Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 08, 1909, Zweiter Theil, Image 9

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    Nebraska
Staats-Anzeiger und Jlserold
Jahrgang 29. Grand Island, Nebr» II. Januar 1909. (Zweiter TheiU Nichtstun 20.
W -.-..»A- f - ——« «.— --...-...»- -.»....H-4-«—
Am Ziel.
Wie fliegt die äeit auf beitren
Schwing-en
Wenn in der Arbeit ernstem Ringen
Sich Tag an Tag gefchiifti reiht,
Wenn frifch ein tätigees Zhun gr
i t.
Lang fcheint Die Fahrt im Anbeginn,
Der Wandrer fchauth mit bangem
Sinn- ,
Dann feil am Stab die ftraffe Hand,
Durchzieht er mutlfig Sumpf und
Sand,
Und fteigt nnd llirnåit in jeder Rich
rig:
Da öffnet fählings sich die Lichtung,
« Und in des riislzroths Farbenspiel
Flaum-W ro auf-er ift am Ziel.
Winterfonne.
Slizze von Kitte Damm.
Die Arbeit war vollendet!
So leuchtend in fatter Farbenpracht
wie ihre frischen Schwestern, die in
einem Korbe mit fahlgelbem und
braunem Laube geordnet waren, hat
ten die schmalen, weißen Frauenhäm
de, die nun gefaltet im Schooße tub
ten, die Eveldahlten auf dem Papier
feftgehcrltem
Therefe lächelte leife vor fich bin.
»Gelungen!" dachte sie freudig und
gleich in Verbindung mit diesem Ge
danlen auch des Honorars, welches
die Kunst-Verlags-Anftalt, fiir die sie
arbeitete, fiit den Entwurf bezahlen
münde.
is
Und dann wieder dieselbe endlose
Gedankenlette, die sie feit fechs Jah
ren «dachte, seit sie den Pinsel in die
Hand genommen hatte, zum Erwerb
im Kunstgewerbe, vorwärts rechnend:
Mietlfe — Schulgeld —- Kleioung —
Horst mußte wieder ein Paar neue
Stiefel habensWirthschaft —- fünf
zig Mart würde fie, wenn leine
Krankheits-falle kamen, auf die Spar
kasse tragen lönnen. wo ie einen klei
nen. ach fo kleinen Not rofchen lie
n hatte.
Sie ftrich mit «der Hand, an dessen
Ringfinger zwei Trauringe steckten,
Eber die hobe, klare Stirn, als wollte
sie die Zahlen da verschmchen —- um
fonft —- sie waren noch immer da:
100 Mark, 10 Mari, 40 Mart! -—
Sollte das immer .fo gehen? hr gan
zes langes- Leben vielleicht, s noch
vor ihr lag, immer rechnen. immer
grübeln, immer sorgen, ob es reichen
wier
Fast fiihlte sie sich zu schwach dazu.
Und das war’s, was sie, die sie doch
arbeiten mußte, der die bitterste Noth
den Pinsel, sden sie einst —- als reiches,
gefeiertes Mädchen -— zum Vergnü
gen« führen gelernt in die Hand ge
drückt. zu einer Gegnerin der Frauen
beweguna gemacht hattet
Nothbebelfk Das war das ganze
traurige Fazit sdeg Fraueneriverbs.
Therese hatte es oft gezogen, seit sie
für’0 Brot arbeiten mußte.
Die Natur hatte sie mehr für das
Anfchmiegen gemacht, und die Erzie
hung, die ganz auf möglichste Un
felbftständigteit gerichtet war, hatte
diese angeborene Charaltereigenschcft
ausgebildet «
Für die ist-e war ne erzogen, den«
ihre Mutter san nur in der aänilichen
sich seines Selbst vollständig ent
äußern-den Hingabe des Weibes .n
Mann und Kind-er des Weibes Glück.
