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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (April 16, 1909)
Nebraska « Staats— Anzeiger und J set-old Jahran 29 Grund Island-, Mehr m. April i .I09. ( Zweiter Theil ) Nummer 34. — - I Freiheit tu fernem Der Berichterltatter des Dailn Telegrapb in Teberan veröffent lichte vor Kurzem folgende Schil derung des Gerichts -- Verfahrens das gegenüber Ssia Sultan,dem Be sitzer des hause-, das angeblich die des Bombenattentats gegen den Schatz Verdächtigen beherbergt haben sollte, angewandt wurde: Mein folterte den Beschuldigten zunächst durch Einfliii Fang aller möglichen Medizinen Fa urchtbaren Angstqualen er lärte ich der Unglückliche zu Geständnissen be reit. Da er indessen nur sich selbst be schuldigte, so wurde die Tortur fortge setzt; man schraubte ihm den Kopf in den Stock ein und gab ihm die Basta nade auf denSchödeL Als er auch biet nach noch Lebenszeichen von sich gab, wurden Kon und Füße mit Stricken umwickelt und der Kbrper nach rück wärts langsam zurückgebogem bis er brach. Aber nicht einmal der Tod ge nügte den Henkerstnechtem Der Leich nam wurde noch gedenkt und dein Pö bel zurn Warnungszeichem wie man mit »Landeeoerröthern« umgebe, aus gestellt. Nichts kann die scharfen Gegensähe besser beleuchten, die in Perssen zwi schen den seeibeitlichen Jdealen der konstitutionellen Partei und der real tionären Wirklichkeit bestehen, als ein einziges solches Beispiel unmenschltcher Barbarei. Moderner Verfassungsstaat und mittelalteriiche Kultnrrobeit. wie sie sich in derartiger Justiz offenbart, Bd zwei politische Pole, die sich wie k uer und Wasser abftdßen. Jbre Ge aeniiberstellung mußte nothwendig zum Anarchismus und zu den blutigenBilr gertiimpfen führen«die das unglückselige Land seit Jahren erschüttern, noch im mer mit ungeminderter Schärfe fort gefiibrt werden und heute so wenig Aussicht auf Beendigung bieten wie beim Beginn. F-« Wie wird die Tragödie enden? Die Frage berührt nicht nur vom allgemei nen tulturgeschichtlichen Standpunttc. sondern auch von der Watte der aktuel len Politik ans die ganze politische Welt. Es sind nun iiber zwei Jahre hingegangen, seit in Teheran sam Jl. tDezember 1906) das »grundlegende Versassungsgesetz der Nationalver sammlung« von Muzasser ed Din nnd dem damaligen Kronprinzem dem heu tigen Schuh Mohammed Ali Kadschar, genehmigt und beschworen wurde. Seitdem hat der Konstitutionalismus auch im mächtigsten mohammedani schen Staat, in der benachbarten Tür lei. seinen Siegeseinzug gehalten. Der Perser Jbrahim Beg tlagt über die Zustände seines Vaterlandes in seinem Reisebuche ». » es gibt teine Sicherheit, leine Arbeit, lein Brot. Viele Aecker liegen brach, große und tleine Städte gleichen, arm an Ein wohnern, Jriedhdsew . . . Jn diesem Land, so uralt und gewaltig, gibt es weder Schulen siir den Unterricht und die Er iehung der Kinder noch Kran tenhäueer noch gesundheitliche Aussicht noch ein Gesetz, das die Grenzen der bürgerlichen Rechte estseht, nicht ein mal der Name von iinsten und Wis senschaften ist zu finden. Nirgends, von den Städten ange angen bis zu den Dörsern, ist ein Schornstein zn etner Maschine oder Fabril zu sinden, dessen Rauch in die Lüste steigt. Nie mand sorgt sür den Zustand der Mo scheen· Die Gräber der großen Ahnen sind zerfallen. Das Voll achtet weder die hohe Eeistlichteit des Vaterlandes, noch lie t denFiirsten ihrer Untertha nen Wo l am setzen. noch halten die Untergebenen es siir nöthig, der-Obrig teit Y: ge orchen. Niemals tommt ih nen r danle an das allgemeine Wohl oder die Erhaltung der Vater land-Iehre, der Würde, des Gedetheng der Nation. Regierun wie Negterte denken nur an Aeuszerl chteiten.