Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, August 07, 1908, Zweiter Theil, Image 14

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    Der Puppenfpieler.
Mittel-Roman von Karl Rosner.
(9. JottsesungJ
« Um hold zwölf stand ich, ausge
ksfiet mit « dem rinnen Hand
see-U g, das mir zur Oeffnung
der hnun nöthig schien, sonnige
Iksecki in der zähe feines Hauses nnd
wartete auf Sidnen Jenes.
»led darauf trat er ans dem
’ use und entfernte sich in der Rich- z
sing nach dem Graben zu. Er schien
Isllig sicher zu fein, denn er schtiiti
ruhig, ohne auch nur einmal umzu
seben, dahin. Ein Dienstmann der
bisher rauchend an einem Laternen
pfahl gelehnt hatte, fotgte ihm in
einiger Entfernung langsam nach.
Ich aber ttat fest in das Haus, tam
unbemerkt über den Dot, die Treppe
hinauf, vor feine Wohnung«
»Und einige Minuten später stand
Ich im Flur nnd schloß die Tdiir
Hinter mit von innen gin«
«Eine siiiotie Erregung war in
mik, der Bund mit den Nochichliist
fein ziztette klirrend in meinen
hin-den« und mein Der-z schiug in
Mel-en Schlägen — ich war mir
klar bewußt, daß mir vielleicht die
nächsten Augenblicke schon die Lö
ng all der Fragen, die mich nun
it Wochen quälten, bringen
Tit Wochen quälten, bringen konn
n.
»So öffnete ich die Thür zum Ar
seitszimmer des Sprachlebrers. Still
send tahl wie damals, da ist« es zum
ersten Male betreten hatte. lag es
auch fest. Nur die Mich-er an der
- Sand, die Bücher und Stripturen
auf dem Tische, der ganz den Anblick
bot, als wäre er vor wenig Augen
blicken von feinem bis dahin in Ar
beit oertieften herrn verlassen wor:
den, gaben Zeugnis oon dem Geiste.
der fonft hier thätig war.
»Ich trat an den Tifch heran und
slickte auf die bunte Menge von hef
ten, losen Blättern, Schreibreauisi
ten, aufgefchlagenen Werten nnd
Purnalen nieder, die vor mir lag
ine Scheu, die Dinge zu berühren,
ieg in mir auf —- ein Gefühl der
, bwehr, das ich lxinahe stets in fol
cherl Fällen überwinden mußte, wenn
ei galt, in anderer Leute Geheim
nisse hinter dem Mitten des Besihers
einzudringen Erst der Gedanke,
dahderMannhierim Berdachder
Mitwisserfchaft an einem Verbrechen
stand, ließ mich dies Zaudern über
winden. Und da fette ich denn mit
seiner Arbeit ein.
»Eilig und immer darauf bedacht,
daß ich die Dinge ganz in ihrer alten
Ordnung belasse. prüfte ich Blatt
um Blatt, das ich da fand. Es wa:
mein der hauptsache mathemati
sche Arbeiten — tomplizirte. zufam
mengefeste Wahrscheinlichkeitsrech
nnge mit zahllofen eingeftreuten «
sangen mit zahlloien eingeftreuteni
grrmeln und Vertlaufulirungeml
·emlich achtlos ging ich über diese
Blätter hin, ich suchte Besseres. Mich-l
tigeres. Dann fand ich einige
Schreibhefte, die von den Schülern
stammen mochten — aber weder die
Schrift des Herrn von Balassy, noch
jene der Dame in Trauer war hierj
vertreten. Als ich die Stripturenl
auf der Platte des Schreibtifches er- ;
lediat hatte· öffnete ich die Laden. --—?
Mich sie enthielten nichts, was im«
Zusammenhange mit dem Verbrechen
stehen tonte, nnd meine Enttänfchung :
wuchs. je länger ich unter diesen!
Schriftstiicken, Brofchiiren nnd Noth-l
dliittern suchte. l
«Und doch -—— und Doch s— -—-’. Ich
fühlte es trotz dieses Mißerfolgele
stärker als je zuvor: Hier bei dem.
Sprachlebrer, zu dem nun schon lot
viele Verdachtsmomente führten,j
mußte die Lösuna aller Dinze liegenJ
«Vorsichtig schloß ich die Laden!
wieder und suchte weit-er klticht nur
das ganze Arbeitsziinmer durchinusl
sterte ich mir snäberder Zorqf.rlt,s
aus-« ans den puritanisch einfachen?
