Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 01, 1909, Zweiter Theil, Image 11

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    N Wust Schreibebrief non
Tini- kaut-unget.
--- .,,—-«- --——
Ro, 843. Am Dag nach unsere
Opening Persormenz hat uns der
Thierecktet zu e Mieting zfusammegp
ru e. Mer sin auch all zuacnmekow
me, dasor«hat schon der Wedesweiler
gesorgt, bikahs der hat schon widdek
aus e paar Dahler gerechnet, wo bei
Note Okeschen gest-end dehte wer’n.
Der Thiereckter hat gesa t: »Lehdies
un Schentelmänner, uns ern Schoh
war ratten. Es is nit soviel die Per
sormenz gewese, hikahs die hat soaar
e paar ganz hervorragende Monu
mente gehabt, wo ich ptaut draus sin,
es war mehr die Ahoienz, die hen sich
ganz schändlich behest un die Fellersch
duhn gar nit dieserse, daß se ehbes
diesentes zu sehn un zu höre kriege
Awwer es is e alte Storie: der Pros
seht duht nicks gilte in sein Vaterland
un ich hen jetzt zwei Prapposischens
wo Ihr drin-wer wohte könnt. Daol
erschte is: Wolle mer noch emol e·
Persormenz rioke?« Da hen mer alll
shallekk »Nosser, ei schutt seh natt!«
l
isse Se, Mister Edithot, ich schwär
me sok die Kunst, das is e sehuhtes
Ding un ich duhn einiges, sor den
storpes, awwer ich fühle doch nit, als
oh ich mei Leive riske sollt odder mei
Gimhs un sot den Riesen hen ich so
laut wie hie Jungfrau von Ruh-Or
lieni nur hallere kann, gehallerk »Ei»
schutt seh natt!«' !
Der Thieren-r hat dann gesagt:»
«Well, Lehdie un Schentelmcinnet,»
ich kann an Jhne Jhr Wodum sehn,f
dass Se nii zu fühle, noch emal dorch
den Dhtdsiel zu aehn un jetzt kommt
meine zweite Prahooiiichem Wolle
mer mit unseren Schoh an die Rohd
i« Da is vor e halwe Minnit
o« r so alles so kweit gewese, daß
mer e Pinn hätt drappr höre könne.
Dann awwer is ei los gange: Der
Wedesweiler tat siirs Wort gefragt.
Sie hen’s hat der Thiereckter gesagt.
«Görli un Bew, hat der Wertes-pei
ler dann gesagt. ich will Euch sage,
wag meine Oppinjien is. Ter Schob
war arig gut un ich lann euch sage,
ich hen noch nie nit sooiel Mensche in
mein Plah gehabt. un das geht zu
pruhse, daß die Persormenz ahlrecht
gewese is. Ich denke nur, daß alles
noch e wenig mehr Schliss hen mug
un den könne mer nur in die Roh
kriege; wenn die Kompenie so ebaut
vier, sechs Woche an die Rohd war,
un kommt dann widder reduhr, bei
Schinko, dann sollt Ihr emol sehn,
was ich for e Binnetz duan«
Well, Mitter Edition ich hen ja
nie nit keine große Oppinjien nit
von den Wedesweiler qehabi, aber,
das bische was ich noch von ihn ge
dentt den« das is getroscht worde, wie
ich ihn den Weg hen tahke höre. Also
mir solle in die Rohd gehn, nur for
daß er e großes Bißneß dubn kann!
Ich den ihn erkBlick zugeschniiise, ei
Zell fuh, wenn der hunnert Pfund
Kwoge hätt, dann wär von den We
sweiler nids iwwergebliwcoe, wie
en großer Griesspati. Er bat .enod
tißt, daß ich mäd war, un da Jgut er
leich die Kimmeibattei herbeigehoth
for nnd-der uff zu mache. Ich weiß
ja, daß er e gutes Herz hat un, well,
ich tann ja auch nit so sein un io hen
ich dann e Kimmelche genomrne un
ben Bands mit den Wedesmeiler ge
schehit un dann hen mer uns widder
vertrage. Mer hen dann Bißneß ge
tahtt un espefchjellie die Roho iwwer
eiohtt. Der Thiereckter hat gesigtx
o er ietzt wißt, daß mer all einig
wäre, müßte rner auch den Bißneß
Part berücksichtige. Es wär in die
erschte Lein nothwendig, daß er fort
deht gehn un dein die Dei-to mache.
