Jahrgang Nebraska 909. ( sti tThki so) Skaak5« Anzetger und J sei-old. Nummer 24. --.- - -.- — ..... .... Winter-. Es schlafen die Stimmen des Leben-» Ueber die müde Natur das Schmigen gebe-muten, Yes-eigen in Wald und Flut Alles Slüimen und Dasängen Alles Blüt-n ist zur Rub, Wißt Flackengeriesel Deckt das Mächtige zu. Eisige Wintetfttmge "ll ei in Acht und Bann, ß es nsur f weisen und träumen, Daß es nicht te n sann. Manchmal nur geht ein Flüstern l . Lels durch dle Einsamkeit, » sittetnd von Leben- zu Leben: ! halte dich frühlingsbetelll l Die sixe Idee. Erzählung « c Konrad Rem Ung. Der Geheime Sanitötsratb Beendh dessen Privat - Jrrenanstalt sich seit Jahren eines vorzüglichen Rufes er ste-ate, saß in seinem Arbeitezimmer und tauchte behaglich die gewohnte Friibsisiiclsigarrq als ihm der Be ucb einer Dame gemeldet lot-rot «Jch lasse bitten.'· Er erhob sich, legte seine Cigarre bei Seite und ging der tief verschlei erten Fremden entge en. »Aus ich bitten, laß zu nehmer-, nniidisge Frau? Womit tann ich Ihnen dienenik Die Dame nahm Pla , liistete ein ganz klein wenig n dichten Schleier. seufzte ein paar-mal schwer und begann endlich mit leiser, von ähriinen erftickter Stimme zu spre n: »Es mag wohl immer und siir alle ein schwerer Gang sein, Herr Ge beiniratb, wenn man srch zu Ihnen flüchten muß. Aber ich bin am Ende meiner Mast und weiß mir selber seinen Rath mehr. Mein armer Man-n leidet seit Irrt-en an einer tote mir scheinen will. wohl unheil baten Krantheit . .« Wer-sei ng. gnädi Frau: Wel ctsen Beru bat r r Gemahli« Die Fremde zögerte Jdeinen Das heißt, er war Dis zier, nahm aber dann seinen Ad ichied ——-- es war noch vor unserer Wiratbung — und ging nach Sitdosrila, wo es ihm in kurzer Zeit gelang, sich ein großes Vermöaen zu erwerben, obwohl er ohne Geld und als einfacher Arbeiter in einer Wutgrube angesangen hatte. Vielleicht bat diese Thatiache den er sten Keim zu seiner Geisteslranibeit gelegt. Denn —- und nun bitte ich Sie, reibt ausmertsam zuzuliören « er hält sich heute siir einen der größ ten Diximcintböndler der Welt« stu Pirt «die Hotellistem sucht nackHI Freunden von Rang nnd Wasnen und macht ihnen feine Aufwartung, in dem er sich für den Beauftraqien ir aend einer unserer aroszen Juwelier sinnen aus ibt. Aber nicht allein das: sein wußtsein ist, sobald es sich um Diamanten oder überhaupt Schmuck handelt, schon so getriibt, dass er soaar vor einem« —- wieder seufzte sie --- »vor einem Diebstahl nicht zittiictschreckt. wenn er sich da durch in den Besitz von Juwelen sehen tann. Wohlaemerlt, Herr Ge heimrath: nur in diesem einen Punkt iit sein Bewußtsein getrübt, während er smä, namentlich ans Laien, »den Eindruck eines durchaus normalen Weilchen macht. Nun werden sie auch meine Angst begreifen lönnen, Herr Geheimnis-: ich must täglich und stündlich besiirchten, das; es ihm gelingt, in unserem ausgedehnten Be tanntenlreisen aus irgend eine Art Perlen oder Diamanten an sich zu bringen. Und dann, dann liime der Standat Man wiirde ihm den Pro eß machen. Niemand würde bei m vorzüglichen und gesunden Ein druck, den er macht, an Kleptomanie oder qeistiae Ertrantuna alauben. .. Sie trocknete abermals die Thriinen und schien nun eine «Eririderung des Arztes abzuwarten. »Gewiß, gnädige Frau« «- entaegs nete dieser — »ich habe Sie vollkom men verstanden. Das Krankheitsbild das Sie geben, ist tlar und durchsich tig, und..wtr haben leider nnr zu ost gerade aus den besten Gesellschafts treisen derartige Kranke. Jhnen liegt also, wenn ich Sie recht verstanden dabe, on einer Unterbietan Jhees herrn Gemahls in unserer nstalt?