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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (April 23, 1909)
Bis ans Ende der Welt. Roman von Maximiliau Barmher (4- FortsetzungJ Borgftedc say ihr am flirrenden IN nass. Sein Blut stehen« Er sahen den Hut ab und wischte sich den perienden Schweiß von der Stirn, die Malt war. Plotziich « et kannte sich nicht län: ; see bezwingen -- rief er stehenden, behenden calone-: »Julia!« Julia stieg weiter und that, als hätte sie nichts gehört. Da rief et zum zweiten Male: «Julia!" und dann antiagend und verzweifelt: «Wollen Sie mich denn wirklich nicht anhören?« Juiia wandte sich langsam um. Uns ihrem Gesicht kämpfte die Röthe her überstandenen körperlichen An Mung mit der Blässe heftigster Seelenekkegung und ihre Augen ver eiethen, was ihr Mund fo gern ver heimlicht hätte. Jm Nu war der Lieutenant. Hut, Gewehr und Jagdftoct wegwerfend, bei ihr, kniete ihr zu Füßen und cr ckiff ihre Hände. das graue hand xchuhledey den Uermelfaum mit Küf en bedeckend. Wie trunken stam seelle er: »Ich habe Sie ja so lieb, so über die Maßen lieb, Sie schönstes, herrlichstes Mädchen!« Julia stand da wie eiähmi und vermochte keinen Laut ii t die Lip pen zu bringen. Dann richtete er sich mit einer fa hen Bewegung auf, riß sie in seine Arme und tiißte, Liebesworte iiber Liebesworte raunend, ihren Mund, ihre Augen, ihre Stirn und ihr Haar — sinan verzehrend. Julia versuchte, sich aus seinen Armen zu befreien; aber er hielt sie feft wie mit eisernen Klammern. Das ungewisse Bangen, das sie von jeher vor feinen leidenschaftlichen Blicken empfunden, steigerte sich in ihr zum Unbehagen. zur Furcht. Nein, das war nicht das, wag sie sich unter einem Geständniß vorge stellt hatte. Ein Mann mußte start fein, immer Hle seiner selbst blei ben, sich auch von seiner Liebe nicht zuin haltlos stamiuelnden Knaben machen lassen. Nichts spürte sie von der heiligen Weihe, die sie sich vonl der Stunde ihres Berlöbnisses, dieser schönsten Stunde des armen. kurzen Menschenlebens erträumt. Und selt sam — so viel sie sonst immer fiir die Romantit der Liebe übrig gehabt, setzt, in ihreni fröstelnden Unbehagen und unter dein leisen Regen der Ge wissensbisse über ihren Ungehorsani, wurde doch das- anerzogene Lebens prinzig mächtig in ihr, und sie dachte: »Ich, hätt er doch lieber zuerst rnit Deinem Vater gesprochen! Was soll nun werden? Jii welche Enge hast Du Dis treiben lassen?« ndlich ließ Borgstedt die Wider sirebende aus seinen Armen, doch nicht« ohne sogleich wieder ihre Hände zu nehmen. uHaben Sie denn tein einziges Wort fiir mich, Julia?« fragte erj Lieben Sie inich denn überhaupt so — so iiber die Maßen, wie ich Sie liebe?' l ..Doch —- doch,« antwortete Julia.: zJch habe Sie lieb, Winfried, und ich. glaube, daß ich nie einen anderen Mann lieber haben tann als Sie. Aber aus die Liebe allein tornrnt’5 doch fiir einen Offizier nicht an. Er t doch noch auf andere Dinge zu eben. Und ich hin arm, bin eine sehr schlechte Partie, habe feine andere Mitgift als allerhöchstens eine einfache Ausstattung zu erwarten. Und Sie feil-Mk — sie strich sich eine Locke zu rück, die ihr der Morgmoind in die lStirn geweht hatte — «inein Vater jagte mir, daß auch Sie nicht begü tert wären, jedenfalls nicht in dein W. um die fiir eine Lieutenantis Ieirsth nohioendige Kautioii aus eige seq Mitteln W zu Manni. Ei sag Richter-. profan klingen. dass ich , in dieserStunde, von dem leidigen . spreche, aber Klarheit muß sein cheii uni von Anfang an.