Das Triiwweie deht oft Kohrö e»
wenig Geld koste, und weil er doch
kein Millionin wär, niii te mir e we
nig Geld enei blohe, or seine Ect-«
spenjel zu bezahle. for seine Zeit deht
er ncks frage. Well, das hat ganz
sehr gesnnnd un ich hen gefragt, wie
viei er denke dept daß er juhte könnt.
O, well, auhse önnt er e ganze Latt,
tat er ge agi, awwer er wollt nur so
viel ben, das er tein schien set aus
sich zu mache braucht, sonst wär das
ganze Interpreie oon vorne herein
gespeile Irr-ever wann mir so ebaut
zwei hunnert Dahier susannne trie
g konnte, dann dein er denke, daß
wö- for die ertchie Zeit iufsitchend
re.
Do den die Ieckterschpiebei answer
doch sauere Fehses gemacht! Mer sin
in die Kompenie zwanzig geweie un
das hätt auf den Kopp zehn Dahler
ausgemacht Oif Kohri hen mer auch
nit die Viel-el- wo nur an den allge
eneine Amor-net partissipehte dahin
Ffor zehn Dahler frage könne un da:
shen ich gesagt. daß ich willings wär.
lfor mein Port fufzig Dahler zu
gen-we Der Wedesweiler hat gehst.
er deht auch fufzig Dahler enei blohc
un der Rest soll dann die annere dun
nert Dahler besteuern. Das hat
«fchon e wenig besser gesaund un se
sin auch bereit gewese, das Geld den
VIII zllssmme zu bringe. Well, in
sett von e Stand war das Geld da
un der Thierreckter hat uns e Ressikk.
gewwe un hat gesagt, daß er for jeden
Cent etaunte wollt, bilahs bei ihn
müßt alles fttedt un sehr zugehm So «
war also alles zur u riedendeit ge
fettelt un nur noch ein Ding hat der
Thieereckter gesagt, befor daß mer
for heim gestart ben. Er hat gesagt:
»Was Euch noch fehle dubt das is e
ganze Latt Riehötiels un For die in
meine Aebsenz zu männetsche is nie- »
mand besser lehpebel, wie die Lizzie.
Die verstehts un ich will, daß sht in
alle Stücke ihr folge duht un eel iicktlie
fo, als ob ich es wäre.« Selle Nie- .
mark hat mich arig geticieli un ich
hen doch ietzt gelehn, das meine Ei
sorts epprie chjiehtet wern un daß ich
mitaus Deut auch e wenig Tiillent in
mich heu. Jetzt wolle mer emol sehn«
tax mer »für en Suetzeß hen. Mit
be Riegards
Yours
Lizzie HanfftengeL
W
Im Gefchöitseiier.
here Meier hat auf dem Kontor
einen Witz erzählt der ein schallendes
Gelächter hervorgerufen.
»Haben Sie zugehört?« wendet er
sich an seinen Buchhalter, der in eine
Kallulation vertieft ist.
»Einen Augenblick," entschuldigt sich
dieser —- «ich lache gleich!«
Kleine Wiss-schaus.
Fräulein (in der unteren Woh
nung): »Finden Sie nicht« daß die
Herren alle bier heraussehen, wenn ich
am Fenster site, Anna?«
Dienstmädchen: »Natürlich, Fräu
lein hedwig, gerade unter dem Fen
ster ist ja eine —- Uhr!« «
Nißlickh
»Warum wir-d denn der herr Asess
sor bei Meiers nicht mehr eingela
den?'«
»Weil er schieit -—· die beiden Töch
ter standen mit einander immer aus
dem Kriegssuße —- jede behauptete, er
habe sie angesehenf
saht ibse gerade.
Arzt: «Jedensalls müssen Sie so
sort aus der feuchten Wohnung her
aus!«
Patient: »Na, wenn Sie'5 anords
nen, dann will ich in Gottes Namen
diese Racht durchbrennen . . . ich bin
nämlich noch siir sechs Monate die
Mietbe schuldig!«
Zu spät
Die Wirtbin »8ur schönen Aus
sicht« fSonntagi Morgen-M »Wenn
das Wetter nicht anders wird, können
wir heute unseren ganzen Kuchen sel
ber essen . . jetzt wollte ich doch, ich
hätte Butter statt Margarine genom
men!«
Geheimnis-voll
»Ist es nicht merkwürdig, daß so
wenige Männer das Geheimnis des
Erfolges im Leben entdecken?«
»Ja, aber noch mertwürdiger ist es,
dasz dieses Geheimnis noch immer ein
Gebeimniß bleibt. Die Wenigen, die
es entdeckten, müssen es doch ossenbar
ihr-en Frauen verrathen ha-.«ben
Rücksichtsvoll
Onkel: »Na, wie fühlst Du Dich in
der jungen Ehe?« "
Junge Frau: »Ach, selig!