« Leise. mit skchluehzender Stimme antwortete die Hemde «Ja. eh weiß mir allerdings keinen an ten Rat mehr. Aber, Herr Gebet-many rd es nur ge lingen, meinen Mann hierher zu bringent Er ist sehr mißtrauiich, sobald · einmal nur die leiseste An deutung rart gemacht habe und... Aber, da fällt mir ein: vielleicht tön ncn wir gerade seine sixe Idee dizu benützen Ich beside einen reichen Schmuck an Perlen und Brillianten Ich werde ihm sagen, Sie seien lauf luftig· und werde ihn damit hierher schickt-U »Ganz recht! Ich hätte denselben Vorschlag gemacht. Sie liiirnen viel leicht, ohne daß er davon weiß, zur selben Zeit hier sein· Ich übergehe Ihnen alsdann den Schmuck, und gnr behalten Jshren Herrn Gemahl iet.'« . . . Die Fremde erhol- sich. »Sagen wir also morgen, Herr Ge hetmrath. Um die fünfte Stunde. Und —- wenn ich noch mn eins bitten dars: sorgen Sie dafür, dafz man den Aermsten nich-i schlecht behandelt.« »Aber wag denken Sie, nnödige Frau!« »Verzeihen Sie, Herr Gebeiinrzthi Aber man hört und liest oft so Uner freuliches Vielen, vielen Dant, Herr Geheimrath. Morgen also um die fünfte Stunde!« »Seht wohl! Enrspsehle mich, gnä dige Frau!« I s s l Am nächsten Tage. kurz vor fiinf Uhr, erschien die unglückliche Gattin abermals und wurde vom Geheim rath Berndt in ein Nebenzimmer ge iuhrt. wobei er ihr noch tan einige Verhaltunasmaßregeln ertheilte: sie durfte sich um steinen Preis sehen la en, sollte aber — bei halb ge öfneter Thiir —- alles beobachten, was im Amtszimmer vorgehen würde. Dann wollte ee ihr den Schmueltasten zurückgeben und sie sollte das Haus verlassen. ohne von ihreem Manne ge sehen zu werden. Kurz nach fiins Uhr rollte eine Droschle an dem Hause vor, der ein etwa dreißigjährigen sehe sorgfältig gekleideter Herr entstieg« sder eine klei ne ndtasche trug. niae Minuten später stand der Kranke vor dem Geheemrath: »Ich lonnne im Austrag meiner Firma, - ilius k- riedinann. und woll te dem ern heimrath eine Aus wahl von Perlen und Diamanten bor legen, die Sie so liebenswürdig ma ren, heute bei uns zu bestellen.« Der Geheimrath beobachtete den Kranken. Er machte in der That ei-« nen durchaus normalen und gesunden Eindruck. Aber freilich: selbst der Arzt ließ sich ia in solchen Fällen bisweilen täuschen. »Ich bin Jshnen und Ihrer Firma sehr verbunden, mein Herr«, entgeg nete er liebenswürdig, muß aber siir meine Frau um Entschuldigung bit ten. Sie ist soeben mit ihrer Toi leite beschäftigt und kann Sie deshall nicht empfangen. Vielleicht erlauben Sie, daß ich dieses Täschchen meiner Frau auf kurze Zeit überlasse; oder« er lächelte und sah dem Kranten ins Gesicht. Dieser ziigerte und nahm zunächst eine etwas reservirte Haltunq an. Dann aber entaeanete er: »Es aeht zwar gegen meine Jn siruttion und ich habe stritten Aus trag, die Schmuckstsiicle nicht aus den Händen zu lassen. Indessen —- bei dem Hesrn Gebeimrath, dessen Name und Ruf ja mir und meiner Firma bestens bekannt ist« werde ich wohl eine Ausnahme machen dürfen.« Sobald der Wärter mit der Hand tasche das Zimmer verlassen hatte, zog der Geheimrath den Kranken in ein Gespräch, indem er sich immer noch stellte, als halte er ihn in der That siik einen Angestellten der Firma Julius Friedmann. Plötzlich änderte er je doch seine Tasttit undfragte unver mittell: »Wie lange ist eS eiaentlich her, Herr Leutnant, daß Zie in Süd Jfrila waren?« Der Konnte lal- dem Geheimrath völlig verständnißlos ins Gesicht nnd entgegnete: »Ich bin nie in Südafrila gewesen« here Geheime-Hof »So? Aber Sie waren früher Of fizier?