Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 01, 1909, Zweiter Theil, Image 13

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    I—
!
«
Ver Schatzgrithen :
Eine heitere Shloeltergelchichte von
Iris Brentanok
Nun war der alte Kapellbauer
schon fasft drei Jahre todt und
Manna vie junge Bäuerin, war noch
immer Wittwe.
Die Monita tarn als blutjunges
Dan auf den Kapellenhof, seit-ur
dentlichen Zeiten so g’heißen, von
wegen einem alten, halbverfallenen
Gebethaus, das auf dem Grundstürt
des Bauern stand, und längst nit mehr
im Gebrauch war. Sie war eine
Waise. Unter Kummer und Sorgen
hatte die arme Mutter ihr Kind, die
Monita, aufgezogen und all dieses
achtzehn Jahre alt und etse gar büb
lclje und brave Magd auf dem Hof
des Quantner geworden war, da hatte
die alte Kenzi. ihre Mutter, sich hin
gelegt un war gestorben, nachdem ssie
noch dern Kapellbauer wenige Minu
ten oor ihrem Ende gar herzhrechend
ihr arrnett Waiiel empfohlen und ihn
beschworen hatte, darüber zuwachem
daß es der Dirn nit schlecht ergehe.
Der Alte hatte das fest versprochen,
allein bald herausgefunden, daß es
nit io leicht lei, eine lebensfrilche Dirn
zu behüten. wie etwa eine Lieblings
tuh. Denn die Buben im Ort waren
hinter der Monita her wie narrisch
und wenn diese auch tapfer allen wi
derstand, so konnte, wie sich der Mai
thias l:gte, doch der Teufel eines-:1 Ta
aks·sein Spiel machen.
I
unli ais et on einem Urtmeomg
wieder einmal von feinem Tisch in der
Ecke des Wirthshauiifaales aus dem
Tanz der Jungen und Alten zu
fchaute und fah, wie die Burfchen«
zum Aeraer der iibriaen Weil-few sich
nur um die Monila drängten und
diefe aus einem Arm in den anderen
flog, da ilbertam ihn ein Gedanle fo
plöfslich und fo siedia heiß, da er un
willtiirlich fein rathlarrirtes chnupf
tiiehel heraualangte und fich damit fet
nen fchrn ftart tahlgewordenrn Schä
del abwifchte.
»Jessas, Jessas!« murmeite er vor
sich hin, »wenn das ainaet, das wiit’
sind's a’fch-itfte! So wär i all meiner
Sorge los um die Dirn. Freili wer
diene lachen im ganzen Ort und rni
an alten Narren boaßen, aber das
fcheert mi nir. J bin mein eig’ner
Herr, hab nit Kind, nit Kegel. und
wenn nur däe Monila rni nimmt,
dann lann mir die ganze andere G’
föllfchaft den Buckel runter rutichen.'·
Und die Monila nahm ihn wirt
lich. Denn sie war ein g’fcheite5 und
prallifches DirndL und als fie am
anderen Moraen nach dem Kirmesss
tag ver Bauer in feine Stube rief uan
sie ohne lange Vorrede fragte, ob sie»
feine Frau werden wolle. ds: war ssie
freilich zuerft erschrocken. Als der«
alte Matthias ihr aber in feiner gut
miithiaen Weise auseinanderfetzte, wie
er fo ganz allein in der Welt baftehe.
ihrer sterbenden Mutter versprochen
babe, über sie zu wachen und alaube,:
solches nit besser thun zu können, als
wenn er sie heirathe und sie zu feiner
Erbin mache, da hatte sie sich gar lang
nit b’fonnen, hatte ihm die Hand ne
reicht und geantwortet:
»No, wann’8 mi moaaft. woll’n
um's in Gottes-kramen miteinander(
verfuchen.« f
N-. ———————————— i
Und es war aanz gut geaangemi
Anfanas hatte man im Dorf aller-1
dings iiber das ungleiche Paar viel
geredet und zaefbottet, allein da be
lanntlich alles ein Ende nimmt, fo;
auch das ftete Gerede. Die Monila
bildete sich rafch zu einer tüchtigen»
Bäuerin heran, hielt Haus und Hof·
in Ordnunf und war ihrem alten»
Matthias ein braves Weib, fo daß esi
l
bieien noch einmal wie herbftfonnens
glana übertam, non dem er friiher ab
folut nichts verfpiirt hatte.
