Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, April 09, 1909, Zweiter Theil, Image 12

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    «-—-,-.-——M--—... - - - «- .--.-.- - -
Oper-morgen.
VonJosephBendeL
- in Judel tönt durch helle Lüfte,
Ein tausendstfimmiger Freuden
, m ,
II wallt empor wie Weihrauchdiiste
IS Flur und Wald. und rings er
schuf
Its der erstord’nen sreudeleeten Erde
Un nettes Leben das allmächt’ge
«Werde«.
Die Sonne steigt in hell’rem Glanze
Im wollenlosen Dimmel aus
Und bricht des Winters lehte Schanze
In nnhemmbarern Siegeslaus;
Es leimt und tnospet, treibt und
sprießt, entfaltet
Die Erstlingsbliithen grünet und ge:
staltet. l
Ein sel’ger Auserstehungs - Morgen! ;
O tritt hinaus. wo Alles Iebt, !
Dass es den schweren Stein der Sor- j
gen
Born Grabe Deiner Freuden hebt. »
Jst Glaube, Hoffnung, selbst die Lieb’
erstorben,
O, tritt hinaus —- und neu sind sie
erworben!
—
Yeuergrütrting.
Eine Ostergeschichte von Edward!
Stilgrbauer. »
— l
(
Das war ein seltsames Jahr. Schon z
bald nach Weihnachten, in den »
ersten Tagen des Januar, hatte H
sieh der Frühlingssturm erhoben. ein
lauer, von Mittag herwehenderSturm,
der Wolkenwand ausWollentvand, Re
gengnß aus Regenguß mit sich geführt
hatte. Schnee und Eis des Dezember
Deren ihrer Wege gegangen und im
Februar hatte das ganze Flußthal
are-gesehen wie ein einziger, großer
Riesenseq denn all das himmlische
Besser hatte in dem Bette des Stro
mes keinen Plah mehr finden können.
der Fluß war in die Breite gegangen
nnd hatte Felder und Wiesen über
schwemmt Aber der Himmel schloß
seine Schleusen, das Wasser verlies
sich. und da Ostern vor der Thüre
stand, war der Kampf zwischen Win
ter und Frühling siegreich zu Ende ge
sochten aus Veilchen und Primeln
wand sich der Sieger seinen duftenden
Kranz in das loaige Blondhaar und
vom wolkenlosen Himmel grüßte eine
neue goldene Sonne den auferstande
nen Freund.
Durch die Straßen und Anlagen
der Städte wogten die Menschen,
gleichsalls wie ans langen Winterban
den Auserstandene, die Fenster der
menschlichen Behausungen waren weit
geöffnet, neuen Frühling und neues
Leben in die Zimmer und die Herzen
zn lassen.
An dem großen Mittelsenster des
ersten Stockweries der Van Carlotta.
einer der schönsten nnd elegantesten,
non einem großen Garten umgebenen
Wangen im vornehmsten Willen-»
vierte-l der großen Stadt, stand die «
immer noch jugendliche Herrin des j
drächtigen Anwesens und schaute J
tränmerisch hinab in den wohlgepsleg- «
ten Garten, dessen Beete der Gärtner
gestern zur Feier des herannahenden(
Osterfestes mit Hyazinthen, Tulpen
nnd Krokus den ersten Boten des
Frühlings, geschmückt hatte. Eine «
schlanke Birke, die an der einen Seite
des breiten wohlcoupirten Rasenbos- ’
letts stand, war eben daran, ihre
ersten zarten Känchen zu entfalten, -
nnd jubelnd huschte ein Bad-sinken
psar durch die Zweige des Baumes,
das Mannchen laut tieilirend, dasj
Weibchen leise lockend, als sei der Mai
s da nnd als sei es an der Zeit, ;
s n Restchen zu bauen. :
Die immer noch jugendliche herrin
der Ian Carlotta, die kaum dreißig
Me Bankierswittwe Charlotte
Wüns, seufzt leise vor sich hin.