Und so hatte sie, seit Therese verstän
dig genug war, gepredigt von des Le
ben-L Sonne, zu der Therese bestimmt
sei,
Es hatte nicht an Frühlings-stür
inen gefehlt, und die hatten die Son
ne verdunkelt. Theresens Eheaiiick
war aus dein Schein ausgebaut
Wöfrend man ihr gesagt hatte, wäh
rend er ee bestätit hatte, daß er
Iherese liebe, daß csie allein zu seines
Lebens Glück fehle, hatte den schiva
chen, haltlosen, aber liebenswürdigen
Mann ihr Geld gelockt, welches er
binnen wenigen Fuhren in »Unter
nehmugen« ilihnter Art vergeudet
hatte
Ud nach einigen Monaten stillen
Wahnsinns war er gestorben
Gleich und thränenlos hatte The
rese an seinem Grabe gestanden, und
des Lebens Noth trat hart uno uner—
bittlich an sie heran. Esaalt ja, drei
noch kleine Kinder zu er iehen. Und
wieder nahte man Thereiens weiches.
nachgiediges Wesen, indem die Ver
wandten ihr eine Fremden-Pension
einrichteten, damit sie ihre »schönen
Möbel behalten lönne«. Sie hatte
anz schüchtern den Versuch gemacht,
as Malen, sast ihre liebste Beschäf
tignn , siir den Erwerb in Vorschlag
zu d nam, aber man hatte sie ver
lacht. , .
»Da sieht man wieder-, wie uns-rats
iisch Theiese erzogen ist, will sich init
dieser ,,brodlosen Kunst« nähte-sc
Und Therese ver-miethete Zimmer und
kochte site die Vensionilre und ängstig
te sich. wenn eins ihrer Kinder einmal
weinte. Dabei standen die Zimmer
oft monatelang leer, sie mußte die
Miethe zahlen Und sich plagen. Dazu
’tatn, daß sie die Möbel, in denen
fremde Nienschen wohnten, kaum
mehr als die ihrigen ansah, und als
wieder die«Miethe fällig und kein
Pensioan da war, verkaufte sie alles
Ueberfliissige, kurz entschlossen und
fwandte sich. von einer treuen Trenn
l
i
i
din herathen, dem Kunstaeiver e zu.
Sie hatte jetzt ihr bescheideneå Aus
kommen, die drei Kinder wuchsen her
an, ihre Mutter führte den kleinen
Haushalt, nicht ohne täglich zu jam
mern, sdasz von den schönen Möreln so
viel verkauft sei. Aber Therese hatte
in diesen schweren Ihren endlich ge
lernt, sich auf sich elbst zu verlassen,
so ging te ihren Weg, nur ihrer Ar
deit und ihren Kindern lebend.
Die Zeit war vergangen, die Son
nenhöhe der Jahre erstiegen, Christo
und Horst waren bereits lonfirmirt,
und Christa besuchte das Lehrerin
seminar. "
-Aber Therese hatte nichts von der
Sommersonne gemerkt. Höchstens hier
» und da einen Sonnenstrahl, der ihr
jeintiiniges Arbeitsleden erhellt hatte:
» eine neue Verlagsanstalt, ein kleiner
)Erfolg, eine nene Verbindung.
» Die Wollen der Sorgen um’s tän
liche Brot waren immer da, unsd The
resc wandelte beständig iin Schatten,
im Schatten der Rechnungen, der
Summen, der Zahlen.
Und dann mar es einmal gewesen«
als sollte die Sominersonne ihr doch
noch einmal lächeln: ein gereiften er
probter Freund, der sie einst in fro
her Jugendzeit kennen gelernt und sie
lieh gewonnen hatte, sah sie wieder.
Weg-halb er damals nicht um sie
ward? Tksereie mußte es jetzt, leider zu
spöt. Weil er ein armer Ojsizier und
zu stolz war, um das reiche Mädchen
zu werden, von dem er wußte, daß es
i
nur mit »Mutters Augen« sah. und
in Mutters Augen wollten die Offi
ziere nur Geld heirathen. Sie waren
geschieden. klaglos, wortlos — tros
dem jeder wußte, wie es um den an
dern bestellt war.
Er hatte erfahren, daß sie sich ver
heirathet hatte, und daß sie Wittwe
geworden war, und sie wußte, daß er
anvermählt geblieben war, den Ab:
schied genommen hatte und das Gut
bewirthschastete, das er mit drei
Schwestern gemeinsam geerbt hatte.
