Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, November 20, 1908, Zweiter Theil, Image 13

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    Gesunden.ani Rhein.
Nobellette von Karl Böttcher.
Leutnont Ernst von Thale-i war
kein Krösut Seine paar Möbel in
der Kasernenbude, sowie eine kleine
Rente von 50 Mark pro Monat, das
war das ganze Erbe seiner Väter.
Aber herr von Thalen hatte ein so
emineniet Geschick, mit seinem Ein
kommen zu wiribschasten, daß ihn
manches Finanzgenie hätte darum be
neiden sonnen.
Für Gesellschaftstrubel und Solon
besaß er wenig Sympathien Als
Sohn eines Obersörsters im Walde
ausgewachsen schwärmte er noch im
mer, auch nachdem er schon sechs
Jahre den bunten Rock getragen, siir
die Natur.
Nach Beendigung des gemeinsamen
Essens im Kasino verabschiedete er
sich in der Regel kurz von seinen Ka
nten-den und durch-Undene noch et
liche Stunden die landschaftlich wirt
lich prächtige Umgebung der Gar
aqon.
Eines Sommerabends schlenderte
rr von Thalen die Tiefenbocher
daussee hinaus. Sie führte durch
waldige Gründe nach dem herrensiye
Tiefendach, wo Graf Glossen, das
haupt einer der feudalsien Familien
des Landes, wohnte.
Kurz vor der Lindenallee, die zum
Schloßpart führte. wurde Thalen
von einem eleganten Jagdwagen
überholt. Er warf einen fliichtigen
Blick nach dem Gefährt. Eine junge
Dame saß lässig in den Kissen· aber
als sie den Offizier erblickte, schaute
sie interessirt auf. Ernst blieb fast
erschrocken stehen. Ein solch schisnes
Gesicht. raffiger Ausdruck gepaart
mit höchster Anmut-, hatte er noch
nie gesehen.
Arn nächsten Morgen erfuhr er,
wer sie war. Freiherr von Holde:s,
dessen Burfche alle Neuigkeiten der
Stadt ergatterte, hatte es ihm er
zählt.
»Den!en Sie, Thalen. «- Gras
Glassen, das alte Meerschwein, bat
eine Richte, — und wag siir eine
Parbleui Ein rheinisches Möbel aus
steiherrlichem Gebliit, soll lebens
lustig sein und glutdiq wie der Wein
ihrer heimath, und schön wie eine Zi
geunerhexe.
Nun verlegen Sie mal Jhre
Abendpromenaden etliche Grad nörd
licher, damit Sie nicht von ungefähr
der Rheinischen Lorelei in die hände
laufen, denn dann ist's um Sie ge
schelten!
Ernst von Thalen ward über und
iiber roth und stotterte etwas von al
berner Rederei und ging dann weg.
Jm stillen dachte er: Wenn die Ka
meraden wüßten, daß es schon um
mich geschehen ist.
Und so war ei in der That. Tha
len war verliebt in Bosena, Reichs
sreiin von Gutterohosen Und nur
durch einen einzigen Blick.
Veriröumt ging er umher, er aß
nicht, er ward bummlig im Dienst,
so daß ihn sein Kompagnieches schon
etliche Male eilig angeblasen hatte,
er hatte teine Lust mehr an seinen
Spaziergängem —- er war eben
lrant. —— verliebt.
Da siigte es das Schicksal. daß im
Gebirge durch einen anständigen
Wollenbruch eine Menge armer Leute
um ihr bißchen Ernte gekommen wa
ren. Jn der Garnison war dies siir
die vergnügungglustige Gesellschaft
ein willkommener Anlaß, Barmher
zigkeit zu üben. Ein großes Wohl
thätigleitsfest ward arrangirt und
als Mitglied des Ehrenlomites hatte
sich unter anderen auch Gras Glassen
aus Tiefendach gezeichnet. Jm Os
sizieritasino brachte dies einiger
maßen Aufregung hervor, denn nun
wiirde endlich einmal Gelegenheit
werden, die Freiin Bogena zu sehen.