Dss einen Buchsintenpärchen im
stähling auch an so mancherlei erin
nern kann! Seit zwei Jahren ist ihr
Mann nun todt. Und standhaft hat
alle Anträge. die man ihr in dieser
«ich nicht langen Zeit ofsen nnd
Winter Weise gemacht hat, zurück
Mert Denn einmal hat sie ja ei
III Sohn, der Bub ist jetzt els Jahre
akt. siir dessen Wohl nnd Wehe sie
wirk- tann, nnd dann diese Anträge,
Ist-s ein Wunden daß sich mancher
nicht geniren würde, die Ban Car
btts mit ihr zu theilenf Das war
. - U MJHHXLMLIUWM
« - miissen
M Its- csrlpttni Sie hat das
Its-sen, die schweren Sardi
Iet sind sorge , denn der Glanz
- is M blendet sie nnd
sie möchte träumen und träumen. Um
den vGatten trauert sie nicht, um ihn
kann sie nicht trauern, denn wie der
sich damals vor zwölf langen Jahren
ihrer eben erblühien achtzehnjährigen
Schönheit bemächtigte, wie der sie ge
tauft hatte, ja, sie konnte wahrhaftig
Irr dieses eine häßliche Wort »ge
tatft« Mr diesen Handel gelten lassen,
. das war nicht, um ihm nachzukrauem
» M auch die Ehe war nicht danach
. , , Eine Ehe ohne Mangel, im
, . des Unserer stritt-tun n
W M in der jedem «
JU
—
zetaen nichts und beiden zusammen!
gerade das Allerbesise sehltr, der nach- i
trauern, das hatte wahrlich keinen »
sma. Rein. diese zehnstihrige Ehe!
mit ihren Willen und Vergnügungens
im Winter und Sommer, die Mr ver- l
gessen. sie wäre nicht vorhanden ge-l
wesen, wenn nicht Gustav. ihr Sohn,
das einzige bleibende aus diesem Zu- »
sammenleben zweier so grundverschie- i
dener Naturen, daran gemahnt hätte, !
daß diese Ehe wirklich einmal war. «
Als sei es gestern gewesen« steht noch
der Tag vor ihrer Seele, an dem sie,
das einfache und anspruchslase Ge
schöpf, die Braut des reichen Bankiers
Cornelius geworden. Weit draußen in
der Vorstadt hatte sie damals mit ih
ren Eltern gewohnt, mit der stillen
und sanften Mutter, die zu allem.
was der Vater that, nur Ja undAmen
sagen konnte, und mit ihm, dem Ba
ter. dem Projeitenmacher, der es sich
nicht ausreden ließ, daß er es noch
einmal in seinem Leben zum Millio
när bringen würde. So schlecht es
ihm auch ging! Und schlecht war es
ihnen doch wahrhaftig gegangen, sonst
hätten sie doch damals nicht das beste
von ihren vier Zimmer-i abvermiethet
an den Doktor. den Philologen, und
der ihr als erster von einem jungen,
ungeahnten Glücke erzählt hätte, des
sen zwei Menschen, die sich wahrhast
lieben, theilhastig werden können. ;
Bauunternehmer war ihr Vater ge-"
wesen und als solcher war er mit Cor- «
nelius in Berührung geiommen. Der
reiche Mann hatte sie besucht, damals,
als draußen in der Vorstadt der neue
Bahnhos entstand, und aus dem neuen
Bahnhos heraus baute derVater Plan
um Plan von neuen Straßenziigenl
und neuen Geschöstsoierteln, undE
heute nach zwölf Jahren waren die;
Projette des Vaters Wahrheit gewor- j
den, mit dem Gelde des Bankiers;
war nach den Plänen ihres Vaters
eine neue elegante Stadt um den
Bahnhos herum entstanden. Millio
nen waren dabei verdient worden sasi
ohne jedes Opser . . . . denn nichts,
als ihr kleines, armes herz war das
Opser gewesen . . . . was das wohl
bedeutet . . . . so ein kleines. dum
mes Mädchenherz im Vergleiche zu
Millionen?
Als sei es gestern gewesen . . .
steht dieser Tag heute noch vor ihrer
Seele . . . . Wie der Vater ihr sagt-,
Cornelius habe um ihre Hand ange
halten, wie sie erwidert, sie könne nicht,
sie dürfe nicht sie sei nicht mehr frei,
sie habe dem Doltor ihr Wort gegeben
. und wie sie dennoch jenen Brief s
schrieb, den er am Abend in ihremi
Zimmer fand, nachdem der Vater ihr i
tlar gemacht, daß er sich und sie schon
mit haut und Haaren dem Bankier
verkauft habe . . . und wie er dann
gegangen, ohne ein Wort der Erwide
rung, und wie aus seinem Briefe her
vorging teinen Glauben schenkend ih
rer elenden Phrase, daß sie sich dochi
in ihren Gefühlen ihm gegenüber ge- !