« Langfani ließ er ihre hände los , "M sinnst e- svdes. »Ist Vater hat Sie also gewisser-a III nie meint« fragte er niit . ·t t- Ios feiner tief M « »Er hat mich datan aufmerksam Iema l, daß unsere Liebe eine wenig sc- steiche sein würde. Und Sie feheu sen-iß ein, daß et damit nut. han hat, was jeder Vater seineti schier zu thun schuldig ist.« . Plötcickh noch während sie den letz- z ten Sah sprach, kam ih; die Erinne wag an des Obersten Worte: »So» Ma« kge Msiedt als liebens idI « « Wehan haben mag, sitt fp M gute Eigenschaften zum seeläslichen Esel-sann scheint er mit II saftig-ein« Ihre reine Stirn um söllte siä in diesen Gedanken. . da fah der junge Ofsizier wieder III II ihr aan in seinen dunklen Augen erschien das Feuer verzehren der Leidenschaft von neuem. »So lieb haben Sie mich, Julia, Idaß Sie, die sonst so Kluge, Beson nere, Jhres Vaters Warnung leicht herzig in den Wind schlligen?« Er nahm wieder ihre Hände, versuchte wieder, ihre schlanke Gestalt in seine Arme zu schließen. Doch mit fast heftiger Entschieden heit wehrte sie ihn ab. »Nein — das bars nicht sein. Es ist genug, daß ich mich einmal vergessen habe. Wir wollen, bitte, weiter gehen. Was wir zu besprechen haben, besprechen wir im Gehen am besten,« Borgstebt, von ihrem bestimmten. fast harten Ton betroffen, nahm Ge wehr. Hut und Stock-vom Boden aus, und sie stiegen wieder bergan. Julia aus dem schmalen Pfeil-, der Lin-te nant neben ihr über Stock und Stein Erst nach geraumer Weile brach er das drückende Schweigen, in das beide verfallen waren. »So peinlich es mir ist,'· begann er, »ich muß doch wohl oder übel auf die leidige Mitgiftfrage noch einmal zurücktommen, denn Sie baden recht: Klarheit muß sein zwischen ung. Und da Sie den Zwang, unter dein wir Offiziere stehen, ja ebensogut kennen wie ich, da Sie wissen, daß wir nicht so ins Blaue hinein Eben schließen diirfen wie andere Sterbliche so will ich anen ganz offen fagen: für arm habe ich Sie nicht gehalten, Julia Gewiß ——- ich war mir ja durchaus bewußt, daß ich mir mit Jhnen lein Vermögen erheirathen tönnte, aber darauf verließ ich mich in der That, daß die Stellung der verlangten Kau tion Jhreni Herrn Vater keine Schwie rigkeiten bereiten würde. Meine Mut ter, von der ich allerdings hätte wissen können, daß ihre Urtheilogabe teine hervorragende ist« fprach von Ihren Eltern fteto als von begüterten Leu ten. —- Und noch andere Umstände be einflußten mich. Man läßt sich eben so leicht, so gern täuschen, wenn der Schein rnit dem übereinstimmt, was man ersehnt. Und —« Er brach ab und stieß im Gehen seinen Jagdstock Schritt für Schritt heftig in den Vo den. Julia war sich sogleich darüber tlar, daß wohl vor allem die ziem lich lostsvielige Reife nach Liebenstein Borgftedt in den Wahn versetzt hattep ihre Eltern wären «begiiterte Leute«. Jhr herz trampfte sich zusammen. Sollte sie dem Geliebten, aber doch immer noch Fremden, fagen, wie man sich monatelang vorher eingeschränkt, wie man sich über die dringendsten Erfordernisse des uöstandes hinaus geradezu Entbehr ngen auferlegt hatte, um diese Reise zu ermöglichen, die für den leidenden Vater zwingend nothwendig, für die zarte, lriintliche Mutter mindestens sehr räthlich und heilsam wart Und wenn man in dem vornehmen Badeort standesgemiiß auf trat, als Gleiche unter Gleichen gelten wollte — du lieber Gott, gute, gesell schaftsfähige Kleider brauchte man in dre heimathftadt ebenfalls, und Ver schwendung trieb