Und sie kam, umgeben von einem
ganzen Stab von Kavalieren, alles
herren aus der Residenz, Renn- und
Klubsreunde des alten Grasen, und
alle bemühten sich um die Gunst Bo
Jena-.
Die Offiziere wurden fätnmtlich
voraefiellt, und ali- fich Ernft von
Thalen falutirend verneigte, lächelte
. ihm die Reichsfreiin buldvollft zu. —
Ob fie ibn wieder ertannt hatte?
Das Coneert begann, andere Auf
fübrungen folgten, 'dann wurde der
Wohlthätigkeitibazar eröffnet, und
Vosena von Gutteribofen verkaufte
« felbftgemalte Ansichtilarten
Thalen ftand von Ferne und schaute
finsteren Gesicht- nach m Gewim
mel von Uniformen und » rast-, die
befiiindig um Bosenas Bude sich
drängten.
Er überrechnete feine Gelder. Drei
Mart fiebzig Pfennig waren fein
eigen, eine respeitable Summe am
27. des Monat-. Aber ob das reichte,
zu einem Kauf für wobltbiitige
Zwecke?
»Ach was,« dachte Thalen, »für 10
Pfennig bekommt man heutzutage
eine ganz leibliche Ansichtstarte bei
iedem Buchbinder da wird man wohl
fiir einen Thaler auch eine ,wohltbii
tige’ kriegen. Alfo man hin.«
Drei Schritte vor der Bude hörte
er, wie ein befraater Kavalier zu fei
nem Nachbar fagte »Sechzig Einm
then hat mir die hätriche Hexe für das
Geileckie ahsgetntipii.«
Wie angetpurzelt blieb Thalen
istehen ihn granste. Er itierte zu Bo
jden er lam sich jetzt mit einem Male
to klein, so winzig tlein var —- er
fühlte seine Armuth das erstemal mil
Ihrüdender Schwere. Und als er auf
fchaute und entmuthigt weggehen
wollte merkte er auf einmal, daß her
Plas vor der Bude leer war. Bo
spena stand verlassen hinter ihrem
lPoittartenitand und blickte lächelnd
auf Thalern
»Nun, Herr Leutnant, darf ich Ih
nen eine Kollektivn zusammensin
leniI Vielleicht zwei von diesen, zu 10
Mart, und diese Delfter Mühle 15
Mart und die reisenden Schmeichel
lähchen hier zu 20 Mart und als
Gegenitiict die hundefamilie zu dem
selben Preis —- daö wären zusam
men 75 Mari, —- hier, Herr Leus·
nant.« . s
Zwei große, fette Schweißperlen
jonatirten aus Thalens Schlachten
denterstirn.
War das Weib verrückt? Er hatte
doch gewiß Mitleid mit den armen
Wassergeschiidigten irn Gebirge, —
aber eine Monatsgage deswegen für
»siinf Positarten — nee— das hatte
er nicht.
.Fehlt Jhnen etwas, herr Leut
nant? Bozena von Guttershosen
beugte sich etwas vor, und dabei er
schien es Thalern als zuckte ein spöt
tisches Lächeln um der Freiin Mund.
Da packte ihn unbeschreibliche Muth
»Ob mir etwas fehlt? Ja -—— Geld
sehlt mir, viel Geld, nnd hier —
mehr tann ich Ihnen für Jhren
Plundet nicht geben —- daö ist mein
alles.« Er schleuderte Bozena von
Guttershofen seine Börse hin und
stürmte davon.
Am andern Morgen stand Leut
nant von Theilen im Geschäftszim-—
mer des Regimentslommandenrs.