täuscht habe. ;
Und dann war die große Leere ih- l
res Lebens gekommen . . . . Zwölf
Jahre nun in Saus und Braus, zehn
als Frau Eorneliui und zwei als
Wittwe und der Dottor, der nunmeh
rige Oherlehrer Schweizer, hatte sie
nie mehr eines Wortes gewürdigt.
wenn es der Zufall gewollt daß sie
ihn da und dort, wie das manchmal
nicht zu vermeiden war, in einer ·-Ge
sellschaft oder bei einer öffentlichen
Veranstaltung traf. Denn Schweizer
war ein viel begehrter Mann gewor
den. Einer der beliebtesten Lehrer,»
der außerdem noch in zahlreichen
Mädcheninstituten Literatur unter
richtete, wurde er als Junggeselle von
35 Jahren mit seinem mehr als aus
tömmlichen Einkommen überall ange
schwärmt. Er hielt gelehrte und fes
selnde Vorträge in akademischen Ver
einen, war Vorstandsmitglied der
angesehendsten tünstlerischen Körper
ischaften und seine gesellschaftlichen
i Talente wurden noch erhöht durch den
ist-eis, daß er als stilgetvandter und
jfatrischer Fenilletonist einer der am
iliebsien gelesenen Mitarbeiter der
größten in der Stadt erscheinenden
Tageszeitnng war, ein Umstand, der
ihm in gewissem Sinne ein gefürchte
tei höheres Wesen verlieh, denn die
Eingeweihten erkannten mit leichter
Mühe, von wem in diesem oder jenem
von der ganzen Stadt verschlungenen
Fenilleton die Rede war. Aber bepi
hast war Dr. Schweizer nicht« er
hatte nur einen scharfen Blick fiir die
Schwächen seiner Mitbiirger, die ihm
seinen lübmswkedigen hie-nor a
dann nicht veriibelten, wenn sie
getroffen fiihlten; kurz einer der selte
nen die fiir jedes Ding die nicht ver
leiende W sindend alles sagen
wommnkommmwees
::gikt «crlaubt ist, was gefällt« ;
Die Thür zu dem Zimmer, in dem »
Frau Charlotte, Träumen der Ver-,
gangenheit nachhängend, sihy witd’
ungestütn geöffnet. Gustav, ihr ein- s
ziger stürmt herein, ein blaues hest
in der hand. DE e Wangen des Kna- !
ben sind hochgetöthet und in seinen
großen, blauen Augen« dem Etbthett
der schönen Mutter-, hängen zwei dicke »
III-tönen. ;
Miasm, fchluchzt der Junge Mk
»Ist Este-IMM« M Asche-s
M list- Isk des sub-, H WÅ
ungenügend nnd ich hab’ boch gestern
Abend noch im Bette bie Berba aus
mi alle butchgsenommen. Herr Dr.
Schweizer hat die beste gleich in der
Stunde torrigirt, heute Nachmittag
ober morgen ist die Berseiungitonfh
renz und . . . . und «gebt euch große
Miihe,« hat er gesagt, »denn wer die
Berba auf mi nicht tann, den tann ich
beim besten Willen nicht versehen«
. und nun ist mein Extemporale
ungenügend! — Mama ——«
Ein erneutes Schluchzen ringt sich
los ans der Kehle bei Knaben . . .
«habt ihr denn auch Griechisch bei
Herrn Dr. Schweizer?« fragt Frau
Charlotte, nur um etwas zu sa
gen . . . .
»Aber natiirlich. Mama.« antwor
tete Gustav, »Lateinisch, Griechisch
und Deutsch . . . er ist doch unser
Klassenlehrer . . . und hat sich immer
große Mühe mit mir gegeben . . .«
Frau Charlotte erröthet leise . . .
Sie schämt sich. er hatte sich große
Mühe gegeben mit ihren-. Kinde . . .
und sie, was wußte sie denn von dein
Stundenplane ihres Sohnes . . .
Griechisch unb Lateinisch . . · kaum,
daß sie noch eine Ahnung von ihrem
bischen Französisch und Englisch aus
der Möbchenschule hatte . . . und nun
Griechisch und Lateinisch . . . .!