man auch hier wahr haftig nicht. Auch hier drehte der Va ter jeden Groschen, der über den vor her vereinbarten Pensionsbreis im hotel hinausging, dreimal um« ehe er ihn auszugeben wagte. Wie häßlich ei doch war, daß alles in der Welt vom Gelde abhing, alles Kleine und Niedere so gut wie alles Große und hohe! «Ja,' antwortete sie endlich mit ei nem schweren Seufzer, »das ist nun schon so, wie ich Ihnen sagte. Jch habe keinen Pfennig baare Mitgift zu seen-patien- Außer seiner Pension be zieht mein Vater nur noch die insen ieines sehr geringfügigen Verm das unter jeder Bedingung unange taftet für meine Mutter verbleiben mirs für den Fall, daß mein Vater M ihr sterben sollte. Und da unsere heirathiauosichten also flie absehbare Zeiten die denkbar fchlechtesten sind, gutsesgewißfliruntbeideambes ' »Bitte, sprechen Sie nicht zu Ende,« fiel ihr Borgftedt mit fast angftdoller Betonung in die Rede. »Ich tann niemals von Jhnen lassen —- nun und nimmermehr! Jch weiß nicht, was ich lieber ertragen, lieber verlieren will: Gesundheit, Beruf, Leben — allei, alles, nur Sie nicht. Oft in den letz ten Jahren war ich der Welt und ihres ewigen Einerleis fo müde, fo müde, daß ich e auf Ehre — nichts danach gefragt hätte, hätte das Fieber oder sanft irgend eine ,afritanifehe Gefahr’ mich weggerafft. Ja —- ich hah’ das Ende oft geradezu ersehnt, das Schick fal herausgefordert Meine Kamera den und Borgefesten hatten ei leicht, meine Tollliihnheit zu bewundern, lineinen ,Muth’, der nichts war als Sattheit und Uebude Und nun Ianf einmal —- in den wenigen Wochen, seit ich Sie lennen und lieben lernte, vin ich innerlich wie umgewandelt, bin ich ein anderer, ein ganz neuer Mensch geworden, spür’ ich wieder den alten heißen Lebensdrang, sreu’ ich rnich wieder jedes einzelnen Morgens. der mich zu neuem Dasein wachrust. Se wiß, ganz gewiß: Sie, Julia, ansge- I ben müssen, hieße siir niich gleichzeitig ; das Leben verlieren!« Tonlos, verhalten, ganz ohne Pa thos, sprach er diese Sätze, und aus seinen Zügen lag der Ausdruck einer so sinsieren Entschlossenheit ausg priigt, daß Julia sich sagen mußte, daß es ihm wirklich heiliger Ernst mit seinen Worten sei. Dennoch erwiderte sie, gleichsam um ihn noch gründlicher zu prüfen: »Viel leicht haben Sie sich dort unten in der asrilnnischen Fremde nicht wohl ge siihltz und nun, nach Jhrer Rückkehr, übt die alte liebe heimath wieder ih ren bestriclenden Zauber aus Sie aus. Allzuost schon ——-« »Durchaus nicht« Julia,« unter brach er sie rasch, rnit einer wegwer fenden Gebärde. .Dort unten hat mir's, genau genommen. noch besser gefallen als hier. Einzig, weil mir der öde Gamaschendienst, der ewig gleiche Exerzirrplatz und Meinst-er rurnrnel, dieses Spiel, aus dem viel leicht in hundert Jahren lein Ernst wird. weil mir unsere sogenannten Unterhaltungen und Vergnügungen, diese verdünnten Schlasmittel, bis zunuklel widetwärtig und unerträg lich waren, einzig darum bin ich ja überhaupt zur Schutztrupve übergetre ten. Und — glauben Sie mir doch, h Julia, daß das, was mich zu Jhnen" hintreibt, teine gewöhnliche alltägiiche Liebe ist, die sich — wenn denn an eine Verbindung durchaus nicht zu denken ist. wenn es denn durchaus ge schieden sein muß s- in ein paar Mo naten, vielleicht noch gar in den Armen einer anderen, überwinden und ver schmerzen läßt. Glauben Sie mir doch, daß eine Leidenschaft mich de seelt, eine allgewaltige, unbesiegbare, wie sie nur inmal den Menschen packt, ein Drang nach Vereinigung. vor