Onkel: «Da will ich mich aber
fchleunigst wieder empfehlen Es ist
nicht gut« den Frieden der Seligen zu
stören.«
f
Rossi-sitt
Arzt: »Alle Herr Meyer, ich lann
Sie nur dann turiren, wenn Sie mir
feierlich versprechen, alle meine An
ordnungen zu befolgen.«
Meyer: »Gut, Herr Doktor, ich ver
spreche es Jhnen.«
Arzt: »Schön, das erste, was Sie
zu thun haben, ist, daß Sie mir meine
vorjährige Liquidation bezahlen!«
Jrn Eifer: Gemeindevorstand (dei
Gelegenheit eines seht reichlichen Fest
essenö, einen Toast ausbringend):
«hochverehrte Mitesser. . . . !'«
Itsfillis. «
. P
,,Jsidok, warum haste heuet nich’
gedient dein Jahr-W
Jsidokt »Wer-N ich doch nicht ma
khehn das Einjährige in einem Schalt
Ia t.'·
Jsr dunklen Heut-vierg
Kein Sherlock holmes hat der
vergnüglichen Zunft der Gauner
soviel Schaden gethan, wie das
eleltrische Licht. Es ist ein Jam
mer! Die ganze Poesie des Rinaldo
Rinaldinitums geht zu grunde. Wenn
heutzutage irgend ein hungeriger Bra
vo einem nichts oder noch weniger ah
nenden Passanten einen Revolver vor
i
hält und einen Griff nach dem Ge-»
höuse flüchtiger Stunden wagt, so ge
schieht das in brutaler, höchst unfchö-«
ner Form. Nicht so, wie einst, als die
Zeit noch nicht im Rennautomobiltem
po dahinsauste, als man sich in der Er
füllung des Berufes noch Zeit giinnen
lonnte. Das ist unwiederbringlich da
hin, seitdem wir das abscheuliche elek
trische Licht und den Cilzugloller ha
ben. Wo sind die geblieben, die lieben.
prächtigen herren Räuber von einst?
Sie, die so wunderbar mit den Augen »
rollten und mit den Ohren wackelten?
Die dir eine Pistole vorhielten, die
nicht geladen war und auch sonst nicht
losgegangen wäret Jene Burschen in
hohen Stulpstiefeln, mit einem Arse
nal im Gürtel und auf dem Kopfe ei- ;
nen Kalahreser in Regenbogenfarben2
Nein, es ist heuzutage wirklich gar kein
Vergnügen mehr, iich umbringen zu
lassen oder ausgeraubt zu werden.
Und auch Chamifso würde so etwas
schwerlich mehr besingen.
—
Brausen, vor oer Hammer-eaon
te, wo in Petrrsburg eine Fabrik der
anderen den Schatten wegnimmt und
das Elend der Sorge die Hand reicht.
Ida draußen, wo die Bogenlampen
ebenso selten sind, wie die Schuyleute
—- da haust das dunkle Petersburg.
Wen sein Beruf am Tage hier her
aussiihrt, auf dem Wege zu einer Fa
brik oder nach Gutujewsk, zum Hafen
oder Zollamt, der steckt sich Kupferliw
ge in die Taschen des, bitte ja, fest zu
gelniipften Paletots, damit er sich die
zudeingliche Schaar der Bettler vom
Leibe halten kann. Besonders gefähr
’ich sind jene jüngeren Herren, die iiber
ier Stirn eine »Schmachtlocke« tragen.
Kriedlich ruhen in ihrer Hosentasche
amm und Biirste neben dem finni
schen Messer. Sie halten viel aufs
Aeußere, um bei den ,,Damen« ihrer
Bekanntschaft nach Verdienst gewür
digt zu werden. »Nach Verdienst« trifft
ja eigentlich nicht recht zu, sintemalen
diese Herren einen Beruf ausüben, der
vom Arbeiten und Verdienen recht weit
entfernt ift.