Der Oberst lehnte an einer Thük und
vor ihm lag aus dem Schreibtisch als
Korpusdelitti eine kleine, abgerissene
Geldbörse. Jetzt trat der Regt-nennt
tomniandeur zu Thalen und sagte
»Aber, nun beruhigen Sie sich,
herr Leutnant. Wenn Sie auch ge
stern nicht gerade gentlemanlile ge
handelt haben, so ist das doch im
merhin verzeihlich, wenn man Jbre
preliire Lage in Betracht zieht. Ich
war heute friih selbst aus Tiefenbach
und habe mit Fräulein von Gutters
hosen gesprochen. Sie ist Jhnen nicht
im geringsten gram —- im Gegentheil
—- ne — na ja, sie interessirt sich für
Sie, turz und gut, die Sache ist aus
der Welt geschafft. Sie gehen mor
gen vier Wochen ans Urlaub —- und
nach Jhrer Rückkehr spricht lein
Mensch mehr davon.
Der Oberst klopfte dem jungen
Ossizier auf die Schulter und entließ
ihn.
Thalen wanderte daraus zu Mi
auel, alias Zahlmeister des Regi
ments, und holte sich seine Gage und
einen trästigen Vorschuß —— und am
Nachmittage damfte er in Zivil
zweiter Klasse von dannen. Er wollte
eine echte, rechte Rheintvur machen,
inlognito, viel zn Fuß und bescheiden
wie ein fahrender Schüler.
Aber etwas hatte er in der Gar-—
nison gelassen sein Herz. Trotz des
peinlichen Zwischensalles beim Wohl-«
thätigleitsseste liebte er Bozena von
Guttershosen noch inniger als zuvor,
und beim ersten Anblick des iltheins,
wie der Zug iiber die mächtige Brücke
von Man-s prasselte, dachte er: »das
ist der heimathsstrom Bose-ins«
Aus dem Dampfer ineressirte ihn
besonders ein alter here von hünen
haster Gestalt. Ein eisgrauer, wohl
gepflegter Bart wallte ihm bis aus
die Brust. Den Lodenhut tief in der
Stirn, so stand der Alte.am Vorder
bug des Schiffes und bot dern ange
miithlichen Zugwind Tros.
.;.Vater«Rhein.« dachte Thalem und
stellte sich in die Nähe des Alten. Die
gesegneten Nheindörser am rechten
und linten Ufer, die Taunushöhen
im Norden, die gestusten Weinberge
mit ihrer stillen Schönheit —- all das
stimmte Thalen poetisch Er summte
die Melodie des alten Liedes, »Nur
am Rheine will ich leben« vor sich
hin, und dachte dabei, daß es doch
auch nicht schlecht wäre in Tiefenbach
zu leben.
«Gefällt Ihnen unser Strom, jun
ger Manns« fragte ihn unvermittelt
der Alte.
Thalen stellte im stillen erst schnell
fest, daß er nächstens siebenund
zwaniia werde, dann antwortete er
dem Eisbart:
»O sehr. Und Sie sind wohl der
alte Hüter des Nheins, den die Sage
umwoben?«
Dem Alten schien das zu gefallen,
er lächelte geheimnißvoll und sagte:
»So etwas Aehnliches.« Und nach
einer Weile fragte er: »Kennen Sie
die Nheinlande?«
»Nein ---— ich bin das erstemal
hier.«
»Es wird Ihnen gefallen."
Der Alte wandte sich wieder den
Fluthen zu. und Thalen mischte sich
unter die anderen Passagiere ·
Jn Bingen miethete er sich im
H
»Dein zum Niederwald«, einem klei
nen, sauberen Gasthof, dem Nieder
walddenlmal gerade gegenüber, ein.
Am Nachmittage wanderte er in
glühender Sonnenhitze über Dinger
driicl nach dem Schlosse Rheinsteim
Die »Krone« zu Aßmannshausen
winkte einladend herüber, aber erst
aus das Schloß Rheinsiein und dann
erst den feurigen Aßmannshäuser
Rothspon -- so hatte sich’s Thalen
vorgenommen. Er bog links ab und
pilgetie die geschlungenen Waldpfade
empor, die zu dem vielzackigen Rhein
siein, der Besitzung des Prinzen
Heinrich von Preußen« führen. Und
wer lag da im Moose und kostete-?
Der Alte vom Rhein. Der Eisbatt
nickte ihm freundlich zu und wünschte
glücklichen Aussiieg.