Sie dachten aneinander wie zwei
gute, alte Kameraden, und deshalb be
suchte er sie, als er zur Landwirth-·
schaftlichen Augstellung in Berlin
weilte.
Wie sie, so mußte auch er beständig
rechnen aber nicht allein siir sich,
siir drei nöraelnde Schwestern, die
ihm alle drei den Hausstand führten·
Die stille, gereiste Frau mit den
Spuren von Leid und Kampf in den
weichen Zügen hatte zwar nichts mehr
von dem Jugendbild, das er in Ge
danken hegte, aber sie war ihm noch
schöner und begehrengwerther erschie
nen.
Und seine schlichte, selbstbewußte,
traftvolle Männlichteit hatte aus The
rese Eindruck gemacht.
Sie würde nicht mehr allein siir
alles stehen müssen, sie würde, wenn
sie sein Weib würde, nicht mehr die
ganze schwere Verantwortlichkeit tra
gen, die sie immer gedrückt hatte.
Und sie hatte einen kurzen Monat
lang, während sie rastlos weiter ar
beitete, von einer Spätsommersonne
geträumt.
,,Dars ich im Winter wiederkom
men, Therese,« hatte er vor seiner Ab
reise bei seinem letzten Besuch gefragt,
»und dars ich dann eine Frage an Sie
stellen, die ich noch nicht stellen kann,
ehe ich nicht alles aus hölsow geordnet
habe, das mir nicht allein gehört, son
ldern noch drei Schwestern?«
Und sie hatte ihm ihre Vanbe ge
lassen und gesagt: »Ja, kommen Sie
wieder, Karl Friedrich«
Wie kleine, seine Sonnenstrahlen
waren ihr seine Briese gewesen —- da
war jemand. der sie stützen und leiten
wollte und ihr ein sonniaes Heim be
reiten.
Sie sagte es sich wohl, sie war nicht
mehr jung, achtunddreißig Jahre
aber die Herbsttage des Lebens könn
ten doch noch voll goldigen Sonnen
scheins sein, ohne die Schatten, die
dait stete Sorgen und der Kampf uns-Z
Brot in ihr Wittwenleben trugen.
»Ein Bries, Mutter, ein Briefs«
ries eine helle Kinderstimme, und ihre
jüngste Tochter slog in’s Zimmer und
gerade aus der Mutter Schooß. Dann
ttlszte sie Thercse stürmisch und eilte
wieder davon: »Wir spielen unten im
Garten mit Bautaths Tenniö —-— ich
sah den Brieftriiaer kommen und
naan ihm den Brtes ab.'«
Der Bries trug einen breiten
U
·
Trauerrand und eine Adresse bon
fremder Handschrift
Therese riß ihn auf, ein kleines
Konvert fiel heraus, aus dem sie, von
liarl Friedrichs Hand geschrieben,
ihren Namen las und daneben ein
ziemlich großes Briesblatt, auf dem in
altmodischen Schriftziigen, denen man
ansah, daß die Hand nicht gewohnt
war, die Feder zu führen, wenige Zei
len zu lesen waren: »Verehrte gnädtge
Frau! Es war meines sterbenden
Bruders Wunsch, Jhnen beifolgenden
Brief zu übermitteln. Karl Friedrich
ist gestern nach kurzem Leiden an den
Folgen eines Sturzes mit dein Pferde
gestorben. «
Mit bester Empfehlung
Agnete Liebenow.«
Der eingeschlossene Brief war sein
lehtes Gedenlen, geschrieben vor dem
unheilvollen Ritt —- gute, treue,
schlichte Worte, niii denen ein starker
Mann der theiiren Frau gedachte, der
er Stab und Halt sein wollte. Aus
dem vollen Leben — ohne Todesah
nung, oh.:s Abschied.
Und während sie wortlos und klag
los den Brief zusammenfaltete, sanl
drüben iiber den Partbiiunien goldig
glänzend die Herbstsonne unter.
st- Ih II
,,Wohin willst du denn gehen, The
rese23« frckkte ihre Mutter, als- Therese
sich einige Wochen später zum Aus
gang riistete.
