Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, October 02, 1908, Zweiter Theil, Image 13

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    « Its-im Chimstschf
Miitiir - Humor-ekle von A lsr ed
Mahlen
In der tleinen Garnisonsiadt Pul
vershausen führten die zwei Dußend
Einjiihrgen seit alter Zeit ein herrli
ches Leben. Der Dienst war gelinde.
die Bierverhiiltnisse galten als tadel
los. Riickte das sie-aiment deg Mor
gens aus, so lugten aus den Bürger
häusern hübsche Mädchenlöpse hervor,
und in diesen steckte ein lebhaftes Jn
teresse siir zweifarbig Tuch. lind da
das städtische Kasino »besseren Her
ren« seine eiliaen Pforten lieblich
össnete, so entwickelten sich zwischen
den einjährig - ssreitazilligsen Söhnen
des Mars und den reisenden Töchtern
des Landes jahrein und jahraus zar
te Beste-bringen« die vielfach nach ab
gelaufener Dienstzeit zu festen Ban
den wurdenin der:n vHerstellung die
hanoratiorenmiitter eine angeborene
Geschicklichteit besaß-n. Gewöhnlich
verlies die Sache folgendermaßen:
Der Ciniiihrig .- Freiwillige, seines
Zeichens Reserendar oder Gutsbesitzer
oder Kaufmann, tanzte etliche Mal
mit Bürgermeisters Märchen oder mit
Apotheters Minos-en Dann ein Be
such im Hause, um sich gehorsamst zu
erkundigten wie den Damen das Ver
gniigen bekommen. Daraus eines-in
laduna zum Mittagessen, der natür
lich der »Berdanungsbesuch« aus dem
Fuß folgte. Inzwischen hatte man
sich im Winter aus dem Eise und im
Sommer beim Eise in Schulters
Konditorei. natürlich immer rein zu
siillisg, getroffen. Schließlich erfalgte
der Hauptschlag in Gestalt einer Ein
laduna zum Saum-n Der »alte Herr«
schenkt unaufhörlich ein, das ,,Opser:
lamm" trinlt arqlos eine Flasche nach
der andern, wobei in rassinirter Wei
se der leichte Mosel bald durch schwe
re Sorten ersetzt wird. Frau Mama
verschwindet einen Augenblick Min
chen oder Tinte-n zeigt dein Herrn in
p
mangelhaft deleuchietem Neben-im
mer ein eigenhändig gehustet-« nein,
gemaltes Aauarell, und am andern
Morgen erfährt der jun-ne Mann zu
seinem allernrößten Erstaunen, er
habe sich arn Abend vorher oerlobt.
Doch nicht Allen wird der Weg zum
Glück in so entqeqenlonmiender Weise
geebnet.
Kurt Heller zum Beispiel von der
zweiten Kompagnie, oon Beruf tdil
nlgllch preußisckser Rechtslandidat,!
des-and sich noch aus dem Jnstanienj
wege. Ball, lfisbahm onditorei.s
Mittagbrotz Verdauungobe uche mais
ren qliinzend absolvirt; beim Souper’
aber, das manchen Anderen schon so
verhängnißvoll gewordene war, miß
lungen seine und Evas Anstrengun
gen völlig. Denn als er Evas Sie-ans
der im Redenzinnner "l)auste. unbe
dingt-bewundern mußte, ließ es die
Mutter, einen Pulvershnusenrr Ju
«stiztatds ehrsame Wittib, sich nicht
nehmen, den so interessanten Vogel
Jersisnlich herbeizuholen, und als er
dann, nach einer Weile von der so
schnöde versagenden Zoologie zur
edeln Botanit übergehend, den von
seiner Angebeteten gezoqenen Rosen
einen Besuch abstatten wollte, machte,
infolge eins vielsanenden Blickes- der
Mutter Evas ältere Schwester die
Führerin
Leute, die es sich einmal in den
Kopf gesetzt haben, das ,«ztveite tie
amen«, wie man in akademischen
Kreisen die Verlobung nennt, vor dem
ersten zu machen, lassen sich durch
nichts verbliissen. Und da Kurt Hel
ler, mit Fräulein tsva natürlich längst
einig, zu dieser Sorte von Menschen
— hörte, so nnlnn er sich nrn folgenden
- age einsach »dringenden Urlaub be
hufs Oranan einer Prioatangelegem
heit«, setzte seinen Ertrahelm aus und
übersiel die Frau Mithin zu ein«-r
Stunde, in der sie ilyn nicht erwarten
IVUUIC. Um Anlkag llkß All Unec
gie nichts zu wünschen übrig; die
Antwort sprach ilnn unumwunden ihr
lebhafteö Bedauern aus« daß sie ihm
ihr Haus in Folge ihrer .1lten«,’freund
schait mit seiner Frau Mutter geöff
net habe. Daß er in Heidelbera und
Bonn dem Universitätsaebiiude hart
niickig ausgewichen sei, beweise das
nicht qeinachte Neserendareramenz als
man ihn in Pulvershausen sein Jahr
abdienen ließ, bade man allseitig er
wartet, er würde sctide werden und
arbeiten; nun wohne er schon einig
Monate ihr gegenüber-, noch teinen
Abend habe sie Licht in feiner Stube
erblickt, seine juristischen Biickser seien
noch gar nicht aneaepaelt, wie ihre
Trine vorn Auftoartemkidcken seiner
Wirtbin erfahren habe: vor Zwölf
tonnne er nie aus der ,,.t’-.rone« nach
Hause, noch letzten Lilientaq Moraen
hätte ihm sein «Pußer'« zwei Heringe
peinli, was ihre Lina, die zum Flei
cher ging, gesehen habe, und was ries
blicken lasse.