« Das Furchtbarite dieser Anstaan besteht darin, daß sie nichts übertrei ben, sondein buchitiiblich Wahrheit find. Es gibt taum eine Nation, die von ihren bereichern so ausgeiogen und bis aufs Blut tveannisiit worden iit wie das petscsche Volk von den Kad icharem Auf dem Thron Despoten, die nur an ihre Bereicherung und an ile Wohlleben dachten, die Verwaltung in den Händen eines beitechlichen und ver wahrloiten Bureautratiemus, die Ju stiz ausgeübt nach rabuliitiichen und williiirlichen Auilegunqen des-Kommt die Mehrheit der Geistlichen dumm, träge, habsüchtig, die Gkoßtaufmann chaft ein Bun von Wucheeern, der utch die beriichtigten Getreidecornets die Brotpreiie zu unerhörten höhen hinauftrieb: das iit in wenigen Stri chen das Bild der Regierung, unter der das peksischt Volk jahrhundertelang aeieuizt hat. Unter dein Großvater des jetzigen Sehnt-L Nassr ed Din, erreich te das Elend und die Willkür den höhevunlt Eines Taaeö wurde z. B. der Befehl aeqeben, alles anbaufiihiae Land mit Mohn. zu bepflanzen —- mit » dem Gewächs-, dessen Erzeugnis-» das Opium, dle anze Bevölkerung vergif tel und ph ich zugrunde richtet, des sen Besteuerung aber dem Kronlchatz jährlich Millionen zuführt Jn den geovinzen lchalleten und malteten die out-erneute, wie sie wollte-U als le itendes Zeugniß ihrer Gewallheeefchaft gehen noch heute Tausende von Men schen ohne Ohren. Nasen, Zungen und mit anderen verstümmelten Gliedern umher-. Am 14. Juli 1908 unterzeichnete der Nachsolaer Natisr ed Din ein »Ge- » richtsver assungsge eh'«, das die Er- J richtung eines Parlamentes vorsahJ Die überraschende Nachricht wurde in Europa vielfach dahin gedeutet, daß der gutiniithige Muzaffer ed Din aus Begeisteruna für die liberalen Formen des politischen Lebens, die er aus sei nen Reisen durch Europa kennen ge lernt hatte, feinem Volke freiwillig das arbszartige Freiheitsgeschenk geis macht habe. In Wirklichkeit waren es Grunde sehr realpolitischer Art, die den Schuh zur Verzichtleistung auf ci- « nen Theil seiner ablolutistischen Ge walt veranlaßten. Trotzdem das Volk bis aufs äußerfte ausgepliindert wur- . de, um die königliche Schatulle zu fül len. war die Krone infolge der maßlo verschwenderischen Hofhaltuna in im-» mer größere Schulden und damit in» Abhängigkeit vomZaren gerathen. 1898 ließ tituszland dem Schah 12 Millionen Dollars für feine Reife nach Europa, 1902 folgten aufs neue 7Zs Millionen Dollars· Weitere Kredite aber konnte oder wollte man in Petetsbura nicht geben; der Schah hoffte, indem er Per sien zu einein verfassungsmäßig und modern regierten Staat machte, sich den internationalen Anleihemarli zu eröffnen und sich fo von dem drücken den Joch des nordischen Kotofsers zu befreien. Im Volk aber hatte die jahr Eundertelange Knechtung doch nicht die stinnerung an bessere Zeiten, denf Jdealismus und die Freiheitsbeaeistes i runa zu tersticken vermocht. Es gährte an allen Enden des Reichs. Ein deut tlichedAnzeichen kommenden Sturms war der rodus des Teberaner file-« rus im Jahre 1905. Das Volk hatte in ! ieinersitoth sich an die niedereGeistlichi keit, die Mokla3, gewandt, und diese hatten den Schah darauf hingewiesen, daß das Heilige