Lange freilich follte er sich feines
Glückes nit erfreuen —- nnr fiinf tut-«
Jahre, während welcher Zeit sie fried
lich und gemiithlich mitlannnen gelebt
hatten, ohne daß sich eine b’fondere;
Liebesleidenfchaft zwilchen ihnen besi
merkbar gemacht hätte. Derlei zu ver-i
lan n, war der Alte viel zu klug, eri
wu te, daß junges Blut sich zu feines
alefchen aefellen muß, und fo hatte er
denn auch noch im Sterben der Mo
nila, die weinend an feinem Lager
faß, gerathen, sich. wenn erft die üb-»
liche Trauerzeit vorüber fei. wieder eiJ
nen braven Mann, aber ja leinen zu1
nehmen« den sie nicht fo recht zum
Fressen lieb habe.
»Es Eft Zeit. daß d’ auch mal wasi
fuss- hekz erjagte »me- Horch-eint
meinte er, »baft dich fo lang mit mir
altem Hallodri rumplagt.«
Und dann fchlief er, während die
Monila feine erftarrende Hand hielt,
ruhig ein und lie die einftige Tage
löhner-bin als re che Bäuean zuriick
Ein Jahr lang hat sich die Monilcyi
soweit thr dies ihre Wirthschait ek:«
laut-ste, in einer gewissen slillen Zu
rückgezogenheit ans ihrem Hei g’haiten
und nur selten sah man sie in dem et
was abseits liegenden Dorf. Aber dies
rechte Ruh hakt deshalb doch nit ne
sunden. denn noch waren leine sechs
Wochen til-er dem Begräbnisz ihres al
len Matthias hinaegangem da stellten
sich schon iene riihrigen Männlein und
Weiblein hei ihr ein. denen teine
Trauer. und sei sie noch so echt, heilig
ist-die Heirrhwerinittler und Ver
mittletinnen, vie die innne Kapell
lsiiuerin ais einen absonderlich seiten
Bisenerachtetem den sie gar gern ge
schlucktOhiittem Erst vereinzelt nnd
qhast. dann dusendweise und zu
clssth hatte sie sieh eingesuan
and der Wittwe alle möglichen und
unmöglichen Kandidaten vorg’fchla
gen. Allein vie Monita ging nit auf
den Leim ihrer hontgsitßen Worte.
Und wenn sie sich auch sagte, daß sie
auf dem Hof auf die Dauer nit alln
nig haufen, sondern einen Mann zur
Seite haben müsse. so sollte diesen
Mann doch kein anderer fitr sie aus
suchem am wenigsten so a dalteter La
tel oder a Weis-person, die sie um
Verzente verhandeln wollten. Selbst
wollte sie sich ihren künftigen Jhri —
ten aussuchem küts Derz wollte se
was haben, evie rhr alter Seliger ganz
richtig bemerkt hatte, und es dauerte
lange, bis dieses her-z sich endlich in
die Sache mischte und zwar zu Gun
sten eines Burschen, der just der Letzte
g’rvefen wär, den ihr die Eheschacherer
vorg’schlagen« hätten.
um osie Miit-e ihres oriiren
Mitwenjahres war der Franzel
Gangler als Oberlnecht auf den
Kapellhos kommen. Ein stattlicher
Bursche mi ehrlichen, blauen Augen,
gab er sich im persönlichen Umgang
mit ihr so a bissel schüchtern und red
foul. während er im Dienst gar ener
Zsch war und selbst den protzigen
chsenlnecht, mit dem noch leiner fer
tig geworden war, binnen einer
Woche llein gekriegt hatte, so daß er
ihm förmlich aus der Hand fraß.
Und je mehr die junae Kapellbiiuerin .
Hauf den Franzel achete, desto besser
» gefiel ihr as ruhige, fleißige KnechtL
« dessen ganzes Wesen danich angethan
J war, daß es mal einen richtigen Hof
? bauer —- und Eheinann abgeben tön
ne. 3’erst swies sie freilich diesen Ge
i danlen weit von sich, denn wenn sie
: auch just nit hochmiitbia war, so war
J ihr doch das Geld schon a bissel z’
I Kon a’stiegen und erst nachher, als
I sie sich reaelrecht in den Franzel ver
; liebt hatte, fiel ihr mit einmal ein,
daß sie selbst so ein blutarmes Ha
« scherl qewesen war. Aber was half
ihr diese Erkenntniss? Der Fransel
that zwar seine Pflicht und Schuldm
teit so aanz nach ihrem Sinn, daß er
ihr jeden Wunsch an den Augen ablah
und Tag und Nacht zu ihrem Dienst
bereit war, wie leiner vorher — im
iibrigen aber hatte er so gar nichts
von den Mannsleuten an sich, die ihr
wenigstens doch mal ein freundliches
Wort sagten und ihr zu verstehen ga
ben, dass sie ihnen wohl gefiel.