heller widersproch. Die verdächti
gen Deringe bade sein »Bisher« selbst
verzehrt. die Rronenubr ainge eine
halbe Stunde nach, die mitgenomme
nen Bücher seien veralteie Auslagen;
gegen den seinem Zimmer bargen-or
senen Mangel an Licht des Abends
jedoch vermochte er nichts llebeizeus
gendes vorzubringen
So mußte er denn unverrichkeier
Sache« tief geknickt und start belastet
von dannen ziehen. Verschiedene Ver
suche, fch der Geliebten weiter u nä
hern ebeitserten an der Mach amteit
der - tier. Schließlich sesie er seine
letzte hossnuna aus· den am nächsten
Sonnabend Abend stattfindenden Ka
iinpball, die einzige Gelegenheit, tvo
das Netz von Wachen und’Vorposten,
rnit denen Frau Mithin ior Töchter
s
lein geschickt umgeben hatte-, wohl
sicher zu durchbrechen war.
Doch er hatte die Rechnung ohne
sein-en Hauptmann gemacht.
Kurt wollte eben nach einige Vorbe
reitungen zu der Festlichieit tresien
als ihm sein «Pntzer« die unerwartete
Nachricht brachte, er herbe von Sonn
abend Mittag Zwsjls bis SonntagMit
lag vie in diesem Fall von ihm wenig
geschätzte Ehre, eines der königlichen
Dienstaebiinde von Pulvershausen zu
bewachen Er machte aber doch einen
Versuch, solcher hoher Auszeichnung
wenigstens siir dieses Mal verlustig
zu gehen. Allein Feldzvebel Siißtzolz
kreigte sich unzugiinglich trotzdem er
den Einsährigen Heller sowie vie Ci
aarretr desselben sonst sehr hoch schätz
» te. tio iei nichts zu machen, sagte er
incrch einem in Anbetracht der vorlie
Henden Umstände sehr bescheidenen
Griff in Hellers Etui; der »Alte«,
iworunter der zweiunddreißig-jährige
Hauptmann zu verstehen ist, habe es
selbst befohlen, und zwar auf der
Straße vor dem Hause der Frau
Justizrath Meyer. der er gerade ei
uen Besuch abgestattet habe.
Jetzt wußte Heller genug. Dutnpf
grollend ernab er sich in sein Schick
sal und ver-schaffte sich wenigstens da
durch einen Genuss, daß er. als die
Stunde dies Kasinoballes nahte,
s durch reichliche Bierzusuhr bei seinen
lKameraden eine ursidele Stimmung
Iherstellte, die ian über die lange
’ Nacht hinlveghaii.
« lfiniae Tage daraus brachte ihm
eine Ordonnanz den unerwarteten
i Beicht, um zehn Uhr aus der-Schreib
"slube des Regiments zu erscheinen.
»Der stinjiihrigr. «der nicht zu jener
Zeit iraend etwas aus dein Kerblkoiz
hat, muß bekanntlich gerade so wir
»der lenkt-are Lustballon und wie das
,,«lterpetnum mobile-« noch erfunden
werden Deshalb ist es leicht einzu
sehen, das-, eine derartiqe »Einh
dung« jegliches Soldatenherz in der
Regel mit bitteren Ahnungen eriiillt
uns meistens zu einer Gewissenaeri
Vskfmllllg Mklllltclnllllg sllccb
Heller verspürte ein unangnehmeg
Gefühl. Mit feinem Gewissen zu
Rathe gehend, begab er sich »in-n Bü
rean, wo ian der Adjutant erwartete.
»Einiiihriger!« eröffnete des Kom
mandanten rechte Hand das Gespräch.
