleitete die
Prinzeß förmlich bis zur Thur, an
der sie sich mit einer Verbeugung ver
abschiedete.
Die Prinzeffin wollte gern noch ein
paar befchtvichtigende, einienkendeWor
te fagen, aber ihre Füße trugen sie
hinaus, ehe fie die rechte Anknüpfung
gefunden hatte.
Jn einer ungeiöften Dissonanz
lkang diefe einft fo innige Freund
schaft ans. -
Mit einem unbefchreibtich weben
Gefühl im bergen ging Gifela ins
Krankenzimmer zurück. Die Schwe
fter faß fteif aufgerichtet neben dern
Bett. Das Rafcheln ihrer Leineni
fchiirze peinigte Gifela — fonft war
es fo lautlos ftill in der Stube.
Draußen rieselte ein feiner kalter Re
gen herab. Der Nebel hing einen
grauen Sammtvorhang vor die Fen
fter. Eine matte Herhstfltege ftieß
brummenb mit dem Kopf gegen die
Decke.
Die Ajhentziige der Kranken wur
den immer leifer —- kauin waren sie
noch hörbar. Gifelas Herz trampfte
zfich zusammen —- sie beugte fich tief
; iibee das Bett. «
s Weiß wie der heute frith gefallene
T Schnee war das Gesicht in den stif
fen, feltfam schmal und eingefallen.
Gifela fank in die Kniee. .Rufen
Sie den Erzherzog zu feiner Tochter!«
fagke sie tanlos zur Pflegetin.
Aber ehe noch der Erzheezag Alb
recht, feine Gattin, die Uerzte aus
den verfthiedenen Räumen zufammen
lt werden konnten; war der letzte
nfzer der Sterbenden tote das anf
te Unslltn en einer zerrissenen ite
leife entflo n.
14. K a p i t e l.
hoch aufflackerien die röthlich bren
nenden Wachslerzem Der herbe Ge
ruch des Jmmergriins, der betäuben
de Lilien- und Rosendust lag schwül
und schwer in der Lust. Das Licht
verschwamm vor Giselas Augen, sie
sah nur ein Gewirr von glisn enden
Unisormen, schwaezen Krepps leiern
und Schleppen. Wie aus weiter Ferne
hörte sie das unterdrückte Weinen ei
niger Damen. Die Worte des Geistli
chen gegen eindrucksloi an ihrem Ohr
vorii . Erst als der Knabenchor
wie Zubelnde Engelsiimmen einen la
teini chen Gesang anstirmnte, zuckte ei
in ihrem erzen.
Ihr B ick iel ans den weisen
Sarg, der « e ein Lilienhligel aus
dem mit weiße-i Summe beschlagenen
osiqtnent in der Mitte des Saales
and. Var das wirklich wahr, das
Ostillde darin lag —- oder narrte sie
ein eins lich-t. san r Traun-f Wenn
listi- Mich Jsbsttdkeiiw
’nchk Genau mit-den wehenden sicu
den Locken greift-ne deutlich in dem
hetontinx innern Pest einher-wichen
Ush sie im ARIEL-Saal siden und
lustig mit den silbernen- Give-schen
k!impern. sie diirte die helle jubelnde
Stimme wie eine Lerche singen, fühlte
die weichen Arme um ihren Hals, den
IDruck der iiißen rofi Lippen auf
ihrem Munde, Unda dies uchzeni
de, bindende Leben wer da ! Die
kleinem-unruhigere Iiiße lagen still und
i steif in dem schrecan weifen Sarg,
den die Träger —- Unterof iziere der
HKaisergarde —- ietzi vom Postanieni
2 hoben!
! Sie preßte ihr Tafcheniuch in den
"Mund, um einen Verzweiflungsichrei
zu unterdrücken. Tdränen stürzten
ihr übers Gesicht. Sie zog den schwe
ren schwarzen Schleier nor, damit nie
mand in ihre granidurchwiidlten Zü
ge sehe konnte. Draußen am Gitter
warteten schon der achtspiinnige,
ichwaezverdangene Leichenwagen und
die Hoiequipagem Nur die nächsten
Leidtragenden fuhren mit nach Mien,
wo die verstorbene Erzherzoain Ma
ihilde in der Kapuzinergruft beige
setzt werden sollte.