« »Auch das Jvichi. Derr herr Ge heimtmh verwechseln mich anschei nend. Jch heiße Rudolf Stockmann und«... . Der Geheimrath nickte, als habe er diese Antwort erwartet. Der Aumlte schien von feiner si en cIdee in der That vollkommen be echt zu wer den. «Jhre Frau Gemahlin sang mir doch aber« . · . , Nun erhob sich Rudolpif Stock mann: »Meine Frau«s... bin über haupt nicht verheirathe und«... l «Entsinnen Sie sich wirklich nicht« daß Sie drüben als einfacher Berg werlarbeiter angesonnen und eei lchlWich zu einem großen Vermögeni gebracht haben?« « Fest war es mit der Fassung Stockmanns zu Ende· Eine leise Ahnung siie in ihm auf: dieser Ort, an dem er befand.... die lon verboten, ihm völlig unverständlichen Fragen des Arztes... sein eigen thiimliches Lächeln-.» » rr Geheimrathl Hier handelt es Ich entweder um ein mir völlig unbegreifliches Mißverständniß, oder aber wir beide sind Opfer eines raf finirten Vettuges geworden. den Sie die Juwelen in der That Freier Frau Gemahlin überbringen la en?" Nun wurde auch der Geheimes-il unsicher-. So sprach lein Geistes-tranken »Nein« — entgegnete es —- »ich habe sie Ihrer Gattin zurückbringen lassen, die im Nebenzimmer darauf wartete.« ,,Allmiichtiger Himmels« Rudolf Stock-spann sank fassunaHlos auf sei-( nen Stuhl zurück. s »Wir sind also in der That von einer raffinirten Gaunerin betrogen worden! Sie ha ben leine Juwelen bei unserer Firma bestellt?« »Ich habe nicht daran gedacht. Die Dame, die sich als Ihre Gattin aus gab«.... »Die Gaunerin, die uns- beide be trogen hat, meinen Sie?« Der Gekeimrath llingette nach dem Warten »Bei-binden Sie wich sofort mit oer Juweliersirma Julius Fried mann. Jch lasse anfragen, ob man auf meinen Namen heute dort Juwe len bestellt hat und wie der Herr heißt, der sie mir iiberbracht hatt · Bange Minuten verstrichen fiir die beiden, von denen noch immer der eine dem andern nicht traute. Endlich tarn der Marter ziiriirtz « »Die Firma Julius Friedmann hat infolge eines Briefes-, der mit »Frau GeheimrathBerndt« unterzeichnet war, durch ihren Angenellten Herrn Rudolf Stockrnann Juwelen im Waerthe von 150,000 Mart hierher gesandt here Stockmann müsse bereits hier sein« da er um halb fünf Uhr das Geschäft der-« lassen habe.« , Der Wärter erschrak förmlich, als er ffah, welche Wirtian seine Meldung ar- die beiden ausübte; fein sonst so ruhiger und gesetzter Chef und des-; Fremde, der ihm als geistestranl ges schildert worden spar, verließen in wälz der hast, sunznsarmnenhiingende Worte und Berwiinschungen ausfioßend, das Haus, warfen sich in ein Autorimbil unr- jagten davon . .. MM Besuch bei einein chinesischen Prinzen. Wir waren zu Besuch in das Po lais eines laiserliehen Prinzen geladen. Noch uralter chinesischer Sitte wurden Herren und Damen gebeten, getrennt zu erscheinen, und zwar zu verschiede nen Stunden. Als ich mich mit meinem Gefolge aus dem Wege zum Prinzenpalais in Bewegung gesetzt hatte, stießen wir mit dem Leichenng eines unserer Ma tcosen zusammen. Ein traurigeres Bild habe ich nie gesehen. Jrn tnö cheltiesen Straßenftaub, zwischen dens diLsteren Festungsnmuern Petings,s durch enge, übelriechende Gassen zog! der Zug langsam dahin, ohne Blumen, ohne Musik, von gedrückten Menschen begleitet, auf den lieblofen europäischen Friedhof in der Tatarenstadt. Alle Schutzwachen hatten ihre Leute lzur Beerdigung gesandt. Die deutsche Ehrentvache Präsentirte das Gewehr als der Zug die Kirchhofmauer er reichte; von den russischen Soldaten, die einstimmig um Erlaubniß gebeten, den Kameraden aus seinem letztens Wege begleiten zu dürfen, weintens