»Nicht wahr, sie tönnen doch Clime
sitch?«
Alles andere lmtte er elyer erwartet
als diese Frage, die ihn an einen
längst vergessenen Vorfall aus dem
Beginne seiner Dienstzeit erinnerte.
Damals hatte.der mit der Ausbil
dung der Einiährig:Freisvilliqen be
auftraate Leutnant eines Tages nach
dem Unterricht Jeden gefragt, welche
lebenden Sprachen er beherrsche. Der
Erste aab Französisch an, der Zweite
Englisch, sder Dritte, dessen Vater
jahrelang Zions-il in Konsta ntinopel
gewesen war, Türlisch, und da hatte
Heller sich in feinem Muthwillen für
verpflichtet gehalten, seinen Neben
mann, dessen Sprachtenntnässe den
Leutn.1nt schon hinreichend verblüfft
hatten. mit der Antwort: »Ich spre
che Chinesisch!« zu übertrnmpien
Motivirt hatte er fein erotifches Wiss
sen durch viersemeftriaen Verkehr mit
einem bezopften Kommilitanen zu
Heidelberqs teineamegs jedoch ahnte
er, daß fein «Scherz« in Form einer
tueer Notiz in seinem tierfrnale
verewiat niiirdr. Er war dann ei
nier Male von llnterofsi,;ieren um
chinesifaxe Sprach-proten ers-acht mor
den und hatte sich mit diversen Pina
Tntig«T-.rnas, die ihm nicht widerleqt
werden tonnten. aus der Sache ac
zoaen Und als sein Ansbildunzxg
ossizier ihm eine bei seiner Hansnir
thin einaelausene chinesische Zeätxng
vorleate, deren Abiender ein Missio
när der Sehn jener Frau spar, da
»iilserietzte« er die mit Rothsesn um«
ralunte Stelle: »Es wird dexn Pater
August Miielenderaer aus Pulvers
hausen wegen seiner Verdienste bei
der letzten Hitnaersnoth der taiserliche
Drachenorden 19. Stufe 23. Graf-es
hierdurch verlieben sowie das Recht,
in der Mitte des Zopses eine zielbe
Schleife mit rothen Punllen und
goldenen Fransen an jedem Neu
nwnde zu tragen. Der Meean
Lina-SangsJuna."
Nachdem Heller so der Wirtsiin
seines Leutnants eine große Freude
l-ereitet, hatte er nicht weiter an Feine
chinesiscken Spec-chlienntnisse gedacht
Was sollte er antworten? Gestand
er den Schwindel ein, so gal- es »drei
Iage«; blieb er bei seiner Behaup
1unq, so war ein Hereinsall sehr
wahrscheinlich. Vielleicht lonnle er
sich aber mit der ihm angeborenen
Geistekgegenwart -—s Andere nannten
es Underichäintheit —— noch einxnal
retten. Aus dieses sehr ungewisse
»Vielleichi« bin nahm er die Harten
zusammen, legte die Hände vor
schristeiniißig in die Hosennaht, sah
den Adiutanten so ossen und ehrlich
an, wie ihm unter den obwaltenden
Umständen möglich war, und sagte:
»Ja Befehl, Herr Leutnan-t!«
»Ist uns liebl« entgegnete der Os
sizier. »Der-te in sechs Wochen be
kommt das Regiment einen Sohn des
himmels als Avantageur, nnd da
Sie der Einzige sind, der mit dem
Kerl, mit dem Herrn, wollte ich sa
gen, fertig werden kann, sd beabsich
tigt der here Stdminande t, Sie iinn
Zu attachiren, zunächst ,.iir die Zeit
der Gesichtssinn-uan
»Sie Beschl, here Leutnantl«
,, dsse,«daß Sie Ihre Sache Tsut
machen werden. Wollen dem frem
den Kameraden mal elend impdnirem
Sollen sich wundern, wenn er hier in
»seiner Muttersprache bei seiner An
l
lunst degriißt wird. Melden Sie sich
bei dem Hauptmannt«
Gegen Abend begab sich Heller zu
seinem Freunde, dein Reserendar
Langbein, einein Neffen von Evas
Mutter, und trug ilnn die peinliche
Angelegenheit vor.