Gisela ichaudertr. Jn dem ewigen
trüben Dunkel der undeitnlichen Gruft
sollte nun dieser weiße LilienhiigeL
der wie Schneewittchens Märcheniarg
aussah, stehen? Die, weiche darin
den ewigen Schlaf schlief, hatte die
Wärme so geliebt, das Licht, das Le
ben —- wohin war die frühiingk
frohe junge Seele, die jedem Sonnen
strahl enigeuenfauchzie, nun gegan
gen? Ansgelöicht, oerweht wie ein-.
abaebiiidte berbstzeitloieL
Sie starrte· ganzlich m ihre Trauer-·
oetfunten, dem weißen Sorge nach,
um den der Weihrauchduft in lofen
blauen Wolken zerfloß.
»Kann-ten Sie, Gräfin!« Der Kam
merherr der Erzherzogin Albrecht bot
ibr den Arm. »Sie follen mit der Hof
darne der verstorbenen Erzberzoain
Mathilde zufammen fahren. Die Ma
jeftäten und die anderen hohen Herr
fckaiten ftieaen bereits in ihre Wagen-«
Gifela schüttelte den Kopf. »Ich
danke —- ich fahre nicht mit. Jch
bleibe nur noch, um mich bei dem
Erzherzog Albrecht nach feiner Rück
tehr zu verabfchieden, und reife dann
sofort nach Prag."
»Wie Sie befehlen." Der Kam
merherr eilte schnell den übrigen
nach. .·
Langfam fehte sich der traurige
Zug in Bewegung. Das goldene
Kreuz an dem fchwarzen Leichenwa
gen flimmerte. Die hohen Feder
büsche der Pferde nisten. Jrn Schritt
fuhr die lange Reihe der Hofwagen
hinterher.
Gifela ging, in die Villo zurückge
kehrt, durch die leeren Zimmer Die
Lataien fchoben die Möbel zurecht und
rissen überall die Ienfter auf. Das
Parlett war mit zertretenen Blumen,
Tannenztoeigen und Chpreffenftengeln
bedeckt. Die halb niedergebrannten
Kerzen fchtoellen. Sie bückte sich und
hob einen hetb dufenten Choreffens
zweig auf.
Vorsichtig auf den Zehenspitzen ge
bend, als betrrte fie ein Drittens-um«
ging sie nach dem Sterbeztmmer her
über. Wie fremd nnd verändert fah
auch hier bereits alles aus! Das
Bett war von feinem Plah wegge
rllckt, alle die taufend kleinen Teiln
tenfaehen bei Seite gestellt. Vor den
weitgeöffneten Schranlthüren tnieten
tvei Kammerzofen und nahmen Mei
r und Wäsche heraus.
»Die fchönen Spitzenroben behält
die Erzherzogin Albrecht alle felber«,
fagte die eine. .Wir bekommen höch
ftens ein paar längst abgelegte Set
denfiihnchen. Aber ich wei eine
Dame vom Theater, die beza lt gute
Preise dafür —- felber tönnen wir sie
ja doch nicht tragen.«
Ali das Mädchen Gifela in der of
fenen Thür flehen fah, würde fie roth
und verstummte
.S-uchen gnädige Gräfin etwa-i«
fr te die andere Jungfer ein wenig
ver gen. »Die Kammerfratr der ver
storbenen Ersherzogin liegt nämlich
tu Vett, wir räumen darum hier ein
wenig auf.«
«Lassen Sie sich nicht stören.« Gi
selas Stimme tlang heiser. »Ich gehe
wieder —- ich suche hier nichts mehr.«
Gisela lehnte sich einen Augenblick
gegen die Thür, dennein Schwindel
überlam tie. Sie hatte ja von diesen
Leuten nichts anderes erwarten tön
nen, und doch fühlte sie einen widrigen
Geschmack des Etels im Munde, als
die Zose fortfuhr: .Den Schmucktas
sten nahm die Erzherzogin Albrecht
sogleich an sich. Brillanten und Per
len tann sie ja auch während der
Trauer tragen-«
Gifela zog die Thiir hinter sich ins
Fchkoh Nur satt —- rasch fort von
er.