Aber coenn die Bäuerin erlaubte,
daß der Franzel sich nit um sie liim
merte, soweit ’s nit seinen Dienst an
ging, dann war sie auf dem Holzwea
Der war nit weniaer verliebt in sie,
wie sie in ihn, aber als rechtschaffener
ursch sagte er sich, daß es sich für
einen armen Knecht nicht zieme, sol
ches seiner reichen Hosfrau aegeniiber
merien zu lassen.
Eine merlte es doch —- dte alte
streszens, die Obermaad die schon
seit Olims Zeit auf deni Aapellhof
war und die Monila schon kannte, als
sie deren arme Mutter noch iniGras:
ruch auf’in Buckl trug. Die Kresrens
war ein ante, aber auch eine aewitzte
Person. Sie leate an Wintcrabenoen
Den Hofleuten die Karten und saate
wahr aus dem Kasfesap, und der
danke Hof schwur auf ihre Sorüchl
und nannte sie eine alte Hexe —
freilich nur in gutem Sinne.
Die siteszens nun hatte längst ae
merkt, wie es uiii die zweie stand und
da sie dem braven Oberlnechi gut war,
so hätte fie’s nit schlecht a’sreut, wenn
Lie Monila ihn zum Hofbauer
g’macht hätte. Und wie sie eines
Morgens aanr allania mit der Bärte
rin in der Kuchel war, da brachte sie
so schlau die Red’ ans den Franzel
und lobte ihn derart über den Schel
lenlönia, daß der verliebten Moieila
das Herr auf- und der Mund iiber
aina und sie sich der Alten, die immer
gewissermaßen wie eine Mutter zu ihr
a’ioesen war, an den Hals warf und
ihr halb lachend, halb weinend er
zählte, wie aut sie dem Franiel sei
und wie aern sie ihn zum Mann
möcht, wenn der Hallodri nur im »a«
rinasten danach :hiit.
»Na i glaub scho, daß ’r möcht,
aber er traut si nöt!« meinte Kreis:
zens.
»Du glaubst-P rief erfreut die
Bäuerin. »Ja, waruin traut 'r sich
denn nöt? Mei Gott, die Mannes
leut san doch sunst niit so zagt« ·
»Der Franzel is aber nöt so wie die
anderen«, antwortete die messen-T
»und da mußt halt du scho a’ Wörtl’
niit’n reden.«
»Ach, du moanst wohl, ich soll mich
dem Buaben anbieten", rief die
Bäuerin. »J na, sowas aibt’s not,
KreszenT un wann i mei Lebtag loan
Moan mehr triagetl«
Einen Augenblick schwieg die Alte,
dann sagte sie:
»Na, woanst ’n wirlli gern bissi
Biiuerin, dann will i mit ’ii reden.
Ra, nu, du brauchst nöt glei zu er
schrecken. Er soll nöt erfahren, daß
du um die G’fchicht woast, oerlaß di
drauf. Aber aushorcheii will i den
Franz-ei un dinn sollst erfahren,
wie’s mit’n steht«
Und damit trennten sie sich.
t
Am Abend desselben Tages, die
anderen waren schon zu Bett, saßen
noch spät der Franzet und die Kreis
zens in der Wohnstube. Der Bursche
tauchte seine Useife und schaute nie
lancholisch in das Feuer des großen
Kamins, die Oberdirn legte sich die
Karten nnd blinzte von Zeit zu Zeit
nach ihrem Gefährten hinüber.
»Schau, schau«, rief sie plötzlich so
laut, daß der Franzel erschrocken auf
fuhr und fragte:
« »M, ums hast ’n, Altes«
«A Liebeswut is im hat-II ant
Psy
NeujahrS-Gruß.
Im Januar sei !ebensftok;,
Im Februar zufrieden,
Der Monat März befcheere dir
Das reinste Glück hienieden!
Verleb' in Wonne den April,
In Seligkeit den Mai,
Im schönen Juni sei vergnügt,
Jm Juli sorgenfrei!
