Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, February 26, 1909, Zweiter Theil, Image 9
Nebraska Staats-Anzeiger und Ti«se»rold. Jahrgang 29. Grund Island-, Nebr» 26. Februar 1909. Czkweiter TheiU Nummer 27« M »so-— MZHI Nebel ( Von Oetmann Oeffe. Seltsam, im Nebel zu minderm Etnfam ist jeder Busch und Stein. Kein Baum sieht den andern, Jeder ist allein. Voll von Freunden war nur die Welt, Wo noch mein Leben licht wac; Run. da der Nebel fällt, Ist keiner mehr sichtbar. Wahrlich, leinet M weise, Der nicht das Dunkel kennt, Das unenlkinnbat und leise Von allen ihn trennt. Seltsam itn Nebel zu wandern! Leben ist Einsamleim Kein Mensch kennt den andern, Jeder ist allein! Uloppklchew Eine tragische Geschichte mit gute au tem Auoaana Modpelchen war ein Puck-exem plar seiner Gattung, nicht zu groß und nicht zu llein, nicht zu dia, aber doch mit einer leifen Neigung zum Ernbonpoint, die ihm ein reizend ge miitbliches Ansehen aab. Mopvel chenrl ariifzte Schönheit aber waren wundervolle, lluge, braune Augen, die einem durch und durch sahen. Mit zunehmendem Alter und zunehmender Avrvulenz war er auch ein biffchen be quem aeworden. In seiner riibefien Jugend war ihm tein Weg n steil und tein iGraben zu breit aewe en, so daß, wer ibn damals aelannt hatte und ibn heute wiedersah, webmiittsig sagte: »Ja, ja, man wird alt!« was Mao pelchen reaelmiiksia als eine ungeheure Beleidigung au fa te und ein bissige: Gesicht machte. iie Bissiaieit war überhaupt einer von »Man-Mens Feblern Es mochte wodearan lie gen· das-, er von Anfang an sebr ver bstschelr worden war, aenua. er hatte - sechste einem richti n Tyrannen aus gewachsen, so da jeder sich hütete, Moovelchen etwas in den Weg zu les nen. Auch Neaereien tonnts er gar nicht aut vertragen. Seit einiger Zeit war aber vollends aar tein iAustommen mehr rnit ihm Er batte nie Stirn in finitere Falten aezoaem und irer Mopppelchen kannte, wußte, was das zu bedeuten hatte. nämlich Sturm. Auch das Essen schmeckte ihm nicht mehr, worüber er doch sonst Zeit seines Leteng nicht izu itaaen aebabt batte. Er sasz mißmu tbia und unfreundlich ins feiner Ecke, so dass leiner sich beranwaate. War Moopelchen etwa trans? Man fragte und forschte « Moduelchen oerrietb rnichte, bis man denn eines Tages doch dahinter kam —- ia, so war eo, nun laa es tlar zutage ,-—- Mopvelchen war verliebt, rettungslos. Sie war eine kleine Schönheit; bochmiitkzig« wie es das gute Recht aller Schönheiten ist; vornehm, wie et diejenige fein mußte, an die Mopvelchen sein gutes, unbe rtibrtes Herz verlieren konnte. Sie wohnte drei häuser non ihm, er traf sie fast täglich auf der Straße —- aber das schlimme war, daß sie über das gute, dicke, bequeme Movpelchen weg sah, als wäre es gar nicht vorhanden. »Noch viel schlimmer als Luft be handelt sie mich,« dachte Mondelchen ingrimmig, »sehr ich denn wirklich so miserabel ausi Oder bat die schöne Lili nur seinen Gefchmaa?