Schlafraum nebenan. auf den Flur
und die Küche dehnte ich meines
Iachsorschungen aus. Aber nirgendsi
fand ich Spuren. die mich dein Ziele
seines Strebens näher gebracht hatten.
»Im Küchensberde waren vor ganz
kurzer Zeit größere Mengen von Pa
Pceren verbrannt worden«-die schwarz
auen Aschentheilchen der vertoblten
glatter lagen zuoberst in dem Feuer
taume,- und die Platte des herbeg
sonte noch eine aelinde Wärme aus.
·r· diese Asche, die ich suchend durch
stusterte, ob ich nicht hier oder dort
ein ins susamrnenhang verbliebenei
Blättchen ände, aus dem ich die Art
set verbrannten Stripturen erkennen
könnte war mit dem Feuerbaten in
Ansige Theilckpn zerrührl worden.
»Als sähe ich das ironisch lächelnde
,W des hageren Mannes vor mir,
se me es mie, als ich meine Bemüh
, ans diesen Aschenresten mir ei
nen Sinn zu sehst-sen, endlich aufgab.
Vers-ei in mir sträubte sich dagegen,
das zit- meiner Untersuchungen hier
erfolglos zu räumen All vie
We fielen mir ein« an
. Mist-E YUW ib
Schräntzeug ihre Beute, belaftendes
Werthftiicke und dergleichen »Ka
bore zu legen« pflegen, und ich kann
wobl sagen, daß ich tros der kurzen
Zeit. die mir zur Verfügung stand,
kaum ein Wintelchen in der Wohnung
des Sprachlebrers undurchfucht ließ.
daß kaum irgend ein Möbelftück oder
Geräth. das zum Verfterle irgend wel
cher Pia-irre oder sonstiger Dinge
dienen konnte, meiner Prüfung ent
ging. Jch klopfte Möbel und Wände
auf verborgene hohlräume ab. durch
fuchte die Polsterung des bequemen Le
derfessels der in dem Arbeitszimmer
den Sitzt-lag Sidnen Jene-T gegen
über ftand, beiab das Innere der Oe
fen und prüfte den Diesenbelaa des
Fußbodens auf verdächtige Stellen.
Aber ich fand bei all dieferMühe nichts
— nichts!
«Erft als es ein Uhr geworden war,
ich alfo geben mußte, wenn ich mich
nicht der Gefahr einer Ueberrafchung
durch herrn Jones ausfetzenwollty
gab ich meine Nachforschungen auf und
verließ die Wohnung, in die ich eine
Stunde früher mit I) bochgeftimmten
«hoffnungen, mit fo gespanntenErwar
tungen getreten war. Eine herbe Ent
täufchung erfüllte mich. als ich das
Schloß der Thüre hinter mir wieder
verforgte und als ich dann, nachdem
»ich vorsichtig die Straße wiederum
Igewonnen batte. das unerwartet"nich
Itige Ergebnis diefer Hauifuchung
über-sann
,.Die Ueberzeugung daß derSprach- q
lehrer in innigem Zusammenhange mit
den Verbrechern stand. war durch den
Umstand, daß ich greifbare Beweise
hierfür in seiner Wohnung nicht ge
sunden hatte, natürlich keineswegs in
mir erschüttert. Die Thatsache. dgj
auf dem herbe ganz kurz vor Ins-ein
Kommen Strivturen in größerm
Menge-n verbrannt worden waren,
hatte meinen Verdacht nur noch be
stärkt. Jch hätte mir nach allem dem
nun kein Gewissen mehr daraus ge
macht, den Mann ohne weiteres zu
verhaften — aber wenn selbst ich das
that, was tam dabei heraus? Wie
derum mußte ich mir sagen: All das
was meinen Verdacht stiisth das wa
ren noch lange keine Beweise siir seine
Schuld —- und er würde sich hüten,
etwas zuzugeben und zu gestehen, das
man ihm zunächst keineswegs beweisen
konnte! Das alles waren Momente,
die ihn wohl verdächtig machten, die
aber anderseits auch völlig harmlvs
gedeutet werden konnten, und die auf
jeden Fall dem zwischen den Fingern
zu nichts zerrannen der aus sie den
Bau eines Jndizienbeweises stellen
We —- Sv würde ich mit der Ver
ihajtung nur einen Schlag ins Wasser
gesiihrt haben — es würde damit zu
den zahlreichen, voreiligen Berhastuns
gen der letten Zeit nur nach ein neuer
weiterer Fall kommen. Nein —- mit
Gewalt war hier zunächst nichts zu
machen!