«Also Du lannst ins diesem Au
genblick leine Spur Chinrsisch?«
»Nein, so wenig wie Dein Karo!«
- »Und heute in sechs Wochen tonunt
das himmlische Menschenkind hier
Glis-«
»Ja. Heute in sechs WOchM!«
»Na, dann ist die Sache ganz ein
sach;; Du beste-list Dir beim Buch
hiindler driiden sofort eine chinesische
Gt-aniniatit, bleibst die nächsten zwei
undvierzig Abend-e ganz biilssch »Aus
Deiner Bude und arbeitest. Du hast
so jvie so in der letzten Zeit etwas
mehr als unbedingt nöthig ne
bum:nelt, da wird Dir Attri
ten wohl aanz gut thun. 6
Wochen sind eine lange Zeit, in der
tann ein gebildeter Mann, der vom
Gntnnasiutn her durch Latein, Grie-»
chisch und Französisch die nothwendige;
Geistesdressur hat, schon so viel Chi-»
nesisch lernen, wie er gebraucht, ums
solch einen Knaben mit einigen Brocken:
zu regaliren Uebrigens wird der Be
zopfte doch wohl etwas Deutsch mit-.
bringen. Natürlich darf Niemand et-s
was davon erfahren. Deinen Kame
raden sagst Du, Du biisseltest siir dens
Reserendar; Du kannst ja Deine juri-;
stischeu Bücher zur Parade aus demj
Renommirtisch auslegein Sonst wüßte!
ich keinen Rath; deute Morgen wäre es :
vielleicht noch Zeit gewesen, den
Schwindel reuniütlsig zu gestehen; ess
ist jetzt zu spät; drei Tage wären Dir
sicher. Selbst wenn man sie Dir nicht
direkt biersiir verabsolgte, so ließe man
Dich einfach auf andre Weise hinein
sallen.«
Jn der Erlenntniß, daß Langbein
Recht hatte, bestellte sich Heller beim
Buchhänbler eine chinesische Gramma
tit, da er angeblich später in den di
plomatischen Dienst zu treten gedenle·
und sich jetzt aus das orientalische Se
minar«vorbereite, und studirte, als das
Buch mit unheimlicher Schnelligteit
eintraf, ganz gehörig
»Unser Herr wird solide « sagte die
Wirthin, »er verbraucht ietzt viel Pe
iroleum!«
»Jawoll« meinte Trink, ,,un mai
dei dicken Schmöiers sin, so hätt hei
die ollen Kläpp jeden Abend unge
irhlagen ver sich tiegen.«
»Es hat doch geholfen!« dachte
Frau Mithin Meyer, wenn ihr Töch
terlein sie unter irgend einem Vor
rvand des Abends ans Fenster lockte,
so daß ihr ein gewisses heil erleuch
tetes Zimmer visiasois nicht entgehen
kennte.
Die Kameraden machten einige
vergebliche Versuche, ihn »niitzuleot
sen , doch or er aus nichts erngrng,
so gaben sie ihn schließlich aus. Er
war in ihren Augen zum ,,aan.1, ge
wohnlichen Streber herabgesunken
«le meisten wunderte iich sein
FeldwebeL der seinen sonst fast fort
während nm Abendutlaub bittenden
tfiniiihriaen aar nicht wiedererlanntr.
Sein schwarzer Verdacht, er ginge
ohne die bekannte Karte nach neun
Uhr spazieren, hatte sich aber nicht
t-estätiat, denn der zum ttontroliren
ausaesandte Unterossizier Vom Ta
gesdienst hatte ihn wirtlich aus seiner
»Bude« angetroffen und weder etwas
Ranchbnres noch etwas- Trinlbareiz
angeboten erhalten« der beste Beweis-.
biß Helier iiber ein reines Gewissen
versänke. ifr ,,strebte« in der Tk;at,
und als vier Wochen vergangen wa
ren, hatte er schon nett-.- Fortschritte
gemacht: zuweilen wars er auch krabl
einen verstohlenen Blick in seine juri
stischen Bücher, die, mit einer chinesi
schen tszrnmrnatil verqlichen, ihm
ietzt weniger ode, fa san wie eine w
reaende Leitiire erschienen.
Da wurde er eines Nachmittage
wieder zur Schreibstaoe des Regi
uients beordert.
»Treiben Sie noch lfhinesiich?«
fragte der :tldjutant.
,,; u Befehl, Herr Leuinant!«
»Na, wenn Ihnen die Sache Spaß
macht, immer zu! Können ja in Ich
rer freien Zeit thun, was Sie wollen.
War mir ribriqens interessant, zufiil -
lia zu hören, daß Sie sich sogar einc
Grammatik angeschafft. Hatten doch
wohl mancherlei von Dem Zeug ver
schwißilk Na, also, da ist gestern die
Nachricht eingetroffen, daß betreffen-z
der Kamerad nach . . . na, wieder:
vergessen, wie das Nest heißt, na, ile
auch aanz eaal daß er zu einer ande-"
ten Garnison lonimt. Ich dantel
Jhnenl« (
Mit einem Seufzer der Erleichte«
runa machte heller Kehrt und suchtrs
schleunigst seinen Freund LangbeiH
auf, um ihm die frohe Kunde zu
bringen: daß er sich mal wieder,
ichneidia wie immer, aus der Sache
herausgezogen habe, was allerdings
wohl mehr ds Verdienst des chinesisl
schen Gesandten in Berlin war als
sein eiaenerk
»Dieses Mal hast Du noch Gliicl
gehabt,« meinte der Reserendar, »und
zwar mehr Glück als Verstand.