« Daß sie Lili hieß, wußte er schon,j das hatte er neulich gehört und nannte sie glücklich in seinen Gedanken so. Woher sie tam der Fahrt und wie ihre Art, hatte er bisher noch nicht ergrün den können, so unermüdlich er ge: forscht hatte. Nun, es würde schon noch werden. Moppelchen wars also seinem Spie gelbilde einen tiesschmerzlichen Ah schiedsblick zu, riictte noch die braun seidene Krawatte zurecht, nahm sich eine Zigarette aus dem TZilbertästchen aus seinem Schreidtisch und machte sich an die Arbeit. Er hatte nämlich scheußlich viel zu thun, denn er war, was wohl bisher noch gar nicht er wähnt worden ist, wenn auch nicht wohlbestallter. so doch ordnungsmäßig geprüster königlich preußischer Ge richtsreserendar. So schön der Titel nunauch unstreitig ist, so lann man doch nicht ewig dabei stehen bleiben. Das sah selbst Modpelchen ein« beson ders seit die schöne Lili in seinen Ge sichtskreis getreten war. Deshalb sehte er sich mit dein ganzen Feuer sel ner 25 Jahre hin und edit-, ochste, was das Zeug halten wollte. — Und wenn draus-en die Sonne noch so schön schien« und wenn es der hellste Som mersonntagnachmittag war, wenn er von draußen die lustigen Stimmen -—-- - --, a,-.-,-.i-k- HA--f H- »k-, » -..-..«. .—·..— derer hörte, die hinauszugen und durch sein Fenster all die fröhlichen jungen Gesichter sah, et blieb standhaft unh ochste weiter. Nur am Dienstag Nach mittag um 3545 Uhr, wenn Lilt zur Gesangsstunde ging, dann hielt ihn teine Macht der Welt, dann nahm er seinen »Steisen« vom Nagel, den Ebenholzstact mit dem Silbekgriss aus dem Ständer und zog aus wie wei land Christvph Columbus, die Welt zu entdecken oder doch das Herz seiner Schönen. Das hatte schon wachen lang gedauert: Lili war unentwegt schön, still und hochmüthig an ihm vorüber-gegangen Da saßte denn Moppelchen der Muth der Verzweif lang. Er hieß natürlich eigentlich gar nicht Moppelchen. der Name war ihm nur so angeweht, ganz von ungefähr, ohne dasz ieiner wußte, wer ihn ausge bracht hatte —- der Name war eines Tages da, jeder kannte ihn, jeder sand, daß es die beste Bezeichnung siir den drolligen kleinen Burschen war. Der Name blieb ihm, als er größer wurde, jung und alt, Männlein und Weiblein wandten ihn an. »Motivel chen« war er aus der Schule und aus der Universität, ,,Moppelchen« daheim ’und im Ballsaal. Und dabei haßte er den Namen, haßte ihn, seit er selbst .stiindig denken lonnte —- teiner aber ;liimmerte sich um die Wuth des klei nen Burschen, der mit geballten Fäust « chen auf jeden losging« der den gehaß ten Namen aussprache jeder lachte nur über seinen ohnmächtigen Groll, bis er es denn lernte, zähneknirschend zwar, aber doch still, die Benennung zu erdulden. Nur manchmal war er grob geworden, als er älter wurde, sack-siede-grob, wie eben nur Moppel chen sein konnte -—— die Freunde hatten ihn dann nur grenzenlos erstaunt an gesehen: »Aber Moppelchen, was hast Du denn? Co war doch nicht bös ge »meint.'« Er hatte dann noch gute ,Miene dazu machen müssen, aber ver tzeihen tonnte er es ibnen nicht« keinem Idon denen, die ihn d«rch diesen Na . inen lächerlich machten. Als er seinen Doktor machte, hatte er gehofft, nun endlich die Galeerenkette, die er in die. sein gehaßten Namen seiner Kinderzeit mit sich schleppen mußte, los zu wer den. Wie gut das klingen würde: »Herr Doktor.