Sie tonn ja nicht einmal die such
staben lesen in dein beste. das sie ba
in zitternden händen hält, die Buch
staben. die ihr Kleiner geschrieben hat
. . . diese griechischen Buchstaben . . .
aber die stolze Schrift, in ber dieses
«ungeniigend« dasteht unter ber Arbeit
am Ende der Seite . . . die tennt sie,
sie hat noch einen Bries in ihrem ele
ganten Schreibtische, geschrieben in
diesen stolzen männlich willensstarten
Zügen . . . einen stolzen Abschiebsg
bries. Die Antwort aus die Phrase
von den Gefühlen die sich getäuscht
haben . . . Jn diesem Briese heißt
es: »Das Gefühl sollte der einzige
Nitstern unseres Lebens sein, darum
sagt einer unserer größten Dichter,
folgen Sie Jhrem ersten Gefühl . . .«
Aus dieser Erinnerung erweckt sie
der Knabe er ruft sie zurück in die
Gegenwart
Bettelnd hat er feinen Arm um der
Mutter hals geschlungen und nun
schmeichelt er: »Ja. Mutter, die ande
ren. die einen Vater haben, die sind
viel besser daran. Mit den hausleh
rern ist gar nichts, die helfen einein
doch nicht wie ein Vater und
dann . . . .«
»Und was dann?« fragte sie . . . .
»Und dann, die Väter besuchen alle
die Lehrer vor der Versegung und, du
Mama.
»Was denn, mein Liebling .
»Gearg hilldorf hat auch teinen
Vater mehr, aber Frau hilldorf ist
gestern selbst bei herrn Dr. Schwei
zer gewesen . . . und Georg hat ge
sagt. er wisse bestimmt, daß er versetzt
werde . . .« und endlich tommt es
heraus aus dem Munde ihres Knaben,
das, was sie wünschte, das, wovor sie
sich fürchtete: «Mutter, befuche doch
auch du heern Dr. Schweizer, dann
wird er mich sicher noch versehen-"
Aus großen. weitausgerissenen Au
gen starrt sie ihren Buben an, so daß
dieser beinahe erschrickt . . . Und wie
der bettelt der:
»Nicht, Marna, nach Tische sahest
du gleich hin. Am Ende ist die Kon
ferenz schon um vier Uhr . . .«
Sie nickte leise. Anfangs war, um
den Knaben zu deruhigen, in dem Ge
fühle, daß sie das nicht fertig bringt«
daß sie das nicht tann, mit dem spre
chen, den bitten, dessen, sie weiß es ja
nur zu gut, dessen Lebensglück und
Lebensschmerz sie war . . . .
» Aber der Knabe vertraut ihrem Ri
eten, und den Knaben, ihren Knaben,
Jdarf sie den täuschen . . . .?"
! Fast schweigend verzehren Mutter
und Sohn ihr Mittagsbrod . . . .
Beim Pudding kannst es endlich von
Frau Charlottens Lippen:
«Lassen Sie den Kutscher gleich
nach Tisch anspannen, Johann, ich
muß aussahren.
Und Gustabs Augen teuchten, er er
faßt der Mutter hand und wirft ihr
einen freudiger-, dankbaren Blick zu,
und in dem Vertrauen ihres Kindes
findet sie die Kraft.
Vor dem einfachen Wirthshause, in
dessen zweitens Stockwerk Dr. Schwei
zers Junggesellenwahnung liegt, hält
Miengante Gauipage der Van Char
a.
Frau Charloiia steigt die Treppe
hinaus. Sie klingelt vor der Entree
thür des zweiten Stockwerk-, an der
ein Porzellanschilb verkündet: »Dr·
;heinrich Schweizer, Gymnasialobm
.lebrer. Dei Doktor Wirihschoskerin
« össnet die Thür. Sie wischk diehiinbe
an ihrer Küchenschiirze, bevor sie die
bereiigebaliene Karte der elegantes
Dorne in die hand zu nehmen wagt.
Dann bikket see schüchtern, einzutreien,
der here Doktor sei noch beim Mik
kagsessem er habe um 1 Uhr Konse
renz gehabt, und sei ersk gegen deeie
nach hause gekommen.
Bei den Worten der gesprächigen
Frau fällt charkoiien bot Derz in die
Esel-abe, die Konserenz ist also schon
fgetoesery dem Jungen zu liebe bot see
also vergeblich den schweren Gang ge
ibsn. Doch es isi so spsi. Von drin
nen tönt seine Stint-ne, bie Stimme,
die einst des jungen Mädchens Ent
zücken wur. und wunderbar, beim In
hören dieser Stimme strömt es wie
neuer Frühling durch ihre Ideen.