Es ist kalt, der Winter kam dieses
Mal einige Wochen früher, als man
seinen Besuch erwartete. Sehn. zwölf
Grad. Ein wahres Glück, daß es
Rronsbranntweinbuden gibt. Hier
verkauft ein Beamter die gefährlichen
weißen Flaschen und Fläschchen. An
das Gitter, das denBorrathsraum mit
dem Berläufer umgibt, drängen sich
Arbeiter. Mädchen, Krüppel, Hooli
gans und Lockengeschmiickte. Die Roth
gesiegelte heißt ihre Sehnsucht. Ge
zahlt und heraus ins Freie. Denn im
Lolal darf nichts getrunken werden.
Das ist Gesetz.
Der Siegellack wird an der Mauer
deshauses abgestreift; röthlicheStriche
schmücken die Wand in Mannshöhr.
Dann ein fachtundiger Schlag an den
Boden der Flasche. Der Karten fliegt
heraus und das Naß in die Kehle. Ein
Glucksen. Dann ein Aufathmen. Welch
ein Glück! DirWangen röthen sich, das
Auge bekommt einen feuchten Glanz
Todtschliiger Alkohol lächelt. Prüfend
kontrillirt der Blick, ob ja nicht ein
paar Tropfen zurückgeblieben sind.
Dann zurück in dieBude, um den Ein
satz für die Flasche —- oder lnur zu
ost) eine zweite und dritte zu holen.
Dagegen kommen freilich zehn Grad
Kälte nicht auf.
Neulich ging eine Notiz durch die
Blätter, die von den vielen erzählte, die
in St· Petersburg nicht säen und doch
s ernten. Es war recht hübsch erfunden,
s was dort erzählt wurde. Manches
« darunter mag auch einmal Wirklichkeit
gewesen sein, damals in St. Peters
burg zu Anfang des vorigen Jahrhun
» derts. heute aber ist das Geldverdie
’ nen auch hier recht, recht schwierig ge
worden. Besonders seit (srzellenz, der
- her-r Stadthauptmann, den Gewohn
heits- und Falfchspielern so tüchtig auf
die Finger geklopft hat. Was nützt
schließlich das vollkommenfke Falsch
spielen, wenn man kein Lokal zum Jeu
mehr zur Verfügung hat! Aber, wie«
schon gesagt wurde, General Brat
schewski hatte für diefeAbzweigung der
»handpflege« durchaus kein Verständ
nis;. Vom Baccarat stieg man zum —
Lottospiel herab. Das konnten die
herren, die stärker waren, als das
Glück, nicht verwinden. Sie packten
die Koffer und reisten nach Jrkutsk,
Tomöl, Wladitawkas. Dort lassen sie
sich seht als Kulturträger feiern. Hier
ist auch das rechte Feld für sie: Ost
asten, das Land des Va banque. Hier
wird noch leicht verdient, hier dürfen
Ehrenmänner dem Glücke noch nach
delferr. Aber in St. Peterödurg ist
das Erwerden schwer geworden.
Wo sind sie geblieben, da der Vetter
im Ministerium die ganze Familie bis
ins dritte und vierte Glied versorgtei
Die Protettion macht schlechte Geschäf
te. Aber sie ift noch nicht ganz ausge
storben, gewiß nicht. Die Sonntags
nutnmer der Nowoje Wremja erzählt
so manches davon. Zum Beispiel:
Vorn auf der ersten Seite, Reklame
theil, fingerdicker Rand, Baumstamm
lettern. »Gesucht eine Dame mit gu
ten Verbindungen, welche für eine be
deutende blung eine Verseßung aus
der Prov nz in die Residenz bewert
-
stelligen tönnte.« Ein Drama rollt
sich vor unseren Blicken auf. Wer ist
der Er? Ein Richter, dem eine Erb
schaft in den Schoosz fiel oder einOffi
zier, der eine wohlhabende Frau be
tommen hat? Einerlei. Einmal, vor
Jahren war er in St. Petersburg.
Acht Tage zwar nur, aber diese acht
Tage, sie sind ihm die Hälfte seines
Lebens-. War das ein Genuß! Die
ses Gewirbel von Lebensfreude und
Sorglosiateit, Barth-T Champagner,
Troitafahrten, Zigeunerniusit. Mein
Gott —- und dann wieder die Provinz.