« Er hatte es sich tau send-nat vor-gesagt, in allen Tonarten s-- und als es soweit war, als er wirklich und wahrhaftig »Herr Dok tor« war -- der erste Freund, den er aus der Straße tras, der ihm in die strahlenden Augen sah, der hatte ihm jubelnd beide Hände hingehalten: ;»Moppelchen, Moppelchen, ich gratu lire!" Moppelchen hatte nicht böse sein diirsen, diesmal nicht. lFr hatte Fee eingesteckt und tausendmal noch hinterher. Augenblicklich hatte er dies sein lSchicksal ganz vergessen. Sein ganzes Sein und Denken war Lili und noch mals Lili. Heute wiirde er es wagen. Er traf sie wirllich. Sie sah zum Anbeißen aus in einein lichtblauen Kleide, eine weiße Rose im Gürtel, braune Löclchen unterm Hutrand. « Mopbelchens Herz schlug so sehr, das; er kaum weitergehen tonnte. Jetzt stand er neben ihr. Er zog seinen Steisen: »Gnädiges Fräulein —-« i Sie wollte hoch-nöthig über ihn; wegsehen und weitergehen, aber sie brachte es nicht fertig, die lieben gold- ! braunen Augen schmeichellen und ba « ten gar zu slehentlich — ein leises, lei ses Lächeln glitt über ihr Gesicht. Er . sah’s —— und da sprudelte es über sie . hin, alles, was er gedacht hatte, und wag er denlen würde, und was er ge than hatte seit undentlichen Zeiten. Sie gingen wie alte Bekannte neben-« einander her; Lili larn gar nicht dazu, auch einmal etwas zu sagen, sie konnte nur lächeln und nicten und den Kopf schütteln über das gute, närrische, glückselige Mal-beleben Er machte dann einen Besuch, sie trasen sich öster, und eines Tages sragte er sie, ob sie ihn heirathen wolle. Lili hatte lange gewußt, dasz es so lornmen würde. aber ein bißchen zap peln sollte er erst noch. Sie machte deshalb ein unsagbar überraschtes Ge sicht, zoa die Oberlippe ein bißchen hoch, weil sie wußte, da es ihr gut stand, und fragte Mit-s «ttisch: »Hei ratshen2 Aber wer denlt »denn an so etwa-? Ich Sie heirathen, Mem-el eben-i« Er starrte sie an, riß die Augen aus, als stände statt der rosigen Lili ein lchreeslichei Gespenst vor ihm. Ganz blaß wurde et, als sie den häßlichen Namen la te. Ihm wars, als wäre ihr rot-her und entweiht. Wer knoch te«ihr den Namen aesaat baden? O daß er ihn hätte, den Schändlichen hier unter seinen Fäusten! Warum aber sprach sie es nach? Sie hätte wissen müssen, wie er das Wort hast« ·JJioppetchen? sann man so wohl ei nen nennen, den man lieb bat? Mod petchenPi Gut, wenn er fiir sie eben auch nur das Moppetchen war, das von allen Leuten in Anspruch genom men wurde. von jungen Damen, ncn ihnen Erfrifchungen zu besorgen, von alten Damen, um ihnen Phids nnd Schirme und Tiicher zu tragen, von Freunden, um ihnen bei ihrer Arbeit zu dessen, das teiner ernst nahm« weils-s doch eben das »Mein-leben« war — für tie auch nur das Wonnel chen, mit dem sich’s gut plaudern und scherzen läßt« das sman dsoch aber nicht heirathet —- nun, dann mochte es eben sein. Nichts erinnerte mehr an das freundliche, autnsiitbiae Gesicht Mep pelchens, als er jetzt seinen Hut zog, ihr eine tadellose Verbeugung machte, »Verzeiht-na, mein gnädiges Fräu lein!« lehrt machte und ruhia und ele gant die Straßen hinunterschritt. Und Moppelchen beschloß zu sterben. Dann würde er wohl dem Fluch sei nes Namens entgehen. Vielleicht seh ten sie ihm noch auf seinen Grabstein: »Hier ruht Moppelchen.