Wort des Propheten tie Berathuna der Fürsten durch dar-l Volk in allen politischen Angelegenhei ten verlangr. Als den Bittstellern in qroberWeise die Thür gewiesen wurde, tagen sie nach Aerbela, dem Centrum des Schiitiöniuo, aus. Die Moscheen in Teheran waren verwaist, der Bür ger konnte seine Gebete nicht mehr ver richten, er leate daher -— ein echt orien talischer Zug —- auch die Arbeit nieder, das Ansehen und die Macht der oppo sitionellen Parteien wuchsen sämtan Diese Parteien konnten natürlich nur ein lichtfrheues, öffentlicher Auftreten vermeidendeo Dasein fristen, waren aber eben deshalb um so gefährlicher. Die Reaktion des Despotismus von oben ist regelmäßig Raditatismus und aetualtthätiae Geheimbiindelei in den unteren Schichten der unterdrücktenj Intelligenz. Aus der Zeit, da in Per- f sien noch freiere, echte Volkssitten herrschten, haben sich die Endschumen erhalten, Räthe der Gemeindeältesten und Beamten, denen die Mitwirkung an allen örtlichen Gesetzen zusteht. Jn diesenRathskörpern machte sich immer mehr das demagogische Element breit; aus ihnen bildete sich der »Endichumen e umera«, ein liberaler Klub, dem der grii teTheil der versischenBeamten an geh« rt, der die stärkste Stütze der Op position rst und Zweigverbände in al len größeren Orten Persiens besitzt. Von Baku aus unterwühlten Emissäre des russischen Anarchismus den We sten des Reiches und fanden unter den Bewohnern von Aserbeidschan, die ab gesehen von den Tributen fiir die ver schwenderische Doshaltung in Täbrisz noch durch die nomadisirenden Kur den ausgepliindert werden, viele ihren terroristischen Lehren willig lauschende Ohren. Die Lage des «herrscherg allerHerr scher, des Millelpunltes des Weltalls-« war also nichts weniger als allgebies tend, gesichert, unabhängig Muzasscr ed Din suchte vielmehr, indem er dein; Begehren der Liberalen nach einrrVer i fassung nachgab« aus einer äußerlich » glänzenden, innerlich aber längst un--l ierhijhlieu Stellung heraus wie er aus sicheren Boden zu gelangen. Jn dieser Erwartung wurde er allerdings schwer euiiöuschl. Das Versassuugsgrundgesi sey bestimmte, daß nur diejenigen, die le en, schreiben und Eingaben an die Behörden machen können, wählbar seien. Derlei Künsle beherrschen aber auf dem Lande ausschließlich die Mol- » las; dementsprechend entsandieu alle Ddrier und millleren Slädle fast aus schließlich Klerilale in »das haus der Gerechii teil«, den Medschlis zu Tebe ran. o land der Krone im Parla ment eine bermächiige Opposition ge genubet Die einzige zuverlässigeStilhe des Schahs war die kleine royalistische Hofpartei. Die Mollas bildeten ein ! übermächiiaes Centru1n,das in fast allen cnts fcheidenden Fragen mit der li beraten Linien gemeinsame Sache ! machte. Und das erste, was diese Ver isammlung beschloß. war nicht eine fi » nanzielle Hilfsleistung zu Gunsten der Krone, sondern bestand in Anträgen auf starke Streichungen an der Zwil liste und Aufbebuna der Staatspensio nen, die den Prinzen und Höflingen gezahlt werden. Muzaffer ed Din starb bald nach Eröffnung des Parlaments. Der-Kron nrinz residirte in der Hauptstadt von Aserbeidschan, Tiibris. Aserbeidschan ist die außenpolitisch wichtigste Pro vinz Persiens, die Citadelle, die das Reich zugleich gegen den Anfturm der Rassen u. Türken zu vertheidigen hat« Altem hertommen gemäß wird daher dem jeweiligen Thronsolger das Gou vernement dieser Provinz zugewiesen. Russland weiss daraus seinen