dem es im Fall des Berzichtenmiissens nur eine Erlösung, nur ein Entrinnen giebt: den Todt« Wieder nahm er den Hut ab und wischte sich den Schweiß von der Stirn, die im Gegensatz zu dem tief gebriiunten Gesicht weiß, sast blaß war Da Jutia ihm nicht antwortete suhr er fort: »Ich weiß im Augenblick nicht — ich bin zu erregt, um mir so sort darüber tlar zu werden, wie un ter diesen widrigen Verhältnissen eine heirath zwischen uns zu ermöglichen sein wird. Aber daß sie sich schließlich ermöglichen lassen wird, dag weiß ich. Jch habe Beziehungen, weitreichende, und ganz gewiß, ich werde Mittel und Wege zum Ziele finden. Und nicht wahr, Julia. Sie werden aus mich warten, Sie werden mir treu bleiben, wenn auch noch einige Zeit darüber vergehen sollte, bis ich Sie zu meinem Weibe machen kanni« Er griff, stehen bleibend, nach ihrer hand und preßte sie, daß es ihr Ioeh that. Aber sie ließ sich nicht zum Halt machen zwingen. Mit teuchendem Athem stieg sie weiter. Vor ihr, zwi schen den braunen Tannen, wurde es schon hell und licht, es tonnte nicht mehr weit sein bis zum Gipfel. Dort ’oden —- im frischen Windhauch der Berghöhe, das weite, tlare Himmels sgewölbe iiber dem Haupt, die weite, morgenglanzbeschienene Aussicht, die Borgstedt ihr so ost gepriesen, zu Fü ßen, dort oben in der blaugoldenen helle wich vielleicht der dumpfe Druck von ihr-, der ihr im halt-dunkel des hochwaldi, in den noch kein Sonnen strahl fiel, die Brust wie mit Zent nerlast beengte, diese seltsame, uner tliirliche Angst vor des Geliebten Lei denschastlichteit, die wie ein blind wiithendes Feuer war, das unsicht bare Gespenst. das neben ihr schritt und ihr unaushiirlich wie eine Schick salsmahniing ins Ohr rannte: »Er hat keinen Willen; er macht dich nicht glllcklich7 dein Weg an feiner Seite just-v wac- cutisuiauw seit-. Sie streifte Borgstedt mit einem’ prüfenden Blick. Wie schön er war, wie stattlich und stolz die schlanke Ge stalt, wie faszinirend sein brauner, vornehmes Gesicht mit J den großen duntlen Augen, die im Glanz fieber bafter Erregnng schtvarnmeni Es war ibr, alt bätte sie nie einen fchöneren Mann gesehen. Aber da fing der Stachel, den ib res Vaters rätbieibafte Worte in ihr herz gedrückt, wieder zu stechen und zu bohren an. Und piöslich fragte sie: «Sagen Sie, Winfried — aber ossen und ohne hinterbalt —- baben »Sie vor mir schon eine andere Frau ’ gelieth« i Erstaunt sah er sie an. »Wie Inei z nen Sie das? Wie soll ich das verste; . heutz ,,sitte.« drängte fie, und ihre Stimme bebte leise, «ich möchte wis »sen, ob ich Jbre erste Liebe bin, oder «- ob Sie vor mir schon eine andere oder Leg «inebrere andere gern gehabt ba «Oern gebath O ja. Jch bin schließlich zweiunddreißig Jahre alt, unh Sie können nicht annehmen Julia daß ieh erst in dem Moment lin dem ich Sie sah mein Vers ent -deckte," antwortete er ein wenig spöttischen Jenes. »Aber geliebt -— was ich lieb-en nenne — geliebt hohe ich leine vor Ihnen. Und so darf ich wohl lagen: Sie sind meine erste Liebe. ——Jch sehn-see ei Jhnen,« feste er beinahe feierlich hinzu, als sie ihn wieder mit dem forschenden Blick ihrer klaren Augen streifte Ein besreiieo Ausathmen hob Ju lias Brust. Botgsiedt sah es« ver-stellte ihr mit einem raschen Schritt den Weg und nahm gewaltsam ihre beiden hande. »Vertrauen Sie mir denn nicht«, drang er in sie. »Mein Gott« gewiß — Jhr Mund ist nicht der erste, den ich getiißt. Jch lann nicht lügen Ihnen gegenüber. Jch bin sogar schon einmal