« Mdchten sie’s thun. Jhn würde das dann nichts mehr kümmern » i Moppelchen ging also hinein ins die Anlagen vor der Stadt bis zum klei nen See und setzte sich auf eine Bunt. Das war sein Lieblingsplah. hatte er auch manchmal mit Lili gefes -ien. rDriihen aing gerade die Sonne to schön unter, er sah hinein in das Gold, und es tam ihm ein brennend Weh, iortzusollen von der schönen Welt. Er dachte an die fröhliche Klin rerzeit in dem aroßen Hause. dachte an die frohen, sorglvsen Jahre, da Band und Mütze ihn schmückten, und dachte an Lili. Und er träumte, daß sich eine helle Gestalt leise zu ihm neig te und daß sich zwei kleine, weiße Hände still um seine legten —- oder träumte er das nicht? War das nicht wirklich und wahrhaftig Lili. die ihm non unter heraus in die Augen sah: »Was war's denn? That ich Dir wehZ Du, vergib mir!« Er sah die sehnssiichtiae Liebe in den tiefen, schönen Masdchenauaem verges ien war die erlittene Ariintuna und all die herben Todesgedanten Er sprang mit einem hellen Jauchzen auf und nahm das Mädchen in seine Arme. »Ich habe Dich doch so lieb -- Moppelchen«, saate sie leise und ziirt lich. Er wurde nicht mehr böse. Dai häszliche Wort tlana ihm jetzt wie helle Glocken und er küßte den Mund, der es gesagt. »Saa’ es noch einmal«, bat er. » ,,Mopnelchen!« »Hu schön!« sliisterte er beieliat Tilrkischesvsksitzetthmm Icn der Türtei l.1il)t es teine Tut stitution, ganz gleich ob stattliche oder private, in der nicht Spitzel unter halten werden, nnd Zwar sind esxs inuner zwei Kategorien: die pfi .tiellen, die jeder tennt, und die meet aeiährlicheren, die geheimen Wie Spinnen hgben sie das Land Inis ihren Netzen umwoben, nnd ihre Will tiir tennt keine Schranken Das Eli stetn der Spionage geht in der Tiirlei so weit. daß jeder Beamte Spitzel-" dienste leisten musi; denn wer trin’ Spion ist, ist auch tein Patriot. » Jeder, der einen mehr oder tvenisrer guten Posten innehat, ist bemüht, zum s Beweis seines Eifers irgendeinen llm » stiirzler zu entlaroen. Ein Beamter in i der tnodernn Türkei erinnert an einen i Spiirhund, der ständig aus der Fährte I ist. Jeden neuen Menschen betrrntitetl er begierig und mutmaßt in ihm einen Verbrechen »Vielleicht dieser!«, und» nur widerwillig läßt er ihn gehen, da! er sich nicht entschließen tann, deuT Verdächttgen dem Ordnungswäditeri zu übergehen. Mit Neid sieht er auf. die Braven, die ohne Zögern zugeri sen. Es tut auch nichts, wenn fehlgeii grissen wird. Bei solch heißer Arbeit tann es ohne Jrrtum nicht abgehen Es wird vergeben, wenn nur die Liede zur Sache außer Frage steht. Die Fähigkeit, irn Namen des Vaterlandes jede Lumperei zu begehen, wird Pa triotistnus genannt. Die politische Geheimorganisation liegt in den Hän den zweier wichtiger Beamten, beide verfügen sie über viele Gehilfen. Diese zwei Beamten sind: der Polizeimini sster und der Chef der Geheimen-tei lung, nur hat der lehtere die größeren Machthesugnissr. Er kennt die Ange stellten der Geheimabteilung persön lich, während der Polizetmtntster von der Zahl und der Güte der A enten, das heißt der Spihel in politischen Anselegenheitem keine . Ahnung hat. s verdient hervorgehoben zu wer den, daß der Mord, besonders wenn der Ermordete ein Christ und der Mörder ein Muselmann ist, nicht zu den besonders schweren Verbrechen ge rechnet wird; viel strenger wird der Diebstahl geahndet. Obgleich das tür- » lische Recht eine wörtliche Ueber- « setzung