Jn ungetrübtek Heiterkeit
Bei-bringe den August,
September sei die Quelle dir
Von freudenreicher Lust!
Oktober schaff Isir Wohlergehen
Und Segen ver November —
Btick auf ein Sonnenjakzr zurück
Am Letzten vom Dezember!
EMMME casirinm sikais-cri-com-mncmirixsmtksymkiwra-?
—
4v4 - - — W
wartete die Kreszens, aus ihre Karten
deutend.
»Sell glaub i scho,« sprach lachend
der Bursche, zu der Oberdirn tretend
und neugierig die Karten betrachtend·
»Es können auch ihrer zwoa aber breie
san, bei die Menge G’smd.«
»Aber die zwoa, bo in die Karten,
san a ganz apartes Paar,« erwiderte
ernsthaft die Krenszens. »-A jedes hat
ben andern gern und ioaner traut
sichs zu sagen. Ja un was frech i
dann bo? Die Aane is ja unsere Bäue
rin, die —- Monita!«
Der Franzel wurde plöylich ganz
blaß.
»Wan —— woas,« fragte er erregt,
»die Bäuerin hat oan Liebsten?«
»Sie hat schon oan." antwortete die
Alte, »aber der Lakel traut sich ja nöi
z'reden. Vielleicht moant er, sie soll
ihm z’erst kimmen.«
»Dös schon nök", entgegnete eifrig
der Bursche. »Aber vielleicht is ’r so
zag, weil ’r niedrig is un arm. Schau,
sites-zeug, unser aaner hat auch sein
Ehrg’siihl un nöt um die Welt möcht i
zu der Monita hin treten un sagen: J
hab di liab, willst rni zum Moan.«
»Ach, dr: Hallodri,« sprach lachend
die Qberdirn, »du also bist derLiabste,
der nöt reden mag?«
»Na sreili bin i’s,« entgegnete der
Franzel traurig. »J hab sie ja so viel
liab, schon so lang, Kreszenz, aber
schau, wo soll a armer Knecht die
Traut hertriagen, um die Kapellbäue
rin z’ freien. Ach, i hab scho ost g’le
sen wie so aan armer Teusi aan
Schaatz g’sunden bat —— viel Gold
und Silber --— siggst, Kregzeni, wann
mir dög mal passiret, do solltest mi
scho reden hören bei der Monita
aber, du liaber Gott, an unser aanen
kimmt so wag nie nöt.«
Die Oberdirn schaute den Burschen,
der sich wieder aus die Ofenbank nie
dergelassen hatte, von der Seite an,
dann meinte sie listig:
»Man Schatz willst finden? Ja, mei
Liaber, da dusst ’n doch z’erst suchen.
I wisset scho aanen, wannt mi nöt
verrathen willst un den Muth bast ihn
lTheben
Der Bursche war ausgesvrungen.
»Muth hab i scho,« ries er, »aber
du srozzelst mi doch nur --- gelt?«
»Na, ta«, antwortete die Kreszen5,
,,i red in Ernst, höre nur zu.«
Und nun erzählte sie dem erregt
aushorchenden Franzel eine gar
schauerliche G’schicht von einem groß
mächtigen Schatz. der in der alten
Kapelle im Gutshos begraben liege.
Alle drei Jahre in der Mitternacht-Z
stunde der Snlvesternacht, un just in
dem Jahr, steige der Schatz aus der
Erde, bewacht von einem schwarzen
Hund mit seurigen Augen. Und wer
es wage. um diese Stunde die-Tabelle
zu betreten und den Hund mit einem
Spaten unter Anrusung der heiligen
Dreieinigkeit zu derschlagen, dem
siele der Schatz zu und er könne da-(
mit schalten und thun nach Gefallen.
»Na, übermorgen is Sylvester,
hättst scho die Kuraschi dich mit den
Hund einz’lassen?«, fragte die Alte,
als sie ihre wunderliche G«schicht zum
besten gegeben hatte, den Franzel
Dieser aber antwortete:
»Mit ’n leibhastigen Satan,
wenn’s gilt, die Monika z’ triagent J
danl dir Krenszen5, un dein Scha
den sollls nöt san, woan i den Schatz
beb.«
Damit stürzte er hinaus, die Ober
dirn aber lachte ihm verschmin nach
Und dann schlurste sie in die Schlaf
stube der Bäuerin, mit der ’s noch ’ne
lange Zwiesprach hielt.