»Aber was thun —? Was thun?!"
»Und wie ich sa in machtlvsern
Eifer mein hirn danach zergriibeltr.
wie ich wohl dem Manne arn besten
beikommen könnte. da war es mir —
swie früher schon — als sähe ich das
’hagere. ironisch lächelnde Gesicht
; spöttisch und hachmüthig vvr mir
»Das Blut stieg mir oor Scham
Und Zorn zu sich-) und gleich als
hätte mich der Mann zum Kampf her
ausgefarderL so war mir zu Muth.
Nur jetzt nicht nachgeben! rief es in
; mir, nur jeyt nicht locker lassen!
»Ich schritt weiter durch die Stra
Eßen und sah die Menschen nicht, an
s denen ich vorübereilte, und hörte nichts
svon all dem regen Leben, das brau
,send rings um mich her taste. Nur
Ldieser Mann mit dem mitleidig über
s legenen Lächeln stand vor mir, und er
jerfiillte all mein Denken. Die ganze
Gestalt des Sprachlehrero rückte in.
idieser Stunde, je mehr ich grübelnd
jsann und überlegte, fiir mich in einz
l ganz neues Licht, und Löst-eigen die
. ich noch in der Nacht vorher als allzu
s tiihn nnd als pbantaftisch von mir ge
s ioiesen hatte, erschienen mir mit einem
IMale nicht mehr als außerhalb von
Idem Bereiche des Magus-reiten
s »Mit jener Witterung, die uns auf
Z unserer Jagd nach dem Verbrechen oft
l mehr als alle klare Logik, alt alle faß
· baten Beweise dem. Ziele nahe»bringt,
l fühlte ich unumstößlrch klar, daß hier
die rechte Fährte war. Und alles in
mir sieberte, die neue Spur, die mich
nach all den bösen Mißerfolgen nun
lendlich vorwärts bringen sollte, um
keinen Preis mehr loszulassern
Als ich im Polizeigehiiude nach
meiner Rückkehr den PolizeirathFranz
traf, und der —- wie täglich mehrmals
—- wiederum nach dem Stand der
Dinge fragte, da ging mir's seltsam:
Jch konnte ei nicht iiber mich gen-in
nen, ihm ausführlich von dem zu spre
chen,·eoai mich seit dieser Nacht so un
abisissig beschäftigte und erfüllte« —
Mag ei der ehrgeizige Wunsch gewesen
sein« ihn erst mit einem vollen, abse
fchloffenen Erfolg zu überrafchen oder
die eiferfiichtige Sorge daß fonfi viel
leicht ein anderer mit mir zugleich in
die weitere Entwicklung der Dinge ein
greifen wiirde und daß damit mein
eigener Antbeil an ihrer glücklichen Lö
sung vermindert werden könnte —- ich
wüßte beut nicht zu sagen. was es war.
Jch weiß nur, daß ich über die Ent
deckung, die ich in der verflossenen
Nacht gemacht hatte, ebensowie wie
über die Erreigniffe des Vormittags
schwieg. Und seltsam — ich empfand
das Schweigen in diesem Falle nicht
einmal alj Unrecht!
»Als wäre dieser Kampf mit dem
herrn Sidney Jones der Kampf
um eine Lösung der geheimnisvoll
verwirrten Fäden, die in dem alten
Haufe des Sprachlebkers zufammen
liefen, mein eigenftei Gebiet geworden,
auf dem zu schlürfen ich allein beru
fen war. fo war es mir. Jch hatte
immer klarer ein Gefühl, als od das
alles zufammenliefe in ein Ringen
zwischen dem bageren Mann und mir
—- und ich war bereit. diefen Kampf
Mann gegen Mann mit ibm zu wagen.
»Ich userschägte meinen Gegner
nicht —- dach eben darum wollte ich ihn
auch allein besiegen.
