Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, November 13, 1908, Zweiter Theil, Image 9

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    Nebraska
Staats-aneiger und Ilserold f
Jahrgang 29. Grand Island, Nebr» 13. November IMM. (Zweiter TheiU Nummer 12.
:
Jm Haus.
Geduld hat mir gebaut ein Haus,
Das hält die Arbeit gut instand.
Der Fleiß geht drinnen ein und aus
Mit festem Fuß und reger Hand.
Die Freude hab’ ich ost zu Gast,
Auch manchmal freilich den Verdruß
Zur Abendtzeit macht bei mir Rast
Erinn'rung mit vertrautem Gruß.
Sie spricht von Leiden, die entfloh’n,
»Von Sorgen, die vergangen sind;
Wie süßen Aeolsharfenton
Träg« fern-eher der Abend-wind.
Der haucht herein so wundersrisch,
Und als durchs VIII-er schweift mein
l s
Da sitzt -— da sitzt an meinem Tisch-—
Herrgotti — Das ist das Glück —
das Glück!
Ein gelungener Streich
Hurnoreste von Adolf Thiele.
»Gewiß, die meisten Verbrecher sind
brutale Naturen,« rief der Polizei
direttor nnd seyte sein eben geleertes
Litörgias aus den Tisch, der die ma
lerische Unordnung eines gerade been- .
deten Herren-Bittens- aufwies. »Aber,'«
fuhr er fort, »irn Allgemeinen haben.
sie doch eine gewisse Scheu oor Ge-"
waltthaten und arbeiten lieber mit’
Chlorosorm als mit tödtlichen Hie
ben.«
»Ja, ja," meinte der Theaterdirel
tor Hagemann und sah weinselig vor
sich hin. »wir leben im Zeitalter der
Humanität. die sogar die Verbrecher
beleckt hatt«
»Nun, lauter Humanität ist es ge
rade nicht« was sie so handeln läßt,«
erwiderte der Polizeidirettor; «im
Entdeckungssalle werden sie gelinder
angefaßt, wenn sie ihre Opfer sein
säuberlich chlorosorrnirt, als wenn sie
sie gewaltsam niedergeschlagen haben.
Das erklärt diese humane hand
lungsweise.«
Der Chef der heiligen hermandad
lachte behaglich und trank rnit sicht
lichem Vergnügen den dritten Char
treuse. Während er und der Veran
stalter des tresslichen Diners, der
Theaterdireitor, ihr erbauliches Ge
spräch über die Verhrecher lebhaft
sortseytem hatten sich die beiden an
deren Tischgenossen, der Schriftsteller
Arno Stein und ein Vetter in Apoll,
der Komponist Erich Fritzen in eine
Fensternische zurückgezogen, um ver
traulich ihre Meinungen auszuma
n.
»Exquisites Diner,« sagte der Ton
lünstler, »der Hagemann versteht so
was zu arrangiren, das muß man
ihm lassen.«
»Er lann sich’s leisten.« meinte der
Dichter seelenruhig, »und uns ist er
es ja eigentlich schuldig. Das Fett
von der Sappe unserer unsterblichen
Werte hat er ja doch ohne Sirupel
Abg-schöpft —- Jch - « ««
»Sieh mal den Polizisten,« unter
brach ihn der Freund, »sein Kopf
glüht wie ein Hochosem und dabei ge
stilulirt er wie toll."
«Ja,« stimmte Stein zu, »er ist
noch ein trintsester Mann aus der al- ·
ten Schule.« s
»Und da hängt ihm gar die Uhr
aus der Tasch,« amiisirte sich der
Komponist.