viele. i Unter dem Eindructe, den dieses-s Begräbniß in uns zurückgelassen, do-s gen Ivir in das Chinefenviertel ein, inj tiefe. duntle Straßenschliinde, von derH unschiinen Umgebung noch tiefer ver stimmt· An Buden mit marttschreiesz rischer Auslage, an Häusern ausLehmx und Stroh, an zerlumpten, blatternar- ’ bigen Bettlekn, an übelriechendenWas-f fertiimpeln, an dampfenden KameeLj tarawanen ging es vorüber bis zu ei ner tleinen Gasse abseits, in welcher; der Pein-i wohnte. Auch hier eine er:? stickende Staublust. ein Menschen- und Straßendunstt « Die taiserlichen Prinzessrnnen hat ten mir ausnahmsweise gestattet, den Geburtstagssestlichteiten des Prinzen und der Theatervorstellung beizuwohi nen, jedoch nur unter der Bedingung, daß ich ohne männliche Begleitung — auch ohne die des eigenen Mannes — erscheine. So häßlich die Eindrücke draußen wirkten, so sehr entzückte mich das Jnnere des hauses, als sich das niedere bunteThor hinter mir geschlos sen hatte. Ein großer, heller, freundlicher hof, iiber dem sich ein strohgeflochtenesDach zeltsiirnitq spannte, war hier proviso risch in ei Theater verwandelt. Mäch tig trieb e Lindenstarnm zum Fen l ster herein, durch das Dach hindurch und entfaltete dann« draußen in freier » Luft die ganze Pracht seiner breitschat tigen Krone. Nur wenige niedereAeste streckten verlangend und schüchtern ihre Arme im Jnnern des Gebäudes aus, und darüber spielten wie Schmetter linge kleine flatternde Sonnenstrahlen. Die brettergesiigten Wände des großen Raumes, bis hinauf mit rothem Stoff bespannt, leuchteten don gediimpftem Tageslicht, das durch ihre gemalten Papierfenster fiel, warm und trans rent, als ob he.es Blut sie durchrieseke. Fries-artig schmückten sie schöne Kaki monos aus Seide, Teppiche, Stute reien, rothe Papierblumenguirlanden und Jadeketten, die zwischen den Fen ’ itern des ersten Stockes hingen, zu des lsen dreiseitiger Galerie und eleganten Logen eine blumenbekränzte Hinter » ireppe führte. Hier oben ging es nicht gerade festrauschend zu. Ein Paar tshinesinnem die mit goldenen Fächern klappten, steif und prunkend dasaßen »und nach allen Seiten förmliche Be Lgriiszungen austauschtem Jm Pat » terre dagegen sah man immerfort eine Unzahl hoher Mandarine unter tiesen Verbeugungen ein: und ausgehen oder in den Logen und aus den erhöhten Estradesitzen und rothen Lackbänken . Platz nehmen. Sie plauderten lebhaft, rauchten und kosteten flüchtig von den » Speisen und Getränken, die unaufhör l lich aus schön geschnitzten Tischen ver ’ abreicht wurden. a immer neue Be Jsucher nachdräna en und sich im » zwanglosen Verkehr ergingen, ohne bei ihrer großen Zahl einer besonderen Aufmerksamkeit vonSeiten desGastge bers gewürdigt zu werden, so alich l dieser Empfang mehr einem großarti qun iliout als einem Theaterbeiuche. Sämmtliche Logen des Hauses oben und unten waren von den Damen des Hofes besetzt, die, mit kostbaren Stei nen. namentlich Jade und Rubinen, und mit Perlen und künstlichen Blu men beladen, ihrer Schönheit bewußt, in den reichsteu, golddurchwirkten Seidentoiletten prangten. Jn einer Parterreloae befand sich Prineessin Tsching die Gemahlin des Gast ciebers, und ihre Schtviegettochter Prinzessin Tsan. Als ich, von einein chinesischen Wür denträger geleitet, bei meinem Eintritt in das Parterre die Loaenstufen hin: aufstieg, fühlte ich mich als einzige linropäerin in der mir ganz fremden Welt, der chinesischen Sprache nicht mächtig, ohne Dolmetsch, von keinem mir bekannten Gesichte umgeben. erst recht unbehaalich Mit einer seltenen Graiie jedoch nnd freundlichen