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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (Oct. 9, 1908)
Ob is den Tod. Von M. Oberber,:. Ost Ungefäh- secknia Jahren tauche M in Frankreich bald hier bald dort’ te Bravoö auf, Männer von Mrdigern Charakter, die sich ei i G Ins-heute Gewandtheit im Ge » W der Waffen angeeignet hatten M dar-ruf ausgingen, mit Herren ans der feinen Gesellschaft in Händel g rathen, um diese dann .al: bliitia nell zu nichiefzen. Der schreck Mc und atfürchtetste Bravo ein ge er Jules de Magny, der xrreits in M gksßskpn Stadt Fknnszechs nnft und Entsetzen verbreitet hatte nnd kniest feinen Ausenthalt in Lyon ZW. war ein gr: her, mag-txt Mensch mit blassemGesicht, fis-Tatze Haar nnd noch schwärzerensxluzm imn denen es oft teuflisch aufblitzte, waky Und ein eigenthiimlich eisiger-, Lächeln feine finsteren Ziiae überflog. Monsieur de Magnn begann in LM mit einem Duell, über welches die Bevölkerung eher erfreut als un gehalten war Es existirte dort be reiti ein unangenedmer Raufbold und Ruhestörer der den guten Leuten in Lyon viel zu schaffen macht-« Bald noch feiner Ankunft gerieth de Magny tnit diesem zweifelhaften helden zu sammen und innerhalb vierundzwan zin Stunden lag herr Ferreufe miti einer Kugel im Herzen auf dem arti nezt Moosteppich eines tleinen Gehöl ie . Man begliickwiinschte sich allgemein nnd pries die Kühnheit des Frem den; doch bald stellte es sich herurus daß die Stadt für einen unredeuten den Lärrnmacher einen gefähriichen Bravo, einen wahren Teufel in JJien sehengestatt eingetauscht hatte. Furcht ein-d Grauen verbreitete sich überall, w de Magny erschien. und man fres- ihn, roo es nur irgend anaing, Fu meiden. Ernest Saleau, ein junger Arzt in sm, der erst vor Kurzem ein bild Mnes junges Mädchen geheirathet satte, war gerade von seiner Hoch geitsreise aus Italien zurückgetehrt, ais man ihn in die Wohnuna eines Freundes. des Rechtsanwalts Berton hats Dieser hatte am Tage vorher das Unglück gehabt, de Magnn Zu he leidigenx er nat von dem Unersätt IN gefordert und vor einer hal then Stunde im Duell getödtet worden Schau konnte nur noch den Tod ton ätiten Jn einer Zeit von wenigen n war Berton das siebente Opfer des Unholdea Arn Sonntage nach diesem Vor keinennik das den jungen Arzt tief er issrn und furchtbar gegen den grau atnen de Magno aufgebracht htte as Ernest Soleau mit seiner Gattin, Schönheit überall Aussehen er regte, in einem öffentlichen Garten. Der Zufall wollte es, daß de Magny ganz dicht an dem jungen Paar vor kberging und als Soleau den Ver haßten erblickte, konnte er sich nicht enthalten. ihm seinen Abscheu und seine tiefe Verachtung zu zeigen. Je nes eisrge dämonische Lächeln, wel Ies Tod bedeutete, erschien aus den W Ziegen des unheimlichen Mes. Er ging ein paar Schritte seiten kehrte dann ptönlieh um und sen Gatten vollkommen über-sehend, fette er sich nach einer tiefen Ver beugung neben Madame Soleau. «Sie erlauben. meine Gnädige«. iegann er mit vollendeter höflichteit: bin ein aufrichtiger Bewunderer Schönheit und Sie gestatten mir Idol-, daß ich Ihnen meine Huldi guug zu Füßen lege.