»So beschloß ich denn, ibn noch ein
mal in feiner Wohnung aufznfuchen
und den Versuch zu machen. ob ei mir
nicht doch mit Lift gelänge. Voribeile
über ihn dar-anzutragen
»He-g mochte etwa vier uhr Rach
mittags geworden sein, als ich wie
derum die Klingel vor der Thiir von
Sidneh Jvnei zog.
»Aber diesmal mußte ich nicht
lange warten, und auch die Musternng
durch das Guckloch unterdlieh. Schon
wenige Sekundern nachdem der diinne
Klang der Glocke herausgedrungen
war, hörte ich innen Schritte, die
Thiir wurde aufgethan, und Sidneh
tJones stand vor mir. Schmal und
« lang stand er da mit ein wenig vorge
litrecktem Kopf, und seine scharfen.
grünen Augen ruhten ielundenlang in
den meinen. während sich der dartlole
Mund zu einem teilen, hochmiithigen
Lächeln verzog.
»Guten Tag, here Jenes —- -.«
sagte ich.
»Er verbeugte lich ein wenig. und
fein Lächeln blieb dabei bestehen.
»Herr Plant — wenn ich nicht irre?
here Richard Planl von der Sicher
heitsvvlizei?«
m.Ganz recht —- mein Name ift
Plant —- ich hatte ichs-n vor zehn
Tagen etwa’ das Vergnügen —- —"
»Er trat in den Fur zuriick und lud
mich mit einer überhöflichen Gefte ein,
näherzutretem
»Ja —- ja gewiß —- ich erinnere
mich genau —- es war in der Ange
legenheit von einem meiner verflos
. fenen Schüler — wie hieß er doch? —
ja, Angerer, Hermann Angeker.«
»Ich niste. »Ja — und in einer
Sache, die mit jener Angelegenheit im
engsten Zusammenhange steht, din ich
auch heute wieder gesamten-«
»Er hatte die Thür seines Arbeits
zimmers geöffnet und war dann hin
ter mir eingetreten.
»Nun wies er. mich zum Sihen auf
» fordernd, auf den heaguemen Leder
«sessel und feste sich mir gegenüber.
» Zögernd nahm ich Plag —- ein Gefühl
von erregier Beklemmung war in mir,
tund ich mußte denken: in diesem glei
’chen Raume dift du vor wenigen Stun
Hden allein und heimlich gewesen, hier
haft du all die habteligleiten dezMans
nes durchsucht, der jeht da vor dir list·
- nichts davon ahnend vor dir sidt.
Und zugleich wurde es mir in diesem
Augenblicke noch einmal tlar, was sür
mich mit der Unterredung, die jest
vor mir lag, aus dem Spiele stand.
Als ob sie sich verbinden wollten, um
eines zu werden in dem bevorstehenden
Kampfe, so drängen all die Andachts
griinde, die gegen Sidnen Jones ent
standen waren. sich jäh in meinem
Kopf zusammen Keine Miene dieses
Mannes, nicht die leiseste Bewegung
—- nicht der geringste Zug seines Ge
sichtes sollte mir entgehen —— sprung
bereit wollte ich aus der Lauer liegen
und jeden tleinsten Vortheil wahren.
Und wehe, ioen er sich dann eine Blöde
gab!
»Es-hat sich da nämlich im Lause
der Unter ——— --—«
»Ich sah aus und stockte.
»Da saß herr Jonei, sah mich mit
diesen tleinen. scharfen Papillen, die
wie zwei blante Radeltöpse aus fei
nen grünen Augen stachen, an, wiegte
bedächtig leise seinen Kopi. lächelte
seltsam und rieb sich seine hande.