des französischen ist, hat es in ( der Praxis mit diesem nichts gemein.. Die Anschauungen überVerbrechen, vor - allem iiber den Diebstahl, find bei den Türken höchst eigenartig. Bestechungen, auch solche niedrigster Art, werden bei- J nahe als Verdienst angerechnet; aber Allah behüte den Aerrnsten, der aus einem Hause oder Laden etwas stiehlt; er wird alg Auswurs der menschlichen Gesellschaft betrachtet Nicht umsonst iiihmen die Europäer einstimmig die ziiusterhaste Ehrlichkeit der Türten. Wahrlich, der Türle wird keineSachen stehlen, die seiner Meinung nach wert los sind, er wird aber leichten Herzens morden und rauben, wenn die Gele genheit günstig und er sicher ist, un entdeckt zu bleiben· Es ist Regel geworden, daß jeder, der aus irgendeine Weise mit dem stutzig-Most in Berührung kommt, schon allein dadurch verpflichtet ist, Spitzeldienste zu leisten. Spitzel wer den müssen alle, ob Angestellte oder Beamte eines Ministeriums, ob Ossi-i ziere der Armee oder Marine· Das . ist sozusagen eine ossizielle Seite des I Dienstes geworden. Wir sind nichtj weit von der Wahrheit, wenn wir be lscsupten, daß aus jeden Bewohner der Türtei zwei Spitzel kommen. Jeder türtische Bürger weiß, daß seine Per ’son von zwei hierzu bestimmten Sub jelten übern-acht wird. sicher sein, daß einer oder zwei Kellner Spihel sind, die die Verpflichtung ha iben, einer bestimmten Person nachts iiber alle Gäste Bericht zu erstatten. In dringenden Fällen können sie es auch am Tage tun. Sie müssen er liiihlen, woriiber man gesprochen, ge stritten hat, und was ihnen überhaupt an den einzelnen Besuchern auffällig erschienen ist. , Außer den gewöhnlichen Spitzeln, die, wie wie bereits erwähnt haben, »viele von Angesicht kennen, findet sich an jeder öffentlichen Stätte ein gehei mer, den niemand kennt und, was noch schlimmer ist, in dem niemand einen Spion vermuten wiirde. Meistens sind es erprobte und zu allem fähige Leute. Sie bekleiden eine vom türki schen Standpunkt aug gute gesellschaft liche Stellung, und diese, oft junge und vielversprechende Beamte, erwecken in leinem den Gedanken. daß sie im Dien ste der Geheimpolizei stehen. Deshalb herrscht unter den Türken, wie auch Tunter den lljiuselmiinnern überhaupt, das gegenseitige Mißtrauen Jn dem nächsten Nachbar wittert man. häufig mit Grund, den Spion. Diese anor ncale Lage führt häufig zu ernsten Fa miliendramen, da eg vorkommt, daß der Vater den Sohn und dieser den Vater denunziert In jeder Familie, die nicht nur aus Mann und Frau be steht, gibt es einen Spitze-L Es sind Fälle bekannt, Ivo Personen den eige nen Bruder denunziertem um vom Sultan belohnt zu werden. Um sich vor erdachten Feinden zu schützen, ver dirbt der Staat seine Untertanen. Eine Denunziatiom wenn sie nur irgend welche Bedeutung hat, bleibt nie un besoldet, und diese Judaggelder, die ost auch in Form von Rangerhöhungen gezahlt werden« iiben natiirlich eine demoralisierende Wirkung ach aus dasJ ganze innere Leben des Türken. Jn jeder Schule gibt eg unter den Kleinen unbedingt einen Spion, dessen Eltern dasselbe Gewerbe betreiben. Wenn er ans der Schule nach Hause lonimt, wird er, gewohnheitsmäßig feinen Eltern alle-:- erzählen wag er im Laufe der Unterrichtsftunden gehört und ge sehen hat, wobei er seine Kameraden stets mit Namen nennt. Nur handeln die Kleinen noch unbewußt, meist aus Befehl des Vaters. »Baba« tVater), spricht so ein Kerlchen, ,,heute hat Fuat Bei den Lehrer geschimpst.