Wenn Du nun einen zweiten guten
Rath von mir annehmen willst, so
setzest Du Dich ietzt, als wäre nichts
passirt, friedlich weiter in Deinen
»Bau« und schaust Dir die Pandelien
aus der Nähe an. Auf ein bischen
Nachhilfe soll es mir nicht ankommen;
ich weiß doch nicht, was ich des
Abends in diesem Nest treiben soll,
und für den »Assessor« muß ich den
ganzen Kram so wie so nochmals
durchaclerrn Uebrigens würdest Du
raden ganz elend bla.iniren, wenn
Deine Streberei ein so uliitzliches
Ende nähme, und auch auf zwei an
dere Augen Deiner Nachbarschaft
iviirde das einen sehr schlechten Ein
druck machen, zumal Dich Frau Rä
lhin, wie Du wohl schon auf der
Promenade bemerlt haben wirft, seit
einiger Zeit etwas wohlwollender an
sieht'«
Das letzte Argument zog ganz be
sonders-. Die »böse That«, deren
übte Folgen in den Quarta- nnd
sSelectaaufsätzen jahrein, jahraus von
litteraturtundigen Gymnasiaften und
höheren Töchtern eingehend erörtert
» erden, hatte dieses Mal zur Verän
derung von dem ihr anhaftenden
-»F111ch« keinen Gebrauch gemacht,
vielmehr einen Kneipen lsekuchenden
JSaulus fiir sein Referendarerarnen
» Essig »l)iifselnden« Paulus umgewan
t.
l Dich in den Augen all Deiner Kame
i
i
So ging das Dienstiahr allmälig
zu Ende-, und die Einjährigen des
Regiments zähltem ebenso toie die
Zweijiihrigem die Tage bis zu ihrer
Entlassung. Heller’ö Freude war
aber feine besonders große. Zwar
freute auch er sich, bald wieder be
haglich im wärmenden Bette seine
Glieder zu strecken, dieweil die An-;
deren schon in aller Herrgottsfriihei
antreten mußten und sich vielleicht files
einen Knopf, dessen Glanz die aufge
bende Sonne nicht hinreichend ver
dunkelte, etliche Stunden »Wucher«
zicren« holen konnten. Allein, wenn
es auch ganz angenehm war, daß sich
des Feldavsebels wsiitlyende Augen —
hinsichtlich ihrer Wirkung öui die sites-i
truten dem Haupte der Gorgo ver-l
gleichbar, falls die liederen Kriegeri
von derangeblichen Existenz jener an- ;
titen Dame Kenntniß gehabt hatten;
-s-·ietzt andere Objette ihres Zorness
suchen mußten, To laa aber auch an
dererseits die traurige Möglichteit
vor, daß ein allerliebstes Blaue-irgen
Paarder neuen Generation unter den
Einiähriaen ebenfalls huldvoll entge
’aenliicheln würde. An einen Ab
fschiedslsesuch bei der seit einigen Wo
Jchen das Bett bittenden Frau Mithin
’lvar nicht zu denken. Jedoch qelang
es Heller durch Vermittelung seiner
!Wirthetochter. die er durch eine große
sTafel Chacolrlde bestochen hatte, ein
i Sielldichein mit Eva zu erreichen.
» Irauria reich-te ihm das jun-at
HMödchen zum letzten Male, wie sie
;«alaubte, die Hand. Mama hätte ja
Honst nichts dagegen einzuwenden ge
lhabt, meinte sie aus seine Frage, ob
isic ihm ihr reizendeå Händ-lieu nebst
Inoch reizenderem Zubehör nicht
)dauerno anvertrauen wolle, aber da
es nun einmal felsensest stände, daß
Her den »Reserendar« niemals bestehen
würde, denn in Göttingen ainae das
alte Leben ja doch sicher wieder an, so
werde sie ihm ihre Treue zwar exviq
» bewahren, aber aewiß als alte Jung
! ser dereinst sterben.
» Mit dieser seierlichen Versicherung,
welche junge Damen im hoffnungs
Hvollen Alter von sechzehn bis siebzehn
FJahren sehr ausgiebiq zu Verwenden
pflegen, verließ Sinkt vag schöne Pul
Jvershauseri, nachdem er seine festen
Vorsätze unter vielen Feiissen innig
» lsetheuert hatte.