Sym pathiebetundnna traten zwei junge Prinzessinnen aus mich zu, nahmen mich schweigend bei der Hand und ge leiteten mich zu einem schön aeschniücki ten Speisetisch, wo sie Süßiateiten, Früchte Und Chamvaqner bereit hiel ten. Zu wiederholtenmalen erhob sich an meiner rechten Seite die eine Prin zisssin man hatte mir den chinesi schen threnplatz lintg von ihr aeaeben —— verbenate sich vor mir mit dem Glase in der Hand und nippte zierlich von seinem Inhalt. Später ließ sie mir mit vielen llmständlichteiten im Namen der Prinzesiin Tschina ans ei nem besonderen Teller eine chinesilche Frucht reichen, nnd mit natürlicher Anmut·l) deutele sie mir nnn an, daß ich im chinesischen Hause «willlommen« sei. Als ich verlegen ein paar chinesi sche Worte des Dante-Z stammelte, freute sich mein Auditorium so sehr, daß mir, in spontaner Eingebung, Prinzessin Tsan aus ihrem Brust strauße eine Blume schenkte. Die Theatervorstellung begann, das heißt, sie hatte eigentlich nie aufgehört, aber die Unterhaltung im Parterre nahm ungestört ihren Fortgang. Das chinesische Theater dauert von friih morgens bis Mitternacht, ohne Unter brechung, nnr mit wenigen kurzen Pausen, fünf bis sechs Wochen alle Tage, so lange das Fest zu Ehren des Geburtstagstindes --— in diesem Falle des siebzigjährigen Prinzen Tschings— abgehalten wird. Pein-i Tsching. der kaiserlictse GroßonkeL Präsident des großen Rathe-s, seinerzeit Minister des Aeuszern — und auch ietzt noch oberster Chef dieses Ministerian —- soll sich im Boxerjahre sehr versöhnlich gezeigt haben, obgleich er selber zu den Frem denfeinden gehörte. Jedenfalls ist er sehr reich. Wochen hindurch wird der Prinz während dieser Festzeit von Freunden »und Besuchern elaaert, hohen Wür ;denträaern, Mandarinen, die auf ein strägliche Stellen und Vortheile svelu liren. Vom Morgen bis zur Nacht sihen sie hier beisammen und wohnen dem Schauspiele bei. Den Festgeber kostet diese Gaftfrenndschaft oft viele» Hunderttausende ——- die Schauspieler allein erhalten 1000 Taelg (8750) die Woche —— aber er wird reichlich ent-3 schädigt durch die Geschenke seiner( Gäste Theils sind es Häuser, Grund stücke, theils große Summen Geldes-, theils wundervolleJadevasen, Bronzen, Juwelen ——— ost Geschenke im Werte von -000 Taels (822)0) —- die zu-z sammen die fabelhaste Höhe von etwa einer Million erreichen. Als wir zu Ende gespeist hatten, wurde ich mit vielen Verbeugungen und artigem Geleit aus die Galerie des ersten Stockes geführt. Hier nahmen die Prinzessinnen, drei sehr hübsche, aber leider zu start geschminlteFrauen, wie auch Prinzessin Tsan mit mir in einer Loge Platz. Die Bühne uns ge genüber, fast im gleichen Niveau mit dem Zuschauerraunc im Hochparterre, war ziemlich groß, offen, ohne Vor hang, mit zwei Thüren, der Eingangs und Ausgangsthür, die Musit rück wärts auf der Bühne selbst. Pausen, Trommeln, Posaunen, Saiteninstru mente, Tschinellen, die unausgeseszt spielten oder beim Erscheinen einzelner Schauspieler in fürchterliche Tasche zusammentlangen. Da die Schauspie-? ler beständig in der iindischsten Weise eins und ausgingen, hörten die ohren zerreißenden Tusche nie aus. Die chi nesischen Künstler tragen ihre Lieder und Worte in hohen Fisteltönen vor. Diese Fisteltöne sind so sehr in das Volk, dem das Theater ein Bedürfnisz ist, übergegangen, daß sogar der letzte Knli in diesen Fisteltönen seinen mu- : sitalischen Empfindungen AusdruckJ gibt. Ein derartiges Gekreische, Ge-" quietsche, Gelärme, eine solche Fülle falscher Töne, eine solche unerträgliche Ermüdung unseres an gute europäi sche Musit