,,Wahrscheinlich hat er sie im Eifer
des Gesechtö vorbeigesteckt.«
»Jawohl, sie höngt,« bestätigte der
Dichter. Ein trunkenes Lächeln
huschte über sein hübsches Gesicht
,,Du. wir könnten uns einen tapitalen
Spaß machen!«
»Wieso?«
»Nun, wir estamotiren ihm seinen
Zeitmesser.«
,,Prachtvoll,'« sagte der edenkaugs
nicht ganz nüchterne Epigone Mo-.
zarts, »aber wird er’ö nicht merkentW
»Wir müssen’ö geschickt ansangenJ
Du mit Deinen langen Klaviersingerni
bis zum Taschendieb wie geschafsen.«
»Aber erlaube mal," wandte Fritzens
entrüstet ein. s
»Pst, ist ja nur Scheer beschwich-.
tigte der Autor; »als-) Du entwen
dest tan die Uhr, während ich seine»
Ausmertsamtett ablente, indem ichs
tbn aus sein Steckenpserd, die Dem-s
ttvgeschichten. setze.« -
»Wird gemacht,« stimmte der
schnell versöhnte Iris-en zu. s
Gleich daraus nahmen die beiden
Berschwarenem einer zur Rechten,(
einer zur Linien des abnungstosent
Polizetdtrettors Pius-. Der Dichter
eröffnete den Feld-eng damit dass er
sich in das Gespräch über die Ver
brecher mischte. »Gewiß, herr Direk-»
tots« begann er eifrig, »das Studtum
der Berbrecher - Psyche ist zweifellos
interessant. Schade nur, daß deren
berufsmäßige Erforscher, z. B. die
englischen Detektivs, nicht so geachtet
in der Gesellschaft dastehen, wie sie es
verdienen. Mancher talentvolle junge
Mann wird dadurch von diesem wich
tigen Beruf abgeschreckt."
Stein hatte richtig gerechnet. Aru
ßerst lebhaft wandte sich der Polizei
direttor dem Sprecher zu
»Bester here Stein, da sind Sie ge
waltig im Jrrthum. Die englischen
Deteltivs werden nach Verdienst ge
schätzt, und verkehren als gern gefe
hene Gäste in der besten Gesellschaft
Und daß sie diese ihre Stellung voll
auf verdienen, geht schon daraus her
’V0k...
Der Polizeidirettor gerieth immer
mehr in Feuer und gab verschiedene
Geschichten zum besten, deren bewun
dernswerther Held jedesmal ein De
tettiv war. Durch skeptische Zwi
schenruse entfesselte Stein den Rede
strom des alten Herrn immer aufs
neue. Indessen wartete der scheinbar
aufmerksam lauschende Frißen eine
günstige Gelegenheit ab. Als der be
geisterte Lobredner der Detettivs zur
Flasche griff und dabei unablässig
auf Stein einredend, sich den achten
Chartreufe einschenkte und hage
mann gerade mit großer Umftiindlich
keit eine frische Zigarre anbrannte,
löste er mit einer ihn selbst überra
schenden Geschicklicheit die Kette von
der Weste des Ahnungslosen und ließ
sie mitsammt der Uhr in seine Hosen
iaschen gleiten. Noch eine geraume
Weile blieb man sitzen und der Poli
zeidiener wurde von den beiden Uebel
tbötern so gut unterhalten, daß er
nicht einmal nach der Uhr sah
Endlich brach man auf und trat
den etwas lchwierigen Rückzug an;
sämmtliche Dinertheilnehmer hatten
die vorschriftsmäßige Bett-schwere be
reits erheblich überschritten Nur
langsam tam man vorwärts und
fluchte dabei weidlich über die man
c,elt»safte Straßenbeleuchtung, die man
doch in diesem Fall. wo sie die
schwankenden Gestalten mit dem
dunklen Mantel der Liebe umhüllte,
hätte seanen sollen.
Als Erich Fritzen am nächsten
Morgen erwachte, war es ihm. als ob
er einen Holzhauer aus Stückarbeit
im Kops hätte. Nur dunkel entsann
er sich der Vorgänge des feestrigen
Abends. Erst als er in seiner Hosen
taiche die Uhr des Polizeidireltorg
entdeckte. lehrte ihm die Erinnerung
allmählich zurück. Besonders behag
lich war ihm Bube-i nicht zu Muthe.
In sinsterster Katerstiminimg genoß
er sein-en Kaisee und versuchte dann
zu lomponiren Aber mißiiinig er
schienen ihm oie Weisen, die er sei
nem Flügel entloctte, und uninuthig
llappte er den Deckel deg Instru
mentes zu.