Wie abgeschmackt«fiir einen Großstäd
ter. Acht Tage St. Petetsburg ha
ben ihn dazu gemacht. Ja, seit dieser
Zeit hat er nur einen Traum: Zur
Nema! Einmal hat er gehört, Pro
tettion, das sei das Ganze. Aber in
der Residenz des großen Peter kennt er
nur Pawel Ssergejervitsch Bolwanoto
und der verkauft Rips im Apraxin
Dtvor. Ein riesig gemüthlicher Kerl,
der eine rau von drei Arschin Brust
umfang ein eigen nennt und einen
Batzen »Gereinigten« vertragen kann,
aber —- kein Proteltor, wie er ihn sich
wünscht. Nach langem Nachdenken ist
ihm denn die Jdee gekommen, die zu
der Annonce in der Nowoje Wremja
geführt hat. Kein Zweifel: ein Regen
von Angeboten wird sich über den ver
aniiaunaslustiaen Provinzialen ergie
dem Welch eine Perspektive eröffnet
sich unserm Aventurirt Hundert
werden ihm ihr Herz anbieten. Zwei
hundert werden ihm schreiben, daß sie
in direkter Linie von Rurit abstam
men und zweihundertsünfzig daß der
Minister X. weiches Wachs in ihren
Tichänen Händen sei, Also . . . Abko
pos, was zahlen Sie? Jn diesem
Schlußsatz. was weiten Sie, werden
sich alle Protektions - Prätendentin
nen begegnen. Vielleicht aber ist der
Einsender gar nicht irgend so ein Hy
pernaivus aus der Provinz, sondern!
ein abenteuerluftiger St. Petersbur
ger. Oder —- auch das liegt im Be-.
reiche des Möglichen — ein Hochstap
ler, der nach Material zu Erpressur
gen sucht. Hier, wie dort: das dunkle
St. Petersburg wird an die Arbeit
gehen.
Nicht immer ist die Schule leicht, die
jene Enterbten des Glückes durch
machen müssen. Die Polizei, die stets
besser sieht, als andere Menschen« wars
einen Blick unter die morsche Nilolai
brücke und was fand sie da? Ein
Häuschen Kinder, zwischen acht und
zehn Jahren, die im Schutze der wind
schiefen Bögen nächtigten. Bei zehn
Grad Kälte. Aber Stroh und ein gu
tes Gewissen und Kinderschlas halten
warm. Die Kleinen erzählten, daß sie
sich seit mehreren Jahren durch Bet
teln am Leben erhielten; sie wußten
auch die Namen ihrer Eltern, die sie ei
nes Tages, als sie des Schlagens über
drüssig geworden waren, aus die
Straße hinausgejagt hatten.
Man hat die Aermsten dem Wai
senhause zugeführt, und dort«werden
sie sich vermuthlich, wie-beinahe hätte
ich gesagt —- zu Hause fühlen. Viel
leicht auch nicht. Manchen liegt das
Vagabundiren, der leichte Gelegen
heitserwerb im Blute. Eines Abends,
wenn derThiirhiiter nach,,Gereinigtenx
gegangen ist, werden sie die Thür aus
klinken und aus die Straße hinaus
fchlüpsen. Es gibt ja noch andere
Brückenbogen, wo die neugierige Poli
zei noch nicht hinsah. Aber frei sind
sie, frei. Sie können essen, wann sie
wollen, oder besser gesagt, wann sie zu
essen haben. Unter dem Brückenbogen
gibt es keine Disziplin. Hier sind die
Herren. Das Glück, das ihnen voran
schwebt, trägt ein graues Gewand.
Zu den gefährlichen Kreaturen des
St. Petersburger Verbrecherzirkels
gehören die Ermessen Jn St. Pe
tersburg wird mit der Daumen
schraube der anonymen Drohung rast
los earbeitet. Eine Zeit lang war es
in ode, dem zum Opfer Ausersehe
nen zu schreiben, man wisse, daß er sich
politisch tompromittirt habe und wer-:
de die Polizei daraus aufmerksam
machen, wenn.nicht . . . Das Geschäft
war früher recht einträglich, denn man
wußte, das; derartige Anzeigen aus
fruchtbaren Boden fielen und den De
nunzirten ins Unglück bringen konn
ten.
Inzwischen bat sich manches geän
dert. Es gibt teine ,,Dtitte Abwei
lung« mehr und die Erpresserwirth:
schast der Delatoren nahm ein Ende.