oeeloht gewesen und danle heute dem himmel, daß ich mei nen Jerthum erinnerte, ehe es zu spiit war. Aber darum — gerade darum, . weil das herz mich schon in die Schule ’ genommen hat, weiß ich gewiß, daß! ich in Ihnen die gesunden habe, nach der meine seiedlose Seele aus der Suche war. ohne daß ich es ahnte, weiß ich gewiß, dasz Sie meinem ver worrenen, zieilosen Leben wieder Halt und Richtung gegeben haben, daß ich nur Sie liebe, nur Sie lieben werde bis zu meinem lesten Tage —- ach, nicht lieben, nein, dasz ich Sie vereh ren, anbeten will wie eine Heilige.« »So dürfen Sie nicht zu mir spre- s chen,« verwies ihn Julia und mühte sich, ihre Hände frei zu machen. l Er aber ließ sie nicht. »Doch, doch," stieß er mit zuckenden Lippen hervor; »doch muß ich so zu Dir spre chen, Du Liebe, Du Einzigr. Meine Hände möcht' ich aus Deinen Weg breiten, damit Du weich gehen und Dich an keinen Stein stoßen kannst; mein Haupt möcht’ ich niederlegen zu einem Schemel für Deine Füße. Und - »s— noch nie in meinem Leben hab' ich bitten können — aber Dich bitt’ ich wie ein Kind seine Mutter-, kein Frommer seinen Gott inniger bitten kann: bleib mir treu, warte auf mich, bis ich Dich heimführen kann, Du mein Licht, Du meine Sonne! Schwöre mir, daß Du mein bleibst, daß ich Dich nie verlieren werde!" Julia schloß die Augen, als fürchte sie, seinem flehenden Blick erliegen zu müssen, und schüttelte den Kopi. «Nein,« erwiderte sie mit lonloser und doch fester Stimme, ·das kann ich nicht, das darf ich nicht. Ich habe » Sie lieb, Winfried, sehr lieb. Wenn j es einzig und allein an mir lüge, wenn : ich nur an mich zu denken hätte,« würde ich mich an Sie binden mit tausend Eiden —- bedingungslos, würde ich auf Sie warten Jahr um Jahr, ein Leben lang s-- bis an’s Grab. Aber ich bin meinen Eltern Rücksicht schuldig, meinem Vater vor allem, der außer sich gerathen würde, s wenn er erführe, ich hätte mich Ihnen s versprochen troß seiner Warnung, und ’ dern doch bei seinem leidenden Zustand jede Aufregung erspart werden muß. Und auch mein Bruder wird vielleicht noch einmal seiner Schwester bedür fen. Seine Existenz ist noch keines wegs gesichert. Jch tann Jhnen das nicht alles so sagen, wie ich’b em pfinde. Aber mein Gewissen bäumt sich auf in mir, mahnt mich: du darfst nicht frei über dich verfügen, du ge hörst nicht dir, du gehörst deiner Fa milie. Aber auch Sie müssen sich noch prüfen. Verstehen Sie mich nicht falsch, bitte. Jch vertraue Jhnen ja. oertraue Jhnen blindlings. Was Ihre Augen, Jhr Mund mir sagten — ich bin sicher. das kann nur die Sprache einer echten, großen Liebe sein. Aber um Jhrer selbst willen, um Jhrei Stolzes willen dürfen Sie mich nicht ali die Ihre betrachten, ehe nicht der Weg für eine Verbindung wischen uns frei ist. Und auch Sie sollen nicht an mich gebunden fein. Sie sollen nicht, um unsere rath zu ermöglichen, in blinder eidens schast einen Schritt thun, der Sie spä ter vielleicht gereuen könnte. Sie sol len nichti Aber da Sie sich selbst noch Huichi klar sind, auf welche Weise Sie zum Ziel gelangen wollen, wie lanu ich's wissen! Nur das eine — Sie deuteten es vorhin an — so viele vor Jhnen es auch schon gethan haben mögen, Jhre Ossizierslausbahn aus gehen, einen bürgerlichen Berus su chen, in dem Sie von leineni Ehe tonsens abhängig sind —- netn, Win sried, das diirsen Sie nicht« dürfen Sie nun und nimmermehr. Ei würde zu Jhreni Ungliiek ausschlagen. Sie könnten es bei Ihren Anlagen, Ihrem Seins-tanzend aus