»Ich war ji lange nicht bei Tantk
Oanna « nnd sie ist so einsam iiii
Stift.«
Tante Hanna war eigentlich nur
eine Nenntante, an die sie keinerlei
verivandtschastliche Bande fesselten
Aber die stille Ruhe n Tante Hanas
Stiftsstiibchen that Therese ost so
wohl. Bis dahin braiidete das laii«e
Leben der Weltstadt nicht, dort hatte
man sich mit dem Schicksal bescheiden
gelernt.
Jn Theresens Seele war es auch
stiller geworden, sie hatte sich damit
abgesunden, daß weiter, immer weiter
die Schatten ihren Weg begleiten witt
den. So tief lagendie Schatten, daß
sie selbst kleine Sonnenblicke nicht be
achtete, nicht die Freuden, die Christas
und Horstg gute Zeugnisse ihr bereite
ten. Denn wie Mehlthaii legte sich die
Sorge darauf: Ehrista sollte nach be
standeneiii lsranien in’g Ausland,
Horst, der fiir alte Sprachen eine sel
tene Begabung zeigte, wollte Altphilo
logie studiren, nnd Theresens Kunst
geioerbe sollte die Mittel schaffen.
Und dann stand sie vor der gebrech
lichen Gestalt Tante Hannag, die iin
Lehnstuhl am Fenster saß, gerade in
der Sonne, die so bleich hinein schien,
gar nicht niit deni siegenden Schein,
dcn sie iiii Sommer und Herbst hatte.
klinn ersten Male beinerlte Therese,
daß die Sonne einen vertlärenden
Schimmer über Hannas gesurchte
Züge wars, die jedenfalls nie, selbst in
rer Jiiqeno nicht, schön aervesen wa
ren. Aber ein töstlicher Ausdruck lin
in den großen grauen Angen: der der
Milde, des Verständnisses nnd dær
Güte.
Sie hatte sLir Therese, Das stille,
scheue Stind, die so verständnisle er
zogen wurde, immer anterse gehabt
nnd unausdringliche Freundschaft und
lobnte Theresens Zuneigung und Ver
trauen durch treue Liebe.
Sie verstand es, was aus Thereseng
Worten sprach: das Leben im Sorg
genschattrn. Und doch sagte sie heute,
als Therese von daheim erzählt hatte,
von ihrer Arbeit nnd ihren Kindern:
»Therese, wag für ein glückliche Frau
bist du!« ·
,,·Gliicllich —- Tante Hanna, mit
meinen Sorgen. meinen Fehlschlägen
meinem geplanten Leben, das nur
noch aus Zahlen und Summen be
steht, aus solchen, die nothwendig wäs
ren und solchen, die verdient werden«
»Ja, Kind —- bas tommt, weil du
dich gewöhnt hast« stets im Schritten
zu gehen. Sieh, so ging es mir einn,
in früher Jugendzeit —— Morgen
sonnt kannte ich nicht; denn- die gliick
felige Kinderzeit wurde mir schon
durch ein böses Hüftleiden verbittert,
dem ich meinen lahnien Gang danie
Und Mittagsonne war mir auch nicht
beschieden Der Mann, der sich mir in
Liebe genähert hatte, den ich liebte, der
zog sich zurück, als nach einigen Jah
ren der Besserung das alte Leiden
. wieder austrat. Nun —- zu versdenlen
war es ihm schließlich nicht —- wel
gberYMann will eine lahme Frau ha
en
Aber mir how doch sehr weh ge
than --— wenigstens damals, als ich
noch nicht aelernt hatte, mich zu be
scheiden und mich im Leben zu behel
ien. Und als ich einsah, daß mein
Leben so weiter bleiben würde: ein
» sam, wie es immer gewesen, ohne til
«ternliebe, die jung gestorben, und
ohne Jugen-dfreuden, die mein schwa
cher Körper verwehrte, und ohne Liebe
und Faniiliengliick, da war mein Le
ben wohl mehr als zur Hälfte gelebt
Ich hatte gar nicht daraus geachtet,
als es von der Jahre Höhe zum Ab
stieg ging, und als ich darauf achtete.
ida war die Wintersonne schon da.