Auch unsere Erpresser sind mit der
Zeit gegangen. Sie arbeiten in der
breiten Oessentlichleit, allerdings ohne
dadurch an Gefährlichkeit verloren zu
haben. Beispiele? Jn der Zeitung
Sport und Favorits liest man: »«n
türzester Zeit wird ein neues illustrir
tes Journal unter dem Titel Der
Sportsumps erscheinen. Das Blatt
wird sich als Aufgabe stellen, in das
intime Leben der leitenden Persönlich
keiten der Sportvereinigungen einzu
,dringen, ihre Laster und kleinen Ver
sgehen auszudecken und mit allen Kräf
;ten Uneinigteit und Streit in Sport
lreisen zu siien. Es werden Mitar
beiter gesucht, die leine seste Beschäf
tigung haben und imstande sind, Ge
Theimnisse auszuspüren. höchste Be
» ahlung, da das Blatt von reichen
; ersönlichteiten subventionirt wirb.«
: Wir haben die schamlose Publiku
Jtion wörtlich wiedergegeben. Was
will der ehrenwerthe herausgeber in
spc wohl? Der wird genöthigt, zu
abonniren, der sür das Ablegen eines
tompromittirenden Artikels »Ent
schädigungshonorar« zu zahlen usw.
Das Revolverblatt wird vermuthlich
- --k —. — -k,
nur sporadifch erscheinen, wie es das
Bedürfniß des Herrn Herausgebers
und seiner Bande erfordert. Aber es
wird vermuthlich seinenMann nähren,
bis eines schönen Tages der Stadt
hauptmann seine Hand darauf legt.
Noch ist der Standal der Russj, einer
großen politischen Tageszeitung, in
aller Erinnerung. Jahrelang hatten
unsere großen Banken Tausende von
»Entschädigungsgeldern« gezahlt. Nur
um Ruhe zu haben. Jeyt ist die Zei
tung eingegangen. Aber es bedurfte
des Einschreitens der Regierung, um
die Meister der Daumenschrauben un
schädlich zu machen. Was nähte es,
,.Slandal zu machen«, wenn sich nie
mand fände, der denSkandal fürchtet?
Hängt elektrifche Lampen auch in die
ses Viertel des dunklen St. Peters
burg !
Dr. E. W Horstkamps Sydow.
Tuberkulofesguiftelluus.
Die Kampagne, welche unter den
Auspizien der Gesellschaft vom Rothen
Kreuz gegen die Tuberkulose im gan
zen Lande in’s Werk gesetzt worden
ist, trägt augenscheinlich die besten
Früchte, und ein wie großes Jn
tersse man im Osten der Agita
tion entgegenbringt, geht aus dem
riesigen Besuche hervor, dessen sich die
Tuberkulose-Ausstellung in New York
erfreut, welche in diesen Tagen eröff
net wurde. Die Aussiellung findet im
Naturhistorischen Museum statt.
Mayok Gevtge B. McClellan eröff
nete-Namens derBevölkerung von New
York die Aussiellung mit folgender
Ansprache: »Dr. Robert Koch, der im
Jahre 1882 die Tuberkulose endgültig
in die Gruppe von Krankheiten ein
reihte, die infektiös, ansteckend und
heilbar sind, zollte jüngst unsererStadt
das größte Kompliment, das sie je
mals empfangen hat. Er erklärte die
Bedingungen fiir den Kampf gegen
die Krankheit in New York siir nahezu
ideale. Dr. S. Adolphus Knopr der
unserem Gesundheitsamt angehört,
hat in seiner berühmtenFachschristüber
Tuberkulose diese Bedingungen dahin
zusammengefaßk »Die Schwindsucht
erfolgreich zu bekämpfen, erfordert die
vereinten Anstrengungen einer klugen
Regierung, trefflich ausgebildeter
Aerzte und eines intelligenten Publi
kums.« Daß diese Bedingungen bei
uns erfüllt sind, ergibt das unzweifel
hafte Lob von Seiten einer Autorität
wie Pros. Dr. Koch«
Der Redner zollte dann der städti
schen Verwaltung unter seinen Bor
gäugern, wie namentlich den mit dem
Gesundheitsamt verknüpften Beamten
die höchste Anerkennung und wies ins
besondere auf die ersolgreichelThätig
keit des Dr. Hermann Biggs, des Ge
neral - Sanitätsbeamten des Gesund
heits: - Departements hin, der bereits
im Jahre 1887 die ersten Schritte ge
than habe, aus sanitärem Wege gegen
die weiße Pest anzukämpfen. Uner- »
müdlich sei er für seine Jdeen eingetre- »
ten, bis er es im Jahre 1894 durchge
setzi habe, daß die ersten Regulationen
zur Bekämpfung der Schwindsucht er- ;
lassen worden seien. Der Mahor zähl
te dann im einzelnen aus« was heutzu
tage in diesem Kampfe von der Stadt
geleistet wurde, nämlich:
1) Die Anmeldung und Registri
rung aller zur Kenntniß der Aerzte
kommenden Tuberkulose-Fälle. Gegen
4166 Fälle im Jahre 1893 sind 1907
BLGZO zur Anmeldung gekommen.
