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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (July 31, 1908)
Nebraska Staats-Inzeiger und Ufer-old Jahrgang W. Grund Island, Nebr» :kl. Juli l903. («.«kweiter Thciu Nummer 49. Sommer. Ilügge wird Alles,dder Sommer ist Blüt-end stehn Wälder und Höhen Was auch für Sorge und Leid die ais-Hab Draußen —- forl muß es —- verwe den. Wandern, o wandern hinaus in die Welt! Fort aus den Mauern der Slädte. Daß unterm goldigen Aether gezeli Schenelze die fesselnde Kelte Daß sich die Seele mit Mnnegefühl Schwinge empor zu den höhem cchwinge empor aius des Staubes Gewühl hoch über Tod und Vergehen. Wälder, ihr grünen ihr rufet so hold; Wohl denn ich loknme, ich eile. Sttiime, ihr brausenden, leuchtend wie Go ld, Wohl denn, ich komme, ich weile. — Jtn Dorfe. Eine tragische Sommergeschichtr. Von Paul A. Kirstein Wie gesagt, Arnalie, es geht diesmal nicht anders. Jch tann nicht so weit von der Stadt fort. Du weißt, die Börse wanit und schwankt. Ich rnuß sie irn Auge behalten. Wenn wir wieder in den großen Luxusbib dern berumtutschiren, lann wer weise was siir ein Unglück« geschehen. Es gebt also wirklich nicht! Beim besten Willen nichti« Frau Kommerzienrstbin Berghold lieå die Mundwiniel "ngen und schaute eörgert vor sich in. »De- lb brauchen wir doch aber nicht gleiO a ein Pers u ziehen! Es gibt eine se netter "der unb ankenebmer Karme, die nur ebenso wet entfernt sind und die wenigstens ktrvai Komqu und Zerstreuung bie en.« Der Kommerzienratb trat dicht Zuefhsie zu und schob die Augenbrauen o . »Das ist es eben, was ich vermei den möchte. Diesen Komsori und diese Zerstreuungen, wie du es nennst. Sieb dir unsere Tochter Im. Achtzehn Jahre ist sie alt und blüht schon ab. Und alles nur von dein. was du Romfort und Zerstreuunn nennst. Ich will aber nicht, das-. mein einziges Kind blasirt nnd matt mache Leben läuft. Eine ordent liche Frau soll sie werden —- und deshalb entziehe ich sie dem Leben, das sie nur allzu früh tennen gelernti han« l »Meinst du nicht« dasz es auch stillej Bader aibt, wo sie dem ebenfalls ent . zogen wäres« » .Nein!« Ziemlich brüöl kam es Jus dem Munde des Herrn Rath. «llebee all in diese offiziellensVersammlungs stiitten des-Sommers schleicht sich die Lalchheit ein und dieOberflächlichleit. Ueberall-——wenn auch vielleicht etwas lleiner-—«hebt das Leben »m, das mir hier schon mehr als verhaßt war» und das die jungen Menschen für die Welt verdirbt, noch ehe sie sie kennen gelernt haben. Jcki aber will mein Kind zur Natur, zur Einfachheit zu rückführen, dass ei Freude und Ge nuß, wirllichen Genuß vom Dasein hat. Denn ich habe sie lieb, und ich achte die Pflicht, die den Eltern auf erlegt. im richtigen Sinn iiir das Wohl und Wehe ihrer Kinder zu sor gen. Das ift mein letztes Wort und mein seitester Gntsehlusz »Na ja —- du den-ist an eine neue Erziehung, aber Freude und Genuß. Ich glaube nicht, daß unser Kind die aus dem Dorfe finden wird« »Dann wird es lernen, sie dort zu finden. Und übrigens-, was feinem Vater sein halbes Leben lang nichts eichadet — glaube nur, das wird ihr auch nichts in den zwei Monaten anhaben können. Ich bin·nun drei mal so alt wie sie. und mir scheint fast, ich sehe fest noch jiinger aus als sie. Gesunder in jedem Fall.