die Dauer nicht aushalten aus einem Bethötigungs seld in den engen Grenzen, die dem ge wesenen Lieutenant gezogen sind. Und ich —- ich lönnte dann nicht Ihre Frau werden« Nicht nur deshalb nicht« weil ej mir unerträglich wäre, schließlich einmal sin Ihr ,versehltes Lehen’ ver antwortlich gemacht zu werden« san dern auch weil inein Vater seine Ein willigung zu unserer Verbindung in solche-n Fall niemals geben würde. Jch lann, ich will nicht niedersteigen, herabsinken von der gesellschaftlichen Stuse, aus der ich geboren bin, aus der ich stehe. Denken Sie daraum nicht klein von mir. Jch achte jeden Mann, der ehrlich fein Brot verdient. ich frage nichts noch Glanz und Wohl leben, ich will mich als Jhre Frau gern einschränken bis zum Aeußersten, aber —-— das steckt mir nun einmal im Blut — ich muß vor der Weit die bleiben, die ich heute bin. Und darum: ich will warten, fo lange es in meiner Kraft ftehi, fo lange ej von meinem Willen abhängt, bis Sie ieiner Kau tion mehr bedürfen, oder bis irgend ein Zufall unsere Heirath ermöglicht Doch darüber hinaus kann ich Jhnen nichts versprechen. Sie müssen wissen, ob Jhnen das genügt. — Und noch eines: Mit leinem heimlichen Wort, leinem verftohlenen Blick dürfen Sie verrathen, was heute hier zwischen H uns vorgegangen ift. Unsere Stellung zueinander muß die bleiben. die fie bisher war. Jch will nicht in ein fchiefevaichi kommen vor den Leuten. -- Und nun kommen Sie. Versuchen auch Sie noch Ihr Weidmannsheil in der Morgenfriihe!« Sie machte ihre hönde frei und ftieg wieder voran, dem Gipfel des Berges entgegen. Borgftedt wagte an diefem Morgen tein Wort von Liebe mehr zu ihr zu fprechen. (Fortfenung folgt.) Ae ter sit der Greise-. Seit einer Reihe von Jahren beschäf- I lig: sich der bekannte niederösterreichi-s iche Landtagsabgeordnete Alsred v. Lindheim mit großangelegten statisti schen nnd sozialpolitischentlnlersuchun gen, welche den Zweck verfolgen, die Richtlinien unserer gegenwärtigen Ge sellschaftspslege tritisch zu untersuchen und die Grundlage zu schaffen fiir et wa nothwendige Reformen. I Er veröffentlicht eben im Verlag von Franks Deutiele tWien und Leipzig) als Schluß seiner Untersuchungen das Wert »Halt-Je sem((-tutis«, das die BL- l deutung der Dauer des menschlichen? Lebens im modernen Staate beleuchtet. . Mit den gewöhnlichen populären » Abhandlungen iiber die Verlängerung des Menschenlebens ist dieses tiefgriini ; dige Buch nicht zu verwechseln. Diel Geschichte, die Naturwissenschaften uno die eralte statistische Erhebung sind hier herangezogen worden, um ein Tat sachenmaterial aufzubringen, das je den Denkenden zwingt, seine übernom menen Vorstellungen über die Beden tung des Greisenalters zu revidiren. Um so wirthvoller sind dieUntersuchun- » gen v. Lindheimsals er eine Reihe von Fragen von Fachmännern bearbeiten; ließ. Hervorgehoden sei auch eine sta-? tistischc Originalerhebung iiber die Les E bensverhältnisse von iiber 700 Perso-: nen, welche das 80. Lebensjahr erreicht oder überschritten haben. Tag Hauptergebnisz aller dieser Un tersuchungen sei hier gleich vorwegg nominen. Es beruht in der lkrtennts nisz, daß die in der neuern Zeit immer zunehmende Tendenz, nur jüngere Leu- » tezu beschäftigen, die Arbeitenden in den meisten Berufen schon an der Schwelle des Alters zu pensioniren, in doppeltem Sinne schädlich sei. Sie be raubt den Staat einer ungeheuren Snmme werthvoller Arbeitslrast und verurtheilt zahlreiche leistungsfähige Menschen zu einem