Kaum hatte der Zug den Bahnhof
der kleinen Garnisonstadt verlassen,
als auch schon zwei Mann von Hel
ler’s Kompagnie in der nnn leeren
Wohnung erschienen. Er lmtte näm
lich den Feldwebel auf seine Bitte um
die von ihm absaelegten Dienstaeaens
stände ausaesordert, im Laufe oecz
httachrnittsaas ein an die Kompagnie
adressirtes Partei von seiner Wirthin
adholen »in lassen. Dasselbe enthielt,
von acht dicken Schichten alten Pack
vapiers umgeben, die mit einer in den
liebenswürdiasten Auge-rücken abne
fcßten Deditation versehene ,,Chine
sifche Graminatil«.
Feldwebel Süßholz erzählte später,
er habe seinen »Alten« Ist ärgerlich,
.viithend nnd wild gesehen, nnd zwar
in jeder Woche einige Male-; so such-z
teufelgwild aber Ivie in dem Augen
blick, als er statt der erwarteten Uni
fortnftiiete der chinesischen Grammatik
ansichtig geworden, noch nie. Und
das wollte viel heißen bei einem Cho
leriter,«der sich diverse Mal-: im Mos
nat verpflichtet hielt, irgend einem
armen Unglüdgwurm seine Liebling-t- »
wendung »Kerl, ich fperre Sie ein«,t
entgegenzuschreieu. i
Sechs Monate waren verflossen,t
Ostern nahte heran, in Pulvethauss
sen ging alles den Gang der Klein-l
stadt weiter: die ,,nenen« Einjährig
gen wurden eingetamt und eingela
den, unsd von einem inunstelte man so
gar, er habe es nur der ansopserndens
Fürsorge seines unerwartet herbeige
eilten Vaters zu verdanken, dasz er
ver vielleicht mehr passiven als akti
ven Betheiligung an einer, nämlich
seinen-Verlobung noch soeben im Ietz
ten Augenblick glücklich entgangen sei.
Eva jedoch, deren ausgelassene Mun
terseit ihr früher manch ernsteg Wort
von Seiten der Mutter isugezogen
hatte, schlich still und in sich versun
ken im Hause umher. Nicht einmal
eine Ansichtslarte hatte »man« ge
sandt, der beste Beweis, daß »man«
untreu war. Natürlich! Wie konnte
ei auch anders sein? Andere Städt
chen, andere Mädchen.
Die Mutter schien die Sache nicht
allzu tragisch zu nehmen; noch wem
ger war dies heim Reserendar Lang
bein der Fall, welcher seit Heller's
Abreise häufiger im Hause der ihm
verwandten Mithin verkehrte
Seit einiger Zeit zeichnete er sich
durch eine früher nie an ihm bemerkte
Vorliebe siir eine gewisse Stelle im
Hamlet aus« Jedes-mal nämlich, wenn
ihm Eva stumm, tlxeilnahmslos and
seufzend ein Viertelstündchen gegen-:
iiber gesessen hatte. murmclie er das
berühmte Wort: »Gel)’ in ein Klo
ster, Kindl« vor sich tin. Worauf
Eva gewöhnlich die tiefsinnige Ant
wort gab: Niemand könne wissen,
was vielleicht noch geschehe. Dann
wechselte er mit der Frau Räthin ei
,nen verstäsndnißvollen Blick, erklärte
» der jungen Dame-, Schwarz würde sie»
sjgzsgezeichnet kleiden, und empfashli
- i . »
Auch heute, am Tage vor Osterw·
« hatte er sich- erhoben, reicht-. der Mut
ter die Hand nnd blieb, im Begriff,
»sich auch von der Tochter zu verab
schieden, plötzlich vor Letzterer stelsen.
»Da hätte ich beinahe noch etwas«
Wichtiqu vergessen, Fräulein Eva!!
Ich erhielt diesen Morgen eine reist
zsende Ansichtstarte, der Sie in Ida-i
rer Sammlung sicher ein-en Ehren-s
platz gönnen wer-den. Ganz faniosesl
Bildt Den Text dürfen Sie iibrigensj
ruhig lesen, ist recht harcnlog.« »
Der ,,l·,arnilose« Text aber lau-;
tete: ·
,,Liel:es altes Hans! Reserendarj
mit Auszeichnung bestand-en. Kommei
morgen. Beiseite mein tiinstigeg
Bräutschen schonend vor!
i
Kutt«
Die Verlobungssseier hatte ihren
Höhepunkt erreicht, man war bereits
beim Seit angelangt. Selbst der tro
ckene RegimentsadjutanL welche ge
wkdlich nur alle halbe Stunde ein
Wort sprach: erzählte einen lustigen
Streich, den in seiner Fähnrichszeit
—-— ein Anderer angezettelt hatte. Da
erbat sich der Bräutigam das Wort,
und sich an seinen ehemaligen Vorge
setzten wendend, begann er, eg drängt
ihn, ein Geständniß zu machen.