« Er reckte seine hohe, kräftige Gestalt. dann wandte er sich ab, um in sein Bureau zu gehen. Auch seine Gattin erhob sieh, aber schwertiillig und eestgnirt. Jhr war, tm Grunde genommen die Reise auf's Darf am unangenehmsien Sie wußte da nie was sie mit sich anfangen soll te, und wo ihr Gatte thllen und himmlische Ruhe sah. da gähnte site sie nur Cinfsrmi lett und Lange weile. Aber sie annte ia die Var liebe ihres Gatten. Seitdem er älter und ruhiger geworden, zog ei ihn wieder in die Verhältnisse zurück, in denen er etnft groß geworden. gleich sam als wäre er stolz darauf, eines sauern Sohn zu fein. Arb. wie ost hatte sie schon egan dieIeLeidensehatt anliimpfen mit en! Wie sehr hatte sie sich ansangs gesträubt, daß er die Wohnung mit alten plump und der-b geschniften Bauernmöbeln ballt-stopf te. Ert als sie hörte, daß es wieder modern und originell war, hatte sie lächelnd geschwiegen und den Freun den gegenüber aus der Noth eine Tu gend gemacht. Ueberhaupt die Freunde! Sie sah schon wieder, wie sie spotten und lä cheln würden, wenn sie von ihrer Reise erzählen mußte. Aber diesmal —- das siihlte sie nur allzu sehr —- gab es kein Zurück. Jshr Gatte hatte es zu sest sich vorgenommen. Mißmuthig ging Frau Berghold hinüber zu ihrer Tochter. Also Eggi — es ist nicht zu än dern Papa besteht daraus.« Eggi lag blaß und miide aus der Chaiselongue. Sie erhob sich auch nicht, als ibre Mutter in das Zimmer trat. Nur das Buch legte sie ein we nig beiseite und blickte veririiumt und ermattet aus. ,,Wor.rus, Mama?« »Aus der Dorsreisr. Papa hält es siir sehr gesund siir dich! »Man«.a! ...« Eggi richtete sich halb auf. »Das ist ja nicht mög lich.« «-. - ---.-- · »Na, glaubst du vielleicht, ich’ werde mit so ernsten Sachen scher-! zenil Papa hält dich fiir trank und abgespannt und meinte, daß dir diel Natur am besten nützen würde, tät-l perlich nnd seelisch-" »Aber Mrma—in den meisten Bä dern ist doch die Natur viel schöner. Hast du Papa denn das nicht gesagt?« Diebes Kind, ich habe ihm gesagt, wag ich ihm nur sagen konnte. Jn. vie Bade- wia et nicht, wen ihm dal zuviel Trnbel und Zerstreuung iitJ zuviel Stadtmmschen . . . rnit einem s Wort: er will nicht. Mach du etwas dagegen!« »Gewiß. Mama, das will ich!" Und sie sprang von ihrem Polster herab und stand tampfbereit vor ihrer Mutter. »Das wäre ·a noch schöner! Man muß- sich ia vor feinen Freundens schämen. Lieber fahre ich gar nichti mit und langweile mich hier zudem-. als da — da aunt Dorf, unter den. Hühnern und Gänfeni« Aber all ihr Kampfesmuih ihr Schmollen and Tropen. ihr Schim psen und Schelten half ihr nichts. Als nach zehn Tagen Kisten und Kasten gepackt vor der Thiir standen, war ihr Wille gebrochen, und sie mußte mit, ob ihr herz sie auch ganz wo anders hinzoa. Jeden Einwurf hatte ihr Vater ihr ruhig und sicher abgeschnitten »Versuch es erit einmal«, sagte er immer, »ob es dir nicht doch Freude macht. Du kennst das Landleben nicht, und bei Sachen, die snan nicht kennt, soll man nicht vorschnell urs theilen« So hatten sie sich denn anmahnch in das Unabänderliche gesunden; doch ihr Witz und ihr Lachen waren Gal aenhumor. Sie thaten so, als sügi ten sie sich einer Laune, die ihnen un begreiflich war, der sie aber aus Gut mitthiaieit nachgegeben hatten. Und diese erhabene Art verließ sie auch nicht, als sie endlich wirtlich in das Dorf einzoqrm Es war freilich einfach und von der Entwicklung der Großstadi noch weit entserni. Das Vieh wurde noch an den Häusern vor beiaetrieben, und dir Straßen bestan den aus Lehm und unbehauenen, un gewalth Steinen, aber ein herrlich dichterWald zog sich bis an die Woh nungen heran. Hügel hoben ihn in unermeßliche Fernen und kleine Bäche rieselten munter von ihnen herab, daß er im Sonnenschein wie mit sil bernen Fäden durchzoan erschien Doch die Frau Kommerzienriithin und ihre Tochter sahen eg nicht. Ih nen siel die lieblich im Winde schau telnde Wäsche aus, die unmodernen sitleider der Honoratiorensrauen und ; das ewia Gleichmäßige im Auf und Ab des dörslichen Lebens. »Und das ist Papas Jdnll!