Rechnet man die Zahl aller Schwind
suchtsfälle in der Stadt auf etwa 40,
000, so kommen mehr als Z zur An
meldung.
« 2) Die unentgeltliche Untersuchung
ides Sputumg von krankheitsverdächti
gen Personen. Derartige bakteriolo
gische Untersuchungen wurden 1893
nur 511, 1907 dagegen 27,277 vorge
nommen.
Z) Erziehungsmaßregeln in umfas
sender Weise, durch Vorträge und Ber
tdeilung von belehrenden Cirkularen,
von denen im vergangenen Jahre uber
600,000 verausgabt wurden.
4) Besuche von Schwindsuchtslran
keu in ihren Wohnungen und Ueber
wachung ihrer Behandlung durch
Acrzte des Gesundheitsaintes.
EI) Unentgeltliche Desinsettion der
thnungen von Schwindsuchtskran
ken.
M«-- sp- —.,
tj) Beklycllllllq voll kutllul u. Ulctn
an Kranke und ihre Ueberweisung an
Wohltbittigteitsgesellschaften.
7) Durchfijhrung der Verordnungen
gegen das Ausspeien auf der Straße.
Z) Förderung wissenschaftlicher
Studien, Untersuchungen und Experi
mente mit Bezug aus Tubertulose.
Endlich die Unterhaltung von be
sonderen Hospitälern zur Behandlung
von Schwindsuchtskranlen.
Ueber den letzten Punkt ließ sich der
Mayor eingehend aus und führte an,
daß für Tuberkulose - Behandlung be
reits in der Stadt 3500 Betten in öf
fentlichen und privaten Krankenhäu
fern zur Verfügung stehen. Da in den
Bereinigten Staaten nur 14,000 Bet
ten fiir Tuberkulose-Fälle bestimmt
sind, kommen auf die Stadt New York
allein 25 Prozent davon; mit der ge
planten Zurverfiigungstellung weiterer
1500 Betten wird sich der Prozentsay
auf etwa 36 Prozent erhöhen.
Dann wandte sich Herr McClellan
der ftädtifchen Heilanftalt für
Schwindsiichtige in Otigville zu, wo
1300 Acres ungetauft sind und jetzt
200 Patienten behandelt werden tön
nen, in Bälde sogar 250. Er führte
unterAngabe genauer Zahlen aus, daß
sowohl hinsichtlich des Baues wie der
tUnterhaltung der Anstalt die OW
viller Anlage die denkbar hilligste sei,
ohne daß den berechtigten Wünschen
der Heilwissenschast im geringsten zu
nahe getreten werde. Während des
zweijährigen Bestehens der Anstalt
sind nur zwei Todesfälle vorgekom
men, dagegen von 500 Patienten 20
Prozent vollständig, die restlichen 80
Prozent so weit geheilt worden, daß
ihrer Rückkehr in ihre FamilienBeden
ten nicht mehr entgegen standen. Nach
Vollendung der Otisviller Anstalt
werden dort alljährlich gegen 5000 Pa
tienten die beste und sorgsamste Be
handlung erhalten können. .
»Zugegeben,« fuhr der Redner sort,
»daß hier die Bedingungen imKampse
gegen die Schwindsucht nahezu ideale
sind, sie müssen aber ganz ideale wer
den. Dazu gehört das engste Zusam
menwirken der Behörden, der Aerzte
und des Publikums Behörden und
Aerzte wirten bereits in sruchtbringen
der Thätigteit auf das engste zusam
men; was noch fehlt, ist die Mitwir
tung des gesammtenPublitums. Nach
der Richtung muß sich der Kampf zu
nächst bewegen, um zum Ziele zu süh
ren, daß Schwindsucht, gleich anderen
ansteckenden Krankheiten, nicht an
dauernd eine Bedrohung der öffentli
chen Gesundheit ist, sondern höchstens
wie jene epidemisch austreten tann.«
Heilung der Schwindsucht.