Nutzen zu ziehen. Der Thronerbe steht hier ganz unter dem Einflqu der Tannen generale und russischtn Offiziere, die die Truppen ausbilden und befehligen. Mohamrned Ali machte hierin teine Ausnahme. Er fiihrte ein höchst will liirliches und verschwenderisches Regi rnent und war seinen russsschen Freun den nicht nur durch Gesinnungsgemein schaft, sondern mehr noch durch Geld darleben verbunden. Das »Haus der Gerechtigkeit« empfing ihn daher bei seinem Einzug in Teheran mit unver hohlenem Mißtrauen. Der neue Herr scher beschwor zwar die Verfassung mit der Hand auf dem Koranx aber- sein Vorleben ließ erwarten, daß er die erste beste Gelegenheit ergreifen werde, um den alten Absolutismus wiederherzu stellen. Kaum hatte daher Mohammed Ali sich die Krone aufs Haupt aeseht, als der Medschlis zur Sicherung sei ner Rechte neue weitgehende Ein fchriinlungen der Krongewalt forderte. Der Staatsschatz wurde beschlag nahmt, der Vollsvertretung die Aus sicht iiber den Rechnungshof und die Etats der einzelnen Ressorts zugewies sen, die Ministerverantwortlichleit ein geführt, dein Schuh das Recht genom-: men, Handelsvertriiae und andere Ge schäfte mit fremden Nationen oder Un ternehmern abzuschließen. Damit hatte das Parlament der Krone den Fehde handschub offen hingeworfen; in offe ner Feindschaft standen sich Herrscher und Vollsvertretung aegeuiiber. Es begannen nun jene wechselvollen Vers fassungslätnpse, die in aller Gedächt nisz sind· Sie gehören derGeschichte an und brauchen an dieser Stelle nicht wiederholt vorgefiihrt zu werden. Sie schließen heute mit einem scheinbaren Siege des Schahs. Ter Staatssireich Mitte Juni gliiclte. Obwohl noch eini ge Tage vorher Abgesandte des Medschlis die Staatskasse leer gefun den, hatte der Schob es verstanden, sich das Geld, offenbar aus rusfischen Händen, zu verschaffen, unt die Tebe raner Tritt-den zu bezahlen und seinen Zwecken gefügig zu machen. Die tsr stürmung des Medschlis und alle sur) daran schließenden Pliinderungen und Niederwerfungen der Revolutionäre waren dementsprechend alleinige Graf-; thaten des russischen-Obersten Liachous als Befehlshaber der Kosatenbrigade Der eigentliche Sieger wäre somit nicht der Schah, sondern Russland Es hat den persischen Herrscher mehr als je mals in Händen. Die russische Hof partei unter Leitung des Emirs Bahn dor ist die eigentlich regierende Partei, der russische Jnstruttor des Schalk-, Schapsah der tnaszgebliche Höflinr Indessen tann man, ohne sich anzuma fzen, Propbet zu sein, voraussagen,daß diese Wendung der Dinge nicht von langer, wahrscheinlich aber von sehr turzer Dauer sein werde. Dem Scha wird der Ausruf zuge schrieben: » ieber ein Diener Ruf-. landg als ein Diener des Medschlig!« Vom Standpunkt eines an Absoluti; mag gewohnten herrschen-, ist ein sol ches im nationalen Licht sast vater landgverrijtherischesWort wohl zu be greifen. Man lann dem Parlament den Vorwurf nicht ersparen, daß es in seinem Eifer siir Erweiterung der Voltsrechte, d. h. seiner eigenen Recht-I, allzu stiirmisch und unbedachtsam vor gegangen ist. Weniger wäre mehr ges wesen oder hätte doch sicherlich mehr er reicht. Gebot der Klugheit ist es, mit großen Herren, auch wenn man sich ih nen gegenüber in der Ueberrnacht fühlt, vorsichtig umzugehen. Andererseits hat das Parlament eine tm Verhäitnisz zu seiner Jugend und seinem Mangel an Erfahrung unerwartete große Arbeits kraft und Würde bei seinen Verhand lungen gezeigt: wenn aus seiner Mitte bedeutende gesetzgeberische Taten nicht hervorgegangen sind, so lie t das in der Hauptsache nur daran, aß es, in »ewigen Kämpfen um Schuh seiner sReehte und von Monat u Monat an deren Ministern gegenil rgesiellt, nie mals zur Ruhe kam. Und dieses Var lament konnte sich bei alledem rühmen, thatsächlich eine Vertretung desVoltes und seiner Jnteressen zu sein, soweit von einer solchen angesichts der allge meinen lulturellen Rückständigteit überhaupt gesprochen werden kann. Niemals hat ein Herrscher aus so ver einsamtem Posten inmitten seines Vol kes gestanden, wie Mohammed Ali es that, seitdem er das »Es-aus berGerech tigleit« auseinandergesprengt hat« Zur Entschuldigung der Eidesverletzung berust er sich darauf, daß die parla mentarische Verfassung mit den Geset zen des Korans und den rnohammeda nischen Rechtssitten überhaupt in Wi rerspruch stehe. Daß das Gegentheil wahr ist, geht schon aus der Vorge schichte der Freiheitstämpse hervor. Der Floran mit seiner echt demokrati schen Staatslehre ist lein Feind, son dern Freund der völtischen Selbstbe stimmungsrechtr. Gerade die Geistlich leit war es daher, die sich zum Vor lärnpfcr des Liberalismus in Persien machte. Dieser Klerus zerfällt in drei . Klassen, die niedere Geistlichteit, die? »tleinen Mollas«,die ohne Weihen und ; Pfründen sind und von Sporteln fürs alle möglichen freiwilligen religiösen und gerichtlichen Dienstleistungen le-t ben: die hohe Geistlichteit, die ,,groszen ! Mollas«, die Weihen und feste Anstel lnnaen besitzen, und die Muschte häds, die angeblich die divinatorische Gabe besitzen, den Koran von Grund aus zu verstehen und spätere Zusätze von den echten Prophetenrvorten unter scheiden zu können. Von diesen Prie sterllassen schlossen sich die kleinen Mollas schon deshalb der Opposition an, weil sie hoisten, unter dem liberalen Regiment zu größerem Ansehen zu ge-- ; langen. Die großen Mollas stellten - sich allerdings den Fortschrittlern ent gegen, als diese die geistliche Gerichts blrrteit allenthalben durch eine bürger liche ersetzen wollten, erreichten es aber, daß die schiitische Religion als Staats religion anerkannt, und daß jeder Sze fetzenttvurf vor derBerathuna ver Be tachtung eines geistlichen Kolleaiutns raufhin unterliegt, ob er mit den Vorschriften des Korans sieh in lieber einstimmuna befinde; sie haben, nach dem sie auf diese Weise ihre Autorität; aesichert hatten. nun größten Theil sichs gleichfalls der Linien zugewendet. Die s iuschtebäds endlich erkennen als Ve tvahrer des echten Schiitismus die acistliche Gewalt der fremden Usurpa torendynaftie, die weder von Moliams med noch vom Geschlecht Alis ab ftammt, überhaupt nicht an. Sie sind es, die beim fanatischen Perser das qrößte und ausschlaggebende Ansehen hesi en; ihr Oberhaupt Ladschi Mirsas Hii ein, der am 9. November vorigen Jahres, angeblich 104 Jahre alt, starb, genoß in der schiitifchen Glaubensmelt s geradezu das Ansehen eines PapstesJ Kurz vor seinem Tode forderte er noch » denSchah in einem persönlichenSchrei- : ben zur Wiederherstellung der Versassi sung auf und ertlärte ihn, als hieraufj teine Antwort erfolgte, als einen Ket- . zer, dem niemand zu gehorchen have» Was aber ein folcherBannstrahl bedeu- ; tet, das ertennt jeder, der sich vor Au- i aen hält, daß im Orient politische und. religiöse Gewalt noch nicht zu trennen sind, und daf; die eine mit der anderen fällt. Dabei hat Mohammed Ali