Im epheuiiberspannten Burgresiau
rant ersuhr Thalen von der Weins
schen SchenkmamselL daß die Be
sichiigung des Schlosses eine Mart
koste.
»Eine Reichsmarl?« dachte er,
»nein, die will ich lieber in der
»Krone« zu Aßmannsbausen mehr
drausgeben lassen. Und er machte
Kehrt, und kam nach zehn Minuten
wieder an die Biegung, wo der Alte
noch immer rastetr.
»Nun, schon sertig mit der Besteh
tigung?"
»Nein —-"» der Spaß ist mir zu
ibeuer. Eine Mart siir alte Möbel
und rostige Massen? Ner. der Meter
wird verzecht in edlem Rebenblut.«
»Brot) gedacht- Sie gesallen mir,
junger Freund, und wenn es Ihnen
recht ist, schließe ich mich anen an.«
So wanderten sie bis zur Ueber
sahrt, buschten mit der Dampssähre
quer über den Strom und saßen
dann sest irn Garten zur »Krone«.
Und als der Mond über dem Nieder
wald hervorlugte, saßen sie immer
noch. Das sang und musizirte alles
in Aßmannsbausen, denn die Rhein
länder sind ein lustiges Völkchen, und
sie sangen mit, und der Alte vom
Rhein machte aus seinem herzen
teine Mördergrube, sondern be
theuerte dem Jungen, daß er ihn
schätze und liebe, und er bat ihn, in
den nächsten Wochen sein Gast zu
sein.
Thalen hatte, einestheil um sein
Jnkognito zu wahren, anderntheilö
um den Alten. der wiederholt auf die
Windbeutel von Leutnants geschimpst
hatte, nicht zu erzürnen, sich für ei
nen Forstmann ausgegeben.
Endlich, Nachts gegen zwei Uhr,
fuhr ein Jagdwagen vor. Thalen
mußte mit dem Alten einsteigen, und
fort ging’s, er hatte keine Ahnung«
wohin.
Vierzehn Tage hauste nun Thaleni
schon aus der Besitzung seines neuen
Freundes Der Alte war ganz ver
narrt in den jungen Forstmanm und
da Thalen von seiner Jugendzeit her
viel vom Forstwesen verstand, ahnte
here von Achern nicht, daß er eigent
lich einem Königlich Preußischen
Leutnant Gastsreundschast gewährte.
Eines Tages, der ale Oberfvrst
meister hatte eben wieder einmal
weidlich auf die herren im bunten
Rock geschimvst, fragte Thalem
»Nun sagen Sie mir einmal, Herr
Baron. was haben Jhnen denn
eigentlich die Leutnants gethan?«
»Das ist mit zwei Worten erzählt:
Jch war jung, rasend verliebt — da
kommt so ein windiger Gardeulan
und schnappt mir meine Liebe weg.
Und nun bin ich ein Hagestolz ge
worden. Soll man da nicht fluchen
aus die Kerls? —- Und denken Sie,
heute bekomme ich einen Brief von
meiner Nichte, sie meldet sich zum
Besuch an, um hier bei mir ihren
Liebesschmeri zu vertrauern. Was
glauben Sie, wer ihr den Kopf ver
dreht hatt«
»Natürlich ein Leutnant«, sagte
Thalen lachend.
»Gerathen. —- Na, der will ich
den Kopf waschen, und erwisch ich
den Leutnant —- den hals dreh ich
ihm um."
Ernst von Thalen lag am Nach
mittag in einem Faulrnzer aus der
Veranda des Landgutes. Soeben
war drr Wagen, der die Nichte des
Forstmeisters von der Bahn gebracht
hatte, in den hos gefahren. Thalen
war einigermaßen gespannt aus den
Besuch, denn nach den Schilderungen
des Onirls mußte die Nichte aller
dings ein Ausbund von Schönheit
und Geist sein. Thalen hörte die
Stimme der beiden, konnte sie jedoch
noch nicht sehen. ,
»Nun —- tvie geht’s, Onkel Glas
sen?« fragte Herr von Achern.