Da trat Arno Stein lustig lachend
ins Zimmer. ,,Großartigl« ries er.
»Eben begegnete ich dem olizeidireli
tor, der oie auten Schnaple unseres
lieben Hagemann zu allen Teufeln
ioiintscht Er ist der sesten net-erzeu
gung, daß er seine werthvolle Uhr
Verloren hat. Hahahal Ich heuchelte
völlige Harmlosileit«. fuhr Stein
fort, »und sraate theilnehmend, oh sie
ihm nicht vielleicht gestohlen sein
könne«
»Nein, nein«, meinte er melancho
lisch, »alle Spitzt-when der Stadt len
nen mich; nicht einer wiirde es wa
gen, mich zu bestehlen; meine Uhr ist
verloren.«
Fritzen konnte nicht so recht in des
Freundes Heiterkeit einstimmen. »Wie
geben wir sie ihm nur zuriick?« fragte
er. »Soll ich sie ihm anonym zurück
schicken?«
,,Tann ioare der ganze Hiva on
dorben«, sagte der Bühnenankor,
»nein, das wird anders gemacht. Der
gute ·1iolizeidirettor sitzt allabendlich
im Weinrestaurant ,,Boctsbentel", da
gehen wir heute auch hin, das andere
macht sich Dann von selbst
»Ein-as lleinlaut sagte Fritzen zu.
Richtig trafen sie den alten Herrn am
Abend im seinem Stammlotal Leb
hast wandte er sich den beiden Freun
den ,su, und alsbald war man wieder
bei den Deieliivgeschichten Der Po
lizeidireltor wurde schon recht leb
haft, als er plötzlich zusammen trate,
als babe ilxn eine Schlange ge «ssen.
Entgeistert starrte er aus feine Uhr,
die erkals er zufällig in die Tasche
seines Smoting griff, gesunden hatte.
»Na, das ist doch stark«, saaie er
endlich verblüfft, »da habe ich nun
alles nach der Uhr durchsucht, und
nun steckt sie lsier in der Tasche!«
Kopfschiittelnd trank er sein Glas
aus. Stein lonnte nicht länger an
sich halten und brach in lautes La
chen aus. Als ihn der Direktor ver
wundert ansah. berichtete er den
Streich. hatte er aber gemeint, ver
Gesoppte wiirde in das Lachen ein
stimmen, so mußte er nun seinen Irr
thum einsehen.
Der sonst so joOiale Herr sah fast
wehmiithig aus. »Ich tann nicht
lachen, meine herren: mit solchen
Scherzen hat schon mancher die ab
schiifsige Bahn betreten.« Etwas ge
zwungen höflich trennte man sich.
»Nre in meinem Leben stehle ich wie
der«, sagte Frihen ans dem Heim
WILL
»Ich auch nicht«, versetzte Stein
überzeugt hinzu .
Ob sie ihr Versprechen gehalten ha
ben? Der eine ist Schri«tsteller, der
andere Komponist!
l
l
s Wie man das Volk amüsie.t.