selbst unter seinen nächsten Verwandten nur wenige Freunde; Naileh e Sultaneh. der Onkel und Schwiegervater des Seht-hin der sich größten Ansehens er freute und tiirzlich starb, war der ge schworene Feind des Emirs Bahador, und Seli Sultan, ein anderer Oheim und Gouverneur von Schiras, ein fort schrittlich gesinnterJJbanm ist dich-anyt stiihe der tonstitutionellen Bewegung im Siiden des Reichs. Endlich iit es dem Schuh noch immer- nicht gelungen, des wichtigen Aserbeidfchan Herr zu werden, tvo nach wie vor Rassen, Tür ken, Anarchiften und Nationalisten in blutigem Bürgertampf um die Gewalt ringen. Dr. Lindsan Martin. —.. Das neue Konstantinapcb «s Eine qriechische ,,lst)armanta . Wer nie eine nehört bot, weiß nicht, was sie bedeutet. Aber wer sie sriih und spät neben sich hört, mer von ihr geweckt wird und bei ilrren Klängen entschlumrncrt, der weiß es..., und schaudert. Ein kleiner Kasten mit vielen slatiernden Bändern.... aus dem Deckel das süße Bild einer stets lächelnden europäischen Dame mit einer Rose in der Hand, und in diesem Kasten eingesperrte Melodien. orientalische und europäische. Ehedeni hörte man sein Klingen von fernher wie eine kleine fröhliche Ermunterung mitten in der brütenden einförmigen Stille. Es kam und es verschwand in den Straßen der Vorstadt Und es war wie eine leise Erinnerung, ein schwacher Widerhall der großen freien Sängerfreude, die man innerhalb der Grenzen der Türkei bloß ahnte. Ja, hier, wo Sang und Spiel und Tanz sich wie etwas Heimliches und Verbote nes hinter Gardinen und Fensterluken verstecken, hier empfand man dies biß-— chen Sang und Klang als eine kleine fröhliche Ermunterung mitten in der brütenden einförmigen Stille. Es kam und es verschwand in den Straßen der Vorstadt. Und es war wie eine leise Erinnerung, ein schwacher Widerhall der großen freien Sängerfreude, die man innerhalb der Grenzen der Türkei lbloß ahnte. Ja, hier, wo Sang und ! Spiel und Tanz sich wie etwas Heim liches und Verbotenes hinter Gardinen und Fensterluken verstecken, hier emp fand man dies bischen Sang und Klang als eine kleine seltene Gelegen heit zur Freude. Als aber die »Freiheit« lam, als an einem heißen Julitag, da der Orient feine prächtigsten Früchte zeitigte, da melonenbelastete Kaix die langen Kais entlang fchaukelten und die von Mensch undLasttier gefchleppten fchwerensiörbe schier überquollen von roten Tomaten und schwarzblauen Palitianen, auch diese Furcht plötzlich reiste, die langer fehnte Frucht der Freiheit, nnd sich schwellend von Verheißungen den Un tertanen des ottomanifchen Reiches darbot —— da wurde diese wandernde kleine Freude feßhaft und siedelte sich mit einer gewissen Selbstverständlich leit bei jedem kleinen Cafä an. Und die Casrss wuchsen empor wie Unkraut —— auf den Bollsteinen der Hintergäß chen, auf den Landungsbrücken, die ins Wasser ragen. Ein paar Rohrstühle ein Mangal mit einer tleinen Mel singtannc —- ein magerer Laufbursche mit einem um die schmalen Beine ge wickelten bunten Handtuch — das Kas feehaus ist fertig. Und Politik fliegt hinüber und herüber, wie ein Ball hin und er geworfen wird —- mit einer Sichereit und einem Geschick, als sei dies nicht dasselbe Volk, das vor tur ’ zem den Namen des Sultans nicht laut zu nennen wagte. Auf ihrem Stativ aber steht sicher und selbstbewußt die lächelnde Dame mit der Rose. Ihre « Bänder flattern nicht mehr in der Fer ne um den Rücken eines müden Trä gers. Sie scheint nicht mehr gesonnen, sich vom Platze zu rühren. Ihr Lächeln wird übelwollend, wenn man an ihr vorbeigeht, und scheint zu sagen: »Hier bleibe ich. Ich bin sozusagen ein Sym bol der lauten Voltsfreude!