»Und ohne sich um das zu küm
mern. ioai ich sagen wollte, meinte er
langsam und oersonnen: Ei ist doch
Wlt merkwürdig —- seltsam,ist es—
beinahe an geheimnisvolle Dinge, on
telepathische Phänomene möchte mon
glauben —- ——· Man lernt es wenig
stens verstehen. mie manche sonst ganz
leidlich kluge Menschen sich doch mit
derlei Zeug besassen können. Gerade,
als ob es so etwas wie Fernwirkung
gäbe.«
" »Ich schwieg noch immer still und
sah nur sragend zu dem hageren
Manne, der sich seit mit den lan n
schmalen Fingern iiber die Schafe
fuhr nnd immer noch ganz unver
wandt aus mich herüberstarrte. Ein
Unbehagen lam iiber mich nnd wuchs
an, je länger ich so seine Augen aus
mir haften sählte
»Sie glauben nicht an Fernwir
iungen?« sragte er dann
»Nein ——— ich glaube nicht daran
—- -—.« Halb mechanisch hatte ich
geantwortet, immer noch etsiillt von
den Fragen: Was sollte das? Wo
wollte das binanöi
»Und wieder fuhr mein Gegenüber
langsam und versonnen zu sprechen
sokt: »Nun ja —- das ist sehr wobl
begreiflich — gerade Sie als Detettiv
sind ja von otnederein ein Mann
greisbarer T tsachen·. —- Und doch —
tvas werden Sie mir sagen, wenn ich
anen mittheile, daß ich seit etwa zwei
Stunden beinahe fortwährend an Sie
fgedacht habest«
’ »An mich?'· Jch siidlte meine Er
? regung.
«Aber here Jenes blieb gleicher
tnaßen ruhig.
»Ja. an Sie, Herr Planl —- und
.da. wie ich nach all dem Denken eben
zu einem Entschlusse komme und mich
daran machen will, an Sie zu schrei
ben, um Sie um eine Unterredung zu
bitten — da lautet es —-.— ich gebe zu
öffnen —- und Sie steben vor mir!
Seltsam ist’s doch aus jeden Fall —«
«Jch zuckte die Schultern und sab
gleichgültig in das sragende Gesicht
des Sprachlebrers.
»Ein Zasall. wie irgend einer!
— Sie sagen. daß Sie mich um eine
Unterredung ersuchen wolltens Um
was handelt es sich?«
»Sidneh Jones tniss die Brauen
zusammen und strich sich sinnend iiber
das spiße. glattrasirte Kinn. Dann
sprach er. und eine lauernde Ironie
lag dabei in dem Klang seiner Stim
me: »Ich wollte Jhnen eigentlich nicht
vorgreifen, herr Planl. Jn der That
lassen mich ja Jhre ersten Worte ver
muthen, daß ich-Ihren Besuch doch
nicht »der Macht telepathischer Kräfte« s
zu verdanken habe, daß vielmehr auch
Sie durch-ganz bestimmte Griinde zu
Jhrem kommen veranlaßt wurdens
Jst es nicht so? Nun ja, es ist so —.
Aber da Sie mich so liebenswürdig
fragen. so wäre es unrecht. wenn ich
schweigen wollte. Nun also: Jch
wollte Jhren sachmiinnischen Rath —
Jhren Beistand erhitten. Jch habe
Beweise dasiir, daß irgend ein Unhe
tannter während der Zeit meiner Ah
wesenheit in den Stunden zwischen
etwa halb zwölf und halb zwei Uhr
Mittags mit Nachschliisseln in meine
Wohnung eingedrungen ist und sich
hier eingehend mit der Durchwiihlung
meines Eigenthums zu schassen ge
macht hat —- —«
.Seine kalten Augen mit dem
stechenden Blick lagen unverwandt aus
mir. Und dabei hatten seine Ziige ei
nen so undeutharen, so seltsam wesen
losen Ausdruck angenommen, daß ei
mir — —teoß der schars beobachtenden
Ruhe, zu der ich mich hei aller inneren
Erregung zwang »- zunächst nicht
möglich war, das eine zu erkennen:
Sprach dieser Mann hier wahr —
wollte er meinen Rath - — oder durch
schaute er mein Thum wußte-er, daß
ich selbst hier meine haussuchung vor
genommen hatte, und spielte er do ießt
ein höhnisches, ein überlegen spotten
dei Spiel mit mir. Dann stand auch
noch ein anderes Fragen vor rnir aus:
Was hatte er gesagt? .Jch habe Be
weise —-— —« Beweise? Ja, hatte ichi
nicht die größte Vorsicht angewendetSL
Mich immer wiederum vergewissert,j
daß alles in der alten Ordnung ver
hliehen war —? Und während ich
dies alles in drängender Eile über-I
dachte, sragte ich schon: »Wie ——— man
hat bei Ihnen eingebrochen? Man
hat Sie herauht?"