l Jn Gverybohds Magazine blau
-dert Fredseric Thomvson über ge
wisse Erfahrungen und Beobachtun
gen, die er als Unternehmer großer
Vergnügungsetablissements »für die
Million« zu sammeln Gelegenheit hat
te, und diese Betenntnisse des Schöp
fers von Luna Park und dem New
York Hippodrom liefern, abgesehen
von ihrem intimen persönlichen Reiz,
auch einen nicht uninteressanten Bei
trag zu der wissenschaftlich oft erdr
terten Psychologie der Massen. Nach
Thompsons Auffassung bildet das
große Publikum, das anderen seines
Gleichen wie ein vielköpfiges Unge
heuer erscheint, vielmehr eineAnsamm
lung von großen Kindern, die zu un
teriratten am besten gelingt. wenn sie
als Kinder betrachtet und behandelt
werden. Die Kassenergebnisse seiner
bisherigen Unternehmungen geben ihm
anscheinend Recht, so zu sprechen. Jm
Grunde seines Herzens ein Zyniker,
wie der welttluge und menschenkundige
Theaterdirektor im Vorspiele zu
Faust gelangt unser amerikanischer
Manager doch zu einigermaßen ver
schiedenen Resultaten: »Wer vieles
bringt, wird jedem etwas bringen,«
heißt es bei jenem, »die Masse muß es
machen«, meint dieser, damit nach
Schluß der Vorstellung alle befriedigt
dann nach Hause gehen. Ueber die
Qualität des Daraebotenen aeht er,
aus auten Gründen, so ziemlich wori
loä hinweg, wer indessen zwischen den
Zeilen Zu lesen versteht, kann nicht lan
ae darüber im Zweifel bleiben, daß die
amerikanische Masse unserer Taste so
wenia wie die Gesellschaft, die «in
Deutschland um die Mitte des ann
zehnten Jahrhunderts sich durch die
enae Gnadenpforte des aeliehten Mu
tentemvels tu drängen pflegte, an das
Bette aewöhnt ist·
Frederic Thompson hat rasch Kar
riere aernacbt. Vor acht Jahren noch
ein atmet Schlucker, Studirender un
ter den Auspizien der Art Studentg’
Leaaue —- er aedachte ursprünglich,
sich zum Architelten auseuhilden
entdeckte er sich gerade zeitig aenua« um
auf der Panamerican Erhibition in
der sitaenichait eines Schaunianneå
mit großem Ellat dehiitiren zu tön
nen. Den Anlaß daiu bot aher der
hinan-. Eines Nachts ließ der leere
Maaen ihn nämlich nicht einschlafen;
er erhoh lieh also von seinem Laaer.
nahm Reihhrett .und Bleiftilt zur
Band und fertigte, mehr zum Zeitver
treib alä mit einem bestimmten Qiel im
Auae. Glis-en zu einer Schauitelluna
an. die im Sommer darauf als »A
Trip to the Moon« in Bussalo Furnre
und maleicki das Gliick ihres Schöpfers
machen sollte.
Drei Fahre tviiter qriindete Thoan
lon, in Gemeinschaft mit dem innnis
Wen verstorbenen Glut-r S. Nundth
ienen Luna Van auf Worten Aglanw
von dessen Eröffnan lann man wohl
ioaen, eine vollständiae ilmtniilmna
itef nssicknkbmuttaen isten Anriispmknt
are-Her Volks-nassen unter freiem Disti
inel in ten Ver. Staaten datirt. Tie
leiden Vartner verfiiaten damals iilser
ein Kavital von Monm« das jedoch
fast bis auf den lenten Pallas- aus«-ie
Ishrt innr, lanae bevor der Jan fiir
die Griiffnuna des netien Statuts«-e
ine-its veranlasst Thomvlnn war der
Schaum-Inn, ieinesn erfindsmasreicktsn
Kopf allein war der Nlan fiir das
aanze Unternehmen entlnmnnen, aber
auch Dundn, dem Geickäitsleiter, Ie
biiltrt der Name eine-s Genick-, dem-ri
itelliate er est doch, eins der aröiitsn
nnd norsickstiaiien Ranianitalten in
Nmerih bis zum Netraae einer run
den Million Dollars tiir »Mei
THOsvnthä Inn-n Island Gide
Sbotn« tu intereiiiren. die nach dem
iidereinstimsmendenllrtheil aller ameri
tanifcken Showmen einer fürchterli
chen Pleite nicht entgehen konnte.
- Als Luna Part tm Mal 1903 dem
« Publikum »seineTl-,oreössnete, war der
Kredit der beiden Unternehmer derma
Hßen erschöpft, date Thompion nicht
einmal zur Anschassung eine-. mit Er
. laubniß zu tagen —- neuen Hofe das
znöthtqe sGeld austreiben konnte, und
i brauchte dies nothwendtqfte aller Be
lleidungsltücke doch so nothwendig, um
einigermaßen anständig vor dem Pu
blilum erscheinen zu können! Partner
Tundee dagegen mußte seinerseits die
822 die er den Ticketverkiiufern fiir
Wechselgeld zur Verfügung zu stellen
hatte, buchstiiblich zehncent- und quat
terroeise zusammen schrappen. Vor Ab
lauf von vier Monaten hatte Luna
Pakt den letzten Dollar seiner Schuld
abgetragen. Frederic Thompson stand
damals im 30. Lebensjahre, und in
zwischen ist das Glück ihm treu geblie
ben. Doch nun zu seinen persönlichen
Betenntnissen.