Der Schnee"fiel in dichten Flocken,
als in der Sylvelternacht, kurz vor 12
Uhr, der Franzel über den Hof
hutchte, mit Beil und Spaten be
waffnet, um fein Schatzaeiibeeabew
teuer zu bestehen. Freilich war ihm
nit absonderlich wohl zu Muth bei
dem Gedanken, den Kampf mit dem
schwarzen Bund mit den Feueraugen
aufz’nelsmen, aber es galt ja die
Heezalleeliebfte zu gewinnen — also
W
in Gottes Namen! Als aus der Dun
kelheit das verfallene Gebäude aus
tauchte, das jahraus, jahrein lein
Mensch betrat, stutzte er, denn aus
dem Fenster blickte ein Lichtstrahl.
Vor Aufregung zitternd, trat der
Bursche näher und tastete nach der
Thüre, die er zu erbrechen gedachte.
Doch, was war das? Sie war nur
angelebnt und als er sie entschlossen
ausstieß und einen Blick in den er
leuchteten Raum wars, fuhr er be
troffen zurück, denn statt des gespen
stischen Ungeheuers, das er erwartete,
stand aus den morschen Altarstusen,
mit schämig niedergeschlagenen Au
gen, die Bäuerin und hinter ihr die
alte Kreszens, die leinr Anblick des
verblüfften Franzel laut auslachte und
ihm entgegen rief:
»Na, du dalteter Bua, wie g’sallt
dir der Schatz? Gelt, du schaust? Und
der Hund mit die seurigen Augen bin
i —-- aber i möcht’ mer schon ausbitss
ten, Das-« d’ mi nöt derschlagst!« —— —
Wag aber jetzt nachlam, mag sich a
jeder selbst ausdenten Nur noch so
viel, daß, als die Dorfuhr den An
bruch des Neuen Jahres ankündigte,
es keine gliicklicheren Menschen gab,
als die Monila und ihr FranzeL
Jst der Syloefternacth
Stizze von M. Stadler.
wir haben die Glasflammen aus
gelöscht bis aus eine, deren
Licht durch den dämpfenden griinen
Seidenschleier schimmert. Die Gäste
sind fort: über der blumenaeschmiick
ten Tafel scheint noch ein feines
Gläsertlinaen zu schweben und von
der Stra e her schaut ab und zu lau
tes fröhliches Rufen durch die Neu
jahrsnachL Unsere beiden Mütter
sind zur Ruhe gegangen, das ganze
Haus schläft; bisweilen nur dringt
aus der Riiche ein halbunterdriieltes
sichern: vie Mädchen versuchen aus
dem Blei die Erfüllung ihrer Her-·
zenswiinsche zu lesen. Wir beide
sitzen in der Niiche auf dem großen
behaglichen Sofe bei einem letzten
Glas und einer letzten Eigarette, mein
Vetter Felix und ich. Wir sind in’5
vertrauliche Schivatzen gekommen, wie
es sich fiir ein paar alte Spieltamera
den gehört, und gedenken halb la
chend, halb wehmiithig der Zeit, da
wir beide zusammen hinter die Schu:
le gingen, der scheue stille Junge und
ich, ein lnabenhaft wilde-ä- Mädel.
Wie wir Räuber und Prinzessin
spielten nder Brautpaar, wobei ich
lange Eljlullgardinen hinter mir her
Iog und Schlingpslanzen durch das
scbwarze Krausbaar wand, dar-— im
mer nicht recht gehorchen wollte. Und
einmal, wenige IJabre darauf, als wir
bei einer fröhlichen Familienhocbzeit
im allgemeinen Jubel einander tüch
tlg küßten, entdeckten wir. daß wir
wohl Einer für den Anderen so etwas
wie die »erste Liebe« bedeuteten.
Da aber hat uns das- Schicksal ge
trennt, und nur in großen Pausen,
seltener und seltener sind wir im
Laufe der Jahre auf »das Lebens
------l
Lclllsflmszc culuuuu wire-er urgkgueH
um ein paar flüchtigc Grnfiessworte
zu tauschen, bis unsere beiden Müt
ter, zwei liebevolle Schwestern, sich·’s
wünschten, den Wechsel des Jahres
zufammen zu verleben, von dessen
Feier sie jetzt ausruhen, während wir
im vertränmten Plaudern nicht mer
ken, wie rasch der Zeiger weiterriictt.