« Sie licherten und lachten in sich hinein mit überlegenem Spott und weltli chekn Hohn. Freilich, der Herr Kontmerzienrath merkte davon nichts. Er schoelgte in der Ruhe und dem Frieden des klei nen Fleckchens Erde unsd träumte sich in die Zeit zurück, wo auch ihm des Lebens höchste Lust das Laufen ohne Schuhe und Strümpfe war. Und wenn sie Abends in der lautlosen Finsternis in der ileinenLaube saßen, di-, der Besitzer des hauses und des Gartens nicht gerade iunstaerecht zu sammenae immert, dann schwelgie er in Jugen rinnerungen, die ihm wie ein Ausathmen nach arbeitsvoller. rastloser Lebensbahrr erschienen, sei ner Frau und Tochter aber bald aleichailtig, uninteressant und lang weilig wurden. Er aber achtete nicht daraus und mertte es auch nicht. Ihm war es, als zöae er aus seinem Leben die Bi lanz — wie er ei im Geschäft itets that —- als schriebe er sie nieder, ebenfalls wie dort... nur daß statt des Papiers die Seelen kalt und farblos waren. Jn seinem Sinnen und Träumen merkte er auch nicht« wie in seiner Tochter langsam und allmählich die Freuden und Begierden ihres eigent lichen Lebens wieder aufflackerte, wie sie zuriickfiel in die alten Gewohnhei ten, die er in der Stadt gehaßt, de nen er sie hier entziehen wollte. Schon nach kaum zehn Tagen sah er sie durch »die Felder streichen, an dem hohen, wogenden Getreide ent langk das sich wand und bog, als-e bereitete es sich zur Ernte vor. Er lächelte in sich hinein. Kommt sie doch zur Besinnung? Empfindet sie doch FreudeY Er wußte freilich nicht, daß dort draußen stets in der gleichen Stunde, wenn Eggi ging unsd lam, die Jn spettoren waren, die das zierliche Fräulein aus der Stadt tief und eh: rerbietigst grüßten, die gefchnieichelt waren, wenn die Kommer·zienraths tochter mit ihnen sprach, und in ihrer unverfälschten Derbheit linkifcher er schienen, als sie es vielleicht in Wirt lichteit waren· chen Spaß! Das war einmal eine an dere Art vonKourmacherei und Flirt. als sie sie in der Stadt beim Tennis oder im Ballsaal kannte. Viel ur wiichsiger ehrlicknr... und dabei soj komisch, so zum Lachen.... Auch die Mutter mußte es sindenzi denn sie lachte mit, wenn Eggi oons ihren Fahrten erzählte; doch hob sie. warnend den Finger. tzGeh nicht zu weit, Eggi, hörst du « I Nur der Vater wußte davon nicht-. Er tannte die jungen Männer wohl.« denn auch er sprach und unterhielt sich mit ihnen und lud sie beim Vor übergehen in seinen Garten. Doch bei ihm war alles Interesse und Freude an den alten, halbvergessenenj Dingen. Daß man mit diesen ur tviichstgen Menschen leichtsertig spie len tonnte tam ihm nicht in den Sinn. ; - Eggi freilich dachte darüber aus«-s »ders. Da sie bisher des Beifalls ish rer Mutter, ihrer wärmsten Stütze sicher war, tonnte es ihr ja nicht seh len. Erzählen wrllte sie in der Stadt wenigstens können, unter Lachen und unter Heiterkeit; der Unterschied war ja schließlich auch sonderbar. Und was hatte der Vater ihr bei den Ver « handlunaen über den Sotnmeraufent halt gesagt: Wie sich so ein Mensch wohl bei ei ner Liebeserllärung ausnehmen mai-, te?! In der Stadt war das immer gleich. Gut gemeint und schnell und ohne Groll vergessen; aber hier, i)lier . . . Und das machte qui so unendli-( l Der eine, der sie mit wasserblatxen ;?luaen immer anschmachtete Und um s schwarmte —-- wenn sie den...? Es war nicht allzu schwer. Der arme Heinrich Fint war seines Her »zens sowieso nicht sicher. Träume-nd und sinnend schritt