Er theilt das Publikum fiir feinen
Zweck in zwei Klassen ein: 95 Prozent
bezeichnet er als unverdorben und gut
lich möchte lieber sagen: naio und
tindlichewGemiitheD und das sind die
Leute, denen zu dienen sich lohnt; mit
dem Reft von 5 Prozent will er als
Schaumann nichts zu thun hab-en, sie
sollen ihm nur nicht nahe kommen, aus
tie Gefahr, ,,bodily« hinausgeworfen
tu werden. Das erste Rauhbein, das
er im Luna Pakt erwischte, erhielt zu
nächft eine gehörige Tracht Prügel,
dann aber eine Lettion mit auf den
Weg. die dem Kerl zuträglicher gewe
» sen sein mag als die erlittene körper- .
l liche Zitchtiguna, die Aufklärung näm- l
flich, daß der Platz nicht für ihn und»
liür Gesichter seiner Art gemeint sei,l
s sondern für seine Mutter und Schwe- I
s Mk
)
t
l
l - s
Um aber Stimmung in eine Men
schenmenge zu bringen und sie —
JThompson sagt das nicht ausdriicklich,
; meint es aber indessen um so ehrlicher
’ als guter Geschäftsmann, der er ist —
lZum slotten Geldausgeben zu bestim
men, muß man verstehen, den in ihr
schlummernden Karnevalsgeist künst
slich zu werten. Arn ersolgreichsten wird
idas durch unaushörliche rauschende
Musik, sowie durch Darbietung von
freien, unentgeltlichen Schaustellunaen
bewertstelligt: das anwesende Publi
kum darf nirgends, wo es auch steht
oder geht, einen Ruhepunkt finden,
ienn mit der Ruhe kommt der gefähr
lichste Gegner des Managers seinem
Publikum gegenüber, die Langeweile, l
sondern muß stets unter dem Eindruck
siegend etwas Großes, Unerbörtes,
enorm Amiisantes vorgeht
Aus diesem stritten Geschäftsge
sichtspunite betrachtet, bilden die über
all an den Wegen des Paris ausge
stellten Bänte nicht sowohl Platz, die
miide Wanderer zum Sitzen einladen
als vielmehr Reauisiten, die zur Delo
ration gehören. Thompson macht auch
kein Hehl daraus daß e»r den Anblick
besagter Bänke schlecht ertragen kann,
weil er darin einen handareislichen
Beweis des Fehlens jenes siir ihn so
wichtigen Karnevalsgeistes erblickt; um
in solchen kritischen Augenblicken Le
ben in die Bude zu bringen, pflegt er
vom nächsten Musiivavillon flugs die
Kapelle heranzuziehen damit die Mu
siker einen seuriaen Marsch blasend,
aus und abgebend den Eindruck erre
aen, ganz in nächster Nähe würden
Vorbereitungen siir eine neue Genia
tion aetrossen deren Genuß man na
tiirlich um keinen Preis versäumen
dürfe. Der Karnevalsgeist, oder sa
aen wir. die Fidelität, die Lustigkeit,
ist iiberhauvt nur in ganz seltenen
häusiaer in der That tiinsiliih hervor
gebracht, fabricirt, und dasPublitnm
liiset sich in feiner Naivetät ja io aerne
isiuiehenl Wie im Amusenient Parl,
so iibriaens auch. um nur ein Beisviel
anzuführen, in einer arofeen politischen
Versamwlnna. deren Enthusiasmus
von den Leitern zielbewußt aewecii, ac
schiirt und in die rechten Wen- aeleiiet
werden muß, wenn er ziinden und
- seine Wirluns thun soll.
’ Auch die Weltauästellunaew deren;
sc viele nsit einem häßlichen Desisit in
die Geschichte iiheraehen, will dieser,
»hier etwas einseitiq urtheilende Ge
währgwann nnr als Shows aröfkten
Maßstakeg aklten lassen: iraennwek
eben ötpnoniischen oder industriellen
Werth spricht er ihnen ab.