« — »Was hat er gesagt, mein Junge.« sragt der Vater, den Buben zärtlich berührend. »Er hat ihn laut Dieb genannt!« — ,,Dieb? Ah, so’n Kerl! Fuat Bei?« überlegt laut der Vater, »ist das nicht der Sohn des Koliagassi (Major), der in Chaidar-pascha fein Vorort von Konstantinopel am asiatischenStutari ’User) wohnt?« s-- »Ja, ja, Baba, der selbe! Mein Vater, erzählte Fuat, gab dem Lehrer mehreremal Geld, als der in Karten verlor, und schrie auf ihn.«« Der Knabe redet noch mehr ähnliches Zeug, und der gesinnungstiichtige Va ter hört das alles an und erwägt, wel-. chen Nutzen er daraus ziehen könnte. Er wird diese belanglose Sache nicht auf sich beruhen lassen; nein, er wird’s notieren und bei Gelegenheit, wenn er Ell-er den armen Maon ein Journal schreibt, sich dessen erinnern. »Jour nal«, das ist das fiirchterlichste Wort fiir den türtischen Bürger. »Journal schreiben« heißt, die schon in allen Ein zelheiten fertige Denunziation ins Reine übertragen. Und wie unter den Schülern, so geht es auch unter den Lehrern, nur mit dem Unterschied, daß ein Nichtspion selten ein Lehramt erhält. Er ist ge zwungen, seinen Eifer, wenn auch nur rein äußerlich, zu bezeugen. So be kleidet ein Schuldirettor zwei Posten: den des Schuldirettors, der von dem Unterrichtsministerium Gehalt emp fängt, und den des Spitzels, der von einer anderen Seite besoldet wird. Und trotzdem weiß er nie, wer von seinen Lehrern und Schülern Kollegen seines inossiziellen Berufe-'s sind. Es ist selbstverständlich, daß viele, um ihr Brot zu behalten und nicht selbst in eine Falle zu gehen, genötigt sind, sich für Spißel auszugeben. Wenn in ei nem Regiment vierzig Ofsiziere sind, so tann man, außer dem Regiments tommandanten, der sozusagen als obli gatorischer Spion bezeichnet werden muß, sicher zehn bis zwölf Prozent da von als Geheimspione betrachten. Und wenn man sich in einer türkischen Ge sellschaft, in einem Bade, diesen tür tischen Klub-L in einem Laden oder irgendwo sonst befindet, man darf sicher sein, daß man von Geheim agenten beobachtet wird- Und von die »serBiirde, die abzuschütteln sie sich ver gebens bemüht, wird die Türkei wohl ztaum jemals ohne fremde Hilfe srei Iwerden. Es gibt noch eine andere zKlasse dieser Parasiten, nämlich die IDetektiveH. Diese werden von der Ge Hsellschast verachtet, aber weniger ihres Gewerbes wegen, als weil unter ihnen sehr selten Muselmänner zu treffen sind. Während man in dem Spind beruf nichts Ehrenriihriges erblickt, gilt das Gewerbe des Detektives direkt für schändlich. Jn der Vorstellung des Türken ist ein Detektive und ein Henker dasselbe. Die Detektives rekrutieren sich aus Griechen, Armeuiern, Monte regrinern, Jtalienern, spanischen Ju den, Deutschen, Franzosen, es sind auch darunter einzelne Rassen und ei nige Mufelmänner, doch sind das völ lig demoralisierte Subielte.. Es gibt auch unter den Detektiveg solche, die gleichzeitig Spitzel sind. Es ist eine Gesellschaftsklasse, der nichts heilig ist; lasterhaft von Geburt und sittlich ver wahrlost durch