»Beraubi? Vielleicht s-- -—. Werth· —
gegenstande oder Wektbpapiere zahle
ich leider nicht zu meinem Besitz, und
ob der Einbrecher, dessen besondere Abs
sichten ich ja nicht näher kenne, aus
seine Rechnung kam, vermag ich nicht
zu sagen. Jch möchte beinahe daran
zweifeln. — —- Tbatsache aber isi aus
jeden Fall, das; jemand in der angege
benen Zeit in meiner Wohnung war,
und dass dieser Jemand sowohl all die
Stripturen hier aus meinem Tische.
wie auch den Inhalt meiner Laden,
mein Mobiliar und meinen sonstigen
sent durchschuüssen hat —. und
weil derlei doch recht ungemütblich ist,
so wollte ich —- da ich nun einmal das
Vergnügen habe, Sie, heerPlant, als
ein besonders sindiges Mitglied der
Sicherheitspolizei zu kennen — Sie
bitten, diese Sache in die hand zu
nehmen«
,,Wieder trasen meine Augen schars
in die seinen, aber wieder begegnete ich
da nur jenem undeutbarensragenxdaj
als böslich gelten tonnte oder als sor
schend. als ironisch oder überlegen.
»Sie sagten, daß Sie Beweise in
hönden hätten?« stagte ich.
»Ist stand ein leises Lächeln um
die Lippen Sidney Zone-c
»Ich dachte ei mit. do Sie ge
rade sür diesen Umstand sonderee
Interesse zeigen würden, herr Plank.
Beweise —- ja —- getviß --— aber nieine
Beweise sind nur subjektiver Art. Der »
Mann bat mir natürlich nicht seine’
Visitenlarte dagelassen —- aber das
kann man auch wirklich nicht von ihm
verlangen. Immerhin, er hat seine
l Spuren hinterlassen. die mich überzeu
sgeie Ich weiß zum Beispier daß sin
die Lage zweier Zettel zueinander m
meinem Schreibiisch bei meinem« Weg
gehen ein wenig anders oerschnrit als
bei meinem Wiederkommen das mein
Panierlorb dort vorher um nahezu
einen Zentimeter weiter rechts stand
als nachher —- und dergleichen mehr. ;
Sie werden mich vielleicht iegt fragen·
wallen, wieso ich die seithere Stelle dejl
Papierlvrbes, die frühere Lage der!
Zettel so genau lenne —- denn meins
beachtet doch derlei im allgemeinenl
nicht —- —?«'
»Ich uictte nur. aber ich muß sa
gen, mir war recht unhehaglich zu
Muthe bei diesen Auseinandersegum
gen.
»Und Sidnev Jones fuhr fort:
»Nun sehen Sie here Planl ich tvill
Sie um Jhre hilse bitten, da muß ich
ossen zu Jhnen sein. Jch ahnte so et
was -— und habe mir daher, ehe ich
ging. ein paar tleine Merkzeichen ge
macht: Die Stellung »du Kot-bes, die
Lage der Zettel s-— und noch einige
Scherze dieser Ari. Wieso ich dazu
lam, derlei zu ahnen?« Er lächelte
fest wiederum ein wenig und blickte
seine langen magern Finger an. »Ich
din mißtrauisch von Natur —- und
dann —- ich möchte Jhnen nicht nahe
treten—-: aber unser Wien ist doch
recht unsicher geworden. Die Zeitun
gen sind voll von den Berichten iiber
liihn durchgeführte Verbrechen, die
Polizei scheint diesem Ueberhandneh
nien der bösen Elemente nicht mehr ge
wachsen zu sein. Man ist ja wahrhaft
seines Eigenthuini nicht mehr sicher —
lein Mensch lann dem andern mehr
trauen. — — Denken Sie selbst: vor
svierzehn Tagen sagten Sie mir, daß
Hsogar einer meiner Schüler. ein jun
Igr Mann, der hier aus diesem Stuhl
gesessen hat, den Sie sent innehaben,
Antheil an einem Eint-euch hat! —
llnd dazu lam, daß deute Vormittag
ein Mann hie war, der mir verdächtig
schien —
»t5in Vaaabund? Ein Bettler?«
»Nein, so meine ich das nicht;
der Mann nnr Staatsbeamter —
Steuerbvte, und er ist unschuldig und
steht der Sache seen » das weiß ich
fest «
»So —— —?« Jch athmete erleich
tert aus.
lFortsetzung svlgt.)
SO-—
UIIO saht-echt der Its-.
London, im Juni.