vorzeitigen Siech thum und Tod· Das von A. v. Lindheim und seinem Gelehrtenftab gesammelte Material be stätigt die in der Arbeiter-Invalidi ists-Versicherung des Deutschen Rei ches gemachte Erfahrung, dasz bei den in den Ruhestand Versetzten eine unge heure Sterblichleit sieh einstellt. Wie leistungsfähig dagegen das Greisenal ter sein kann, wenn es sieh ungehindert bis an die äußerste Grenze bethätigen tann. beweist eine Ueberschrift der wis senschaftlichen und tiinstlerischen, wirthlchaftlichen und politilchen Wirt samleit berühmter Greise. Lindheim nennt dieseMiinner. deren Geisteitraft bis an das spätefte Alter ungesehn-seht verblieb oder zum Theile erst um diese Zeit zur vollsten Lilithe gelangte, .Titanen'. Für die Periode zwischen dem 70. und M. Jahre citirt o. Lindheim nachstehende Beispiele: Rommodore Vanderbilt bringt sein Bahnnetz von 120 aus 10,000 Meilen nnd vermehrt . sein Vermögen um hundert Millionen. ; Grote beginnt in seinem 71. Jahre sein ; Wert iiber Aristoteleö. Mit 72 Jah- : ren tonioonirt hänbel sein Oratorium »Nimm-h ver Keit und Wahrheit«. Im sen-en Ank- fchkkivr Meyekdkek sei ne größte Oper, »Die Asritanerin'·, publicirt Samuel Jobnson das beste seiner Werte, »Das Leben der Dich ter«, und vollendet Littre das größte » aller Wörterbiicher. Bliicher schlägf mit 72 Jahren die Franzosen bei Wa terloo. George Buche-can schreibt mir 73 ahren »Da lnrses Regni«, Galilei krna t die Entdeckung der täglichen and wonatlichen Libration des Mon des. Mit 74 Ja ren schreibt-staut sei ne «2lnthropolog «, .Die Metaphysik der Ethik und den «Karnps der Fakul töten«, wird Thiere Präsident der französischen Itepublit, malt Tintoretto das grösste seiner Werte, das tolossale »Paradiee«. Soving oerössentlicht im gelben Alter seine bhanblnng iiber »O ligationen«. Verdi vollendet sein Meisterwerk «Otlpllo«,das als die beste einer Opera anerkannt wurde. fn einem so. Jahre schreibt er »Falstas ", In 85. bewunderun ewtirdtge litchliche Kompositionen, to e «Avo blas-ich »stain matt-H »’t’e l)esnm«. Piet ternich und Ottrnaret traten in diesem Lebensalter von der politischen Schau diihne ab, Crispi wird Premieerninis ster von Italien. Viktor Hugo schreibt mit 75 seine III-Ihnen J un ckimo«, mit 79 »Don Qui-isten Vonts do Istsiskprth mit 80 »’1’0kquemmän«. Von Lamartine besitzen wir eine No Vcllc, »Hier (I·.-szs«, Mc ck im 7s« Jahre vollendete. Jn demselben Alter schreibt Washington seine Anteil-tosen phie, beginnt Humboldt den » os mos", den er im 90. ahre beendet. Bist arbeitet noch zwis n seinem 77. und 83. Jahre an seiner »Physikali schen Astronomie«. Jm 78. Jahre vol lendet Lamaket sein größtes Wett: »Die Naturgeschichte der Wirbeliosen«. Und auch in den 80ek Jahren zeigt si noch das Ieidherrengenie, das bewei ver Sieg des 82jöhrigen Rodeßiy bei Novara. Noch überraschender ist vie Stati stit der zwischen beni 80. und 90. Le bensjahre vollzogenen Leistungen. Jn diesem Alter begann Kato seine grie chischen, Plutarch seine lateinischen, Sokrates seine mutalischen Studien. Gladftone eröffnet seinen berühmten MidlothianFelbzug, der ihm zur Macht verhalf, mit 80 Jahren. Noch im 85. Jahre war er Premierminister. Goethe vollendet den 2. Theil des «Fauit« im so. « abke, Rante be innt im gleichen Alter eine »Weltgeseh chte« unb vollendet zwölf Winde bis zu sei nem im 91. Jahre erfolgten Tobe. Buffon, der große französischsk Natur forscher, arbeitet bis zu feinem 81. Jahre an feiner 44biinbigen »Natur gesehichte". Palmerston