et durch die Welt. Jedes Blatt am Baum, jedes Wölk chen am blauen Himmel, jeder Thau: tropfen in der Sonne und jeder Vo glsansg waren ahm Anregung und « Verllärung. Als eines Pastors Sohn war er ohnehin innerlicher und gebil-« deter als feine Freunde und Kolleaen auf dem Dorfe. Und was die Natur nicht in ihn hineingelegt, das hatten Bücher und Schriften in ihm geboren und verschoben. Keine Unterschiede gab es für ihn; er fah nur Menschen "—— Menschen auch in dem Aermsien und Elendesten Und als er das erstemal aus der Laube des Kommerzienraths fort-Je ganan war, lachte ihm heimlich in der Brust ein goldener Zukunft-J traum. Wenn Eggi hinaus zu ihm auf lden Acker tam, dann rötheten sich feine derben Züge, dann klopfte ihm Das Herz, bis an den Hals hinauf dann schämte er sich fast seines Vlr heils- seines Ehrenlleides. Gern ging er mit ihr — in seinen Feierstundem so nach fünf Uhr am Spätnachmittag, durch die Felder; denn er sah ja, wie sie sein Leben in teressirte, und fühlte fast.·. wie ihr herz zu ihm flog. Armer Mensch Denn als wieder einmal verpliirt wie er, die Sonne unterging, mit ie nem bluthrothen Schän, der wie die Hoffnung auf neue, schönere Tage so lange iiber die Erde zitterte, da hielt die Bruft das Sehnen nicht mehr fest. Sie hatte ihn doch ermuihigt, hatte ihn etmuntert und an esporni — und an dem schmalen Wie enrand, zu dem herüber die Glocken des heimgetriebe nen Viebes klangen, sprach er das heimlich, lang oerhaltene Wort: »Ich hab’ dich lieb, Eggi. Hab’ du Eritis doch auch...nur ein wenig e .« Er zitterte und aus seinem Antlitz wich die Farbe. Aber in Egai hob sich der-Triumph Das war ja prächtig, prächtig! Hatte sie ihn doch so weit!! Aber dann überfiel sie plötzlich eine Scheu. Sie hatie nicht mehr — wie in der Stadt — den Muth, ihm mit Lachen und Scherz ein Nein zu sa aen. Sie wurde selber plötzlich ver legen, und beinahe änsastlich wies sie ihn an ihre Mutter. Dann eilte sie fort. — Am Himmel stand noch immer der bkxitrotheSchein der Abendsonne, doch jetzt war es nicht mehr wie Hoffnung in ihm —— es war wie Blut, wie jung vergossenes Blut. II sit II Zwei Tage später lam erregt der Firänrmerzrenrath aus dem Dorf zu ru . »Am-alle —- toas ist das?« Er zeigte seiner Gattin einen un gelenlen Brief Sie laö..·. ,,—— Nun, ja, —- der unverschömte Mensch war bei mir, um Egai anzu halten! Natürlich hab’ ich ihn fort getvresen.« »Und du«, herrschte er seine Toch ter an, ,,hast du ihn dazu aufgefor dert, ihn ermuntertZ Sog ehrlich — ja oder nein!« »Gott, Papa . . . .« ,.Sag’ ehrlich —- ja oder nein!« doch nur aus Spaß! Jch hab’ mit ihm geslirtet — aus Un sinn —- tveiter nichts!« ,,Geflirtet aus Unsinnl —- lind dein prerfsand man unten im Bach —- — v ui.!« ... .Kommerzienraths reisten so fort in die Stadt zura. Aber auch dort blieb ihr Haus den Freunden und Bekannten geschlossen. Es war, als ginge ein trübes Gespenst umher ...die Reue! die Himmelskanone Es war im Mai 1609, als der berühmte italienische Physiker und Astronom Galileo Galilei, der damals an der Universität Padua Mathematik lehrte, aus Holland die Beschreibung eines optischen Instru mentes erhielt, mittels dessen man im stande sei, entfernte Gegenstände unter einem größeren Sehtvinlel als mit freiem Auge, also gleichsam näher ge riiclt und vergrößert zu erblicken. Jn mechanischen Arbeiten wohl erfahren, ging er sofort an die Konstrultion eines solchen Instruments, von dem er sagte, daß es bei der Beobachtung des Sternhimmelg unschätzbare Dienste leisten müsse. Der Erfolg übertraf seine lühnsten Erwartungen Schon im Jahre 1610 konnte er den