Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, March 19, 1909, Zweiter Theil, Image 9

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    Jahrgang
Nebraska
Staats· Anzetger und II set-old
zi909.(-;wecei riTheu ,
u er :::::
Trost im Leid.
Will die Seele dir verzagen
.-n der Leiden Ueberniasz,
hre deinem Mund die Klagen
Und bewahre dich vor Haß.
Eies des Kummers tie e Zeichen
Aus so manchem Auge cht.
Deinem Leid wird manches gleichen.
Und das einzige ist es nicht.
Nein, der Menschen Thränen quillen.
Rings, soweit die Sonne scheint.
Und nur der tann Thriinen stillen,
Welcher bitter selbst geweint.
Tra drum mit stiller Stärke
All S Leiden, das bis-tränkt,
Zu der Liebe heil'gem rle
Ward es dir von Gott geschenkt
Ernst v. Wildenbruch.
--—
Wenn Menschen alt werden«
Stizze von Margarethe Stei
net.
Im gemiithlichen heim der Frau
Mithin Karoline Jeneele saszen sie zu
samtnen. Ein paar betannte Familien
und der Frau Mithin vier erwachsene
Kinder, eine Tochter und drei Söhne.
Man lam aus die alten Leute zu spre
cheii. da die Hausherrin mit der rei
senden Koletterie der Mütter, die er
schiene Kinder halten« das Prädikat
»alt« sür sich in Anspruch nahm. wo
riiber viel gelacht wurde.
»Hu — alt sein!« Die junge Tot
totsgattin duckte sich förmlich. — »Ah
sein denle ich mir schrecklich!«
Warum nur, ansidige Frau?«
fragte Jemand.
«Jch weisi nicht recht, warum —
aber ich denke, die Alten rniissen alle
furchtbar unglücklich sein-«
Ullaenieiiiet Wortioechsel. Erreateg
Hin und her. Endlich legte sich die
Frau Mithin ins Mittel. .Meine
herrschasten — ich sinde, Ihr Disput
ist zwei-tax da iider das »Altsein« nur
alte Leute urtheilen tönnen. Meine
sitt Kinder werden aus Interesse an
versuche giltlgea Material sammeln
— ich schlage vor: Sie alle kommen
heute iiber acht Tage wieder hier zum
zusammen und holen sich die
Resultant« —
Das wurde mit Freuden angenom
men —- und eine Woche später sasi
man wieder beisammen,«aeipannt aus
das Ergebnis; der vierseitigen For
chung. —
Der älteste Sohn, Fritz, der Refe
rendar, sollte beginnen, was auch an
aesichti seines Temperaments ain rich
tigsten schien. Mit einem aroszen Pa
ctet im Arm trat er in den Kreis.
»Meine herrschasteni Ich gina
durch die Straßen im Weiten der
Stadt, da tras ich an der Ecke eines
Mattt- und Schmuctplanes eine kleine,
weißhaarige Frau, die mit Scheuer
rohr — ich glaube, lo hieß das Zeug
-—-· handelte. Die schien mir recht. Ich
trat zu ihr.
»Guten Morgen, Muttetchen« «
und da ich doch irgendwie antniipien
mußte. bat ich um einige der niedli
chen Bündelchem Erst sah sie inich
sehr groß ari. dann seaate sie lang
sam: .For wieville denn?« —- -- Nu
—- ich hat-« von so etwas teine Ah
nung —- und forderte Filr 50 Pfennig.
—- Und da betani ich diese-.
Er entrollte sein Packet, und ein
Berg von Scheuerrohr thilrinte sich vor
den lachenden heitern.
