Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, June 12, 1908, Zweiter Theil, Image 14

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    Der Puppenfpieler.
Lümmel-Roman von Karl Roman
(1. FortfesungJ
Eva aber hören Sie, wag dieses
Uetgesbiatt damals auf Grund sei
Iet ppkizeilichen Juformationen zu
sagen wußte-« «
Und et nahm wieder einen klei
IFI Schluck aus seinem Glase, setzte
II Cis-satte, die zu erlöschen drohte,
durch ein paar paffende Züge besser
is Brand und begann zu lesen:
0Zum Diebstahl in der
Stephangtirche.«
,Jn der Nacht von Donnerstag
auf den Freitag ist, wie wir nnserern
Lesern schon im gestrigen Abend
blatte mit wenigen Worten melden
konnten. ein Diebstahl verübt wor:
den« der in Beng auf Kam-läng
keit und Verwegenheit des Verbre
chers seinesgleichen sucht, und ver
wiederum ein Zeugnis dafiir ist, daß
rade in der jüngsten Zeit der Reis
Fett der hauptstadttifchen Verm-l
cherwelt vor dem öffentlichen Sicher
heitswesen bedenklich geloctert zu
Haben scheint. —- Der Gauner hat,
wie nunmehr auf Grund der sofort
eingeleiteten Erhebungen ersichtlich
ist, den Umstand, daß die Stephangi
kirche gleich den anderen Wiener
Kirchen Nachts nicht bewacht wird,
dazu benuht. sich Abends in die
Kirche einschließen zu lassen, um da
sein Verbrechen während der Nacht
ausrufiihren Der Dieb hat ein über
dem hochaltar angebrachtes marien
sild von altehrwiirdigem Kunstwerth
ein Bild, dem der fromme Glaube
wanderthätige Wirkung zusagt, und
das derDant der Frommen mit Edel
inen im Werthe von vielen Tausen
von Gulden aeschmiickt hatte, sei
nes Schmuckes beraubt. Es handelt
sieh um die sogenannte «Maria von
sitt-sc ein Votivbild das im ab
re 1676 von einem ungarischen a
ller nach boaantinifchem Vorbilde ge
schaffen worden war, und das der
Wand wegen der tiefen Nach
Inkrlung der Farbentiine »die
W Madam-a« nannte. Schon
ist Jahre 1696 zog dieses Bild die
Aufmerksamkeit weitester Kreise aus
N als damals gläubige Frost-me
Urliindeien, daß sie gesehen hätten,
sie Tshränen den Augen der Ma
donna entströmten; Damals wurde
das Bild nach Wien ebracht,« und
sacd darauf von der aiserin Geo
Ioee Magdaiene Therefia mit einer
Mai-jenen Rose geschmückt Sie
Ist das erste Schmuckstiiek des schließ
Ich von einem förmlichen Kranz von
Idelsteinen umgebenen Mode-unen
W. —- Da es völlig ausgeschlossen
II. daß der Dieb Nachts in die mit
schweren Schliissern verwahrte Kirche
km gelangen können, ist es zweifel
s, daß er sich vor Schließung der
Me, also oor sieben Uhr Abends,
it das Gotteshaus eingeschlichen hat.
Ue aEabendlich, ist die Kirche auch
mgestern vor Schluß der Thore von
mehreren Kirchendienern in allen
sinkeln und Ecken sorgfältig durch
sucht worden, ohne daß jedoch etwas
Inffilliges bemerkt worden wäre
Der Dieb muss sich also sogleich einen
Versteck gewählt haben. der ihn vor
Entdeckung bei der erwähnten Durch
nchung der Kirche sichern. —- Das»
ld der «Maria von Pötsch«, aufs
dessen kostbaren Schmuck der Kirchen s
rauher es abgesehen hatte, war sammtj
iden Schmuckstiicken zunächst durch einJ
Bitt-met Eisengitter genchert unds
anrmt diesem von einem Soiegelglases
deckt. Auch iiber die Art, wie der
Wgene Dieb an das Marienbild
regte, ist nunmehr Klarheit ge-l
den. Er bediente sich hierzu einer
seiner, die zum Anständen der Gas
sssdecaber in der Kirche verwendet
sied, send die sonst ihren Platz in
M Oele des rechten Seitegschifses
D
Ist. Beschadigungen an der Damige
sei des Hochaltar-regt lassen deutlich er
kennen, wo der Dieb die Leiter ginge
sehnt hat. Aus ihr stehend, hat er
Ilsdann die Scheibe über dem Dig
tienbilde eingedrückt, und hierbei muß
er sich an der band ein wenig verletzt
haben, denn das Altartuch unten wies
mehrere runde, breit ausgefpri te
slntstrapsen auf, ebenso zeigten ie
Scheibenftücke Abdrücke der blutigen
Finger Alsdann zog er, was er
Don den Edelsteinen und Schmuck
sitcken erreichen konnte, zwischen dem
Stett-werte des Gitters herzus. Es
nd hierbei die erwähnte diamantene
e der Kaiserin Eleonore, mehrere
werthvolle Diamant- und Ru
» It
Pisschmuckstückh Perlenkolliers und
verschiedener alter Goldschmuck in die
Ende des Räubers gefallen. —Rerch
tm er seinen Raub ausgeführt hatte.