zeitge snössischen Astronomen von einer Reihe bahnbrechender Entdeckungen am Him melszelt Kunde geben, die ihm im Laufe nur weniger Monate gelun gen waren. Galilei erblickte damals als erster dir Gebirge der Mondoberfläche, an denen er bald darauf auch Höhenmes sungen vorzunehmen begann, erkannte die sichelförmigen, wechselnden Phasen von Mars und Venus, er sah. wie der anscheinend gleichmäßige Schimmer der Milchstraße sich in ein unzähliges Heer kleiner und kleinster Sterne auf löste. Am Abend des 7. Januar 1610 aber sah er zum ersten Male die vier helleren Monde des Juviterg, jenes Modell des ganzen Sonnens1)stein5, das auch die Gegner der von dem Frauenburger Domherrn Feopernitusz mit mathematischer Schärfe nachgetvie scnen heliozentrischen Lehre durch den Augenschein zu dertirtenntnifz bekeh ren mußte, das; die meisten Zentralbes wegungen im Weltall keineswegs um Edie Erde als Mittelpunkt stattfinden, wie man es bis dahin angenommen hatte. Die Astronomie, die von nun an in engste Beziehung zur Mechanils trat, hatte das Werkzeug erhalten, mit l dem der an der Erdenscholle klebende Mensch in die entlegensten Fernen des » Weltalls drang, von denen das Lichtl tausende von Jahren braucht, um bis zu uns zu gelangen. Auch an die Erfindung des Fern rohrs, die vor nunmehr 800 Jahren glückte, heftet sich der Treppenrvitz der Weltgeschichte. Daß eine Entdeckung und Erfindung von überragendem Werte meistens unter sehr prosaischem Umständen gelingt, will der an komd-s J dienhaften Anetdoten hängenden Menge nicht in den Kopf. Man be gnügt sich nicht mit Verschänerungen, dte den wahren Sachverhalt nur ge ringfügig abändern, sondern erfindet geradezu Pointen, die ihrer Wirkung auf naive Gemüther stets sicher sind. Aus diesem Grunde spukt auch noch heute selbst in Schulbüchern das Mär chen, daß es Kinder gewesen wären, die beim Spielen mit Brillengläsern zu fällig auf die richtige Zusammenstel lung der Glaslinsen gerathen seien. Das artigeGeschichtchen ist, wenngleich seine Möglichkeit auch nicht positiv wi derlegt werden kann, schon deswegen sehr unwahrscheinlich, weil seit der Er findung des Mikroskops im Jahre 1590 verschiedene hervorragende Op tiler sich um die Konstruktion eines in die Fernen des Mateotosmos dringen den Instrumentes bemühten, das als Gegenstück zu dem die Welt des Klei nen und Kleinsten auslösenden Mikro skops sozusagen zu den Dingen gehört, die die nächste Zukunft ersinden mußte. Richtig ist allerdings, daß über die ersten Anfänge der Erfindung noch heute nicht völlige Klarheit geschaffen ist. Zwei Optiker, die im Anfange des 17. Jahrhunderts in Middelburg in Holland lebten, der Erfinder des Mi kroskops Zacharias Jansen und Hans Lippersheh, der mit dem Mathemati ker AdrianMetius in enger Verbin dung stand, haben sich die Urheber schaft der Erfindung streitig gemacht,1 und ihre Nachkommen haben diesen» Kampf mit Leidenschaftlichkeit fortge setzt. Die neuere Forschung hat sichs aber für Lippersheh entschieden; denn’ er ist ohne Zweifel der, der das erste« Fernrohr anfertigte. Die zur Lösung der Aufgabe führenden Versuche schei nen von ihm im Frühjahr oder Som mer 1608 vorgenommen zu fein; denn schon am 2. Oktober desselben Jahres konnte er das fertige Jnftrument dem damaligen Statthalter der General staaten, Prinz Moritz von Nassau vor legen, der ihm durch Dekret vom 15. Dezember desselben Jahres eine Be lohnung von 900 Gulden anwies. Das holländische Fernrohr, das, wie schon erwähnt, von Galilei sofort nach tonftruirt und zu astronomischen Be obachtungen benutzt wurde, gestattet aus hier nicht näher