«Vitte. nicht lachen —- ich half es
sehr schlau anqeiangen. denn die Alte
frag-te zutraulicln »Der Herr sind
wo Junggelell —- — ach Jotte doch,
wie traurig is det mani« — — »Im
Gegentheii, Mutterchen«, sagte ich —
gegen meine Uebergeugung, auf Ehre
—- — «ich finde es viel trauriger,
wenn man to alt ist wie Sie und sitzt
hier alleini« —- — —- Da lachte sie
mich hell aus« daß ihre zwei Zähne zu
sehen waren, und erwiderte: »Me, nee
— det denken Sie man nicht Jch treu’
mir hier alle Tage, wie schön et ieht
qui der Welt ist, und was die Leute
alles for feine Sachen und Bequem
lichteiten haben —- viel schöner als zu
meiner Seit! Da sieht man doch, dsi
de Welt vorangegangen is -- und weil
ich erwachi’ne Kinder da unt-n wo am
Rkoin habe, do treue ict mir alle Tage,
wenn ich denle« wie iut die’t jetzt haben
thun! sta, ta! Ma, wat soll's denn.
junge rqu —- lchönes Scheuerrohr?
—- —- Und sie ließ mich stehen — und
ich hatte erfahren, was ich wissen
wolltet« — —- .
herzlicher Beifall belohnte den tiiltk
nen Iorlcher. der tell-it den rohrenen
Berg nicht gelcheut hatte, um zum Zie
le zu gelangen —- — und dann war
die Reihe an Fräulein Marga. Sie
trant noch einen Schluck Titee und
wanderte
«Und ich bin tu meinem lieben,
großoäterlichen Freunde gegangen.
Den half ich direlt-qelrogt, ob er nicht
traurig iiber lein Alter wäre. Da hat
yet ein Weilchen geliichelt und feinen
iBand Schiller, den er in feinem Gitt
ichen las, bei Seite gelegt. —- »Liebes
Kind —- trauri bin ich ganz und gar
nicht. Siehst u, ich bin in meinem
ganzen Leben nicht so verwöhnt J -
worden. wie jetzt in meinem Alter. e
londers von den jungen Damen
Siehit Du. solanoe man juna ist, darf
fo ein nettes, liebes Mädchen es gar
nicht wagen. einem zu zeigen, daß sie
einem nicht gerade gram ist. Das Ge
rede wäre sofort hinter ihr ber. denn
harmlose Neigungen lassen unsere lie
ben Nächsten kaum einmal gelten. —
Jetzt ist das ungefährlich, mir Fu zei
nen, daß man den alten Onie gern
dat. Jeyt kommen sie und brin en
mir Blumen —— steif mal — die es
Käppchen hat mir eine reizende, kleine
Nichte aefchenkt — und einen blutben
seinen Kufz obendrein! — Und manch
snal kommt wohl auch so eine kleine
Katze und vertraut mir ein Herzens-Iet
lednisz an —- — aber — pstt Darüber
dirf ich nichts saaen!« Und er reichte
mir die feinaeiiderte hand. »Bist Du
zufrieden niit der Auskunft kleine
Freund: n? Du ge orst ja ietkst zu de
nen, die meine be chaulichen Tage mit
ihrer Freundschaft schön und hell ma
chen.«
Das junge Mädchen lächelte noch in
der Erinnerung, und eine kleine Pause
entstand, ehe Franz Heinrich, der
junge Doktor, das Wort ergriff.
»Es-rauhen in der Vorstadt«. be
gann er mit stillem Ernst, »wohnt die
Großmutter eines Kollegen. Sie hat
ein reizendes Haus dort, das sie ganz
allein bewohnt, und ost. wenn ich an
sie denke. fällt mir »die liebe Frau von
der Geduld« ein, die Wilhelm Raabe
so ergreifend in seinem «Abu Telsan«
schildert.-—Gestern. als ich an ihrem
hause vorüber ging, iaß sie wie ge
wöhnlich mit einer handarbeit am
Fenster. Sie erkannte mich und winkte
mir zu. Da ging ich hinaus zu ihr. —
«Sind Sie allein, gnädige Statut«
sragte ich nach der Begriiszung.