Sieh« — Hanna zeigte mit der Hand
hinaus über die kahlen Baumwipsel
des Stiftsgartens —- »sieh, Therese,
wie bleich und wie schwach sie ist im
Vergleich zur siegenden Macht der
Sommersonne — und doch« wie wär
meud und schön. Und du kannst dich
in löstiicher Lebenswintersonne wär
me « in der Liebe deiner Kinder.
Durch dein stetes Sorgen und Gril
beln hast du auch nicht bemerkt, daß
sie, reifer werdend, ebenfalls zur Höhe
streben, daß, wenn gereist und ge
festigt, sie dir Halt und Stütze sein
werden. Trägt nicht heute schon
Christo-I- Ernft, mit dem sie sich auf
ihren Beruf vorbereitet, Horsts kiute
Leistungen, Ernas frische-I Wesen, vor
allem ihre Liebe zu dir, Sonnenblicke
irr dein Leben, trotz deiner Plage?
Wir miissen nicht mit aller Macht
nur in Sommer und Herbstsonne
leben wollen«
Tiere-Te blickte der Sprecherin ins
Antlitz, wie aus eine Verkündigung
hörte sie aus die still mahnenden War
te idee- ulten illiädchen5, dem die Win
tersoune io lich war.
Hatte Hanna nicht recht? War sie
nicht icu Schatten dahingetvundelt,
ouclx dann, wenn es einige Sonnen-:
strahlen aud?
Und Die Sommer- und Herbst
sonne ivur verglommen! Nun galt’s
die Wintersonne zu retten. Hanna eri
tvartete teine Antwort, und Therese
schwieg still. Ihre Gedanken wander
ten rückwärts-, durch die mFischcm mit
den dunklen Sorgenschat n. Jbre
Lilunen blickten durchs Fenster, fast
geblendet von der Lichtfiille der strah
lende-i Sonne, die sich schon zum srii
hen Abend neigte.
Wintersonnet
Auch fiir sie war sie da, sie wußte
es plötzlich und dachte des heutigen
Morgens-, als sie beim Ovdnen ihres
rei n, dunklen haares die ersten
Dei en Fäden im Scheitel entdeckt
hatte. Hanna war ganz allein nnd
freute sich der bescheidenen Glücksfkunss
den, die sie mit ihrem reichen Selbst
sich schenkte. nnd sie halte ihre Kin
der, die im Leben stehen würden tapfer
nnd aufrecht.
»Ich danle dir, Tanta Hanna«,
saqie sie dinn leise, »eH war ein gutes
Wort, das von der WintersonneA s
Der Abend dunkelte, als sie da
heim in’s Wohnzimrner ital, wo ihre
Kinder um den« großen, runden Tisch
iaszen. Christa nnd Horst spielten ein
öretiipieL zur Erholung, wie sie sag
jen, und lfrna war in ein- Backfifchs
luch vertiefl. Und als sie alle drei
ausipranaen nnd ifrna mii dem Freu
denruf: »(Fndlic1:, Mutter, wie wird
doch der Abend so lana, wenn du nicht
da bisl!« auf sie zueilten und Christo
ihr aus dem Mantel haf, während
Herst ihren Stuhl zurechtriickte, da
wurde ihr Herz froh und weit.
Sie wußte es wohl. ohne Schatten
ist auch der schönste Sonnenlag kaum.
Aber sie wollte siegreich kämpfen mit
ten Schatten nnd sich freudig ruhen
in den Strahlen der Wintersenne, die
ihr beschieden
,.--—— - ---—-—
Der Wärmentantel der Eide.
Wir leben in der Allera der Pokar
fahrten und Billonaufstiege, wissen
schaftlieher sowohl toie spor:mijfs,iner,
und da hört nun ni icht selten hartae
soltene ltiitzliehteitsapostel die Frage
stellen: Wollt nur diese ungeheure
erschwert-nun von Geld und Kriis
ten zur tsrreichung von Helen, die
uns doch absolut nichts neue-«- bieten
tiinnen! Wir können uns doch ganz
nenau vorstellen, wie eg aus den Polen
aussehen wird, welche geograpl)ischcn,
rhysitalischen, meteorologischen Ver
hältnisse dort herrschen müssen, und
tras die Höhenfahrten anlangt, so
lann dabei ebenfalls nichts Ihreran
teteg herauskommen: ie höher, destol
di.inner dieAtInosphiire, desto eisiger die «
Temperatur, desto geringerer Wasser
geholt und so weiter.