zu erörternden Gründen der mathematischen Optik keine besonders starken Vergrößerun gen. Es fand aber namentlich des wegen eine überraschend schnelle Ver breitung, weil es sich wegen seiner ge ringen Länge bequem handhaben ließ. Schon im April 1609 war es in Pa ris im offenen Handel und bald lie ferte Lippershen auch das Binokular fernrohr, das das gleichzeitige Sehen nsit beiden Augen ermöglichte und noch heute in Gestalt der Operngucker mit zwei: bis dreimaliger Vergrößerung und der Feldstecher in Gebrauch ist, bei denen sich die Vergrößerung nicht höher als bis auf das zwanzig- bis dreißigfache treiben läßt. Die praktifcheBeobachtungsthätiqkeit d·’r Astronomen verlangte nach lei stungsfähigercn Fernrohren, die mit bedeutender Lichtstärke auch ein großes Vermögen der Raumdurchdringung und Auflösung verbinden. Die Lö sung dieser Aufgabe gelang dem be rühmten Kepler, der, damals als Nachfolger Tycho Brahes in Prag im Dienste des gespenfterglüubigen kaiser lichen Astrologen Rudolf ll. stehend, in einem 1611 erschienenen Werke die Konstruktion des sogenannten astrono mischen Fernrohrs angab. Er selbst hat allerdings sein derartiges Instru snent erbaut, dessen erste Ausführung 10313 durch Christian Scheiner, jenen gelehrten, lsisls in Neifze gestorbenen Jesuiten erfolgte, der als erster am 21. März 1611 einen Sonnenfleck gesehen hatte. i Auch mit dem astronomischen Fern rohr, das die Gegenstände bekanntlich verkehrt, nämlich oben mit unten und links mit rechts vertauscht zeigt, war dem Bediirsnisz des Laien selbstver ständlich nicht Genüge geleistet, der mit einer Landschaft, die aus dem Kopr steht, nichts anzufangen weiß. Erst 1645 gelang es dem Kapuzinermönch Anton de Rheitm das sogenannte ter restische Fernrohr zu ersinden, indem er das Bild des astronomischen Fern rohrsz durch Einfügung von zwei wei teren Linsen nochmals umkehrte. Während hieraus die bekannten Ta schenaugzugss und Reisefernrohre ent standen, begann man zuastronomi schen Zwecken wahre Goliathinstru suente zu bauen. Hungens tonstruirte 35 Fuß lange Fernrohre. die eine hundertfache Ver-; größerung gestatteten. Campani triebi mit einem 17 Fuß langen Instrument ; die Vergrößerung bis auf150 undl Auzout schuf sogar ein Objektivglas von 200 Fuß Brennweite, mit dem eine 600fache Vergrößerung zu erzie len gewesen wäre, wenn er die auch beute noch unlösbare Aufgabe hätte er fiillen können, eine von Durchtnirlun gen freie und leicht lenkbar-e Röhre von entsprechender Länge zu bauen. » Aus diesem Grunde griff Newtonf die schon 1616 von Zucchius angeregte( Jdee aus, Fernrohre unter Benutzung von großen Hohlspiegeln zu bauen und » i das von ihnen entworfene Bild durch eine stark wirkende Lupe zu betrachten. Das erste von Newton 1671 lon struirte Spiegelteleslop stellte dieVok theile dieser Instrumente, die Rein lieit und Schärfe der lichtstarlen Bil der und ihre Freiheit von störendet Farbenzerstreuung in so helles Licht, daß man sehr bald auch Spiegeltele frove von riesiger Größe baute. . Ein von Lord Rosse lonstruirtes Instru ment, das 55 Fuß lang war, einen Durchmesser von 6 Fuß hatte und samintSpieg-el über 20,0()0 Pfd. wog, gestaltete es, die lineare Vergrößerung bis auf 6000 zu treiben, sodaß Gegen stände auf dem Monde so groß erschie nen, als ob sie sich nur in einer Entfer nung von 50 Meilen befänden. Man mußte dafür aber ein sehr langsames Arbeiten an den ungeschlachten Roh ren und die Gefahr mit in den Kauf nehmen, dasz der kostbare Spiegel in einer einzigen Nacht bei eintretendem schlechtemWetter verdarb und that dies auch, weil man sich durch