»Mir ein Weilchen —- ja!« erwiderte
sie ruhig. —- «Aber sehen Sie dieses
Rachen, das ich stricke —- im nächsten
Moment tamrnt eine Enkelin mit ih
rem Töchterchsn zu mir zum Besuch —
und bei jeder Masche freue ich mich
auf die Zeit, wo ich diese Arbeit iiber
ein Paar rosige Aerknchen streifen
dars. —- llnd zu Weihnachten kommt
mein Sohn aus England mit seiner
Frau aus vierzehn Tage —- nnd im
Friihlina wenn ich den noch er
teke -— finden sich schon ein paarLieb
tinge ein — so geht das sort." —
«Ak:er vie Zwischenpausen —- saßt
Sie dann nicht manchmal die Einsam
ieit —- oder die Ungeduld?«
Sie blickte aus wie einer, siir den
es keine Grenze im Raume giebt. —
—— »Nein —- davon spüre ich gottlob
nichts —- Sehen Sie, unser ganzes
Leben ist ja nur ein Worten —— ein
Wandern zwischen Verheißuna und
Eriiillung —- Das Kind wartet aus
tausend Wunder —- der heranreisende
Mensch freilich nur aus eins, aber das
ioll auch unermäsilich schön sein —- als
Mutter wartet man auf irgendein
Glück, das den Kindern werden
möge —- als Großmutter sinnt man
iiir die Entek —- — so geht ein großes
Warten durch das ganze Menschenle
ben —- —— nur das Warten im Alter
ist ohne Iron, ohne Begehrlichteit und
darum ohne Qual. Es ist ein schönes,
stilles Warten, das nirgends in der
Endlichteit auszuhiiren scheint. und
deshalb sitllt es die Tage des Alters
mit mildem Glanze.«
I
So sagte die «liebe Frau von der
Geduld« zu mir, und ich küßte ihre
ehrwürdigen Hände und ging· Es war
mir. als liime ich aus einem heilig
tbum der Mnichheit.« —- — —
Alles schwieg. Keiner kannte die alte
Dame —- aber ein jeder glaubte, sie
am Fenster siyen zu sehen, und siihlte
den Strom von Reichthum, den sie
in die herzen tiieszen ließ, die ihr nahe
traten.
Da sprang Wilhelm, der iiinaste
Sahn, noch ein Schüler, ungeduldig
von feinem Sitz.
« ht verderbe sich seiner die Laune
für as, was ich zu sagen habe!'« ries
er srisch.
»Ich war der Muthigste, —- denn
ich aina stracks zum Vater unseres
Direktors, einem achtzigiiihrigen
Herrn. Dem habe ich unsere Verabre
dung erzählt und ihn gerade heraus
gefragt. —- Was Glaubt th was der
gesagt hat? —- r nahm die Pseise
aus dem Munde, sah mich schimm
zelnd von oben bis unten an und wie-—
derholte:
«Also mein Junge, Du willst wis
sen, wie man sich fühlt, wenn man alt
ist —- ia —- da mußt Du Dich schon
an alte Leute wenden — ich lann Dir
zart-. darüber noch leine Auskunft ge
n.«
Da llatsrhten sie in die Hände und
ei wurde angesioszen auf das Wohl
dieser vier Alten und aller Deter. d e
ihnen glichen in der ganzen Welt.
syst-deutscher Männer-gesung.
Wenn der deutsche Männergesang
und seine Pflege in zahlreichen großen
und lleinen Vereinen als ein nicht un- .
) wesentlicher Kultursattor angesehen zu
s
werden verdient —- haben diese Ver-«
eine doch sogar in hervorragender
Weise dazu deigetragen, den deut
scken Einheitsgedanten im Volle zu
s pflegen und zu erhalten — so wird
seä um so mehr Erstaunen erregen,
zu vernehmen, daß dieser Kulturzweig
nach Deutschland von Rußland aus
gekommen ist.
Die Geschichte der Begründung des
ersten deutschen Männergesangvereins
mit geselliger Tendenz, die vor einem.
Jahrhundert, am 24. Januar 1809H
gestistet wurde, der Berliner Lieder-.
tasel, ist interessant genug, denn siej
zeigt uns, aus welchen unscheinbaren
Reimen große Lultursattoren entste
hen. Hunderttausende Sänger haben
sich in Deutschland, Oesterreich unds
Amerita und wo sonst noch die beut-s
sche Zunge klingt, zu Vereinen, dieses
wieder zu großen Banden zusammen- I
geschlossen; eine üppig blühende must
talische Literatur hat diesen Sängern
Material stiir ihreUebunaen gespendet,
in jeder Schule wird Diese Wiege org
geselligen Liedes heute betrieben, und
ers ist unltreitig. daß heute die musika
lischenFiihigleiten des gelammtenVols
les, insbesondere der untersten Schich
ten, denen aus dieser Pflege des Ge
sanges oft der einzige künstlerische Ge
nuß in ihrem Leben erwachs, gewon
nen haben —- und alles das geschah,
weil einst ein preußischer König ein
paar russische Soldaten singen hörte.