Wenn man’s so hört, er- könnte leid
lich scheinen, und so lange kein Gegen
bcrveis vorlag, ließ sieh auf derartige
Ausführungen eigentlich nicht viel er
widern. Und doch irrten sie, die guten
Leute, die dem kühnen Wagernut und
dem wissenschaftlichen For-schlimms
drange mit ihren ledernen Argumenten
ein Bein zu stellen beabsichtigten Wäre
rie Forschung darüber gestolpert, wäre
sie hintend von der Verfolgung desi
Zieles abgestanden, so erfreuten wir
tan heute nicht einer Entdeckung, die
zu den unerwartetsten und erfreulich
slcn in der scheinbar so öden Unermeß
lichkeit des Luftmeeres gehört: der
Entdeckung des Wärmernantelö der
l
I
I
i
Erde oder, wie die Meteorologen es
nennen, der großen Jnversion.
Allmonatlich einmal wird von zahl
reichen meteorologischen und astrono
mischen Instituten Europas an einem
bestimmten Tage eine Schar kleiner,
unbemannter Luftballons losgelassen,
die im Gegensatz zu ihren riesigen Brü
dern, den imponierenden modernen
Lustschifsen, besonders zu Hochsahrten
befähigt sind. Sie führen eine Anzahl
sehr sorgfältig gearbeiteter Thermome
ter und Barometer empor, die ihre An
gaben selbst auszeichnen und nach der
Rückkehr gestatten, die Höhe des Auf
stieges, sowie die in der durchmessenen
Strecke herrschenden physikalischenVer
hältnisse abzulesen bezw. zu berechnen.
Eine deutsche Erfindung, die An
trendung von Kautschukballons als
Träger der Registrierballons, gestattet,
diese ,,Ballon-Sondes«, wie man sie
jetzt nennt, zu bis-lang unerreichten
Höhen emporzutreiben Der Kaut
schukballon trägt einen zweiten Ballon
der gewöhnlichen Art, der den Träger
der kostbaren Registrierapparate bildet.
Je höher die beiden verbundenen Bal
lons steigen. desto mehr dehnt das in
der Kautschukhülle enthaltene Gas, des
atmosphärischen Gegendrucks mehr und
mehr entlastet, den Ballon aus, desto
tragsähiger wird er, desto höher steigt
er ——— bis der Moment der Katastrophe
eintritt: unfähig, sich weiter auszudeh
nen, platzt die Hülle, und nun sinkt der
die Apparate tragende untere Ballon,
tser allein nie so hoch gekommen wäre,
unter dem Gewicht der Instrumente
und landet gewöhnlich glücklich am Bo
den, wo er meistens bald entdeckt und
dem aussendenden Institut eingeliesert
wird.
Die Fahrten mit bemannten Bal
long, gewöhnlich bis zu Höhen von
12—-s—15,000 Fuß emporführend, haben
mehrmals 23—-—26,000 Fuß erreicht,
und als etwas ganz Außerordentliches
müssen die beiden Aufftiege Verfons
gelten, die 30,000 Fuß und lmit Sü
ring zusammen) etwa 85,00s) Fuß
erreichten. Jn dieser Höhe herrschte
eine Kälte von ungefähr 40 Grad
(Fahrenheit) unter Null. Schwerlich
werden sich wegen der damit verbnde
nen Lebensaefahr größere Höhen im
Luftfchiff ersteigen lassen.
Die BallonsSondes daaegen sind
imstande, lich zuHöhen emporzuschwin
gen, die die Höhe unserer größtenBerai
riefen, des Gaurisanlar, deg Dapsang
:i. a., um das-Z dreifache übertreffen
Ein oom belgifchen meteorologischen
Dienst am J. September 1907 aufge
lessener Ballon ereichte fast 16 Meilen
Höhe; ein am :)-.Auguit 1905 inStrafp
bura aufgeftieaener eine Höhe von 7:'),
nun Fuß. Derartige Hochfahrten sind
ei- gewesen. die unsere Kenntnis der
atmofphärifchen Verhältnisse in der
oben erwähnten Hinsicht so überra
fchend bereichert haben.