»Im Sommer 1901.« erzählt er,
,,hatte ich eine Schauiiellunm aenannt
»A Iriv to the Moon«, aus dem Mid
wcm der Titanamerican Ervosstion in
Vnssalo Bat-lich und von einem er
zieherisehen Standpunkte betrachtet,
nehiirie diese Ansitelluna In den in
teressant-steil in der annien Reihe der
Meltanöitellnnaen Sie war wunder
icksiim sie war kolossal. aber sie bezahlte
sick nicht. Nach Verlan einiaer Mo
note beaab ich micki eines Jan-s nach
dem Zimmer des sVerwaltitn-asratlies,
der aerade in Siteunq war, und ietite
den Herrschaften tun und biindia ans
einnntsph weshalb ihr Millionen Dol
lors losiendes Unternehmen nicht mehr
als 30,000 Menschen täalich anzuzie
hen vermöge. Ich machte ihnen begreif
lich, sie ietiten einzig und allein aus
dem Grunde Geld zu, daß in ihrer
Mitte ein vrdentlicher Schaumann
durch Abwesenheit glänze. Jch verbrei
Anånahnieiällen wonianer Art. viel
i
tete mich des längeren über den Kar
nevalsgeist, sie aber glaubten mir mit
einem stolzen Hinweis auf die erziehe
rifche Bedeutung der Veranstaltung
imponiren zu können. Ich lief-, mich
indessen nicht verblüfer.
»Sehr ichön,« erlaubte ich mir zu
antworten. »Was thue ich aber mit ei
ner Universität, wenn keine Studenten
da sind. sie tu besuchen. Bevor wir
von erzieherifchen Vortbeilen sprechen,
meine Herren, lassen Sie uns lieber
versuchen, die Menge bereinzubrinaen.
die sich erziehen und bilden lassen
will.«
Anfänalich wollten die Herrschaften
auf meine Jdeen aanz und aar nichti
eingehen: nach vielem Kin- und Herre
den ietite ich es schließlich aber dennoch
durch· daß mir die aanze Ausftellung
für einen bestimmten Taa. den R. Au
auft. zur Verfiiauna aeitellt werde, um
die von mir entwickelte Theorie brat
tisch in erproben. Mit meinem Kon
tralt in der Tasche, aina ich fort an
bis Arbeit, Retlame fiir den »Mit-way
Dan« zu machen: vier der aröfzten
Druck-Dreien in New York mitbten Takt
nnd Nacht arbeiten, um rietiae Pla
tate beransgnbrinaem mit denen ich
all-« Brettmäune im Lande belieben
lassen wollte, während non mir und
den anderen Schaubudenbeiitiern auf
dem Midwan gehn ..Adoance Aaent5«
cui die Reife »eichickt wurden, um in
Stadt und Land das kommende Er
iianifz laut du Ioerl-iinden, und vor-Ab
lauf einer Woche ballte ein weiterer
Theil der öftlicken Hälfte dss Landes
»von demiltnf wieder: »Der 3. Auauit!
Midman Dan auf der Nanamerimn
erositioM Nicht vergessen! Geht
hinl«
Das thaten die guten Leute. Am 2.
August brachten alle Eisenbahneüae
aus rinem Unrirrisevon vnrundzwan
zia Stunden Fahrt tausende und aber
tansende Ausfliialer nach Nnifalo
und als am nächsteMor-gen dieTbore
der Ausstelluna geöffnet werden soll
ten, herrschte davor ein so enormes
Gedränge, dase. um eine Vanik Zu ver
hiiten, zunächst alle Volizeiresekven
herangezogen werden mußten. Wäh
rend bis dahin die Tageseinnahmen
durchschnittlich 80,000 Dollars betra
gen hatten, gingen an jenem ,,Midrvay
Tage« an den Rassen mehr als 148,
000 Dollars ein, und von diesem Tage
an dlnb der Llndrang ungeheuer bis
zum Schluß. Wie das möglich war?