Nun sigt ße wartend in seinem gu
ten Zimmer . . . und nun, nun er
scheint er wirklich und leibhaftig ganz
der Alte, aus der Schwelle und strertt
ihr seine hanb entgegen . . . ganz der
Alte, der Sieger, der er trog allem
sein Leben lang geblieben zu sein
scheint. Aber sieis und förmlich
tommt es von seinen Lippen:
»Was verschafft mir bie Ehre, gnä
dige Frau. Ich bitte Sie, Plai zu
behalten.«
Und schüchtern, stockend wie ein
Kind, bringt sie ihr Anliegen vor.
»Die Konserenz ist heute Morgen
gewesen gnädige Frau . . .«
»Wir- doch zu spät. also umsonst.«
sährt es da durch ihren Kopf.
»Ihr Gustav,« siihrt er ruhig sort,
uich werde ihn als Legien mit in die
nächste Klasse nehmen, denn ich hosse,
daß er unter meiner Leitung es doch
zum Ziele bringt. Er ist ein guter
Junge, ein begabter Junge und stei
szig ist er. aber zu hause scheint ihm
die leitende band zu sehlen. Jch
hoffe. daß es ihm gelingen wird, das
versäumte bei mir nachzuholen.«
»Wie gut Sie sind, here Doktor,'
bringt sie nun miihsam hervor . . . .
Jieinen Dant, gnädige Frau. Der
Lehrer soll ein Interesse an seinen
Schülern haben . . .« Und nun ruht
sein Auge. sast will’s scheinen in
seuchtem Glanze, aus ihren Zügen,
aber sein Blick bleibt sest, wie er sagt:
»Und dann ist et Jhr Junge, gnädige
Frau!«
Jn diesem Moment geschieht etwas
Seltsam-. Weinend finlt Charlotte
nieder aus den Sessel, von dem sie
sich zum Gehen schon erhoben, und ihr
Blick haftet aus einem Bilde an ber
Wand.
Sie noch hier. Jn all den Jahren,
sie noch hier, wie sie sich damals für
ihn hatte photographiren lassen, drau
ßen in der Vorstadt, da er ihr Jawori
hatte. ehe der Vater mit seinen Pro
jelten lam. Sie hier bei diesem Man
ne. in diesem herzen undergessen.
Und nun durchzuat es sie, war sie
denn jetzt nicht endlich stei, die Eltern
todt, der Gatte todt, so sieht sie nun
hier nach so vielen verlorenen Jahren.
Und als ob er. der Sieger, alle ihre
Gedanken lesen könnte, als ob er hin
einschaute in diese Seele wie in ein
Buch, beginnt er:
»Ja, Charlotte, Jhr Bild hängt
hier, denn dieses Bild war ausgegan
gen über meinem jungen Leben wie ein'
schöner Stern, und an seine Sterne
glaubt ein Phantasi, wie ich einer bin,
wenn seine Sterne auch die Dünste
der Erde zeitweise verhüllen. Daß Sie
wiederkommen würden in mein Leben,
das wußte ich, Charlotte, denn daran
habe ich geglaubt . . . .'
Und sie liegt in den Armen des
Siegers und weint und weint . . . .
Thränem wie sie sie nimmer weinte,
seit jenem Tage, da sie ihm den Ub
schiedsbries geschrieben, wie sie keine
weinen tonnte am Traualtar, leine
am Grabe ihrer Eltern und keine am
Sorge ihres Mannes; denn das sind
heilige Ihrönem diese Thriinen eines
neuen Frühlings . . . .
Und am Ostermorgen wandeln drei
glückliche Menschen durch den im er
sien Schmucke eines neuen Frühlings
prangenden Garten der Villa Car
lotta· Ein sröhlicher Junge und
Wins« und sie.
«heinz,« ruft sie da aus einmal
und tlatscht in die hande:
»Sieh doch aus der Birke, meinFim
ienpaar baut sich schon sein Rest« das
ist heuer ein gesegneies Jahr.«
Genüglam.
Ostererzilhlnng.
Was isi das doch site eine Freude,
die Nesterchm im tleinen Gar
ten adznsuchen, zu entdecken,
was wth der Osterhase· für schöne
Tierchen oder sonstige schone Sachen
dort versteckt haben mochte!