Jn England nno erst recht im
Auslande betrachten ewisz viele
Leute die Bewegung ssiir Frauen
stimtnrecht ausschließlich vom Witz
kliitterStandvuntt besonders jene
angenehme Sorte selbstbewußter Her
ren, die jede Schrittstellerin und Stu
dentin einenBlaustrumvs, Malerinnen
stets Malweiber benennen. Wir wol
len die grundsäsliche Frage nicht an
schneiden u. nur die eine Thatsache er
wähnen, daß mehrere herrschet, die
nicht als willenlose Werkzeuge ihrer
Berather, sondern aus eigener-Einsicht
nnd Thattrast Englands Macht ge
inehrt haben, Frauen gewesen sind.
Wie man sich nun auch zu der Frage
des Stimmrechts stellen mag -— man
muß anerkennen, daß der große Umzug
oon mehreren tausend Frauen, die vorn
Themse - Etnbantment nach der Aldert
Halt zo « einen wiirdigen, ja imvonis
renden indruet machte. Fiir den Ge
schmack des Auslönders ist zwar mit
derartigen Kundgebungen reichlich viel
»Klimbim« verbunden, wie der Berli
ner sagt, an hundert große Banner,
zahllose kleine Zähnchen, verschiedene
Musittorvs. Kutschen mit Blumen
schmuct und bebiinderten Peitschen
usw.; aber das ist nun einmal allge
meine englische Sitte, der als nüchtern
verschriene Brite erwartet von solchen
Auszügen ein buntes Theatergepriingr.
Der Zug, dessen Vorbeimarsch un
gesähr dreiviertel Stunde dauerte, be
stand vorwiegend aus Frauen und
Mädchen der gebildetern Klassen; es
befanden sich nur wenige Frauen in
dem typischen Bank-holidah-Ausqu,
abgeschabten Pelztragem sleuigen
FSammetmiinteln und verbeulten
schwarzen Strohhüten, dazwischen. Die
Frauen der untersten Stände haben
eben so bitter mit der Noth des
täglichen Lebens zu tämpsen, daß
ihnen der Gedanke an Bech
tigung im össentlichen Lebens fern:
lie en muß. Neben der bagerms
eckigen, puritanisch einsachen Da-«
me, der en lischens Gouvernante des
Lustspiel-, reitet ein behaglich-s
Welttind in elegant totetter Sommer-"
toilette, die erste mit tiihlem, entschlos
senerit slich die zweite ein tlein wenig
beschämt und mit verle enem Lächeln
humoristisch gesinnien uschauern ein
Zugeständnis machend. Alte Damen
mit silberweißem Scheitel marschrren
tapfer die lan Strecke, dann vsolgen
wieder junge ödchem gebraunt«vom
Sportbetrieb in sreier Lust, tn»ietchter
jBlase und mit elastischem Schutt- Elst
--»--,- «- -.,-.-,-»-» ——------4
share Bärgerfrauem vie Poetemonnaie
·und Beutelchen in übereinander geleg
ten Linden besorgt vor sich tragen.
zäiin tlerinnen, die denLiberty-Schleier
« malerifch um hat nnd Frisur dravirt
Ihabem blasse, nervöfe ächreiberinnern
eine Schaufpielerin« die in heroifchetn
Bühnen chritt dahinzieht, viele interes
sante, charfgeschnittene, von emsiger
Dentthätigleit durchgeiftigte That-te
teelöpfe
hinter einem Banner, das die Jn
fchrift Florence Nightingale trug, la
men eine lUnzahl Krankenvflegerinten
mit ihren tleinen Dauben. langenMäni
teln, weißen Kragen und Manfchetten.
mein sehr samt-ethische Etsdeinungun
die vielfach durch händeilatfchen de
griißt wurden
Die verschiedenen Richtungen der
, rauenbewegung machten sich oft iiui
erlich trink-: die Ertremen lümmerten
ich nicht um ironische Zurufe und teu
aen eine tamvfesmuthige Miene sue
Schau-. mildere Naturen dri.ktten sich,
geängstigt von der Menfchenmenge,
schüchtern usammen wie Schafe, um
die der bis Ige Bund lreift. Aber das
ioeiblicheGemiith verleugnete sich nicht;
in meiner Nähe hielt eine Zufchauerin
ein hübsches, fröhlich trähendes und
nach den Fahnen angelndes Blian
auf dem Arm; kaum eine einzige e
streitbaren Amazonen schritt vorbei,
ohne dem Kind zu enickt zu haben.