Thalen horchte hoch aus.
»Dem geht’s ,«gut, er läßt Dich
grüßen."
Diese Stimme, Herrgott, diese
Stimme!
»Und was ist das für eine alberne
Geschichte mit Deinem Leutnant?«
»Ach, Onlelchen, ich hab’ Herrn
von Thalen doch so lieb, wenn er
auch beitelarm ist.«
Thalen lag schon längst nicht mehr
im Faulenzer. Mit drei mächtigen
Sätzen sprang er die Ireitreppe
hinunter. «
e
U ,
Ein Ausschtei —-— Schreck und Ju
bel —- und zwei Menschen lagen sich
in den Atmen. Und ein alter Grau
batt stand daneben und fluchte und
wettette, und endlich sagte et:
«Er ist doch ein Mächtiger Kerl,
wenn et auch ein Leutnant ist!«
Der Spiegel«
Skizze vonToniMende.
Es gab also keine Hoffnung mehr.
Er mußte sterben. Eben hatte mir’s
der Arzt eröffnet. Armer Freund! —
Armer, lieber Junge! —- ·-—— Leise
öffnete ich die Thitr des Krankenzim
mers. Nun galt es aber Selbstbeherr-«
schung. Nur nichts merken lassen! Ein
frohes, muthspendendes Lächean auf
die Lippen geheuchelt und hoffnungs
sreudig mit eingestinemt, wenn er
mir — zum wievielten Male? —- das
wohlbekannte Märchen vorträumen
würde — das Märchen von seiner Ge
nesung —- — —
Er schlief. Leise setzte ich mich an
fein Lager. Durch das halbgeöffnete
eFenster zog junge Lenzesluft; ein
sonnenstrahl glitt spielend über den
regungslosen Schläfer. Wie abgezehrt
er war, und wie unheimlich scharf die
Züge schon hervortraten. Gesicht und
Hände von der Blässe gelblichen Mar
mors; nur auf den Wangen stand eine
scharf begrenzte Fieberröthe.
Wer hätte in dieser «niiden, gebroche
nen Gestalt meinen Freund wiederer
iannt, meinen heiteren, schönen, strah
lenden Freund? Seine Lebenskraft
und Lebensfreude schienen aus uner
schöpflichen Quellen zu trinken. bis
ihn die Krankheit traf. Und nun soll
te er sterben. .Er, der mit jedem
Pulsschlag dein Leben und Genießen
entgegenstrebte, er sollte fort —- fort
von der Tafel des Lebens. —- — —
Der Kranke warf sich unruhiger aus
seinem Schmerzenslager hin und her.
Seine blafssa Hände fuhren wie fu
chend über die Decke. Plötzlich schlug
er langsam die Augen auf, die schönen
blauen, das einzig Bekannte in dem
fremden, veränderten Antlip
»Alter Junge! Du bist’s, der
Treueste der Treuen? Das ist schön
von dir —- das thut Inir wohl — —
sehr —- wobl ——’·
Seine Hände tasteten mir schwach
entgegen. Jch nahm seine abgezehrte,
siebernde Linie behutsam zwischen
meine Hände und streichete see sonst.
Ein mattes Lächeln lohnte meine
Liebkosung
»Recht so Alter! Streichle nur —
Ich hab« es nöthig —- sehr nöthig ——-«
»Wie gehks dir heute?«
»O, besser — weit besser —— Das
Schlimmste ist, gottlob, vorüber —
nun athme ich der Genesung entgegen
— —- Was sagt der Dottor? —- Aber
ich siihl’ es ja —- mir ist ganz wohl
und leicht —- —-— und das ist doch die
Hauptsache —- -— nicht?«
»Du darsst nicht so viel sprechen!«
»Ich bin schon stille, alter Freund!
Ganz stille — so — —
Er lag eine Weile mit geschlossenen
Augen. Mühsam hob und senkte sich
die leante Brust.