Schon Tage vorher gab es große
Aufregung. Denn Martia hatte ge
sagt, dass das häschen nur dann die
Resterchen draußen baue, wenn e·s
schön Wetter sei. Sonst würde es die
Sachen wohl irgendwo im immer
verliessen Das war ja gen-i auch
z nett. aber doch lange nicht so
Wir wie im Garten. — · » «
Am Ostersonntag feierte die Erde
gleichzeitig mit der Auferstehung des
herrn ein neues Auferstehem der liebe
Gott hatte Sträucher und Bäume rnit
kleinen, ganz kleinen Blätter-then und
Knospen überläet, so daß sites to auc
sah, als blickte man durch eine grüne
Ieniiericheibe in den Garten. Der
warme, Inilde Abend prophezeite einen
warmen, milden Ostersonntag.
Und wie blühte da erst des taurn
vier Jahre alten Kindes Herzt
Morgentt Eiersuchen ten Garten!
Das traumeriiche, mit Goldlocken unt
ralnnte Gesichkchtn sah starr, aber doch
glücklich vor sich hin, als lebte es schon
in der Freude. Rudi war ein stilles,
eher irsntlichei Kind, ieeliich weich
und undiindfasn. Es kannte nnr einen
Menschen: feine vergötterte Maine-.
Und doch, seit einein Jahr — seitdem
Manto dein kleinen findt einen neuen
Pape gegeben hatte —-«.— fternd etwas
zwischen Mutter nnd Kind. findt war
ej als gesirte isnt feine Roma nie-IN
mehr La wie fr r. und dsaer hatte
iede :- rtlteszkeit , udii zu Kaina et
was . eel I. das je
desmal war wie e n Jst ird.
Rudi war ja zu Uesin und zu blaß
und zu danken. unt das iagen zs kön
nen, was er empfand. Taro ein Gep
ßer hätte es nicht sagen tdnnen; piet
leicht hätte er ee «?lngft« genannt —
Anait. Mantos Herz ganz an den
neuen 1Papa zu verlieren und dann
ganz allein zu sein.
Gewiß war der neue Papa gut —
frhr gut sogar. Ader Rudi sagte ch,
daß er gar leinen Papa brauche. r
ei doch drei Jahre ohne einen solchen
gegangen und das Kind vollkommen
der Frauenerziehung den händen der
Mama und der guten Großmama,
überlassen gewesen. Sie hatten es wie
eine trante Blume gepflegt und in
lumntervollen Nächten drtn Tode ent
rissen. So oft sie das Kind ansahen,
war es ihnen, als würde das Bild des
Vaters des Kindes wieder lebendiger
—— des Mannes, der zwei Monate vor
Rudis Geburt gestorben war.
Dir Lebensgeister des Kindes waren
so zart. daß sie ein Windstoß ver
töschen konnte. es geschah nun alles
Erdentliche. das Kindlein zu retten
und am Leben zu erhalten. Und da
tam als Hausk- und Kinderarzt zum
ersten Male der spiitere neue Papa
ins Haus« der Rudi stets nur
Schmerzen bereitet hatte. Daß es zu
feinen-. Vortheil war. verstand das
Kind noch nicht. Es hatte nur das
eine Bewußtsein, daß es stets, wenn
der Professor tam, etwas Schmerz
liches zu erwarten hatte —- eine Me
dizin, eine Untersuchung oder eine
Operation, wie damas bei der Diplp
therttis· Und wenn das liebe. weiche
Zureden von Manto und Großenatna
nichts half, fuhr der Professor das
Kindlein barsch du« und Rudi Ce
horchte in stumrnweinender Anast.
Daß es der Professor, ein hergenng
ter, edler Mann, nur gut meinte und
alles nur zu Rudis Beitem that, konn
te das Kind noch nicht erfassen.
So aedieb in Rudis tleinem Herzen
nur Angst und Entsremdnng, statt
Liebe und Zutrauen zum neuen Papa.
Kurz vor der hochzeit schlang Rudi
allabendtich die Tierreichen urn Mantos
hats und fragte zitternd, wie von
Angst gepeinigt: «Scll Rudi den
Prosetscr schon Papa nennen?" Dann
wars sich die schöne Martia, oft schon
verzweiiet und weinend, iiber das
zarte, angstvolle Kindchen und sagte:
»Es geschieht ja nur deinetweaen,
Liebling. damit du nicht ohne Vater
bist. Wir beide würden dich nur ver
wöbnen. verzärteln —- und das Leben
da drau n tärne dir dann zu schwer,
zu grau am vor.«
Rudi verstand das nicht. Er wußte
nur, daß Marna weinte und der neue
Papa dran schuld war.