Die Meni League for Womens Sass
rage hatte ihre ftiirtern Arn-e angebo
ten, um die Banner zu tragen; von dem
freundlichen Anerbieten war nur in
vereinzelten Fällen Gebrauch gemacht
worden. die Frauen schienen beweisen
zu wollen, dass sie auch körperlich der
Männerwelt gewacher seien. Manch
mal hielt eine Stange die andere, zer
’brechlich fchwaniend, wenn der Wind
»das Tuch blähte, aber es schritten auch
junge Waltiiren dahin, die die schwe
kren Fahnen mit kräftigen Armen mei
:lterten.
i Nübrend war die echt frauliche, nrit
)lsatmlofer Wichtigthuerei verbundene
LGewiffenhaftigteih .in der maus
IFrauen des verantwortungsvollen Am
tes walteten, die Fahnenbänder zu bal
ten: ich fab ein kleine-, dieses, turshaas
tiges Persönchem das. bei einer Stil
tung des Zuges von der Fahnenträge
rin abgedrängt, mühfam hüpfte und
idäe Arme unsre-te nur« um den Zipfel
Band nicht fahren lassen zu müssen
DieBanner enthielten zun- Tdeil Stuf
lchriften, ums Theil waren sie mit
tssnftvollen Stickereierr geschmückt Das
Banner der hausfronen zeigte eine
Lampe und das häusliche Feuer. das
der Lehrerinnen eine goldene Leiter-.
»ein der ein .Kleinling« herauflrabbelt,
die Musikerinnen führten Dorfe und
jPanflöte inr Wappen, die Bureauquseis
sterinnen drei Federn. die Maler-innen
seine Palette, die Studentinnen von
iOrford eine duntelblane, die von
iCamvkidge eika hegen-us Form-. Viere
Banner trugen die Namen hervorra
gender Frauen.
Hinter den Fußgängrrinnen kamen
viele Gefährte. Zuschauer hatten sich
am Samstagnachinittag, der in Gn
»lan«o betanntlich ein halber Feiertag ift
in großen Massen angesammelt, auf
einzelnen Straßen ftanden sie in vier
und fünf Reihen hintereinander
Meift befchriintien sich die Luni-ge
zdungen auf Lachen und Lächeln. Be
»fonders jüngere herren, die vom Doch
Ider Omnibusie den llmzug überfchaus
lten, fühlten sich heiter angeregt; un
jparteiifch tann der Chronift feftftetlen,
daß auf den diimmften Gesichtern das
iLachen am breitesten war. Anziigliche
Bemerkungen die etwa der Kutfcher
eines Laftwagens herunterrief, wurden
von den Frauen mit Heiterkeit hinge
nommen, dantbar wurde jedes Tuch
Ilchwentem jeder Beifall-ruf auiitirtx
Neben uns ftand einige Zeit ein here
mit rothem sinnigen Gesicht. langen
Bartftoppeln, fchmieriger Kappe und
durchlöchertem Rock; er hatte ungebeu
res Vergnügen im Bewußtsein feiner
überlegenen Männlichteit. Die dum
men Weiber da —- fo lafen wir feine
Gedanken —- wollen Stimmrecht! Sie
mögen etwas gelernt haben, sie mögen
sich wacker durchs Leben schlagen —- es
sind doch immer nur Weiber. Meine
rau sollte mir mit fo etwas kommen!
ch prügelte sie braun und blau! Viel
leicht thue ich das auch ohnehin, wenn
sie heute wieder von ihrem «WochenW
Brot fiir die unnüsen Mlge getauft
hat. will meinen Schnaps haben,
wozu in ich fonft der Herr!
i
Nach den legten Kobeldepefchen war
Petsien alles ruhig. Vielleicht wurde
dieseNnchticht zur Rachtzeit abgesandt,
während jedermann schlief.
s- - ·
Manche Leute wollen nie, sondern
»möchten« blos.
Eine liebe-old Musik«-.
Freundin: »Mein Mann ist ziem lich anspruchsvolL Jeden Abend will
et mögtestssenza h be ch » M
us kau: » s a i meinem ann gar nicht angewöhnL Der
bei-Instit gis-IN stets Mit Küche-I will er mal was Wurme-, dann kriegt
et neu .«