« Gstelle die nie etwas von dem Oravo gehört hatte. glaubte einen Be trmscrnen oder Wahnsinnigen vor sich II haben und blickte angstvoll auf ih res Gatten. Schau? Gesicht wurde todtenhlaß, sitt er suchte mit aller Kraft sich zu Wischem denn er wußte wohl, daß de Magnn nur einen Grund. unt ihn fordern zu können, herbeiführen Sollte ,Monsieur«, sagte er, sich gewalt sam zur Ieicht zwingend, »Sie spre Cerr zu meiner Frau und Sie werden ieteidigend Bitte, verlassen Sie III.« De Minan that, als hörte er nicht «Madarne scheint nicht Luft zur Un: terhaltuna zu haben; dürfte ids viel-— leicht meinen Arm zu einem kleinen kuxdgange durch den Garten anbie en « Er stand auf und machte eine Ver beugung bis zur Erde. »Sei-en Sie! O bitte, gehen Sie!« tief Estelle, von Angst ergriffen. »Mein Herr, Jhr Betragen ist im Kästen Grade ungehörig!" stieß So u außer sich vor Erregunq hervor. »Sie fordern mich mit Gewalt Eier sut, Sie für einen Schurken zu er Ilsren.« such hier nahm de Magny teine » danke fühlt sich ermüdet undj Its werde deshalb nicht länger lästig inten, aber Madame erlaubt mir III, Denke Abend einen Befuch zu suchen. Ruf Mdersehen also!« Bei tiefen M beugte er sich über vie itsx Im- und ehe Estelle oder ihr It ahnen konnten. watder Elende is Sinne hatte, drückte er einen Kuß I dem leevxis Tisr sprang Soleem asnf II freche- Patren zu und schlug ihn sit der gestilltes Faust derartig in's das set Blut sussprlstr. . fest-e ver cn en laut auf fass spat-Mist Ue Arme ei sieriaet Leute« die den Vor M Fest est der Entfernung be « d- M ieigsu sich- dsie gen-gn Erregungn Er befreite sich mii äußer Ker Kalidliitigleit M dein wäthenden Soleain zog ein parfiirnieiej feidenet Tuch ans der SIan und entfernte damit das Blut non feinem zerschla genen Gesicht. Dann maß et den am ganzen Körper behenden jungen Arzt mit einem einzigen höhnisch lächeln den Blick nnd verlangte —- Genug thnung. Jeder der Umstedenden wußte. was das zu bedeuten hatte: ein Duell mit dem fiiechteelichen de Magny konnte nur einen Anögang haben. Das Rencontke fand am andern z Morgen statt. Mit der Wollust eines Teufels spielte de Magnn mit feinem unglücklichen Opfer. beachte ihm für jeden Fausifchlag, den et empfangen hatte, eine unbedeutende Wunde bei und endete mit einem wohlaezielten Schuß in die Seite feines Gegners, dessen unsichere hand kaum fähig war, die Pistole zu halten. Es war ein Duell zwischen Wolf und Lamm und nach kaum zehn Minuten war Estelle Wittwe. Der Schmerz des jungen Weibes kannte teine Grenzen. Jn ihren Au gen war ihr Gatte der schönste. edelsie Mann auf Gottes Erdboden gewesen und daß er ihr auf so grausame Weise geraubt wurde, —- durch die hand ei nes gemeinen Schurken geradezu ge mordet werden mußte, —- brachte sie fast dem Wahnsinn nahe. Jn wilder Verzweiflung warf sie sich über den geliebten Todten and schwor bei Gott und allen Heiligen, daß sie diese ent setzliche That an dem Ungeheuer rächen würde. · Dann verfiel sie in ein heftiges Fieber und schwebte lange Zeit in gro ßer Gefahr. Als sie besser wurde und langsam ihre Kräer zurückgewann, erschien sie still und in sich gekehrt und Jeder glaubte. sie hätte ihren schreck lichen Schwur vergessen. Bald nach ihrer Genesung verließ sie Luon, um sich in einem Badeorte