Seine chinesischk Sprachtenntnisse
nämlich seien....
««S(t)lvlndel!" rief Der Amumnk
ein. i
»Wir hatten Ihn-en das so wie so
nicht aealaubi. Oder meinen Sie
denn, daß es in einem so kleinen
Klatschneit wie Pulvers-hausen län
ger als vierundzwanzig Stunden
dauert, bis ein Buchhandier, bei dein
ein flotter Einjähriger eine chinesifche
Grammatik bestellt, solch interessan
ten Fall am Stammtifch in der
»Krone« erzählt? Erst wollte ich Sie
bestrafen lassen, mit drei Tagen Mit
telarres « —— Eva zuckte erschreckt zu
sammen -- »für das Beliiaen tnsilis
Lirischer Vorgesetzter-. Als ich dann
aber hörte-, daß Sie die leende wirt- s
lich ernst studirten, da dachte ich: Na,j
uns kann es recht sein«, vielleichts
lommt dabei etwas fiir ihn heraus-As
»Was dabei heraus kam, HerrT
Leutnant, läßt sich mit zwei Worten
sagen: Fräulein Braut!«
W
Der ver-kannte König. F
Ein Abenteuer dek- tiöniag vonj
Griechenland Georg t. bot kürzlide
« dem Kurpublikum von AirkiesBainsl
Stoff zu lebhafter Heiterkeit. Der!
hohe Gast schritt in Begleitung seinegs
Arztes fröhlich plaudernd iiber ken;
;Carnot-B.lat;. Plötzlich trat ilnn ein!
"Kellner des Grand-Case"g mit dems
Rufe entgegen: ,,Beeilen Sie sich, wer- l
ther Herr, Ihre Freunde sitzen schon
beim Statspisel und warten schon recht
ungeduldig auf tun vierten Mann.«
Der König ertannte sofort, daß ihn!
d stellner nit iner anderen Beson(
let l c s
verwechsle und erwiderte lächeln-or
»Sie dürft-In sich gewiß irren.« ---.
»Aber leine Spur! Die Herren war
. ten schon die längste Zeit auf Zie, nnd s
halten eS vor Langeweile nicht niehrs
auS.« Der Rönia mußte Tiber die Be-- ?
harrliclxleit, mit der der tiellner ins
ihm den vierten Statsnielerjatk ljerzs j
UT um«-en, lmo so cimcyiosj kra) uns
Leibarzt, dem sich vor Verlegenheiks
windenden Kellner in sagen, daß erj
die Ehre habe, mit Dem König von
Griechenland zu sprechen. Rasch wink
te ihm Georg I. noch ab, weil er dass
heitere Abenteuer noch sortzuspinneiH
gedachte, unsd ließ sich zum Grand21
Case führen, wo drei Bürger in höch
ster Ungeduld auf ihren viertenSpiel
partner warteten. Einer von ihnen
erlannte sofort den König von Grie-»
chenlaud nnd merkte gleich, daß dem
Fiellner eine lleine Verwechslung pas-i
sitt sei. Nun gina es an ein weit-l
schiveisiges Entschuldigen Der König
amüsirte sich jedoch köstlich über den
gelungenen Spaß und sagte, es ioiirde
ihn sehr interessiren, seinen Doppel
giinger leimen zu lernen.
Wh—
Die Arbeitsleistung im Tanz
i
Der Tanz gilt uns gemeinhin nur
als angenehmer Zeitvertreib. Er hat
indessen auch den Werth einer gynis
nasiischen Uebung, die das Angeneh
me in ioiinfchensiverthester Weise mit
dem Nützlichen verbindet So hats
neuerdings ein tanzgeiibter Mache-;
matiter, der seine Muß-e- dazu benutz
te, die Zahl der Kilometer festzustel
len, die wir beim Tanzen zurücklegen«
ausgerechnet, daß der gewöhnliche
Walzer für jeden der beiden Tänzerj
eine Leistung von 1200 Metern be«
deutet. Den Retorsd erzielt die Qua
iirille, deren vier Touren jeden der
acht Theilnehmer eine Wegstrecke von
rund zwei Kilometer zurücklegen las:
sen. Dem Walzer sieht am nächsten
die Mafurta mit etwa 1000 Metcrn,
es folgen die Polka mit 800 und der
Viertritt mit 750 Metern. Daraus
erhellt, daß auf einem großen Ball,
der von zehn Uhr Als-sinds bis Mor
gens siins Uhr dauert, ein fleißiger
Tänzer eine Strecke von nicht weniger
als 20 Kilometern durchmißt.