Nun, einfach dadurch, daß wir die
Maschinenhalle und all die anderen
schönen Gebäude mit ihrem lehrreichen
Jnhall ignortttni und dafür jeden
Bretterzaun in sünsundvierzig Staa
teri der llnion tnit deni starnevalgeist
dellecksten. Anstatt ein tlassisches Or
aellonzertin der Tnusilhalle anzutün
digen, schrien wir uns heiser beim
Stanqentlettern, ziovfstebem Paradi
ren und andern verrückten Dinaen.
Auf Schritt und Tritt rauschende
Yhrichmwc Yidw riMm Sw
dium, dessen Amphitheater vorher im
mer zu drei Vierteln leer gewesen war,
lockte ich an jenem dentiviirdigen Tage
25Jnn)9kenscknn,inn rinem LBettren
nen zwischen einem Strauß, einem
Fkaineel, einesuEFlefanten, einenrskebra
und je einem Exemplar des lwno
suphns auf enæni Annnad,tpsird
und Auwnwbll AqustMn. Es war
p«
großartig.
Zum Amiifement der Millionen
sind aliicklicherWeife jedoch, außer dem
von Thompson so hoch einaeschätzten
Fiarnevalsaeist, noch einige andere
Erfordernisse unerläßlich Eine der
Hauptoorhedinaunaen gedeihlichen Er
folan ist, nach seinem Dafürhalten,
der Anstand: wo dieser nicht aewahrt
wird, tann das Geschäft nicht keussis
ren. Auch in den Tagen, da Coneh
Island sich nicht eben des besten Ru
fes erfreute, fehlte es dort keineswegs
an resoeltablen und dezenten Schau
stellunqen, nur aab der Einfluß der
schlechten und anrüchiaen den Aus
schlaa, und die Polizei konnte oder
wollte aeaen den Unfug nicht einschrei
ten· Das ist ietzt alles anders gewor
den. Die anständigen Shows haben
die unanftiindiaen davonaejaat. "Diefe
können die hohen Miethen nicht er
schwingen, die die anderen fich un
sibwer zu leisten vermögen. ;
Als Beispiel dafiir verweist Thomp
fon auf Luna-Pakt Dieser bedeckt
etwa den drittenTheil eines Terrains,
das ihm und seinem Partner ur
sprünalich fiir weniaer als s600,000
zum Kauf anaeboten wurde, eine lot-!
iende Offerte, die aber damals wegenj
Manqels an Geld nicht angenommen
werden konnte. Nun brachte das
Areal, das allein Luna-Bart ein
nimmt, dieser Taae eine Million Dol
lars, wonach der iheiktiae Werth des
annien Traktes sich auf etwa dreii
Millionen berechnen läßt. ,,Conet1l
Schlunds Umwandlnna in einen dezen- t
ten. anständiaen Plan hat den Wertln
des Grundeigenthums daselbst mithin
ifnchtfünf Jahren ungefähr verfünf
a .«
Nach Thompsons Definition stellt
tsn moderner Vergnügungspark eine
Kondensiriung des New Yorker
Broadwan dar, insofern unter denk
,,große weißen Weg« das großstädti
i sche Theaterland verstanden wird, und
»das Beste, was das Theater an Aus
stattungsstücken darbietet, muß darin
in Kapselform zur Aufsiihrung gelan
gen. Keine Einzelborstellung darf
länger als höchstens zwanzig Minuten
währen; ganz zwecklos würde dabei
übrigens der Versuch sein, dem Publi
kum etwas Ernstes darbieten zu wol
len. Es bezahlt sich überhaupt nicht,
Leuten, die Zerstreuung und Amiise
ment suchen, Bildung beizubringen,
»vie! vernünftiger ist, von vornherein
anzunehmen, daß sie gebildet sind. und
seine ganze Aufmerksamkeit auf ihr
Amiitfetnent zu koncentriren«. Was
dem Publikum in dieser Hinsicht dar
geboten wird, muß kurz und vointirt
fein: ein guter Ulk, dessen Ausführung
fünf Minuten in Anspruch nimmt, ist
einem besseren vorzuziehen, der die
Zuschauer eine Stunde lang festhalten
würde. Der kluge Mann stützt sein
Urtheil hieran die dem Amerikaner
angeborene Vorliebe für alles Rasche:
cin Volk, das- sich für die schnellsten
Gifenbahnzüge, Rekord brechende
Dampfer, Pferde, Automobile, begei
stert, will auch, wenn es sich für sein
autes lGeld amsüsiren läßt, nicht a la
Schneckenpost bedient werden. Auf
diese Charaktereicenschaft glaubt unser
Schaumann die sich immer gleichblei
Lende Popularitiit von Veranügunaen
wie ,,Shoot the Chutes«, »Bump the
Bumps«, ,,Helter Skelters« u. s. w.