« Immer mehr »Charnianlen« haben sich in jeder der kleinen Städte des Bosporus niedergelassen. Sie quälen und peinigen das Ohr mit ihren stets wiederkehrenden Melodien. Früher hätte jeder der Auserwählten. die das Schicksal in einem der großen stolzen weißen Paläste inftalliert hat« schlecht weg einen feiner Diener hinabgeschickt und gesagt: »Ich will den Speltalel nicht hören. Schaff mir Ruhe!« Und die Melodien wären verstummt, und es wäre so still geworden,daf; man die schleichenden Schritte der dunklen gebeugten Gestalten vernommen hätte, die nntertänig heimkehrte-n zu ihren stillen kleinen Häusern Jetzt aber würde man einem solchen Befehl aus einem der hohen Paläste nur mit Lachen begegnen. Alles ist ja verändert. Die Befehle kommen nicht mehr von ,,oben«, sondern von »unten«. Und die lächelnde Dame auf der Charmanla triumphiert. Ja, auch heutzutage heißt noch: im Orient leben ——— Märchen mit wunder: baren lebenden Bildern lesen. Man hat nur die Blätter umzuwenden. Wer in dem einen Kapitel hoch ist, der ist im anderen niedrig. Was klian Augen blick noch da, ist im näch en wegge schwemmt. Auch heute hat der Orient das Zaudern noch nicht verlernt. st- ät It Jch fragte kürzlich eine tiirtische Frau, ob sie mit der Freiheit zufrieden fei, die ihr so Plötzlich vom Himmel herab in den Schoß gefallen. Sie antwortete: »Ich kenne keinen anderen Unterschied, als daß mein Mann uns früher jeden Abend Essen heimbrachte und wir zusammen aßen und ruhig und fest schliefen — und daß er jetzt jeden Abend im Case sitzt. Frit ber trank er wie die anderen zuweilen Nacke, den griechischen Branntwein —--— jetzt kommt er jeden Abend betrunken heim und schlägt uns dann, und wir haben weder Geld noch Ruhe. Früher Ischlief er nachts so ruhig wie mein I jüngstes, jetzt wirft er sich hin und her und redet im Schlaf von ,,Bolles Stimme« und »Volkes Wille«, lauter ’ Dinge, an die ich nicht gewöhnt bin und die ich nicht verstehe. Nein, mir ging es besser, solange das, was sie »Kon stitution« nennen, noch nicht da war.« Und so gibt es manch einen aus den breiten Schichten hierzulande, der sich nicht recht llarmachen kann, was diese große segensreiche Gabe eigentlich ent hält. — Da lomrnt täglich ein großer prächtiger Türle zu mir, mit einem ungeheuren Weidenkorb aus dem Rücken, aus dem er Weintrauben ver kauft. Er hat Erde an den Kleidern und ein Dust von Humus und nassen Blättern umgiebt ihn. Seine Stirn glänzt von Schweiß, und der breite Rücken ist gebeugt unter der überquels lenden Last des Korbe5. Wenn seine großen erdigen Hände die üppigen Trauben emporhalien, und die Sonne die durchsichtigen, hellgrünen Beeren durchleuchtet, und er in seiner blumen reichen Sprache ihre Süße preist, wäh rend die Last deg Korbe-z ihn schwer zu Boden drückt, dann erscheint er mir so recht als das lebendige Bild des erd gebundenen tiirlischen Volkes mit all seinen großen reichenMiiglichieiten und f- seiner verantwortungslosen Freude. ) Da ist mein griechischer Jntendant s von anderem Schlage. Er liest alle Zei Itungen des Hauses zuerst, er erscheint isteis in hohem gestärtten Kragen und idiinkt sich vornehmer als alle anderen s Sterblichen. Er war es auch, der den sTiirken eines Tages fragte, ob er sich sdenn