Der plattdeutsche Dichter Wilhelm
Bornemann (l766—-1851), der selbst
einer der Begründer dieser ersten Lie
dertafel war, hat turz vor seinem Tode
die Geschichte dieses Vereins und sei
nes Entstehens niedergeschrieben, und
aus diesen Auszeichnungen erfahren
wir, daß Friedrich Wilhelm der Dritte
es war, der in der unglücklichften Zeit
seines Lebens die erste Anregung zur
Begründung solchen Gesangoereins gez,
geben hat. «
Der preußische hof hatte sich im
Jahre 1807 infolge der unglücklichen
Schlacht bei Preußisch-Eylau nach
Memel zurückgezogem Da machte die
Königsfamilie nicht selten Ausflüge
nach Tauerlalen an der russischen
Grenze, und kei dieser Gelegenheit hör:
te man russische Leute, vor allem auch
Soldaten, gemeinschaftlich Lieder sin
gen.
Das war auch einmal der Fall, als
sich Bornemann, der Beamter der ziö
niglich preußischen Lotteriedirettion
war, bei Hofe aufhielt. Es war drin
König bekannt, dasz Bornemann als
eifriges Mitglied der von Zelter da
malS geleiteten Berliner Singalade
rnie Verständnis fiir Gesang und Jn
teresfe hatte. So mußte Bornemann
sich auch diese russischen Sänger im
Militörlleide anhören. »EinesSchla-i
ges,« so berichtet er, »stimmten die
Sänger ein und führten ihr Lied, in
strengen Molltönen gehalten, vierstiin
mig talt- und tonfefi durch. So noch
ein zweites und drittes.« Das war
ihm etwas völlig Neues
Dann mußte Bornemann dem Kö
nig seine Meinung über diesen Gesang
mittheilenx und der meinte, daß, wenn
bei Umgestaltung der preußischen Ar
mee der Gesang als Uebung eingeführt
würde, auch wohl die preußischen Sol
daten das lernen konnten.
Nach Berlin zurückgelehrt, theilte
Bornemann seinem Freunde 3 lter
seine Erlebnisse mit, und er berichtet:
«Gern theilte Zelter meinen Wunsch,
dem Könige mittels der Singatadcmie
entgegen zu kommen, aber diese, nnd
der Pflege des ernsten, strengen Nir
chenstils gewidmet, ließ sich mit der
vorliegenden Ausgabe, die bloß aus
eine Förderung allgemeiner militäri
scher Sangsertixleit hinzudeuten
schien, nicht wohl in Einklang bringen.
Ihm, dem Zeiten wie mir war damals
auch nicht das geringeste von den groß
artigen russischenGesangsinstituten sie
kannt, gestistet zur gesanglichen Erhe
bung gottesdienstlicher Feier in der
griechischen Kirche, aus denen, gleich
sam von selbst schon, allgemeine Ge
sangsertigleit sich erbildete und na
mentlich auch in das Militärtoesen
überging. Unbezweiselt hatte der Kö
nig, vertraut mit jenen Instituten, ein
gleiches siir die gesangliche Erhebung
in der evangelischen Kirche vor Augen,
ohne jedoch auch nur entsernt sich dar
über zu äußern. Zelter wollte über
haupt nicht einmal die tonselte Durch
führung eines, nur von Männerstim
men, ohne alle Jnstrumentalkegleitung
vorgetragenen Gesanges, oder gar ei
nes längeren Liedes zugeben. Selbst
bei geilbien Sängern werde das Her
absinken nicht ausbleiben.«
Da lam ein Zusall zu Hilfe. Ein
Mitglied der Singaiadeniie, Otto
Grell, hatte einen Ruf nach Wien er
halten. Man wollte dem Freunde ein
Abschiedsfest geben. Jm Englischen
Hause sollte ein Mahl stattfinden,
Bornemann —- elter nennt den
Freund einst in einem Brief an Goethe
den lustigen Bornernann —- hatte seine »
Anordnung und die Beschaffung froh- i
sinniger Tafelieder übernommen.