zuructtuvren zu muss en.
Schlechtes Wetter psleqt naturge
mäß einen Dämvser aus den berühm
ten Karnevalsgeist zu setzen, allein ein
Schaumann von echtem Schrot und
Korn läßt sich selbst durch wolken
bruchartiae Regengüsse, und wenn sie
auch einen aanzen Tag anhalten soll
ten, die Petersilie nicht verhageln; es
ist besser-. vor leeren Bänken, als qar
nicht zu spielen, denn — welch schöner
Optirnismus spricht aus dieser Loaikt
— das Wetter könnte sich doch schon
un nächsten Augenblicke wieder aufkrei
ren!
Und jetzt um Schluß noch einige
statistische Ziffern. Nach Thompsons
Schätzunq sind zur Zeit in den Ber.
Staaten nicht weniaer als sünsund
zwanzig Millionen Dollars in soge
nannten Veraniiaunasparks angelegt.
Dreamland aus Zonen Island reprä
sentirt ein Kapital von 82,.)00.000,
Luna Park kostete 82 -,4l)0 000, Nimr
view-Vark und die White City in
Chicaao je eine Million. Seine jähr
lichen Ausaaben, einschließlich Revan
turen, Neubauten. Jnstalliruna neuer
Showg und die Betriebsunkosten sitt
eine Spielzeit Von vier Monaten be
Zifsern sich aus eine runde Million. Jn
ein einkiaes Schaustück, die Reproduk
tion des indischen Durbar oder Huldi
anna der indischen Vrinzem steckte
Tboinnsnn 8240,000, davon 368000
allein fiir Thiere, der ariißeren Zahl
nach Elefanten unszanieele, setzte bei
der Geschichte 8100,000 zu, schrieb den
Verlust aelassen auf das Konto »Er
fabruna" und fuhr, wie er meint,
schliesslich nicht schlecht dabei. Die
Beleuchtung von Luna-Pakt kostet
wöchentlich PMOQ die Musik 84500
llel«erlmuvt, mit Kleiniakeiten darf sich
nicht alte-eben. mer ein Geschäft daraus
macht, »die Million zu amiisiren«. —
Ein berühmt-s Schiff als Brenn
hol-«
Die ",,Will)elmina«, ein altes und
historisch berijhmtes Schiff, das Na
poleon Den Groß-en und Kaiserin
Maria Luife als Passaaiere an Bord
aefiihrt hat, gelangte liirzlich um den
Preis von 250 Franks zum Verkauf.
Zweibnndert Jahre lang Verfah das
Schiff fast Ununterbrochen den
Dienst zwischen Gent und Brügge.
Den den ersten Jahren Des R. Jahr
hunderts mach-te es seine erste See
fsa«l)rt. Heut-e ist es ein altes, morsches
Wend, das man nur noch als Brenn
holz verwenden kann. Mit ihm ver
schwindet ein Stiick Geschichte aus
der Welt.
Berichte-q.
Gefängnißdirelton »Sie sind alle
Die Jahre Diener bei einetn Baron
gewesen; Iwomit sfoll ich Sie da jeizt
beschäftigen?«
Siräfling: ,,Könnte ich nicht die
»IGläubiger hinausschnieißen?«
Der Schustcriunsr. ;
Meisterin: »Du nJirst natürlich «
später auch einmal heirathen.«
Schu«·sterlehrling: »Ja, ofreut Mee
stern, werde ick ooeb eene ebenbürtigc -
Jemalin fin-den?« »