Das Schicksal, das an dein alten
Spielaefährten gleichmüthiq vorüber
ging, ohne ihm tiefes Weh und hohes
Freuen zu bringen, hat mich tüchtig
gezauft; und ein breiter Silberftreifen
an den Schläfen erzählt von schweren
Tagen und troftlofen Nächten. Jch
habe meinen Gatten und mein Kind
begraben und mich von Herzen miide
gefühlt, eine alte Frau von —- 30
Jahren, bis es mir gelang »aus meis
nen großen Schmerzen« tleine Mär
chen nnd Lieder zu machen, bis ich
beariff, daß nur der das hohe Glück
des Menschenlebens erkennt, der tief
und fchrrer gelitten hat. Und der
alte ftarte Jugensdmuth, die alte Le
bensfreude erfaßte rnich wieder, die
mir in guten Zeiten oft die Vtuft zer
sprengen wollte, so daß ich es lernte,
——-s-—
-—- .. .- fkyqqq----sp..-—«— - -. - ,.»., ... - H
mir selbst eine Welt zu schaffen und
das Schicksal, das mich hatte zerbre
chen wollen, in meinen Dienst zu
zwingen.
Und wie wir hier beide allein
sitzen, während der matte Lampen-·
schein das große mächtige Zimmer
mit all seinem kostbaren Hausrath an
Hschwerem gefchnitzten Eichenmöbeln,
Dichten Smyrnateppichen und zierli
chem Vieungaxe auf Kredenzschrank
und Wanwdbrettern in mildes Däm
« mer hüllt, fühle ich ein tiefe-s Mitleid
- für den Jugendireund heiß mich über
sfluthen, dem das Schicksal, indem es
ihm große Gefühle mißgönnte und
große Leiden ersparte, durch kleine
«Alltagsiirger die Kräfte lähmte, so
daß er es nicht versteht, das Glück in
seine Arme zu reißen, sondern iwie
früher seitab steht beim lustigen Trei
ben der anderen, um mit sehnsüchtigen
Blauaugen herübenzuschauen2
Und ich denke daran, daß mir ost
zu Msuthe ist, als tönnt’ ich, dem At
las gleich, eine Welt der Schmerzen
ungebeugt auf die Schultern nehmen
und dann dem Schicksal lachend zu
rufen: »Ich bin doch noch stärker als
i dU.«
Und eine große Sehnsucht über
kommt mich, ein heißes-, tiefes Wün
schen, dem freudelosen Mann neben
mir die Sonne zu zeigen, die er allein
nicht findn kann, ihm das Lachen
sunserer Kinderjahre wieder zu leh
ren, ein Glück schaffen, ertäm fen, er
zwingen zu wollen und mügk ich’s
von den Sternen herunterholen! Und
ich freue mich der Vorzüge, die mir
in befreundeten Kreisen nachgeriihmt
werden, und mein Herz schlägt ra
scher. Mnn aus den Rsauchwölkchen
der Cigarrette sehen mich freundliche
Elfengeistchen grüßend ans-die lang
entflohenen Geister der ersten Liebe!
Mein alter Spielgenoß muß irgend
etwas von meinen leifen Seelenre
gungen gewahr geworden sein; viel
leicht auch, daß ihm ebenfalls die
wunderlichen Sylvestergeifter etwas
von der Weichheit und traumhaften
Stimmung gegeben haben, die solchen
Stunden leicht Gefährten sind. Je
denfalls fangen wir halb im Ernst,
halb im Scherz davon zu reden an,
wie es wäre, wenn wir uns nun doch
noch heiratheten.
»Ich glaube fast, Kind«, sagt er
fragend, »bei aller Hochachtung vor
deinen Gaben und Kenntnissen, siir
die Ehe bist du verdorben, durch
Selbstftiindigteit und Erfolge.«
»Und ich glaube, eine große Liebe,
ein volles echt-es Menschenglück kväre
. mir tausendmal mehr werth, als das,
was du »Selbststiindigkei:« nnd »Er
folge« nennst —-— ein klägliches Sünd
ant!«
Ich spreche diese Worte sehr sicher
l und überzeugt. Aber als ich sie gesagt
habe, fühle ich, daß sich ein leiser
Zweifel in mir regt. »Eine große
Liebe« — kann sie denn den Alltag
ertragen, der so schwer zu drücken
vermag-mit all seiner erbärmlichen
Ftleinlichleitk »Ein volles echtes
Menschenglück« « heißt das nicht:
luntergehen im engen Sorgen, im gei
jstigen Hunger und körperlicher Ueber
’ sättigung?