Damit war die Gelegenheit gegeben,
einen Versuch mit Liedern zu machen,
die sür geübte Männerstimnien gesetzt
waren. Aus einem Flügel sollten die
Lieder begleitet werden, aber für einen
solchen war in dem Saal kein Platz, so
wurde schnell eine Gitarre herbeige
holt. »Die Saiten schlugen vor, träf
tig stifche Männerstinimen setzten ein,
und das ärmliche Getlirnper ver
schwand in den Massen, die sich selber
goldrein tonsest hielten, was von ei
nem, durch mehrere Strophen hin ohne
Jnstrumentalbegleitung geführten
Chor, vielseitiq war bezweifelt wor
den. Da wurde die Gitarre beseitigt.«
Und Bornemann erzählt weiter:
..Gleich andern Morgens-, nach dem
Festmahle, besuchte mich Zelter und
sein erstes Wort wart Schwebte Jhnen
nickt gestern Abend König Arthurss
Tasclrunde vor?« Wiedererweeien
wollen wir das alte Sangerwesenp
Nur tein Getlatsche voraus davon.
Verschwiegen unter uns wollen wir
Hoeiteres darüber besprechen. Erst eine
;tl(ine Anzahl von fröhlichen Liedern
trsoll Kern und Kraft; die will ich su
Ichen und sehen. Schaffen Sie, wag
Inoch sonst daeu gehört. Ermittelungen
E besonders, wie es bei der Tafelrunde
geholt-n worden. Liedertasel soll es
bei uns heißen. Ein Meister mit zwölf
Gesellen, oder auch mit bis vierund
zwanzig. läßt es sich zusammen brin
gen. Mancher wird schon stutzen bei
dem Namen. Jst alles im stillen gut
vorbereitet, dann erst heraus mit der
Sprache.«
Am 28. Dezember 1809 berief man
die Mitglieder der Singatademie, die
sich dafiir interessiren — zuerst sagten
nur els ihren Beitritt zu. dann hatte
man doch 24 zusammengebracht —- zu
einer Versammlung Zelter wurde zum
Meister gewählt, Bornemann ward
»Faselnieister, Wollande Schreibmei
l ter.
i Der 24. Januar 1809 wurde als der
sStiftungstag dieser Liedertasel anbe
j raumt.
Nun wurden sleiszig Lieder gedieh
tet, besonders war es Bornemann
selbst, der zahlreiche Lieder zu diesem
Zwecke schrieb. die Zelter tomponirte.
Dieser wußte sogar Goethe zur wett
schen Mitwirkung heranziehen und fiir
die Liedertasel zu interessiren. Zur
Feier von Goethes Geburtstag ver
ammelte sich alljährlich die Vereini
gung. »Alle Elemente hatten sich wie
alte Freunde zu unserer Lust umarmt;
es war ein unaussprechlich schöner
Tag,« so berichtet Zelter einmal seinem
Treunde Goethe iiber eine derartige
eier zu deH Dichters Geburtstag, und
Goethe liest sich Lieder der Liedertasel
schicken und in Weimar vorsingen.
Auch Fürst Radziwill (1775--—
1838), der Faust - Komponist, wurde
Mitglied der Liedertasel und lieferte
Männer-Quartette siir sie, und in sei
nem Salon nahm auch König Frie
drich Wilhelm lll. mit der königlichen
Familie. unter ihnen seine späteren
Nachfolger Friedrich Wilhelm tV. und
Kaiser Wilhelm l., von den Leistun
gen des Vereins, zu dem er einst un
willkürlich die Anregung gegeben hat
te. im Fabre 1882 Kenntniß.