Dr. Abraham Jacobi, der sich au
ßerordentlich um das Zustandekommen
der Tuberkulose-Ausstellung in New
York verdient gemacht hat, hielt im
Namen der Aerzte-Welt von New York
eine längere Ansprache, in welcher er
in außerordentlich beherzigenswerthen
Ausführungen den Nutzen schilderte,
welchen die Bevölkerung der Stadt aus
dieserAusstellung ziehen soll und muß.
Wenn man heute besser über die Tu
berkulose unterrichtet sei, führte Dr.
Jacobi aus, so sei dies nicht das Werk
eines Einzelnen, sondern vieler Män
ner und von Jahrhunderten.
Um die Tuberkulose zu überwinden,
bedürfe man nicht nur der Mithülfe ei
nes Mannes,sondern auch seiner Nach
barn. Auch bei dieser Ausstellung zeige
sich dies. Selbst die glühende Beredt
samkeit von Dr. Alsred Meyer hätte
die Ausstellung nicht von Washington
hierher bringen könen, wenn nicht seine
Kollegen, sowie die Sympathie und in
telligente Freigebigkeit von Miit-tit
gern und ftiidtischen Behörden dabei
geholfen hätten.
Schon oor Villemin und Robert
Koch seien Tuberkulosekranke gebessert
oder geheilt worden. Das zeige sich bei
zahlreichen Obduktionen alter Leute,
bei denen sich geheilte Spuren von Tu
berkulose fänden. Die Heilungen seien
entweder von selbst durch ünstige Le
bensbedingungen eine krä tige Konsti
tution, frische Luft, geeignetes Klima,
Ruhe und reichliche, gute Ernährung
serfolgt, oder aber dadurch. daß man
»diese günstigen Heilungs-Bedingungen
geschaffen habe. Durch Medikamente
allein habe man zwar keine nachweisli
chen Erfolge erzielt, aber in Verbin
dung mit all’ den Methoden, welche in
dieser Ansstellung dem Publikum vor
geführt würden, seien sie von großem
Nutzen.
Um diesen Feind zu besiegen, müsse
man ihn kennen. Diesen Zweck habe
diese Tuberkulose-Ausstellung, in wel
cher nicht nur durch den Anschauungs
Unterricht, sondern auch durch erläu
ternde Vorträge die anatomischen, kli
matischen n. theilweise auch die sozia
len Ursachen der Tuberkulose dem Be
sucher klargelegt werden sollen. Dann
soll ihm gezeigt werden, wie er sich
nnd seinen Nächsten vor der Ansteckung
schützen oder eine im Entstehen begrif
fene Erkrankung bekämpfen müsse.
Ueber Sanatorien und Hospitäler,
Zelt- und meist billige Heim-Behand
lung werde der Lernbegierige hier nach
jeder Richtung hin unterrichtet werden.
Mit offenen Augen mögen die Besu
cher schauen und sich umthnn, denn
nichts sei besser, als eigene Anschau
ung. Und auch jene Frauen und Mäd
chen, die hilfsbereit den Mitmenschen
beispringt-n wollen« mögen aus dieser·
Ansstellung die Leiden ihrer weniger
glücklichen Mitmenschen kennen ler
nen, mögen sehen, wie sie leiden und
sterben. Und dann mögen sie hingeben
und helfen.
Häufig sehe man in begiiterten Fa
milien einen unertlärlich erscheinenden
Fall von Schwindsucht, trotzdem alle
Angehörigen gesund seien· Jn der
Aussiellung könne man die Erklärung
dafür finden. Sechs Wochen lang
könne man Kenntnisse schöpfen, welche
für jeden Einzelnen, seine Familie und
die Stadt, in der er lebe, von unersch
lichem Werthe seien. Lebdaftester Bei
fall dankte Dr. Jacobi für seine Aus
sührungen.
Lebensabko
Von Wilhelm Müller.
Bedenke, daß jede Nebensache zur
Hauptsache werden kann.
Lerne auch aus »dem Lachen die Ge
danken und Gesinnungen der Men
schen erkennen.
Berurtheile das Streben eines
Menschen mehr nach seinem Handeln
in freien Stunden, als nach seinem
Schaffen in der Zeit seiner Berufs
arbeit.
Verachte einen Menschen nies da
rum. weil er Dein Ge net ist.
Bedenke, daß die irtuna Deiner
Worte niemals eindringlich ist, wenn
diese aufdringlich sind.
Wappne Dich nicht nur ge en das
Leid. sondern auch nequ die queudes