l Mein Freund sieht mich erwar
stnnggvoll an, während er überrascht
»sragt: »Du würdest wirklich auf dei
Jnen Beruf, die Bethätigung deines
sTalentg vollständig verzichten kön
»nen? Nichts sein wollen als Haus
frau und Gattin?«
»Wenn ich bei mir selbst und bei
dem Werber an ein großes, alles be
zwingendeg Gefühl glauben könnte —-—
dann ja!« sage ich nach einer langen
Pause. lind im Fluge jagt blitzeSge
schwind eine Reihe Bilder an meiner
Seele vorüber: Der trauliche Schreib
wintel daheim in meinem Arbeits
zimmer, mit seinen großen Fenstern,
durch die man Berge und Himmel
sehen tann, seinen hohen Blattpflan
zen und weißen Büsten, die Bilder
der Dichter und Komponisten über
meinem geliebten Instrument, die
mächtigen Bücherschrä te an der
Wand, meine Schüler in stattlicher
Zahl und endlich die frohen Wande
rungen mit Rucksack und Alpstock in
goldener selbsterworbener Freiheit!
Und das alles hingegeben für ein
Leben in den engen vier Wänden, im
ewigen Einerlei, keinee selbstgesteckten
Ziele mehr, kein Streben nach so
schwer Erreichbarem: alles beauem,
behaglich, sorgenlos, einschläsernd,
geisttödtend!
Die große Standuhr in der Ecke
bebt zum Schlage aus. Und wir lau-:
schen beide ihre-n hallenden Klang,
»der langsam, langsam dahinstirbt im
dumpf dröhnenden ,,Eins«. Die
Stunde der Geister ist zu Ende und
auch diejenigen verwehen, ein flüchti
aer Spuk, die sich ,,Jugendträume«
und »Erinnerungen« nennen.
Jch erhebe mich müde, und mein
schweres weißes Kleid schleppt über
das Parlett. »Du haft wohl recht, ich
passe nicht mehr dafür, denn den ver
llärenden Glauben fände ich nicht
mehr,« sage ich lächelnd, aber es ist
mir bitter ernst zumuthe. Und trotz
dem wir Uns fröhlich und heiter tren
nen, wissen wir, daß in dieser Syl
vesternacht auch die Schicksalsgöttin
an uns vorüberging, die unser beider
Lebensfaden in der Hand hielt, um
sie gleichmilthig aus den Fingern glei
ten zu lassen, als wir zauderten, sie
verknüpft zu sehen. Und wir wandern
weiter, jedes seine Straße, die »große
Sehnsucht« und den »großen Zweifel«
zu Wandergenossen erwählend.
Die gestohlenen Oel-sente.
Beim Kartenspiel ist Nachspielem
»worunter man die gegenseitige Kritik
der Theilnehmer versteht, nicht gerade
angenehm, wiewohl für die Umstehen
den und Kibitze eine recht plaisirliche
Unterhaltung Die Spieler aber tön
nen es gemeinhin nicht lassen. So
» gebt es auch in der Politik. Wenn ein
jWahlresultat längst bekannt ist, gibt
; es immer noch Leute, die eine Postwa
tem-llntersuchung für guten Zeitver
treib halten. Und demgemäß gibt es
noch mancherlei Erörterungen So
Sinn Beispiel ist in Juristenlreisen die
Frage aufgeworfen worden, wie sich die
Justiz zu den Hearstschen Enthülluns
gen stellen sollte, die nachweislich aus
Diebstahl von Dokumenten im Privat
lsesisz beruhen.
Ein Brief ist« laut juristischer Defi
nition, literarischesEigenthum,daS dem
Schreiber gehört und das der Oeffent
lichleit zu übergeben weder der Emp
fänger noch sonst irgend jemand ohne
des Schreibers Zustimmung ein Recht
hat. Die hiesige Rechtspflege fußt da
bei, wie durchweg, auf englischer Recht
sprechung, aus deren Präeedenz-Erfah
rungen sich das als Grundsatz ergeben
hat. Auf Grund dieser sind mehrfach
Einhaltssbefehle gegen Veröffentlichung
privater Korrespondenz ohne Ermäch
tigung erlassen worden. Auch gilt als
festgestellt, daß unerlaubte Veröffent
lichung zu Schadenersatz berechtigt, da
gegen ist eg nicht so klar, ob wegen des
Diebstahlo oder der Annahme des ge
stohlenen Eigenthums triminelle Klage
erhoben werden kann.