So war nicht nur in Berlin das
teresse an der Liedertafel gewachsen,
ondern die neue Erscheiung im musi
kalischen Leben war auch auswärts
bald bekannt geworden. Die Theilnah
me Goethes hatte dem Verein ein An
sehen aus-wartet verliehen, und so wur
den allertvärts die Bestrebungen Zel
ters und Bornemanns nachgeahmt.
Dazu kamen freilich auch noch ande
re Momente hinzu. Veinahe gleichtia
tnit den Berliner Gesangsfreunden
war ganz unabhängig von diesen der
Schweizer Hans Geora Nägeli (1773
—1886), der Inhaber einer Musika
kien-Handlung in Zurich, auf den Ge
danken gekommen, dort den bürgerli
chen Männeraesang durch einen Verein
zu pflegen. Das geschah etwa einJabr
später, als die Berliner Liedertafel ne
stistet wurde, und ohne jede Kenntnis-,
von dieser Stiftung.
So war das Interesse ifür diese neu-·
artiae musikalische Uebung in doppelter
Weise geweckt, und man beeilte sich,
aller Orten Liedertafeln zu begründen.
Zur Jahre 1815 wurden bereits in
eipzia und Frankfurt a. d. Oder Lie
dertafeln beariindet. Jm Jahre 1819
erhielt die Berliner Liedertafel einen
Konkurrnzvereim Die jüngere Lieder
tasel. Diese Gründung geschah ntcht
in feindlicher Absicht geqen den älteren
Verein, sondern weil die 24 Theilneh
mer der Zelterschen Liedertafel sich ih
, ten Kreis nicht erweitern wollten.
Ludwig Rellstab gibt in seinen Le
Ibenserinnerungen Nachricht über diese
szeite Liedcrtafel in Berlin. Da
beißt es unter anderem: »Die Zeller-J
sche war damals in Berlin dir einzige
Liedertasei. Kaum wird man es
glaublich finden, daß neun Jahre lang
vierundzwanzig Mitalieder als die ein
zigen Vertreter des Männergesangs in
unserer Hauptstadt dominirten. —
Uebriaens ist das Personal der Theil
nehmer nirgends in dem Maße ge
wachsen, als in der Musik. —- Diese 24
Sänger waren fiir eine Reihe ponJab
ren gerade das hinreichende Material,
dessen der Gesang bedurfte, um
sich in der neuen Weise des
männerstimmigen Chorgesangs gel
tend zu machen. Allein die Sache
blieb nicht so. Die wenigen Jahre
des Friedens die eingetreten waren,
hatten die Lage der Dinge schon sehr
verändert. Es fanden sich eine Menge
junger Freunde des Gesanges vor, die
in die Liedertasel zu treten wünschten,
denen es aber durchaus mißlang. Lud
wig Berger (1777 bis 1839) war schon
von mehreren Freunden dazu aufge
fordert worden« einen neuen Verein
derart zu stiften. Allein mittelst sei-;
ner etwas zu sorgsamen Bedenilichteit
wollte es zu nichts Rechtem gelangen.i
Bernhard Klein (1793——1832) wars
im Herbst des Jahres 1818 nach Ber
lin gekommen und erregte durch seinen
wundervollen Gesang, ohne irgend be
deutsame Stimme, wie durch sein mu
sikalisches Talent überhaupt, allgemei
nes Aufsehen. Jhn brachte Berger mit
in Vorschlag und an einem Abend, den
er nebst Gustav Reichardt (17«.)7-—
1884) und Klein bei uns in einem so
genannten Singe - Thee zugebracht,
« machte Bernh. Klein in seiner feurigen
Lust und Laune den Vorschlag, dasz
wir uns sofort aus der Gesellschaft in
eine Weinstube begaben und dort dem
Borsaß Genüge leisten sollten. Dort
entwarfen wir den Plan. Ein jeder
schrieb die Namen derer auf, deren
Beitritt er vermitteln wollte, und wir
erhielten ein ansehnlicheö Quanium
Xrou Männern, die wir durch Auswa
zung einiger auf die runde Zahl drei
ßig beschränkten. Mit Champagner
wurde der neue Bund besiegelt.«
Am 27. April 1819 kam diese zweite
Berliner Liedertafel zum ersten Male
zusammen, der übrgens mehrere Mit
olieder der älteren Liedertafel auch so
fort beitraten, und Zelter als »Erfin
der der Gattung und würdian Ver
treter derselben", wurde ihr Ehrenmit
glied. E. T. A· Hoffmann, Staatsrath
Körner (der Vater des Dichters) und
Viele andere namhafte Persönlichkeiten
waren auch diesem Bunde schnell bei
getreten.