Newton zu dem Glauben verführen ließ, daß ein astronomisches Fernrohr (Refraktor), das von Farbenzerstreuung frei ist« nicht konstruirt werden könne. New ton hat sich hier in einem verhängniß vollen-Jrrthum befunden, der die«Ver vollkommnung des Fernrohrs durch mehr als 50 Jahre aufgehalten hat; denn erst im Jahre 1757, nachdem Eu ler in der Verwendung von Gläsern, die das Licht verschieden stark brachen, das Mittel gefunden hatte, die Farben zerstreuung aufzuheben, entstand unter den Händen Dollonds das erste achro matische Fernrohr, das den Spiegel telefkoven das Zügenglöcllein läutete. Von diesem Zeitpuntt an schreitet - die Vervollkommnung des Fernrohrs imit Riesenschritten vorwärts, seltsa merweise sind es aber nicht die gelehr ten Astronomen, denen die Glastechnik und rein optische Fragen ja auch ziem lich fern liegen, oder die gelehrten Professoren der Physik, die in Verbin dung mit der Chemie der Glasfliisse berufen wären, Praxis und Theorie in nutzbare Verbindung zu bringen, son dern Praktiker und Empirriker. Erst die allerneueste Zeit hat durch Begrün dung des Glastechnischen Laborato riums in Jena durch Abbe und Zeiß den Weg gezeigt, wie der theoretische Gelehrte am sicherften an der Hand der Praxis vorwärts schreitet. Durch volle zwei Jahrhunderte aber bringt die Ge schichte des Fernrohrs (wie diejenige des Mikroskopes) zahlreiche Beweise dafür, wie der wissensstolze Gelehrte es zum Schaden der Sache verschmäht, mit dem Praktiker Hand in Hand zu arbeiten. Während die praktischen Optiker deshalb mit den nach den Vorschriften der abstrakten Theorie berechneten Linsen zahllose Mißerfolge erzielt ha ben, entwickelte sich Josef von Fraun .hofer in München aus seinen Anfän - gen als Lehrling bei einem Spiegelma ; cher und Glasschleifer zu einem opti sschen Genie, das die Pendelschleifma »fchine erfindet, Fernrohrlinsen von na » hezu mathematischer Genauigkeit her Jstellt, fast fämmtlicheGrundlagen fiir die vollkommensten Refraktoren der Gegenwart schafft und auch auf rein theoretischen Gebieten der Optik bahn brechend wirkt. Die Astronomie der Gegenwart, der svon staatlicher Seite wie von Seiten privater Mäzene reichliche Mittel zur Verfügung gestellt werden, verfügt selbstverständlich über noch viel lei stungsfähigere Instrumente als die Fraunhofer seinerzeit liefern konnte. Nur ist das größte keineswegs immer dac« beste. So war das Riesensern rohr der letzten Pariser Weltaugsteb lung, von dem Verlogenheit der Nella me zu behaupten wagte, daß es den Mond bis auf die Entfernung von 3 Fuß heranrücke, wenn man sich höflich ausdrückt, ein schmählicher, aus die Dummheit der Besucher berechneter Jahrmarltsschtvindel Abgesehen, das-, eEL sich hier um ein Spiegelteleslop von sehr mangelhafter Beschaffenheit handelte, leisten kleinere Fernrohre, Instrumente von 10 bis 15 Fuß Län ge und zehn bis zwölf Zoll Linsenöff nung, wie sie schon um 82500-—84000 hergestellt loerdeu, hinsichtlich der De finition, d. h. der Genauigkeit des Bil des, mehr alg Riesenfernrohre, die eine Viertel Million und mehr kosten. Gleichwohl rechtsertigi sich der Bau von Riesensernrohren aus anderen Gründen· Nur bei ihnen ist nämlich die Lichtstärke so groß, daß auch die entferntesten Sterne und Nebelslecke sichtbar werden. Es ergibt sich aber dabei die dem Laien als Widerspruch erscheinendeThatsache, daß ein Riesen sernrohr, das die winzigen Marömom de Deimos und Phobvs zeigt, die wahrscheinlich nur einen Durchmesser von f; Meilen haben, gegenüber den in jedem besseren Zehnzöller sichtbaren Marökanälen völlig versagt. Dr. Curt Rudolf Kreuschner.