Das Strafgesetzbuch des Staates
New York, wo das Vergehen stattfand,
definirt Diebstahl als die widerrecht
YEche Wegnahme von persönlichem Ei
genthum oder irgend eines Werth
objettes. Der Mann, der die
Briefe stahl, mag demgemäß
schwer zu verurtheilen sein, weil
ein Werth derselben an sich nicht
ziut nachweisbar ist. Kaufinännische
Korrespondenz kann eben nur relativen
Werth haben. Die Thatsache aber, daß
Herr Hearst Geld, und vermutahlich viel
Geld bezahlte, um der Briefc habhaft
zu werden, muß natürlicherweise den
Werthbeweis mit sich bringen« Nach
dem Gesetzbuch ist das Stehlen von
Brieer und anderen privaten Papieren
nur ein Vergehen. nicht ein Verbrechen»
fiir welch feine Unterscheidung uns die
vsirliegenden juridischen Erörterungen
die Erklärung schuldig bleiben. So
mit wäre Hearft immerhin fiir ein Ver
gehen zu belangen und dem Strafgesetz
verantwortlich Nach dem ungeschrie
Ebenen Kober der Moral wird die öf
fentliche Meinung schon abgeurtheilt
haben. Es gibtUnterfchiede in den Kor
respondenzen Der Mann, der in der
Oeffentlichteit steht, wird gut thun,
wenn er sich der Mahnung Blaines er
Es.nert« Verbrennt den Brief. Den
Oeltrnstmagnaten wäre es Ebenfalls
febr willkommen gewesen« wenn sie auch
die Kopirbiicher verbrannt hätten.
Das FeirigefiihL die Finger von Ge
iitsiiftggelreitnnisfen davon zu lassen,
derenVerrath von allgenieineremNutzen
sein konnte, hat nicht jeder und wenn
der Zweck die Mittel heiligt, darf
bearst sieh sogar etwas auf feinen Ein
brucb in die intinien Angelegenheiten
der Standard Oil Cr. einbilden
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Guter Appetit
Der stärkste Eifer unter den Prin
zen von königlich-ein Gebliit ist ent
schieden der Herzog von Connaught.
Aber oiiales ch er nnglaubliche Mengen
vertilgen kann. scheinen is« m die Spei
sen keinen besonderen Durst zu ma
chen, denn er trinkt niemals Wasser-.
jedoch auch nicht viel Alkohol Wie
andere Leute sich vielfach fijr die Nacht
ein Glas frischen Wassers an’S Bett
stellen lassen, damit sie während der
Nacht nicht vom Durst gequält wer
den, wird dem Herzog von Connaught
allabendlich ein kaltes Hahn von re
fpettablen Dimensionen auf das
Nachttischchen gestellt, von dem in der
Regel nur noch einige Knochen übrig
neblieben sind, sobald der Morgen
graut. Außer seinen fiins Mahl-Zeiten
per Tag, und diese fallen reichlich
aus« nimmt der Herzog noch zwei
Mahlzeit-en per Nacht Die erste be
steht in dein Els Uhr- Idee der zur
Sicherheit durch einige substantielle
Gerichte, wie Schinten Cotelettes
usw. verstärkt wird, und die zweite in
der oben angeführten Sättigung im
Bette.
——--. - »g
Aphorismen
Nicht der ist auf der Welt verwaist,
Dem Vater und Mutter gestorben,
Sondern der siir Herz und Geist
Keine Lieb’ und kein Wissen erwor
ben.
st- sle sle
Große Talente sind wie große lie
gende Güter; sie lassen sich nicht zu
fjeder Zeit gehörig verwerihm
: J. J. Mohr.
i so- gk se
; Mancher läßt nichts gelten, um
Eselbft etwa s zu gelten.
f
——- --
l
; Schwieriqe Aufgabe.
z Kindermädchemdas vor Kurzem in
’ eine mit Kindern start gesegnete Fa
! milie eingetreten ist, als sie vom
fSpielplaß heimgehen will): »Heute
) klavpt mir’s mit den Kinde-n wieder
mal qar nicht: erst hatte ich eines zu
wenig, und jetzt habe ich wieder eines
zuviel!«