Mit im Schoosze schlasf zusammen
gelegten banden, taum eines llaren
Gedankens fähig, blieb sie in ihrem
Zimmer sitzen, bis die Eqnipagen aus
Wien zurückgekehrt waren. Dann ließ
sie die Hosdame anfragen, ob sie sich
bei der Erzherzbgin Albrecht verab
schieden dürfe.
u ihrer Erleichterung wurde der
Be cheid zurückgebend-h aß die Erk
heer in zu angegrisfen lei, um d
Ger n zu empfangen. Sie lasse glticks
licht Mit wünschest
Glückliche Neilei
Ia wie ein hohn tlaugt der
Wir-is in then Jammer hinein.v
» Sie stand am aus, ihre Glie
der starken bWIen i Zchtäsen
—
auf jeden all-noch erreichen.
Da tla te ein Lokal an der Thtir,
die er gleich darauf aufriß. Erzbers
zog Albrecht selber stand auf her
Schwelle. Die lange. tehniae Gestalt
sah reist mehr to sitai aufgerichtet
aus. etwas Mitbes. Ge rochenes lag
in seiner Haltuna,
Gisela versengte sich tief. Der Erz
herzog trat näher. !
»Ich tann Sie nicht ahreilen lassen,
ohne Ihnen gedantt zu haben. Erit
fin«, snate er langsam. Seine Worte
kamen wie immer etwas hölzern und
M heraus, aber Gisela bemerkte
trotzdem mehr Bewegung wie lontt j«e
mais in feinen gelben, schlifien Zit
gen. »Sie haben meine Tochter mit
wahrer Aufopferung gepflegt.«
faIch habe Mathilde aufrichtig ge
liebt«. entgegnete Giiela einfach. Sie
ists die Lippen aufeinander, um nicht
in Thriinen auszubrechen
»Meine Frau würde Ihnen auch
gern noch gedantt haben, aber sie
silhlt sich leidend.« Das klang wie
der wie eine auswendig gelernte Let
tion. »Die Erzherzogin beauftragte
mich aber, Ihnen in ihrem Namen zu
danten. Sie möchten ihr mittheilen.
was Sie von Mathildes Schmuck zuin
Andenken zu behalten wünschen«
»Nichts, Kaiserliche hoheit.« Gi
sela wußte zu genau, wie die Stief
mutter dachte. »Ich habe niir ein
Paar tleine weißseidene Schuhe von
Mathilde genommen und das Tuch,
das ich um ihr liebes Gesichtchen hand,
als sie gestorben war. Das ist mir
genug.«
Der Erzherzog Albrecht bohrte feine
Fußspihe in den Teppich und tah aus
niertsain darauf hin. »Hat Mithilde
nichts —- gar nichts mehr gesagt?«
fragte er endlich. »Sie allein waren
ja in den letzten Stunden um see.'«
»Sie sagte mir. sie glaube, ihr Va
te hat-e sie doch lieb gehabt, und sie
woille der Erhherzoxiin Albrecht gern
noch einmal die Hand geben«
Der Entheian beugte sich näher zu
ihr, um die Worte genau zu verste
Sihnetlguznach Praxi, den mußte sie
. bei-.
»Das wollte ich Eurer Kaiserlichen
Hoheit zum Abschied noch mittheiten«,
fuhr Giiela fort. Sie konnte aber nicht
erkennen, ob ihre Mittheiinnq den
Erzherzog freudiq oder schmerzlich be
rührte.