das herrschende Regiine, sind sie zu jeder Schandtat fähig. Sie haben die Taktik der Machthaber er späht und wissen die allgemeine Lage geschickt für sich auszunutzen. Sie sind immer willig, Spitzeldienste zu tun, und gegen Entgelt stellen sie auch ihre Faust und ihren Dolch zur Verfügung Sie sind, zuin Beispiel, ein schlechter Mensch und wollen an jemand Rache nehmen· Sie siirchten aber die Ver antwortlichkeit, so läfit sich das in der Tiirkei leicht bewertstelligen. Ein be » taunter Fall kann das illustrieren. Ein s iu der Tiirlei populärer Chefredakteur, ITahir Bei, ein früherer Jungtiirke, ; hatet in dein von ihm redigierten Hof Ilslatte Malumat eine Person angegrif ifen. Sicher hatte er dazu aus Indis sRiogk Befehl erhalten. Aber als uian sihni den riglanten Auftrag erteilte versäumte man, den Redakteur vor den eventuellen Folaen zu schützen Der ;Angegrifsene machte kurzen Prozeß. JEr tnietete drei Detettideg, man wurde handelseinig nur stellte er die Bedin gung, daß Tahir nicht ermordet, son dern nur halbtot geprügelt werden soll te. Da der fragliche Artikel vor acht Tagen erschienen war, tehrte Tahir Bei eines Nachts gegen zwölf Uhr ahnungslog durch Galata nach seiner in der BabaAliStraße neben den TMinisterien gelegenenWohnung zurück. Er war noch nicht die Straße hinun tergegangen, als plötzlich drei Männer ’ tun die Ecke stürzten, sich auf ihn war sen und ihn zu priigeln begannen. » Dann entfernten sie sich und ließen den H Uebersallenen liegen. Ein geheimer Mord wird von den Spitzeln nur aus Befehl ausgeführt; was die unpolitischen Verbrechen he trifft, so sieht ihnen die Rechtspflege durch die Finger. Wer gut essen und trinken will, ohne zu arbeiten, siir den gibt es einen glänzenden Beruf: das Denunzieren. Brauchst du Mittel zum Studium: werde Spitzel; willst du eine Rangerhiihung: denunziere; mußt du deine finanzielle Lage verbessern: geh zu den Spißelm kurz, was du auch vorhaben mögest, um es erfolg rcich durchzuführen, mußt du Spitzel werden, das ist das Alpha und das Omega des türkischen Bürgers. Die Sucht, zu denunzieren, die unmöglich sten Vetschwörungen aufzudecken, wächst mit jedem Tag. Jn jeder der Kanzleien des Schlosses, und ihrer sind Hunderte, beschäftigen sich einige gutbezahlte Beamte ausschließlich da mit, die einlaufenden Denunziationen zi. lesen. Wichtige sichtet der Sultan selbst und belohnt sreigebig die Auto ren dieser literarischen Blüten. Und von dem Volle, das lrampshast be müht ist, einen Ausweg zu finden und sich Menschenrechte zu erringen, geht ein Stöhnen von einem Ende des Lan des zu dem anderen. Moyammed Aisckkin i W - i Der Pavaqei als Lehenieeteer. I Die Geschichte einer merlwiirdi gen »Ertettun,a eines jun-ten Mädchens ’aus den Trümmern eines eingestürz ten Hauses in Messsina schildert der an der Stätte der Katastrophe wei lende Korrespondent Civinini des »Corriere della seka«. Er hatte sich noch am Abend einem Trupp von Ma trosen angeschlossen, der zwischen den Ruinen am Rettungswert arbeitete »Wir iibertletterten ein wüstes Feld Von Ruinen, sprangen ijber eingefal lene Kellerwölbungen, stiegen über hohe shalbzertrümmerte Steinblöckh als plötzlich aus einem schmalen dunklen Hohlweg dem Ueberrest ei ner kleinen Gasse, über der 4sich die aegeneinander acsallenen Mauern zweier Paläste zu einem schwanken den Hausen geborstener Steine auf getljiirmt hatten, eine heisere rauhe Stimme ertönte, die immerfort mit llaaendem Tonsall ein einziges Wort rief: »Maria, ·Maria.