gewohnten Ohres wie hier habe ich nie erlebt. Jm übrigen erin nert Spiel, Handlung, die primitive Art der Jnszenirung, die Weiberrol len, die von Männern gespielt werden« der ganze Apparat nnd die häufigen Massenkiimpfe aus der Bühne, die Symbolisirung, die Rohheit des Stoffes und die Unzartheit seiner Be handlung an die Technik und den Geist Shatespearescher Stücke in srühester Zeit -—— nur das-; eben der Götterhauch des erfinderischen Genies fehlt. Wirt lich ergötzlich sind die Symbolisirnns gen -— ein Pferd wird durch Anhän gung eines Roßschweifes am Rücken eines Darstellers, der Winter durch weiße Papierflocken, das Nahen des Frühlings durch einen Blumenstrauß angedeutet. Spielt die Handlung in einer Festung, so erscheint ein kaum mannshobes papiernes Thor, hinter dem sich die Vertheidiger oerschanzen. Der Reiterqeneral kommt niemals ans ners als im iiberkreuzten Schritt ge gangen, das heißt er nhmt denPserde schritt in übertriebener Weise nach; auch wehen Fähnlein lustig von sei-H nem Hinterlops; diese bedeuten diet verschiedenen Truppenkörper, die ers befehligt. s Die Bühne isi ebenfalls wie dag! ganze Haus in eine Lichtwoge seuer-; rother Farben gtaucht, mit köstlichen,» ineist rothenTeppichen belegt; künstliche ; Blutnengirlanden, Papierschlangen s nndZierrath schlingen sich über ihr bis : auf den mit rother Seide verhängten shaldachinartigen Ausbau herab, der in der Mitte ihres Podiums steht und dessen Vorhänge sich nach Bedarf heben und senken. Der ganze Saal, die Lo gen, die Wände, die Bühne, alles be ginnt vor meinen Augen plötzlich zu rieseln und zu leuchten, sercerroth — darinnen wogt eine ewig wechselnde, wandelnde, wimmelnde Schaar von Menschen in goldgestiekten, sarben prächtigen Gewändern —— alles ver schinith zu einem glühenden, innfti schen Bild, das die Nerven leise vibri ren macht. Von dein, was aus der Bühne vor aina, verstand ich nur wenig, doch ge nun, um aus den Gehalt der Stiiele zu schlief-»ein Das erste Stück handelte von einer ziemlich obszönen Assaire. Die Versiihrerin, ein verlleideter Mann. der die junge, entzückende, in wunderschön - zart abgetönte Seiden lleider gehüllte, graziöse und elegante Frau lebensalls ein Mann) vom Wege der Tugend führt, spielte geradezu pat lend. Ebenso dramatisch vollendet wußte die »junge Frau« den Kampf ibrer aus tiefem Weinrausch erwachen den und sich aus sich ser besinnenden bethörten llnschuld wiederzugeben, die den Versiilzrer niit Ekel von sich stößt und in den Tod geht. Das zweite Stück war, wenn mög lich, noch naiver. Nach vielen kriege-— rischen tobsiichtigen Szenen, denen ein Mann, sern von derHeimath und seiner Frau, ausgesetzt ist« lehrt er heim und will vor allem sehen, ob ihm seineFrau treu geblieben sei.. Er ist aber alt ge worden oder hat, ein zweiter Odysseus, ernen Greisenbart angelegt. Er sin riet seine Frau bei der Maulbeerernte -— beschäftigt mit dem Ablesen der Blätter siir das Seidenraupensutter. Diese Ernte ist durch einen Korb und Schwingen eines grünen Papierztveis ges in der Luft angedeutet. Bei sei nen Annäherungsoersuchen erhält der Heimgetehrte von seiner Gattin eine Maulschelle. was ihn hoch erfreute. Er setzt sich bei seinen fortgesetzten Zu: dringlichteiten schließlich der Gefahr aus, von dem »treuen Weibe«, das sich den Fremden vom Leib schaf fen will. erftochen zu werden. Jetzt kennt sein Glück keine Grenzen mehr; er offenbart sich der Gattin. Aber die schöne, junge Frau. vom Betrage ge tränkt, schmollt nun und verweigert sich feiner Umartnung, bis es der Schwiegermutter endlich gelingt, die beiden