ftirbt im sel ben Alter als Premierminister, Ch.W. Peale malt mit 82 Jahren ohne Au gengläfer eines seiner schönsten Bilder. Voltaire veröffentlicht mit 83 Jahren die Tragödie »Jrene", Tennoion gibt der Welt in feinem «(irofsing the Bar« einen herrlichen Schwanenaesang. Newton arbeitet mit N Jahren wie in der Mitte feines Lebens« herbert Spencer stirbt in diesem Alter bei un aeschwiichter Geisteotrast, Tallehrand beherrfcht die politische Situation in seinemLande bis zu feinem 84.Lebens jahre, Guizot zeigt mit 87 Jahren un verminderte Schaffen-straft der engli sche Philosoph Hobbez veröffentlicht eine Uebersetzung der Odnssee. Moltle ist mit M Jahren noch Generalstabs chef der Preußifchen Armee. Mit 89 Jahren malt Michelangelo noch an feinen Monumentalaemälden. Theo phrastuo beainnt sein größtes Wert »Der Ehoratter des Menschen« an feinem 90 Geburtstag. Tizian malt mit 98 Jahren feine «Schlacht von Le panto« und ChevreuL ber große Nas tursorscher, arbeitet ununterbrochen bis zu feinem 103. Jahre. Angesichts folcher Leistungen des spätesten Greisenalters wäre es ver messen, der Nitslichkeit irgendeines Menschen eine vorzeitige Grenze zu seyen. Mit Recht bemerkt Dr. Cunler, daß fiir die meisten Vorfätze und hel dentbaten die Jugend u. friitkes Man nesalter am günstigsten sind, daß aber fiir ewisse andere koncentrirtes Den ken, ange Erfahrung und das gereifte Urtheil des Alters die beste Ausstats tur.g bilden. Aehnlich behauptete der alte Kato: »Nicht durch Stärke oder Schnelligkeit ode törperlicheGewandt heit werden gro Dinge ausgeführt, sondern durch Ueberlegung Anfeben und Urtheil, Eigenschaften, die dem Greisenalter nicht entzogen werden. sondern in ibm noch vermehrt zu wer den pflegen.« Jedenfalls kann nicht bekannt wer den, dafz viele der besten Leistungen im handel, in der Staatskuan in der Literatur und auf anderen Gebieten von Männern ausgeführt wurden, die weit über 60 waren. Kein tüchtiger Mann wird sechzig als die Grenze tei nee Ehrgeizes und feiner Wirlfamkeit anerkennen. Von großem Interesse sind nun die Ergebnisse der erwähnten statistischen Originalerhebuugen v. Lindheirns. Sie belehren uns nämlich über die Momente, welche zurVerlängerung der vollen menschlichen Leistungsfähigkeit beitragen. Als solche werden ange führt: die Ernährung an der Brust der Mutter oder einer gelundenAmme, die Abstammung von gesunden. lang lebigen Eltern, die legitim geschlossene Che, Mäßigteit und Regelmäszigteit im Leben, Beschäftigung bis in das späteste Alter und tunlichste hinaus schiebung des Ruhestandes. In der Regel unabhängig ist die Dauer des menschlichen Lebens und der mensch- - lichen Leistungsfähigkeit von folgenden Momenten: vom Aufenthalte in Land oder Stadt, von Kummer und glück lich überstandenen Krankheiten, von Wohlstand oder Armuth. Jst allge meinen rotrtt Uepptgleit eher schädlich, Aemu erhaltend. Was den Zustand des örpees betrifft, ist e Ek haltung der Sehkraft und der Beweglichkeit von größtem Ein flus. Jhr Verlust tiith das Leben ab, roeil er die Arbeit unmöglich macht. Den Bezug auf die Kost wurde festge stellt: Die gemischte Kost ist zu bevor ugen. Mäsziger Genuß von Alkohol site alternde Menschen ist niiglich. i Mäßizer Genu von Tab-at ist nicht sgesms heil-ichs rich. Ja Oklahoma müssen die Frauen ihr Alter angeben, fobaid sie ihre Ra men in die Wähletlisien eintragen las sen. Damit dürften die bösen Mäu net den meisten Frauen die ganze , teude am Wahlrecht verdorben hu n. .