Er hatte sich sasi brüst abgewandt
Ein paar tiefe, wie schlnchzendeiltdew
züne von ihm gingen durch das ftilte
Zimmer.
Als er Giieia sein Gesicht wieder
zudrehte, iaq die Maöte kalter Selbst
beherrichung wieder aus ihm. »Kiinig
Ludwig ist von Wien dirett mach
München zurückgesadren soch er be
stellte einen Gruß siir Sie, Griifim
In der Van Braunschweig haben
Sie sich bereits verabschiedet?'
.Gesiern Abend schon, Kaiserliche
hoheit.
«Die Königin Marie und die Prin
zessin Markt werden es bedauern, Sie
nicht mehr hier anziitreisen.«
»Ich glaube taum, daß meine Ab
reise in der Villa Braunschweig von
irgend einem Mitglied der tönigtichen
Familie bedauert werden wird «
Der Erzherzog streckte ihr nochmals
seine band hin. »Ich hosse, daß Sie
Ihren Entschluß nie beruen werden,
Gräsin«, sagte er gemessen, aber doch
mit einem Ansln von Wärme. »Je
densalls werde i in Jhnen stets nur
die Freundin und treue Pflegerin
meiner geliebten verstorbenen Tochter
sehen. —- Sie aehen nach Pragi Hos
sentlich bahnt sich doch noch eine Ver
ständi ung mit Ihrem Vater an.'
«J fürchte, daß mein Vater un
versöhnllch ist. Ich will aber meine
alte heimatb noch einmal sehen, ehe
ich sie wahrscheinlich siir immer ver
lasse —- nnd einige Erinnerungen an
meine todte Mutter mitnehmen-«
s--------—
Jeun war auen ver serv-anei- ou«
Hietzing, in dein sie to mancken glück
lichen Tas» zuletzt io herzzerreitzend
traurige Zeiten vertebte, vorbei. Alle
Gefühle der Bitterkeit der Wehmuth
lösten sich augenblicttieh bei Giiela nur
in dem Wunsch nach Ruhe anf. Seit
Monaten bestand ihr Leben in körper
lichen Anstrengungen und ieeliichen
Erschiitterungen.
Es war ihr daher eine unangeneh
me Ueberraschung, als sie Graf Hal
lermund erkannte, der neben ihrem
Bruder, jedenfalls sie erwartend, auf
deni Bahnsieig hin und her ing. Ein
Ausweichen war nnniitgliå Beide
erkannten sie sofort und vertraten ihr
den Weg.
Graf halletmnnd reichte ihr ein
paar langgestielte roia Malmaifonro
ten hin. »Prinzeß Frebrite bat mich
. hnen diese Roten zu geben Gräjin.«
Gisela nahm die Blumen mit einen
kurzen Dantivort entgegen. »Was
thust Du denn hier, Lerci« swandte sie
sieh an ihren Bruder, der an ihre an
dere Seite getreten war.
.Jckg begleite Dich nach Prag —- ich
hab' ein paar Tage Urlaub.«
»Wenn hättest Du nicht Urlauh!«
Ein müdes ein wenig spöttisches La
cheln glitt tun Gifelas blossen Mund
Grat hallermnnd fah mit trauri m
Blick in das reisende Gesicht mit
greäecn ehwar en Augen« das Echte-: in
za Zu it aus
Kreppfalten des Trauersihleiers
steil-old
G eHeu-a Dxchoe zur ilte herbeif«
for nur
Fett-e Mhek mein Entschluß Ema an
dienstlich-«
tot
hier am Fuhrleuten chalter
ist Inst uisstder Ort tun sszu er
drtms , sei-te Ilex neiget-ums
»Man vorwärts, Giseia, der Zug
wartet nicht!«
Gras Hallennund nahm die schma
le Hand des jungen Mädchens, die
.liiisig die Noien hielt. in seine beiden
händr. »Griisin Giiela, Sie hatten
vielleicht nicht unrecht. mich abzuwei
ien«, sagte er so leise, daß nur sie
es hören konnte. »Ich bin ein alter
Mann geworden. Meine Stellung ist
mit dene Königreich Hannover dahin.