Eines Abends wurde Rudi aus e
wecktx Marna stand in einem dunt en
Reisetleid vor dem Kinderbettchen,
neben ihr der Prosetsor im Pelz.
Marna beugte sich über das Kind und
sliisterte: ·Jett muß du zu dein guten
Dnte! Papa sagen.« Sie sagte es rnit
unterdriietten Tbriinern Und der neue
Papa be te ech zu Rudi hernieder,
dessen Steng rnit einein kalten,
harten, strudpigen Schnurrbart be
rührend. Dabei sagte er in seiner
derben Manie: ·Na, aib mir einen
Kuß, dummer Bub. Wir wollen uns
lieb haben. Gew« Und utn seine
weiche Stimmung zu verbergen, ver
lekte er dem Kleinen einen scherzbaiten
stand aus den Rücken. Doch Rudi
verstand das nicht und sing an. bitter
lich zu weinen. «Gott, das Kind ist
eben verschasen«, entschuldigte Monta,
ibr Einziaes umschließend und geaen
den Unwillen des neuen Papa ver
theidigend
»Die Faxen muß er sich abgeteilt-ten
und die heulerei«, polterte der here
«Prosessor. « . l
Die arzmche Praxis dieu Den neuen
Papa ost wochenlang fern; denn derj
Ansteckuna halber wallte er sich demx
Kinde nicht nähern. Und wenn er?
kam, machte er einen seiner derben
Wide. Er war eben nichts wenigen
als ein Gesählömensch Inn, eines
Bauern Kind, im zartesten Alter hin
ausgestoßrn in die Weit, schon als
Kind ganz selbst überlassen, war Zärt
lichkeit stets ein unbekannter Begriff»
gewesen. Und doch meinte er es sehr
aut. Durch und durch Seisnsademan,
hatte er sich selbst durchaerungen, bis
er das wurde, was er fett war: einstI
Kapazitiit und Berühmtheit Es be-?
reitete ihm Verlegendeit und Schami
weichere Gefühle zu zeigen, und jeder,
der erst sein her-i kannte. vergötterte
ihn trotz seiner rauhen Auskenschale
und seiner ost brutai-täppiscken Art.
Am Abend vor Ostern schlief Nudi
ein. Morgen also durste er im Gar
ten Nester suchen.
Beim GutesstachtsSagen sragte e«r
Mama, deren zarte, durchsichtiae band
streichelnd: »Er t das hast-Hast heute
Nacht die R ercheni i« Und
Mama sagte, das das Ha um
so Inher Nesterchen bauen wiir , se
braver das fKindlein war
«Und willst du mitsuchen, Mamelii
Ja? Wird dir das dasisbasi auch
Nesterchen mcheni Jas« Dann tam
Frage ans Frage bis der steine Kerl
einschlies und Traume einen schö
nen, schönen blumengarten sad, durch
den ein Dust-hast dopste und mit den
Ohren waaeltez -
Lachende sonne und sriihlicheiMn
dersaucheent Um ze n Uhr, als die
Sonne schon warm chien und den
Morgentbau aussetii t hatte, durste
Indi, nachdem ihm Oumstschechi
Gen anae seien worden waren iowik
die Sama chen, in den Gatten. Drei
Reitean hatte er ichan entdeckt. und
jedes wurde mit einein Jubelschrei »de
geübt Ich. was waeen das file schöne
Sachen, die in den bunten Eiern ver
iirett waren! Schaloladenpiiischen and
ein lleines Bilderbuch. und sogar in
dein Riesrnei eine aanz kleine Eisen
bannt
«Manieli, sind noch viele? Ini«
Rudi war schon abgeheht und miide
nnd wiichte sich die Stirne.
»Noch viee, un ganzen sieben. sehe
dich aber nicht io ab, Liebling —- sonst
verliihlit du dich noch.«
III-einend sprang Rndi weiter und
hatte bald das vierte.
Des-tan- Papa die Terraiynftufen
herunter· ernst wie immer ne sein
tlaree Denkerbliet lachte. Doch das
toll das Kind nicht.
-Sieh. der pa! Wie lieb, daß er
kommt. Lan ihm entgegen, Babi.
und gib ilnn einen ichsnen Mehl«
Rndi wurde ernst; das Kinderlachen
reritunnnte. Gr« ging Jana entgegen.
stellte sich auf die Fuß pitzen nnd gas
Papa einen Kuß. «
»Na. was ist denn, dummer Bnbf
Wie viel Nester halt du denn ichonf
.Viet, Papafsi sagte das Kind ohne
Lächeln.