über die Konstitution freue. Ein isreudiges Ja war die Antwort, beglei j tet von überschwellenden Wünschen für ; den Padischah und alle, die diese »aus l gezeichneteSache erfunden hätten". Als aber der Fragesteller sich nun auch ver anlaßt sah, des Näheren nachzum schen, ob der Türle denn eigentlich wisse, wag ,,Ronstitution« sei, da kam der Bescheid mit der breiten, kindlichen Befriedigung, die der Genuß aller handgreiflichen Freuden in einer ein fachen Natur erweckt: »Konstitution! Ja freilich! damit meint man, daß jeder Mann jetzt prügeln kann, wen er will, ohne daß ein einziger Polizist kommt und sich dreinmischt· . . .« Jn Stambul aber ist vieles verän deri. Man merkt es sogleich, wenn man aus einem der Dampfer des Bod . pokus steigt. ’ Die Vandkhiniicke schwankt und with und stöhnt mehr als zuvor unter all den tausend Passanten, die ihr ge wohnte-J Phlegma verloren zu haben scheinen und sich drängen nnd stoßen wie in Europa. llnd nun erst die Bett ler! Nicht die unbeweglichen, nicht die ohne Arme und Beine,die den Fußbah nen zu beiden Seiten mit ihrem Un glück tränzen, sondern die anderen, die auf uns losstiirzen und drängen und uns alle Schätze des Paradieses und Allahs reichste Gegengeschcnte verhei ßen, bloß siir »on para!« Sie sind noch zudringlicher geworden. Und während man sich ihrer zu erwehren sucht oder ihnen die begehrte kleine Kupfermünze giebt, wird einem viel leicht die ganze Börse gestohlen Es war zur Zeit, da der Ueber schwenglichkeitsdämon der Freiheit die Jungtürien verherte, als man nicht nur den politischen Gefangenen, son dern auch Dieben und anderen Ver brechern ganz plötzlich die Freiheit schenkte. Die leichte Garde der Ta schendiebe, die natürlich ohne Zögern zu ihrem »Erwerbszweig« zurück kehrte, erwählte sogleich die »Briicte« zu ihrem Operationsseld«-— die schau telnde, buntfarbige ,,Briicte«. »Fra ternito2« eines der Losungsworte der neuen Regierung haben sie mit der Bettlerbande geschlossen. Und nun ist keiner mehr in dem Gedränge der ValidehsBrücke seiner Habe sicher. Täglich werden Diebe verhastet und solchernrt wieder den Zellen zurückge geben, die sie erst vor kurzer Zeit ver-« lassen haben. » Hat man die Valideh - Brücke über schritten-—sei es in der Richtung gegen Pera oder gegen Stambul —--, soist die erste Veränderung, die sich dem Auge nusdrängt, die schwarze und weiße Flut von Zeitungen, die uns überall entgegenquillL Die Orient ist ge-« wohnt, nlles rings um sich her auszu» breiten ganz priinitiv und einfach. JDie Zeitungen liegen hoch ansaettapelt Iniitten aus der Straße. Man weicht Tihnen aug, um ihnen sogleich wieder ; nnd wieder zu begegnen. Jeden Tag swerden neue Zeitungen mit neuen ver ! lockenden Namen geboren. Man bietet jsie überall aus, und sie sind in allen «Sprachen zu haben —— in Türkisch, ;Arabiich, Griechisch, Armenisch, Ver stich, Französisch. Englisch, Deutsch IJtalienisclY Bulaarisch, Serbisch, He bräisch usw. Keine Stadt kann wohl so viele Druckereien in den verschieden sten Sprachen auskneifen wie das viel sprachige Konstantinopeh und wohl ,niraendg hat sich .die srischaewonnene Freiheit der Presse so fruchtbar erwie sen wie hier in dieser großen, heißt-lit tigen Stadt, wo Jdeen und Gedanken so lange gesungen gehalten wurden. Aber der Ton der großen Zeitungen ist ein qernäßiater und ruhiger und er mahnt stets zu Ueberleung und Vor richt. « E. Lindberg-Dovlette. "· s «.7—f«h—"--sp«-»"- III-:- s - s« «