wieder zu versöhnen. Alle diese Leute laufen, urn ihre seelischen Zwei fel und Erregungen anzudeuten, un zähligeanl zur einenThiir hinaus und wieder zur anderen herein! Jm Pu blikum gibt man kaum acht auf ste. Die Aufmerksamkeit konzentrirt sich nur bisweilen auf das Kuplet eines Lieblitigssängers, der dann loialeWitze zum Besten gibt und dem eine Kritik der chinesischen Zustände erlaubt ist. Trotz dieser kindischenEinzelheiten und tlnzulanglichkeiten gibt es chinesische Dramen, die an Kraft und Charakter zeichnung an dramatischer Gewalt die meisten unserer modernen europäischen Theaterprodutte übertreffen, so zum Beispiel der ins Deutsche überfetzte »Kreidelreis«, der. von europäischen Kräften aufgeführt, enropäifch zuge stutzt, von tiefer Wirkung fein würde. Mir schwirrten die Sinne unter der Blumen- und Juwelenlast, als ich aus dem Getöse und Menschengewiihl, dem schwiilen Licht, dem Scharfrichterroth, aus dem siißlichen Opiumrauch und Theednft, nach unzähligen Knixen, mit Geschenken beladen. wieder fort Und nach Haufe kam. Mir war es, als sei ich einer erstickenden Atmosphäre, einer Stätte geschminkter Lebensfreuden, ei-· Evem tollen Mmmnenschanz entronnen. Jch athmete wieder auf in der natürli chen Frische meiner eigenen Häng-lich keit bei dem blühendenChryfanthemen und Gardenienilor aus meinenFenfter beeten. — -——--.-— .--.- , f Was einem hefchEftiretfeudm pafstren rann. Ein Berliner Reisender der Kleider stoss-Branche berichtet dem »Consek tionär« über eine niedliche Ges ichte. die er kürzlich erlebt hat, wie dFolgts Jch besuchte seit Jahren eine-n treuen stunden in Sachsen, bei dem sich wie von selbst das »Gewohnheitsrecht’« her ausgeblidet hatte, daß er mit mir je desmal, bevor wir ans Geschäft gin gen, in einem benachbarten guten Weinrestaurant »eine« gute Flasche trank, und er war nicht nur einFreund von »Weinroth«, sondern auch von Rothwein, besonders wenn es aus Ge schäftsunkosten ging. Am anderen Tage bekam ich dann regelmäßig mei nen guten Auftrag. »So ging das Tour fiir Tour; auch neulich holte ich ihn Abends, gleich nach meiner An tnnst an dem betreffenden Platze, zu unserem obligaten acmiithlichewSchop pen ab. Diesinal wählte er eine ganz besonders schwere nnd theure Marte; ich machte aber gern mit, denn was thut man nicht alles für seinen Chef und seine Kun-d«schast. Auch quanti tativ ging er diesmal über das bisher übliche Maß hinaus; ich hielt still. iscnn er schien mir auch beziialich sei ner Order diesmal besonders »große Rosinen im Sack« zu haben... Der Morgen graute schon, als ich ihm beim Abschied ein ,,W.oshl betomsm’s« zunes und ihn zum Schluß möglichst beiläu fig fragte: »Na, lieber Freund, wann lann ich Jhnen morgen früh meine Koffer schi den?« , »Dann Se, mein Kntester«, erwi derte er, ,,d-ies«mal aann ichJhnen aswer nischt bestellen, ich bin Se nemlich pleite!« —--— -.——-— Der Lehrer hatte über Selbstver leugnung gesprochen und den morali schen Wert dessen gepriesen, der diese Tugend ausübt. »Nun, kann mir einer von Euch ein Beispiel von Selbstver leugnnng geben? Du Billy?« — Billm »Wenn der Kollektor kommt und Po läßt ihm sagen, er wär’ nicht zu Hau se.« Q- If f Die turzsichtigsten Menschen find jene, die ihrem Unglück tiefer in die Augen schauen als ihrem Glück· I- sl- Ist Fünfzigiaufend Diebe soll es in New York geben« die großen selbst verständlich ausgeschlossen If sit If Dem neuen Präsidenten von Haiii wird große Fertigkeit im Denken nachgerühmt. Nach den von seinen Vorgängern gemachten Erfahrungen würde ihm die Fertigkeit tm Laufen jedenfalls zutriiglicher fein.