«Und wieviel sind im aanzenW
.Sieden.«
,Und wieviel bleiben da noch, wenn
dn fest vier gefunden hasti« exainis
ntrte er, ihn an den Locken gutmiithig
zereend
«Vier.«
.Du bist ia zu dumm. Vier von
sieben macht drei. Das könntest du
doch ichan wissen. — Guten Morgen.
Jenny', begrüßte er feine Frau.
Bindi war geiränlt. Ihm wae die
Luft vergangen, weiter zu suchen· Er
halte einige Bläschen und knabberte
iie schweigend, dem Papa den Mitten
zuwendend « , —
«Jennn, lafz doch dae Kind nicht fo
viel Cdatolade essen. Du weißt, das
ift nichts fiir den schwachen Magen.
— Bnbit Gib mir die Mädchen Du
betvmrnst alle Tage zwei, wenn du
brav bift und dir merkst, daß sieben
weniger vier drei macht. Na rafch.
Folg fchön!«
Mit zuckenden Lippen und tdränens
vollen Augen gedorchte das fchwei fam
gewordene Kind. Das Miin chen
guckte weiter. Nun war die ganze
Freude nnd Sonne dahin. Wie ichiin
wäre es gewefen, wenn Papa nicht ge
lommen wörei
»Na, deule nur nicht gleich wieder
Von mir aus verdirb dir den Magen
dummer Bud. Man sagt ed ja doch
nur in deinem Besten-« —- Das Kind
legte still weinend feinen Schuh in
Papai Hände. Und es hatte sich lo
darauf gefreut, damit zu kochen und
Kaufmann zu fpielent
Weicheren Tones fagte dann Papa
.Komm der, heulpeter du! Da hasti«
Und er gab ihm ein Goldstück, das das
Kind hilflos in feinen händchen
drehte, indeß Tdränen das Gesichtchen
derabrollten. eine um die andere.
Mama hockte fich neben Rudi nieder
und drückte fein Gefichtchen an das
ihre: .Sieh nur, der liebe, gute Papa!
Ein blantes Opkdftiieti Wie gut der
Papa ifti Geh doch din, Liebling« und
dante dem guten Papa. Jas«
sindi gab ihm dashiindchem fchrvei
gend. die Augen zu Boden geheftet-—
widerfirebend; dann wandte er sich
um, umtlammerte feine Mama und
brach in ein heißes, fchmerzliches Wei
nen aus« das Gestchtchen in Mamas
Schooß verbergend.
«Wirtlich, der Bild wird alle Tage
diimmer!« rief der Professor ärgerlich
und verließ den Garten.
Mama tröstete das Kind und küßte
und berste es. »Warum bist du denn
fo, Lieblingi Sieh. der Papa meint
es doch fn gut rnit dir. Ein ganzes
Goldstück bat er dir gefchentt. Das ist
doch mehr wertb als das alles
Ireut’s dich denn nichts«
.R —- — n —- neint« fchluchzte der
Kleine
«Aber, warum denn nicht? Papa
hat dich doch lo lieb.«
»O — as Go — oldftiici war nicht
"in ei —- nem Ei —- erchen drinnen
u — u —- und ich mass gar nicht!"
stotterte er in tiesstem Schmerz.
Dem Kinde war der Tag verleidet;
dem Papa auch
Und er, der vernünftige Mann, die
Kapazitiit der Wissenschaft, vermochte
nicht in einer Kinderseele zu lesen.
..-----.O.-—
Optische derteheseisvetihetr.
Man soll nicht mit beschmutzten
Fingern nach den Ileaen anderer wei
sen« i i i
Bist du ein Richter, so sei auch ein
Schlichter. .
Besuche deinen kreund in jedem
Monat einen Tag, c wirst da iheuer
sein. Nur einmal ist des jungen
Mondes Kommen ein Fest siir gross
und klein.
I i I
Ein Dummtopb der den Weiien
vielen will, erinnert an den Wohn.
r ernst« sein bannt im Winde wiegt.
obgleich jedermann weiß, wie klein die
Fidener sind. dtie darin Lehnen.
Wer sich selbst nicht recht kennt,
wird auch andere Menschen nicht rich
tig beurtheiierä ksnketh .
Uenqltlich zu sinnen und zu denken,
was man diitte thun Wan ist das
Ueieih was nean thun iann.