Jnr allgemeinen glaubte man bisher
mit Recht annehmen zu dürfen, daß die
Temperatur der Atmosphäre nach au
ßen hin fortgesetzt abnimmt. Die bei
Ballonaufftiegen häufig angetroffenen
Schichten von einigen hundert Fuß
Diele, die höhere Temperatur aufwei:
sen, als die darunter liegenden, find
unr örtlich beschränkte Luftftriche, über
denen in größerer Höhe die
normale Teniperatnrabnahme wie
der zur Geltung kommt. Für die
iiber 35 --45,()U()Fuß gelegenenSchich
ten ergaben dagegen die Aufzeichnun
gen der Regiftrier-Ballons ein ganz
aluveichendeg Bild. So oft nämlich
der Ballon diese Höhen erreicht, be
ginnt die Temperatur zu stehen, ja als:
bald sogar wieder zu steigen, und diese
Teniperaturzunahme hält an, so hoch
die Ballon-Sondeg bisher emporgestie
sien sind. Das ist der WärmemantelI
der Erbe, das Gebiet der Temperatur
umtebr, die große Jnversion·
Der oben erwähnte Straßburger i
Vallon verzeichnete in der Unteren i
«F.schicl)t eine reguläre Abnahme der :
Wärme und des Wassergehalth derLilL «
mosphäre. Das Rätterroerden hielt bis
44,l)(·)(«) Fuß, wo die Thermometer —
8« Grad unter Null zeigten, eine Tem
peratur, vie auf der Erde selbst am
Kältepol lWerchojanel in Sibirien)
nur ausnahmsweise erreicht wirs.
Darüber hinaus begann die Umkehr
es folgten immer lvärtnerc Schichten,
bei 45,000 Fuß —— 72 Grad unter
Null, bei 60,000 ————— 56 Grad, und am
höchsten Punkte des Anfstiegs Entrich
ten nur noch 40 GradKältc· DieTems
veratur stieg also innerhalb der Luft
schicht von 35,000 bis 75,000 Fuß um
volle 10 Grad unter Null. Auch die
Luftfeuchtigkeit, die am Erd-loben NR
Prozent, in 15,000 FußHiihe nur noch
29 Prozent betragen hatte, stieg von
biet ab und erreichie bei 21,0M Fuß
45 Prozent, nm nun bis zu den höch
sten sniiben fast stationär zu bleiben.
Der im Septembper 1907 aufgelassene
belaifche Ballon verzeichnete die größte
Kälte, nämlich —- 80 Grad Unter Null,
in der Höhe von 40,000 Fuß, während
in der größten erreichten Höhe, bei ei
nem Barometerdruck von etwa 17 Mil
limetern, nur noch 55 Grad Kälte
herrschten. Auch alle anderen Regi
strierballons, die ähnliche Höhen er
reicht haben, bringen in ihren Aufzeich
nungen eine Bestätigung dieser merk
würdigen Tatsche, sodaß an dem Vor
handensein der großen Jnversion nicht
mehr zu zweifeln ist. Es sfrägt sich
nur, bis zu welcher Höhe diese Wärme
fchicht emporreicht, wann wieder eine
Kältezunahme eintritt,die nach der bis
herigen Annahme dieErdatmosphären
Temperatur allmählich in die absolute
Temperatur des eisigen Weltraumes
überführen müßte. Hier wäre es wis
senschaftlich von der größten Wichtig
keit, Registrierballons herzustellen, die
noch erheblich höher steigen können, um
zu ergründen, ob und wo die Tempe
raturumtehr in jenen großen Höhen
aufhört und wie sich die Verhältnisse
im Jahreslaus dort überhaupt gestal
en.
Woher aber, fragt man sich, stammt
denn nun die gewaltige Temeraturzu
nahme bis zu den äußersten Höhen, wo
derBarometerstand noch unter 20 Mil
liineter herabsintt? Hierauf hat erst ein
Meteorolog, J. F(T-nyi, eine Antwort
zu geben versucht· Er weist zunächst,
was nicht gerade schwierig ist, nach,daß
trir nicht an eine warme Strömung
denken dürfen, die die in den heißen
Gegenden aufsteigende Lust beständig
nach jenen äußersten Höhen abführe.