Und dann ertönte nach längerem
Schweigen:
»Siehst du — ich soll nicht viel
schwasen —- ich könnt g auch nicht —
wenn ich selbst wollte sp-- —- aber das
möchte ich dir noch sagen — wie sehr
ich mich schon freue s— aus die Sonne
— und die warme Lust --— und die
blühenden Linden —«
Ein träumendes Lächeln glitt über
sein Gesicht.
»Wenn es nur erst so weit wäre —
die Welt ist so schön s-— und ich lebe so
gern —— selbst die Schmerzen thun
wohl —- Ach! wenn es nur erst so weit
wäre — aber es wird schon inmitten-—
nicht?. wird schon kommen —- was
meinst du, Alters-«
Ich murmelte ein paar zustimmen
de Worte. Es war kaum zu ertra
gen. Da lag der Sterbende und sa
belte von seiner Genesung.
Plötzlich wandte sich sein Blick mir
zu.
»höte, lieber Junge!« und es slog
wie der Abglanz seines früheren, schel
mischen Lächelns über die verblaßten
Züge, »ich hätte eine Bitte an dich —
so eine kleine —- ganz kleine Bitte —«
»Nun?«
«Lache mich nur aus -—— du! Du
bist so unverschämt roth und gesund
— und —- ich war so trank —- ein bis
chen eitel war ich ja stets — nicht? Jch
möcht’ doch gern mal sehen —- was die
Krankheit von mir übrig gelassen hat
— Geh! — Da aus der Toilette Liegt
ein Spiegel —— —- det — —- mit dem
Elsenbeingrifs —- so — der —- «
den gib mir, bitte —«
Jch stand einen Augenblick wie er
starrt. Wenn er den Spiegel vor das
bereits vom Tode gezeichnete Antlitz
hielt —- nein, nein, nein! Es durfte
nicht sein!
Aber da sahen die blauen Augen
mich mit einem unwiderstehlich bitten
den Ausdruck an. ;
»Alter, böser Junge! Willst du mirz
die kleine Bitte versagen?—Du weißt
gar nicht —- wie solgsam ich gewesen
bin —- die ganze tranke Zeit. —- Frag’
nur denDoktort — Selbst der wird’s
mir nicht wehren ps«
Nun denn! Es war die legte Bitte.
Meine zitternden Hände keichten
ihm den Spiegel Langsam und mit
dem Ausdruck neugieriger Spannung
hob er das Glas hoch und höher-. Jch
wandte mich ab.
»Ach, mein Bester! Du mußt mir
schon —- noch — einen Liebesdienst
.erweisen. — Rück mir das Kissen ein
wenig zurecht! — Du weißt s-— ich
war von jeher sür’s bequeme Genie
ßen —«
» ch lockerte ihm den Pfühl.
-r lächelte mich-dankbar an, rich
tete seine schwache, hinfällige Gestalt
mühsam ein wenig an mix empor und
führte den Spiegel vor das Gesicht.
Ein Schrei, ein einziger Schrei voll
Qual und Schmerz entrang sich seiner
Brust Dann kehrte er das Haupt ge
gen die Wand.
»Lieber Junge!« bat er nach einer
langen Weile mit ganz leiser Simme
»nimm den Spiegel nur wieder fort!
Jch brauche ihn —- nicht mehr. « —- —
Am nächsten Tage ist mein Freund
jgestorbem
Ende des kapitavlenzseifterbocks
Humoregte von C o n r a d o.
f . und so lade ich dich denn herz
s lichst ein, deine diesjährigen Fericn bei
lmir zu verbringen und begrüße dich
herzlichst, als Dein Dich liebender
Bruder Konrad.
Fünf Tage später. -— Telegramm:
Komme Schnellzug Abends 9 Uhr an.
Willy.
Endlich hatte ich meinen lieben Bru
der den Maler, wieder bei mir und
wenn auch gerade nicht für lange Zeit,
so doch vielleicht für einige Wochen.