vollkommen zu erholen. wie sie ihren Bekannten sagte. Sieben Monate waren seitdem ver-l aangen. als eines Abends im PalaisJ Case zu Lhon ein fein getleideten bildhiibscher junger Mann erschiens Nach dem Klang seiner Stimme mußte s er noch ein balder Knabe sein. Er» bewegte sich sebr laut und auffälligJ trotzdem aber machte er den Eindruck eines Aristotraten und bildete sofort den Mittelpunkt des allgemeinen Jn teresse3. Man sprach gerade mit Entrüstung von der lebten slandalösen Affiire del Magntfs und es war, als horche der Jüngling mit besonderer Aufmerk samkeit aus die Aeußerungen der Em pörung von allen Seiten; da trat der von dem man sich so lebhaft unter-« hielt, über die Schwelle und wie auf Kommando verstummte die ganze Ge- i sellschaft, um dann in gediimpftems Tone von anderen Sachen zu sprechen und hin und wieder verstohlene. surchtsame Blicke nach dem Tisch zu senden, an dem de Magnh mit drei sei ner intimsten Kumvane sich niederge lassen hatte. Der jugendliche Fremde starrte jedoch, ohne sich im Geringsienl zu geniren, in wahrhaft unverschämterl Weise den großen finstern Mann wie ein Hsfentlich zur Schau gestelltesl Wunder an. Natürlich blieb dies nicht unbemerkt und man tauschte bereitii besorgte Blicke aus. Sicher wußte ders unvorsichtige junge Mensch nicht, wer: und was de Magnv war und man; suchte ihn auf unausfiillige Weise zur warnen, doch vergebens. Der Unbe-l tannte schien es förmlich darauf abzu sehen, den überall Gefürchteten zu rei zen und herauszuforderm denn er stand jeht aus, zahlte und machte di rekt einen Umweg, um an dem Tisch, an dem die Viere saßen, vorbeizutom men. Dort stoloerte er oder gab vor zu stolpern — Niemand zweifelte. daß es absichtlich geschah —- und stieß da bei so heftig an de Magnh’i Arm, daß sich der Inhalt des Glases Wein, wel ches dieser an die Lippen fiihren wollte, über das schneeige Borhemd und die seidene Weste ergoss. i Wie von der Tarantel gestochen, Jsprang de Magst-; auf ,,Hert, »Sie werden sofort sin Jbte Ungeschicklichteii oder Frechheit Ab bitte leisten!« schrie er den Jüngling an, der mit bochmütbigem, ironischem Lächeln vor ibm stehen geblieben war· »Mvnsieur, sür einen Zufall leiste ich keine Abbitte,« erwiderte dee Unbe kannte, indem er stolz den Kops zu rückwars. Jm Case herrschte mvmentan Tod tenstille. Es lag klar aus der Hand, daß der Fremde keine Ahnung von de Magny’s schrecklichem Rufe hatte. » »den, Sie werden fest augenblick lich Jbre Entschuldigungen vorbringen oder —-« »Den, Sie haben mir gar nichts zu sagen. Niemals leiste ich Abbitte, Ih nen am allerwenigsten!« »Nun, dann nehmen Sie daö!« Mit diesen Worten ergriss d’e Magny, den seine Freunde nie so aufgebracht gesehen hatten, ein neben ihm stehen det Glas und schleuderte dessen Jn balt in das stolze Gesicht des jungen Monat Dieser trocknete ei ruhig mit dem Uschestnche, indem er sagte: »Men fseur bat mich absichtlich beleidigt ; ich derlasar Musik-tunc i Mit Ins-Mk W de Ragnv mit feinem teuflischen U cheln. Er war wieder ganz der Ilio. .Jch werde Dich tödten. Du Mu fchnabel!« «Vielleicht, vielleicht auch nicht, Du Ungeheuerl« meinte der Andere ruhig, und fich umwendend, fragte er mit klarer Stimme: «Sind einige der her ren vielleicht bereit. einem Fremden, der keine Freunde zur Band hat, all Sekundanten zu dienen?