Mfe Aussicht
, ,.·-.-,«- —
Schwieg-ersonn« lnach der sHochsz
»Nim, Herr Schwiegervater, diese
Woche werde ich wohl die Mitgift be
kommen?-«
Schwiegervater Freilich! .. Sie
nehmen doch auch Briefm—arten?!«
Zweifelhafte-r Ratt-.
»Meine Frau benimmt sich sehr ra
biat,« bemerkte Whiffles, »gestern
schlug sie einen Teller auf meinem
Kopfe entzwei. Was würdest Du mir
rathen zu thun?«
»Du solltest gußeiferne Teller kau
fen,« entgegnete Sniifles. ’ .
Das fensiblr Viert-.
Außeraewöhnlich dicker Herr lhsat
eben ein-e Droschle angerufen, über
legt sictfs aber, daß er nicht fahren
mill"): »Nee, Kutscher, ich ssoll ja
möglichst viel laufen. Hier ist ’ne
Matt: ich fahre nicht«
Droschentuticher: »Mir ettte
Mart!?«
Der Dicke: »Na, hören Sie! Jst’s
vielleicht nicht genug-W
Drofchtenkutscher: »Na, ieben S
meniafteng noch ’n Schntevzensjeld
ftir mein’n Jam, tvat meenen Se, den
Schreck, wie er Se iefehen hat«
Ente-Mann .
. . Sind Sie doch nicht so grob! «
Sie thun ja aerade fo, als wenn ich
Ihnen die drei paar Stiefel schuldig
geblieben iviir’ --—— nnd nicht Jshremli
feliaen Vaterl«
Abschreckungstheotir.
A.: »Wie haben Sie sich denn so
schnell dcis Schnuper abgewöhnt?«
B « »Seht einfach. Ich habe mir
dcpz BPorträt meiner Schwiegermutter
in den Dofendeckel malen lassen!«
Schöne Ueberraschung.
»Wie lieb mein Alfred schreibt, Du
qianbst es nicht. Jrh muß Dir doch
wirklich mal einige Briefe von ihm
»zeii,en!«
»Gar nicht iöthig, ich habe auch
verschiedene von ihin!«
Bot-haft
Wirthin: »Nun, wie hat Jhnen der
Kiffee geschmeckt, Herr Kalknlator?«
»Dako Se, Ihr anfee hat zwee
Eigenschaften, änne ande un änne
fchleehåel«
Wir-thin: »Wie meinen Sie denn
das-, Herr Ilaltulator?«
»Nu, iinne ande, weil Se geene
Zigorie drinne ig, un änne schlechte
sweil Se geen Gasfee drinne is!«
—- --- i
lssin Bescheidenen-.
»Ich habe nur einen einziaeo
W:insch!«
»Und der ware
»Daß mir alle meine Wünsche im
n er in Erfüllung aing n!«
Kaltbliitin.
Banlier: »Sie besitzen gar nichts
nnd wollen mein-: Tochter zur Fronf
Wie finden Sie Dag? Heh —'Z
Herr: ,Sel)r beareif lich find ieb
Dass«
H«
Monaten.
»«ne Anklage h-«1b’ ich. Was mach«
ich nun? Nehme icy mir keinen Ver
theidiger, s-all’ ich herein, nehme Leb
mir einen, so kriegt Hefe-. Blut-In
muß ich aus jeden Fall«
Leicht gesagt
Alte Jungfer mach eine-n heftigen
Streit mit ihren Eltern): »Wenn un
mir ietzt noch ein einziges Mal sc
kommt, so gclf ich nleich hin, nnd
heirathe!«
Dur-um«
Fräulein Ella, die einzige Tochter
des reichen Bankiers, soll ja so sent
an Schwindelnnsällen leiden-L«
»Nein Wunden on sich im Hause
ihrer Eltxrn immer alles unt sie
dreht!«
Worin-iet
»Fr·ciulein Selmn scheint schon ojl
retlobt aewesen «.n scin!«
»Ja, ihr ganzes Vorlcb n war sin
Vekloben!«
Ein Spuk-sausen
- n A
»Ja, was ist denn Hag, da trinken
Sie acht Nordhäufer, md nun haben
Sie kein Gelt-P
»Na Frau Meist, wissenUs wenn
i a Geld hätt’, denken g denn, i wär
dann so a Lump und versauft’s so«.2«