Nachdem wir die Felder, Wiesen und
Wälder besichtigthatten und er dabei
mehrere Male fast aus dem Sattel ge
flogen wärt, stiegen wir in der »Wald
schenke« ab und trafen dort den lieben,
alten Förster der Königl. Forst. Na
türlich drehte sich bald das Gespräch
um die Jagd und wurde der lapitale
Geisterbock gleich mit in’H Treffen ge
führt. Wenn man friedlich mit dein
Stocke, zu Pferd oder Wagen sich im
Walde bewegte, konnte man sicher da
rauf rechnen. den alten Herrn in näch
ster Nähe bewundern und sein stolzes,
geradezu Jdealgehörn neidisch betrach
ten zu dürfen. Aber mit der Büchse—
da war Urian natürlich nur im Geiste
da. Der Förster wurde geradezu ner
bös-, wenn man vom Geisterbock sprach,
und sein Zustand wurde besorgnißer
regend, wenn man nur andeutete, ihn
bald erwischt zu haben. Das überlebte
ich ja gar nicht, war seine Redensart.
An einem wundervollen Herbftnach
mittage strebten mein Bruder und ich
dem nahen Walde zu, um auf einen
guten Bock anzusitzen, und hatte ich
dem Musensohne vorher die gründlich
ste Unerweifung in der Handhabung
des Birfchstutzens gegeben. Einige
Probeschiisse auf die Scheibe waren
zur Zufriedenheit aus-gefallen Als wir
die Waldlisiere erreicht hatten, muszte
ich noch mit dem Ansitz warten, da
zuvor erst noch eine Stizze und einige
Photographien der wunderbaren
Herbststimmung festgehalten wurden.
Allmählich aber wurden die Schatten
immer länger und ich trieb meine brü
derliche Liebe energisch aus den Dach
sitz, während ich vorsichtghalber in
ziemlicher Entfernung Deckung in ei
nem alten verlleideten Fuchgloch
suchte. Schweren Herzens hatte sich
mein Bruder gefügt, und baxd lag der
Wald in schweigsamer Ruhe da. ·
Kaum 10 Minuten waren vergan
gen, als ich ein leises Rascheln ver
nahm. Vorsichtig trat ein Reh aus«
äugte hin und her, setzte sich in lurze
Flucht und wechselte in’5 Feld hin
über. Gleich darauf trat noch ein
Stück aus und -—— o, heilige Diana —
sah ich denn rechto -—-— Der Geisterbocll
Mir stand er auf zirta 220 Schritt
spitz. ich durfte nicht schießen, aber
nach meiner Schätzung muußte er mei
nem Bruder auf 40 bis 50 Gänge ste
hen. ihm die volle Breitseite zuwen
dend, förmlich hinhaltend. Verflogen
war plötzlich alle Freundschaft fiir den
Förster, und etwas wie Neid beschlich
mein ehrliches Bruderherz. Deshalb
also hatte ich Diana angefleht, ihm
Weidmannsheil widerfahren zu las-»
sen. Nun, mein Flehen muß aufrich
tig gewesen sein!
Schon lange, viel zu lange harrte
ich des besreienden Schlusses aus der
Büchse meiner brüderlichen Liebe. Ja,
schießt der denn überhaupt nicht«
schläft er, sieht er ihn denn nicht? Ah,
endlich ein Knicksen, seht hat er gewiß
erst gestochen. Mißtrauisch äugte der
Bock nach der Stelle hin, woher das
zweifelhafte Geräusch lam. Horch, noch
ein Knicksen. Jst denn der Kerl ver
rückt, warum schießt er denn nicht?
Ach, am Ende hatte er keine Patrone
»im Lauf. Aber das zweite Knicksen
hatte denn doch der alte Herr übel gis-l
nommen nnd laut und verdrießlich
schmälend setzte er in hohen Flüchten
hinter seiner Geliebten her und war
in wenigen Augenblicken in sicherer
Ferne· Jch lehnte mich ohnmächtig
zurück und bereute in meiner Jagdlei
denschast, und zwar diesmal aus vol
lem Herzen, meinen Bruder mitge
lnommen, ja eingeladen zu haben. —
Zwei, drei Mal hörte ich meinen Ra
men rufen, aber mit geschlossenen Au
gen verharrte ich in meiner Lage, in
nerlich Sturm von widerstreitenden
Gefühlen. Dann aber tebrte lang
sam meine Besinnung wieder und ich
sprang aus meinem Versteck. Dort
stand der Held mit strahlenden Augen«
und als er mich gewahrte, kam er
triumpbirend aus mich los. —- »Nein.