« Einige Augenblicke blieb alles still; dann traten zwei Herren bor: ein Rechtsanwalt und ein junger Kauf mann die dem Unbelannten ihren Beistand zusicherten »Besten Dant, meine herren. Aber wollen wir nicht lieber in einem an deren Lokal das Nothtoendige bespre chen?« Der Notar versuchte fein Möglich steö, den jungen Mann zur Flucht zu überreden. »Seien Sie versichert. er wird Sie tödten,« sprach er besorgt und erzählte dann von de Magnh’s Schandthaten. Der Fremde hörte lächelnd zu. »Ich danle Ihnen, mein Herr," sagte er freundlich, .aber ich kenne den Fürch terlichen besser als Sie selbst. Jch bin nur hergekommen, um rnit ihm zu samminzutreffen und morgen um diese Zeit, so Gott will, werden Sie das Ungeheuer los sein. Auf Wiederse hen!« Die beiden herren sahen ein, daß hier lein Abrathen helfen würde und mit schwerem herzen gingen sie an die Erfüllung der übernommenen Pflicht. Bald war Alles geordnet. Um Mitternacht veriammelten sich die Betheiligten im entlegensien Theile des groeßn Gartens- der zum Palati Cafe gehört. Die Setundanten witt felten um den ersten Schuß. »Sie haben das Recht, zuerst zu schießen, Monsieur Jeconne," sagte der Notar. Ein Lächeln der Befriedigung glitt über die feinen Züge des jungen Man neg. Alle blickten auf de Magnn. der dies mal gar nicht seine gewohnte Kalt bliitigleit zur Schau trug Sein Ge sicht sah in dem fahlen Mondlicht gei sterhaft aus und in den schwarzen Augen glühte und funkelte es unheim lich. Die beiden Duellanten standen aus zehn Schritt Entfernung einander ge genüber«und hatten bereits den Arm mit der Pistole erhoben. Da wandte sich plötzlich der Unbekannte zu dem Notar und ersuchte ihn, seine Waffe vorerst abzuschießen und frisch zu la den. Die Setundanten de Magnv’s widerseyten sich. doch der Fremde be stand jetzt erst recht daraus und man tam endlich überein. beide Waffen ab zuseuern und neu zu laden. Seltsa merweise gab die Pistole des Fremden tein Feuer und man mußte erst eine andere Batrone hineinthun, ehe rnan sie abfchießen konnte. Dieser Zwischen sall schien den Bravo noch mehr zu be unruhigen; es gelang ihm nicht, seiner Aufregung herr zu werden. Als dann beide Waffen neu geladen waren, nah men die Duellanten ihre Plähe ein. ««sertig!« rief der Rechtanali. Der Unbekannte erhob langsam die Pi stole und zielte auf de Magny’s Brust. Er hielt die Waffe so während einer otertel Minute: sein Arm, sein ganzer Körper war fest und unbewegt rote aus Erz gegossen. Dann ließ er die hand nochmals sinten und sprach kalt und langsam zu seinem Gegner »Mein Herr, Sie werden bald vor" Gottes Richterstuhl stehen. Jch süble mich dazu berufen, Jbren schauderbas ten Verbrechen ein Ziel zu stecken. Hauptsächlich aber räche ich in diesem Auqenblick den von anen begangenen Mord an Dr. Soleau.« Damit erbob der seltsame junge Mann schnell die Pistole, zielte dies mal auf die Stirn de Magntss und seuerte. Doch fast im selben Moment bctte auch der vollkommen außer Fas sung geratbene Bravo ganz gegen die Abmachung seine Waffe abaeschossenx der Schuß drang in den Arm des Fremden und zerfchmetterte den Kno chen. »Das war insam!