Die unteren Wärmequellen erweisen
sich vielmehr sämtlich als unzureichend
für die Erklärung der großen Wärme
schicht. Wir müssen die Wärmequelle
im Weltrnum suchen.
Hier bietet sich eine solche in den von
der Sonne ausgehenden dunklen
Strahlunaen, die als solche nicht zu
uns herabgelangem sondern schon von
den höchsten Schichten der Atmosphä
re sehr start oder völlig aufgesogen
werden. Diese Strahlung, so gering
fiigig sie auch im Verhältnis zur Ge
tnmtnusstrahlung der Sonne, sein
mag, geniigt, wenn sie von den obersten
Luftsehiehten absorbiert wird, zu deren
Erwärmuna Die Physiker wissen
längst, daß die Strahlen des ultra-:
violettenSPettrung die siir unser Au
ge unsichtbar find, sast völlig, in ihren
äußersten Gebieten sogar vollständig
Von der Luft obsorbiert werden. Die
Sonne, die gemäß derHöhe ihrer Tem
peratur alle möglichen Strahlen er
zeugt und nussendet, wird auch solche
entsenden, und es ist nur die Frage, ob
diese Strahlen bis an unsere Atmos
Vbäre gelangen oder nicht schon in der
äußersten Atmosphäre der Sonne selbst
absorbiert werden. Die Existenz der
großen Jnversion gestattet nach Fis
nhis Berechnung den Schluß, daß die
Sonne in derTat dunkle Strahlen Von
bedeutender Menge und Energie aus
sendet, Strahlen, die unsere Meßin
strumente tatsächlich niemals erreichen.
Besonders zurzeit eines Sonnenslet-:
kenmaximnms scheine n in Anbetracht
des Aiisruhrs,der zu jener Zeit auf der
Sonne beobachtet wird, neirisse Strah
len neu ausgesendet oder verstärkt zu
werden. Gewaltiae Ernptionen
schleudern Massen von ungeheurem
Umsanae weit iiber die chsserstoffati
mosphäre der Sonne in den Himmels:
raum hinaug, und diese Massen ineina
stens wären dann in der Lage, Strah;
len auszusendm die bei normaler
Sonnentätiateit die Wasserstoffbiille
nie durchdrinaen, also auch die Erde
nicht erreichen können. Auch liier luii
ren wieder die Gurnrniballong berufen,
der Forschung lueiterzulsselfen und
dunkle Gebiete zu erhellen
Sei jedoch die Erklärnnu sn oder so:
das Erfreuliche bei alledem ist und
bleibt die Tatsache, daß unsere alte
Mutter Erde einen warmen Mantel
besitzt der sie vor den Unbilden der kal
ten Weltraumgtemneratur schützt und
aeeianet erscheint, dein organischen Le
ben und der Krone der Sschövsrina,deiii
Menschenaeschlecht, die Aussichten auf
ein erheblich längeres Dasein zu eröff
nen, als es bei ungehinderter Tempe
raturausstrahlnna der Erdobersläche
in den Weltraum möglich wäre. Wer
weiß, wie es schon um unsv bestellt wä
re, wenn nicht seit Jahrtaissenden oder
Jahrmillionen dieser Wärmemantel
unsere Wobns undWerkstatf schirmend
umhüllte! Herni. Berdrow
—.--- —
Neue Bezeichnung.
,,.Haben Sie auch sGläubiaer?«
»Na und ob! Den ganzen Tag
läuft es die Treppe auf und ab. Al
les Leute, die von mir was kriegen.
«Die könnten schon bald einen Krieger
svetein gründen!«
Eine liebe Etpelpälstr.
Bäuerin tzu ibrem Manne): ,,Dös
«sag’ i’ Dir, hannes! Obne Geld
sdarsst nöt heimkommen! Wenn D»’
F aus der Treibfsagd nöt ’-dausg’schossen
I wirst, n.icha schaust, daß D’ unter an
Automobil kommst!«