Die Nörgeleien an unserem Hos rei
ben mich ou . Mit der Rückkehr der
Königin un ihrer Partei wird das
noch schlimmer werden. Aber viel
schmerzlicher wie alles dieses ist es
mir, Sie direlt ins Verderben lau
fen zu iehen.«
Niemand iann die Zulnnst vor
aussagen, Exzellenz. Jch bin der se
·sten Ueberzeu ung. mir mein Glück,
in dasn freilich durch Unduldsatnteit
und Hatte manch bitterer Tropsen
sailt, errungen zu h:ben', entgegnete
Gliseia ruhig. »Leben Sie woh! —
wir werden uns wohl ni t wiederse
ben, aber ich bleibe oihnen nibar siir
Jbre freundliche THeilnahme an mei
nem Geschick.«
Sie stieq schnell in das AbiheiL
dessen Tbiir der Schassner hsflich aus
riß. Alex sprang ihr nach.
Der Zuq fuhr langsam zur halte
hinaus. Graf Hallermund iab ihm
nach, bis die letzte Rauchwolie isn der
Lust verschwommen war. Dann wen
dete er sich zum Gehen. —
»Dies ist ein Abtbeil fiir Damen,
Lexi. Ich bliebe lieber allein. denn
zum Reden fühle ich mich zu ange
griffen.«
»Macht nir. Dær Schalfner lpiilt
uns für ein junges Ehepaar —- fein
Goldstückel bot er ja ichon weg«, lachte
Graf Alex-. »Wir sind also auf der
hochzeitsreise, Gilela, daß DIFS nur
weißt! Sei froh, daß ich rnitlornrn’
nnd Dich nit mit unserem Alten allein
lass« —- ich werd« ihm lchon zureden.«
»Sehr überflüssig-« denn ich gehe lo
lort in meine Zimmer und rulxe mich
dort aus. Wahrscheinlich lehr ich Pa
pa erst lurz vor meiner Abreise, zwi
ictien uns ilt bereits alles bis zum
Ueberdrnß erörtert worden«
Alex zog die Stirn traus. »Bleibft
Du wirklich bei Deiner verdrehte-I
Idee, mit dein Preuß durchzicgehen?«
«Durchgeken thue ich nicht, denn ich
teile am hellen Tage ans Png oh.
Königseets Mutter erwartet mich in
Dresden.
»Eigentlich müßt· ich den Kerl for
dem-"
»Nein Dich nicht unnöthin aus« lie
ber Bub. Jm iibri en verbitte ich mir
diele Bezeichnung ür meinen Verlob
ten. An der nächsten halteltelle lteiglt
Du in ein anderes Abtlieil —- verstan
den! Ich will allein lein. Gehsi Du
nicht gutwillig. so wende ich mich an
den Stationsvorfieher.«
»wegen — Du bin wikliich han
toll!« (Fortsesung Folgt-)
schwer zu machen.
»Mir wird unwohli halt! Jch will
aussteigen.«
Der Trop« mit dem Casiro daran
besteht nach Venezuela zurückzukehren,
läßt vermuten daß er bei seiner Ab
reise etwas übersehen hat das wie er
sich später erinnert haben mag, des
Mitnetzmens wert gewesen wäre.
Ob Sie Thomas Lipton, der große
Teebaron, jemals wieder herübertomi
men wird, um unseren Jacht-Pata! zu
«liipfen«, wenn wir seinen Tee mit
einer Steuer von 8 Cents das Pfund
belegen?
Der dessem-e seitens-.
W
»Dein Mann, Alste, muß ein Engel
fein. daß et die so kurz nacheinander
nun schon den zweiten hat bewilligt
W «
»Gehst du« das ist dee Vertheil,
wenn man einen Professor heirathet
den ersten hat hat et längst wieder
vergesse-«