war das ein herrliches Thier!« —
»Ja, aber warum um Alles in der
Welt hast du es denn nicht geschos
sen?« —— »Geschossen? Jch das herr
liche Thierchen schießen? Das habe ich
photographirt den wunderbaren Hin
tergrund dazu — du wirst staunen,
wenn ich das Bild entwickelt habe;
hell genug war es auch noch, nein, das
war ja ein wunderbares Glück siir
mich. Jch danke dir heizlich für die
sen Genuß!« Tableau — —- —
Jetzt hängt der Geisterbocl in schö
nem Goldrabmen, aber leider nur in
Oel über meinem Schreibtisch, und so
vst ich hinschaue entpreßt sich ein
Seufzer meinem Herzen. Das Ge
hörn jedoch prangt in seiner ganzen
HSchönheit am schönsten Platze in der
Försterwohnung
Spalko Wirthfchaft.
Fremder (der schon eine halbe
Stunde auf das bestellte Ragout war
tet): »Dauert ioän bißchen Ragout in
Ihrer Küche auszuwärmen so langes«
Kellnert »Das nicht, aber es ist
augenblicklich seine Muschel freil«
Zu rücksithsvolb
Mann: »Was, fünfzig Mart kostet
der Hut? Das ist ia ein ganz enorm
hoher Preis-Hi«
Frau: »Ja, die Frau Jn-spekior
war gerade im Laden. als ich ihn
kaufte-, und da wollte ich Dich doch
nicht blamiren!«
In Flitterwochem
Schwester: »Du siehst gerade nich-i
aus wie eine, die von einer vergnüg
ten Hochzeitsreise tommt.«
Junge Frau: ,,«-a, hat sich was mit
dem Vergnügen, wenn man einen sol
chen Dicklospf zum Manne hat. Wir
haben uns in einem fort giestritten,
wer den andern lieber hat, aber sdenilst
Du, Alfred hätte nachgiegisbenW
...--.
Ein Opfer der Mode.
»Sie haben den Paletot gestohlen,
was haben Sie zu Jhrer Entschuldi
gung anzuführen?«
,,M-:iner fing an unmosdern zu wer
den, Herr Vrätsident.«
Ahnung-woll.
Direktor (zum neuen Schnuspieler):
»Na, Sie werden ja überall als sein
sehr vielseitiger Mann acprieien, da«..
Schauspiel-er (ihn unterbrechendj:
»Seht vielseitia, Herr Direktor, das
schon, aber Zettel anlleben nnd ver-—
theilen, das thue ich nicht!«
l
Bedauernvwekth.
,,....Wie, fünfzig Mart bezahlfi
lDu für Deine Frau in der Musiker-:
l lienhandluna?'«
i »Ja, und alles von einem Monat;
f da kannst Du Dir denken, was ich ges
; litten habe!«
Zur Sache!
Freier Hain Kaufmann)r »Ach,
Ihre Tochter ist mir wie ein freund
licher Stern, wie ein....«
Kaufmanns (ihm i-n’5 Wort fal
lend): ,.Machen Siie’«g kurz, drücken
Sie sich in Zahlen aus.«
Wirt-w nicht.
Herr: Es hat einen Maler gegeben,
der Spinngewebe so natürlich an die
Decke malte, daß das Dienstmädchen
sich tagelang bemüht-e, sie fortzulehg
ren.«
Hausstan: »Daß es einen solchen
Maer gegeben hal, glaube ich —- aber
ein solches Dienstmädchen niemals.«
SelbstgrfüliL
,,...th Ihre Braut auch hübsch?«
»Nich’ gerade s— aber Kamerad
wissen doch, daß Eheleute im LIqu
ver Zeit immer ähnlicher werden!«