« rief der Rechts anwalt den Sekundanten de Magnv’s zu. «Still, was thut es? Er ist gerich tet!« sagte der Unbekannte mit feier lichem Ton, indem er aus die langge streckte Gestalt am Boden wies. Der Schuß war genau zwischen den Augen ins Gehirn gedrungen. Als der Arzt dann die Wunde amj Arm des balb obntnächtigen jungen? Mannes untersuchte, fliisterte dieser mit kaum hörbarer Stimme .Dr. Leres, erkennen Sie mich nicht?« Dr. Leres war derselbe Arzt, der die Wittwe Soleaus in ibrer schweren Krankheit nach dem Tode des Gatten behandelt battte und dessen Sorgfalt sie allein ihr Leben dankte. Er blickte scharf in das Gesicht des Berwundeten und mit einein Ausruf halb der Freude, halb des Entsesens prallte er zurüc. »Es ist nicht möglich!« ries er zwei srknd. »Ja es ist möglichs· sliifterte der Unbekannte. bin Esselle,M Solmts ungl Liebe Wittwe. hal- nreisen Mr gehalten — M kaut M sue ma- — .. san- kmk Ins-sä- snki fis-ki Paå.auch noch so sicher getroffen wie on .« Alte siebe. Humoresle von Helmuth H. Herr-nann. Das Herz klopfte ihm doch ein wenig schneller, als der Diener ihm das schmale. lavendeldustende Briefchen s überreichte, du die Entscheidung über ssein Schicksal barg. Aber er suchte lseinem runden. gutmüthigen Antlih. dessen stattlich ausgepolsterte Wangen die Farbe blühendster Gesundheit zeig ten, eine möglichst gleichgültige Miene zu geben« und nachlässig sagte er: »Es ist gut, Jean. —- Eine münd liche Bestellung hat Dir Frau May rodt wohl nicht ausgetragen —-?« » «Eine schöne Empfehlung an den? Herrn Rath — und ich möchte demT herrn Rath das geben. Sonst nichts.«I Die mürrische Miene des alten Die ners und seine oerdrossene Antwort lränttenhetrn Gustav Dollinger unge mein, aber da die Erfahrung ihn ge lehrt hatte, daß er etwaige Vorhaltun gen nur mit allerlei lsöuslichen Unhe auemlichteiten würde bezahlen müssen, hegniigte er steh mit einem unwilligen Blick und zog sich in sein Arbeitsmet net zurück. Umständlich setzte er sich vor dem Schreihtisch zurecht, und erst, nachdem er seine Weste ausgelniipst und den Oalslragen abgebunden hatte, griff er zögernd nach dem Briefösfner. Nur wenige Zeilen waren es. die Julie ihm geschrieben hatte M aber beim Lesen breitete sich ein Abglanz stiller Verlliirung über Gustav Dollini gers Züge, und in seinen Augen war ein seuchter Glanz wie von aussteigen den Thriinen tiesster Rührung. Nein, er hatte sich nicht getäuscht. Auch sie liebte ihn noch nach diesen langen zwanzig Jahren, wie er sie liebte — auch sie hatte die glückseligen Jugend tage nicht vergessen, da sie Hand in Hand durch alle Himmel der Liebe ge schritten waren. Und die Zwanzig Jahre ihrer Trennung lagen hinter ihnen wie ein schwerer Traum. Frei lich —- eg hatte sich aus diesem Traum allerhand recht Geeisbares hinüberg rettet in die jetzige schöne Wirklichkeit Aus der Ehe, die Julie unter dem Zwange elterlichen Besehls hatte ein gehen müssen, brachte sie ein Töchter chen mit — ein allerliebstes Möbel von achtzehn Jahren, gerade so elsenhast schlanl, so blond und so blauäugig, wie es Julie vor zwanzig Jahren ge wesen war. Und aus dem langen Junggesellenleben brachte der here Rath Dollinger