« Sofort mach T ten »die Matrasen sich an die Arbeit, mit äußerster Vorsicht begann man Schuttbeile fortzuräumen. Nach ei ner halben Stunde ertönte ein dum pfes Poltern: die Trümmer sinslen in sich zusammen und ein« tiefes schwar zes Loch gähnt den Rettern entgegen eFast wäre einer der Retter mit hin abgerissen worden, aber im letzten Augenblick konnte er noch an dem Beine eines Gefährten einen Halt gewinnen uer wurde rafch aus einer Staub-wolle emporgezogen Einen Au genblick steht alles vom Schreck über mannt: der Ver-schüttete ist ietzt wohl zerschmettert Aber aus dem Loche tönt ein Rafcheln und dann kriecht flügelichlagend ein grüner Papagei aus der Oeffnung und schüttelt sich den Kallftaub aus den« Federn. Am Rande bleibt er sitzen und sofort er tönt wieder sein llagender Ruf: Ma ria Maria. Unten im Gewölbe fand man dann die Maria des guten Vogels-, seine Herrin. Vleich ausge streckt laa sie da, ein wundervoll fchiineI junges Mädchen, anzusehen wie der Leichnam einer Heiligen. Bald zeigte es fich, daß sie nicht todt war, eine tiefe Ohnmacht hielt fie umfangen. Sie befindet sich jetzt an Bord eines Schiffes in äretlicher » Pflege, und man hofft, daß ishr Le i ben erhalten bleiben wird. Der Pa Hpagei aber, ibr Lebens-retten weilt sglg Gast anf der »Reg«ina Elena« s unr- ift bereits »der Liebling aller Of f fixiere uni Seeleute an Vord.« Der zurückgewiefene Orden. l l Kapitän v. Montaignac, der spä i ter in1 Kriege aeaen Abd el Ruder als i Konimanrssant von Dschemma fiel, war ein besonders tapferer. aber auch lehrlicher alter Soldat. Jui Jahre 18529 bei den M.iis.1nruhen in Paris hatte er sich besondere ans-gezeichnet und sollte bei einer Parade mit dem Streu-. der Ehrculegion detorirt wer den. Als ihm König Ludivia Philipp das Kreuz selbst anhesten wollte. trat Montaignac einen Schritt zuriick nnd sagte: ,,3ire. ich habe e5 nicht ver dient.« ,,.K«aoitän«, entgegnete Ludtnig Phi lipp-, »Ihr König ertheilt Ists-neu das KreuW »Gleich·. Sire, Montaignac weiss es zurückl« Natürlich mußte sich Montaignac darüber vor dein Kriegsominister ver antworten. Er sagte: »Wenn ich das Kreuz siir eine Wassenthsat gegen den Feind verdient hätte, so würd-e ich glücklich gewesen sein und es mit Stolz qetraaen haben, Hier aber habe ich nur zur Herstellung der Ordnung beiaetragen Jsch meine. dafz bei Blit aerzwistsplein Orden ertheilt werden sollte!« -—-— Die Meldung von der Beschießung eines deutschen WoernianwDampfers Von Seiten der Marine der Republik Liberia hat sich als Ente heraus-gestellt Da wollte also jemand die schwarze Republit noch mehr anschwärzen. Il· Its III Hundertundzwanziq Millionen Dol lars soll Sultan Abdul Hamid im Auslande in Sicherheit gebracht haben, ehe er seinem Volte die Verfassung gab. Vielleicht hat er befürchtet, das Geld könne mit in die Kontursmasse des Absolutismus gehen· II II· it Frauen lesen wahrscheinlich nur deshalb stets den Schluß eines Rom-t neg zuerst, weil sie gewohnt sind, tm mer das letzte Wort zu haben.