Das sind die Anfänge des deutschen
Mönnergesangs, wie er in Vereinen
gepflegt wird, die einen besonderen
Aufschwung erhielten durch die großen
Sängerfeste, deren erstes im Jahr
1865 in Dresden gefeiert wurde.
Das kleine Reis, das in Berlin vor
hundert Jahren gepflanzt wurde, ist
zu einem stattlichen Baum gediehen,
der weithin seine Zweige streckt und
reiche Früchte getragen hat. Jn dem
kleinsten Städtchen, ja oft in Dörfern
wird heute die Sangeskunst durch ei
nen Männergesangverein gepfleat, und
die aemiitblichc Art dieser Kunstpflege
ist eine besondere deutsche Eigenthüm
lichleit, die sich in keinem anderen
Volke in dieser Weise vorfindet. Sie
ist in solchem Maße zur deutschen Ci
genthiimlichkeit geworden, daß, wo nur
irgend in der weiten Welt sich deutsche
Kolonisten ansiedelten, der Gesangver
ein, den sie beariindetem der erste Aus
druck ihres Zusammenschlusses war,
und es befinden sich wohl kleine deut
sche Gesangvereine in allen Erdtbeilen
Von Egvn Nosla.
Falltereö Küsten-tun
Ueber die Aufwendungen, die der
Präsident der französischen Republit
alljährlich zu machen hat, Um die
zahlreichen Würdenträger und Be
amten, die er als Staatsoberhaupt
aus repräsentativen Gründen bei sieh
als Gast sehen muß, zu bewirthen,
weiß das »Echo de Paris-« interes
sante Einzelheiten zu melden, die den
gesunden Appetit der Gäste des Prä
sidenten ertennen lassen. Der Ches
des Küchendienstes hat seinem Herrn
kürzlich die Abrechnung über das leh
te Halbjahr überreicht, in der alles,
was in den letzten sechs Monaten bei
den Empfangen, Diners und Garten
Festen verzehrt wurde, übersichtltch
zusammengestellt erscheint. Die Liste
umfaßt 30,000 Schinkenbrötchen, 15,
000 mit Geflügel belegte Brötchen,
35000 RoastbeesWtötchen und 20,
OOOZUnaenbrötchem insgesammt wur
ken10,00()«Pottionen Eis servirt,
nämlich 2500 Gase-Eis, 2500 Scho
toladesEis, 2500 Vanille- und 2500
Erdbeer-Eis. Zugleich wurden 5000
Quart Eisgetränte servirt und 120
Pfund Petitfours, 500 Pfund Paste
ten und 10 Zentner feines Desserts
Backwert verspeist.
·
Der Weiter-.
Wilhelm ll., der bekanntlich ein
Frühaussteher ist« begab sich eines
Morgens um 6 Uhr in die Kaserne
eines Berliner Regiments, in welcher
auf diese Zeit Jnstruktionsstunde an
gesetzt war. Der Kaiser war pünktlich
zur Stelle, der betreffende Offizier
aber nicht« Der Kaiser wartete ge
duldig eine halbe Stunde lang Man
lann sich den Schrecken des ffiziers
vorstellen, der mit solcher Verspätung
erschien und den Kaiser vorfand. Er
meldete das Geschehene dem Obersten
und fah nun nicht ohne einige Pest-eg
niß den Dingen entgegen, die da korn
men sollten. Es tam aber nichts, den
ganzen Ta; nicht, und das war bei
der Schnelligkeit, mit welcher Miti
tiirbehörden derlei Dinge abmachen,
nicht gerade beruh«igend. Auch am
anderen Morgen erfolgte keinerlei
Andeutung, die auf das Geschehene
Bezug hatte. Jn der Nachmittags
ftunde aber wurde bei dem Offizier
dnrch einen Boten des Hofmarschall
amtes ein Packet abgegeben, ohne«
daß der Name des Absenders genannt
wurde.