eben das mit, was ihn vorhin genöthigt hatte, seine Weite auszutniipsen — das, was hösliche Leute eine stattliche Figur und minder höfliche einen Bauch nannten. Aber das eine bedeutete ihrer Ver einigung so wenig ein hinderniß wie das andere. Der selige Mahrodt ruh-. nun schon seit zehn Jahren unter dem hügeL und Fräulein Lizzie hatte es dem herrn Rath sehr deutlich zu ver stehen gegeben, wie sehr sie sich nach einem Papa sehne —- einern lieben Papa, sür den sie sorgen und den sie so recht von Versen lieben lönne. Fraui Julie hatte hinzugefügt, dasz jede an-« der Liebe Lizeies iungem Herzen bis her sremd geblieben sei-und er hatte nur einen Blick aus das unschuldige Gesichtchen zu wersen brauchen, um es zu glauben. Ein Glück würde ihm da zu Theil werden« wie er sich's in seinen tühnsten Träumen nicht mehr ausgemalt hatte. Und nichts sollte er dasür ausgeben als das einsame, sreudlose Junggese! lenleben. — Freilich —- seine kleinen. bescheidenen Freuden und Annehmlich leiten hatte wohl auch diej Leben ge habt. So zum Beispiel die tägliche Billardoaetie im Rassen bei der so lustige Geschichte-e erzählt und so herz hast gelacht wurde. Oder die Stamm »tisch - Abende im «Goldenen Krug«. Oder —- nun ei gab noch das eine oder das andere. was Deren Gustav Dol linger gefiel. Daß von alledem nach seiner Berheirathung nicht mehr die Rede sein tsnne, hatte Julie ihm schon zu verstehen gegeben. Aber was be deutete es auch neben dem grossen, ge waltigen Glück der Liebe, das ihm noch zu Theil werden sollte — und neben dein Glück, ein allerliebstes Töchteechen sein eigen zu nennen. heute hatte er bei ihr angefragt, ob er sie zu einer wichtigen Befprechung auffuchen dürfte, und fein Brief konnte fie nicht irn Zweifel darüber ge lassen haben, was diefe wichtige Be fprechung bezweckte. Jifre Antwort hatte in der Bitte beftanden, er möchte sich fo bald als möqlich einfinden — und es war noch allerlei zwilchen den Zeilen zu lefen, was den herrn Rats fo fröhlich stimmte. Wenn es etwas gab, was einen Schatten auf feine Fröhlichleit werfen konnte, fo war es der augenfcheinliche Unwille feines Dieneri. Seit fünfzehn Jahren lebten fie nun zufammen, und niemals hatte ihr Verhältnis zu einander eine ernst liche Triibung erfahren. Daß er diese reine harmonie feiner ftillfchweigenden Unterordnung unter Johanns Willen z- danten hatte, gestand fich herr Gustav Vollinser natiirlich nicht ein; adee er gestand fis-, daß er sehr wohl. dabei gefahren tose. ( Niemand hätte heiser site sein leid-. lichei Wohl sorgen, niemand auf l opfernder fiir ihn demiiht sein können( als Johann. und angesichts dieser Thatsache bedeutete es doch wirklich« nichts. daß man aus einige ileine Bei! » sonderdetten und Scheullen dieserl « Perle don einem Diener Rücksicht neh men mußte, um gut mit ihm auszu kommen. Unter diesen Umständen war es ge wiß begreiflich, daß der Herr Rath sich mit ihm auszusödnen trachtete. ede e feinen dedeutungsschweren Gang Zu Frau Julie antrat. Er rief idn herein und ließ sich von ihm beim Anlegen » feines besten schwarzen Anzugs helfen. Und als er dann vor dem Spiegel »stand, um fein Aeußeres einer letzten Musterung zu unterziehen, tagte er — ein wenig zaghaft, und mit einem fast ängstlichen Seitenblicl auf das mit seinen ungezählten Furchen wie zer inittert aussehende Gesicht des alten Dieners: «Jean — ich denke mich zu verhei rathen.