Das Partei enthielt —- eine Weder
uhr.«
—- - —..-,
ctu Ferfertvehrtdyth
Eine Musterfeuerwehr besitzt un
fireitig das westfiilische Oertchen Erg
ste. Neulich Abends brannte das
Wohnhaus der Wittwe Meier bis auf
,die sStallung und Schmiede völlig
’nieder. Als Abends 8 Uhr bekannt
»wurde, daß es brenne, bemiihte sieh
jdie Feuerwehr vergebens, ein Pferd
szu bekommen, das die alte Spritze
zum Brandplatz schaffen sollte. »tre
auf beschloß man, die Sipritze selbt zu
ziehen, was auch mit Anstrengung al
ler Kräfte — die sSpritze war seit un
dentlicher Zeit nicht mehr geschmiert
worden —- aelang. Am Brandplah
ging es mit Eimern an die Füllun
es Wassertaftens. doch o weh: es flo
mehr Wasser heraus, als man hinein
fchiitten konnte. Nachdem der Waf
sertasten dann endlich verdichtet wor
den war, hätte man löschen können,
wenn nicht die Schlauche undicht ge
wesen wären. Ehe sie geflickt waren
war das Haus bis auf den Grund ab
gebrannt. Die brave Wehr riiclte ab
und der Spritzenmeister, der überdies
am Erscheinen verhindert war, durfte
am anderen Tage seine gute alte
Spritze allein zurückholen sSo gesche
hen zu Ergste im Jahre des Heils
1909.
Ein lustiqu Abenteuer-.
Aus Triberg im Schwarzwald wird
folgendes Jsdhll berichtet: Kam da
liirzlich eine Dame aus England, die
vorübergehend hier weilte, bom Ro
deln aus der Großherzog Friedrich
Strafze. Oberhalb des Cafe Pfaff
begegnete ihr ein gWecke Blieb«
(Brotau5tra·ger) mit feiner leeren
»Zaine« («arofzer, länglicher Weiden
torb). Der Junge blieb ftelJen und
die Dame fragte den neugierig
blickenden Jungen: »Na, willst viel
leicht auch rodeln?« —- »Jawohl,
möcht’ ich«, war die Antwort. »Nun,
so brobir’s einmal«, sagte die Dame.
Der »Weckebueb« ergriff den Nobel
schlitien, reichte der Dame den Korb
mit den Worten: »Hebe e mer derivil
mi Zaine«. und rodelte stadtabwärts.
Jn der Unterstadt blieb der Bäcker
junge gemiiihlich stehen und wartete.
Der Dame machte die Unberfroren
heit Spaß, sie nahm die ,,Zaine« mit
dem Wecketuch auf und trug sie in al
ler Getniithliehleit dem Jungen bis
unterhalb des Hoiels Wehrle zu. Die
beaegnenden Leute musterten die
Dame aber neugierig, und Mancher
nsird wohl gedacht haben: »Der...
Bäck hätt ietzt au ein nobelhaftiges
Weckesijtiaidle«.
,-——-— -.——.-.
« Die Londoner Suffragetten haben
’der Polizei wieder eine regelrechte
Schlacht geliefert« Warum benutzt
denn Kriegsminister Halt-an diese
Aniazonen nicht, um die Lückcn in
seiner Territoeial : Armee auszufül
lentz
III A til
Nach dem Befund eines Gelehrten
ist eine Vergrößerung der weiblichen
Füße zu verzeichnen. Die Folgen
davon, daß das schöne Geschlecht gerne
auf einem großen Fuße lebt« konnten
nicht ausbleiben.
se s
Castro tröstet sich in seiner Ver
bannung mit dem Schicksal des großen
Napoleon. Bescheidenheit war nie
seine größte Schwäche.
so- i ie
.Jllusionen sind die Seifenblasen,
mit denen de erwachsenen Kinder
spielen.