« Johann zeigte keinerlei Ueberrasch-« ung. Er sagte nur mit eisiger Kälte und einer geradezu perfiden Festtgtessn »Seht wohl, Herr Raid! — Unter solchen Umständen können mich der here Rath natürlich nicht medr dran chen. Jch möchte also um meine Ent lassung ditten.« Gustav Dollinaer wollte etwas Be-· gütigenbes ftammeln «- aber der Blick. mit dem ihn Johann anfali, brachte ihn zum Verstunirnen. Er wußte: wenn der Diener ihm einmal eine Willensöußerung lundgetban bat te, so hatte es dabei auch unbedingt iein Bewendein und weder lief-erre bungsversuche noch Befehle vermochten etwas auszurichten. Sein Frobsinn und sein Glücksjubel aber waren start gebautpr Und fast bekümmert machte er sich auf den Weg. Es war ein sebr weiter Weg, und die Sonne brannte unbarmherzig auf seinen Nacken. Siebe bald gingen Herrn Gustav Dollinaers Arbemziige in ein bestiaes Schnausen über, und mebr als einmal guckte feine Hand nach dein Hemdtraaen und nach der viel zu ena auvordeneii weißen Weste. Sein Gesicht war getötbet und aui seiner Stirn perlten große Schweiß tropfen, als er endlich die niedliche. von einein großen Garten umgebene Villa erreicht hatte· in der Frau . lie wobnie. Als das Gartenai.ter binter ibm zugefallen war. blieb er ei nen Augenblick auiatbmend stehen unti besab sich in einem kleinen Taschen spiegel. Nein —- in diesem Zustand tonnte er nicht als Freier vor Julie biiitreten. Und er ertrug den Druck aus ver Magenaegend aueb nicht län ger. Seine spähenden Blicke entdeck ten einenGartenstulil hinter einer dicht mit wildem Wein bewachsenen Laube, und dorthin lentte er eiliast seine Schritte. Stöhnend liess er sich aui den Sit nieder, wobei iein Anzug be denklich in allen Näbten trachte, und mit eilfertiaen Fingern erweiterte er die Enge feiner Kleidung. Ab — das tbat wohl! — Der thle Schatten nach der hide des Weges, und die Annehmlichkit. sich nach Be lieben debnen und strecken zu können. Mit einein bebaalichen tleinen Seufzer lebnte herr Gustav Dollinger sich tu riiit. Ein Viertelstündchen konnte er immerbin bier auörasten —- so sebr eilte es ia nicht, sich mit den Rosen fesseln binden zu lassen, die da drin nen im haus fiir ibn bereit gelegt waren. , Aber es war selbst biet im kühlen Schatten noch recht warm und der » herr Rath hatte sich müde «aelaufen. Immer schläfriaer sant sein Haupt Tauf die Brust herab, und immer schwerer wurde ei ibm, die Yider of fen zu halten. Da bob er olotlich er schrocken den Kobimnd lauschte ge spannt. Wahrhaftig — es war ie mand binter ihm in die Laube getre ten. Wenn man ibn nur nicht hier im — a wen Wir-« M gewesen tin-d ee oerpieit H re gungslos. am der Entdeckung zu ent gehen. Eine Weile biieb ei drinnen tn der griin umsponnenen Laube ganz stiL Dann aber näherten sich aber-nun leichte Schritte — und ein ich-pochte Freudenrin ans weiblichem Munde wurde laut. , »Endiich, mein Liebt« hörte der Herr Rath eine tiefe männliche Stint me sagen. «Jch kann Dir nicht sagen, wie ich diesen Augenblick herbeigesehnt habet —- kaer Du bnit mich lange warten inssen." Und dann wurden Gustav Bellin gerss Augen rund und seine Blicke Inkr. während seine Wongen eine ei genthümliche Färbung nnnabmen. Denn nur ein-ein weiblichen Wesen konnte die süße helle Stimme ange hören, die jetzt Antwort gab —- un zweifelhaft wnr es Fräulein Lizzie die sprach. « »Ach, Mem-a paßt ja ient aus wie ein Lust-sk« sagte sie. »Ich kann taunr ein paar Schritte thun, ohne daß sie hinter mir bei ist. Frühek schien sie ggr nichts gegen Dich zu haben. Aber fest, wo sie in diese heirsth verrannt ist, bist Du ihr wohl nickt mehr qui genug. Ich darf gar nicht mehr von Dir fprechen.« .Und iügst Dich darein, Lieb — Du tönnteit mich swirtiich aufgeben-P »Dente doch so etwas nichts Bin ich denn nicht aetommen —- ihr viurn Trotz? —- Aber ich könnte den annien Ta; heulen. Und dabei muß ick diesem Fetttloß noch ein freundli ches Gesicht zeigen, wenn er kommt. Ja, ich Essai-e itnn ivaar sagen müssen. daß ich ihn aeen zum Papa hätte -—— h- ——— tm — ba! Es wäre zum La asen, w:nn es nicht ium Weinen wäre.« »Und will sie ihn denn wirklich hei rathen? Ich tann es taurn glauben. Sie tann ihn doch unmöglich lieben.« »Lieben!« Unendlich-e Geringschä tzung laa in dein Ton. »Nein « aher sie iniickte aern Frau Rath werden. Papa wir ja blaß ein Butterhändler und das bringt sie sur Beten-zerf lun-g«, mir sie sich nicht irgendwie titu liren lassen kann. Und er ivirp sie heirathen —— sicher! Sie bat ihn ja so schön irn Neh. den dicken Ginipel.« »ian Du bleibst mir treu, mein Lieb trotz allem? Du wirst fest zu mir halten?« »Jrnmer, Karl! —— Eivia — ewig bleibe ich Deirw Gustav Dollinaer hörte ein Ge räusch, wie es die innige Berührung zweier Lippenpaqre hervorzubringen pflegt —— und dieses Geräusch wie derholte sich schier unzählige Male. Der unsreiivillige Lauicher aber saß oöllia in sich zufammengesunten — ein ein-stach ansehnlicher hausen Elend. Er saß auch noch da« als die Beiden sich nach einigen aesliister ten Abschiedsworten nnd heißen Schwören entfernt hatten. Tiefsin nig starrte er vor sich nieder auf den Rasen. und die hande hatte er über dem Bäuchelchen geialtet, das so we nig schmeichelhaste Bemertun en über seinen unaliicklichen Besiher getauft-e tchworen hatte. Er verspürte eine selt same Leere in der Magenaegend. Und diese Leere beschwor allerlei Bilder vor ihm herauf »s- eine tiihle Wirths stube, wo die Anna irn niedlichen Tändelschiisrichen drlhlitertriiqe mit »srisch Anaestochenem« tredenztr. Sehr still tehrte der Herr Rath Gu siirv Dollinger in seine Wohnun zu rück. Sehr still entledigte er si des beengenden schwarzen Anzuaes, um in seine Alltaasjoppe zu schliivsen. Dann aber stellte er sich aerade vor seinen Diener hin und sah ihn drohend an. .Jean —- ich muß Dir etwas sa gen! Ich verheirathe mich nicht, J.an! —Ker! —- Du lachst doch nicht etwa7« «Wo werde ich denn!« protesltrte der alte Diener. .Jch freue rnich man bloß, Herr Raths« Da ging ein stilles Lächeln til-er Gustav Dollingert Züge. Und kk sag te aus der Tiefe seines heran -IOCII —- tch freue rnich auch.« Eahat ten-iste »Wenn ich nur das hätte, Frau Meist, was in so 'raus Wem-euch jährlidquesiodten with . s. ’u Theil dem We is. mun.« «