Ins-Oe et, allem Anschein nach, die
W g ihren Platz zurück und er
Mrtete Wsnung der Thore. Diese
sont-M quel- gestern Morgen wie täg
-. gi- qm rech- uht ein-erhole Greich
Daraus werden die Lisiter in der
Kirche angezündet denn schen wenige
sei-m- uch sechs uhe n ver Sa
. WORK-r die erste Me .e vor dein
I gren- Arse kurze Muse
t, die Wer dein Dessnen der
, » d dein Entzünden der Lichter
»N. uns derdieb kennst haben,
Our Wir zu entkommen Entdeckt
der Matt m des alten
Islitcheuvienet Repvmuk LechlekthJ
l der bei der Zuküstung für die erste.
Messe die Blutflecken auf dem Altar-I
suche und, dadurch aufmerksam ge-?
worden, die Glassplittee und die Be-!
fchädigimg des Altatschmuckez be
merkte. Der Werth der geraubten
f Schmuckstücke wird mit etwa zwan. ig
; tausend Gulden angegeben. Die -
I lizeikommissatiate sind sofort von dem
Verfalle verstöndigt worden und ent
wickeln eine fieberhafte Thötigleitzut
Aufklärung des Falles. Leider ist es
aber bis zur Stunde nicht gelungen,
des Tbätees habhaft zu werden«
Richard Planl hielt ein und blickte
dann noch einmal flüchtig über das
Zeitungoblatt hin.
»Ich-' sagte ee dann. »das wäre
die Dauptiache Da folgt dann nur
noch eine Mitheilung. daß dem in
Rom weilenden Kardinal-Fürsterzbi
ichoi Groscha telearapbisch von dem
Vorfall Nachricht gegeben worden sei.
und dann eine ausführliche Beschrei
bung der »Maria von Pötfch«, die
irgend ein lunstoerständiger Journa
lift ausJZlnlasz der Aktualität rasch
geliefert haben dürfte —- eine Be
fchreibuna mit Betrachtungen über
byzantinische Kunst sowie aefchichtli
chen Einfchaltunaen, Hypothesen über
die angebliche Wunderwirlung des
Bildes —kurz, mit einem nhalt. der
für den Kriminalisten als olchen be
deutungslos ift .«
Und während Richard Planl das
Zeitungsblatt nun wie-der in seiner
umfangreichen Briestafche verforgre,
fnhr er zu sprechen fort:
»Als ich diesen Bericht damals qe
lesen hatte und dies ielbe Blatt, das
Sie soeben sahen, dann sinken ließ.
war jenes seltsame Gefühl von Inter
esse, Gehobenheit und Jagdlufi in
mir, das uns Deteltios wohl fteti
mit Macht ergreift. wenn wir nach all
dem Kleindienft des Alltags, nach all
der typischen Gewöhnlichteit der
Dusendoerbrechem uns einem Falle
gegenüber sehen, der eiaenartig ist« der
Schlauheit und Kaltblütiateit in der
Anlage und Durchführung verräth,
kurz. der uns sagts daß hier ein nicht
zu unterschiihender Gegner am Werte
war.
»Ein paar Augenblicke lann stritt
in mir derGedante, ob ich nicht bin
gehen sollte. um meine Kraft dem
Dienste dieser Sache anzubieten. mit
meiner Besonnenheit. Aber nur ein
paar Augenblicke lang· Dann sagte ich
mir, daß seit der Entdeckung bei Ver
brechens über vierundzwanzig Stun
den verflossen waren, daß diese An
gelegenheit also wohl längst in den
händen tüchtiger Kollegen lag·
Schade...
»Ich wollte an anderes denken. aber
die Sache ließ mich doch nicht zur
Ruhe kommen. Immer wieder kehr
ten meine Gedanken zu dem bewege
nen Kircheanuber zuriich der da nach
einem bis ins Kleinfte sesiaelegten
Plane exatt und taltbliitig in dunkler
Nacht, über den hallenden Griiften
beimgegangener Geschlechter, seine
Beute aus der höhe des Altar-aus
baues niedergeholt hatte. um dann
spurlos, wie er gekommen war, wie
derum zu verschwinden.
»Und bei all diesen Gedanken an
den kühne-. nervenstarfen Gauner
wuchs neben meiner Luft, bald mehr
von ihm zu wissen, leise ein heimlich
stiller Wunsch in mit aus: Wenn der
Kerl nur fest teine allzu plumpe
Dummheit macht! Denn. daß ich es
nur sage, manchmal, wenn ein Ber
brechen wirklich von Eigenart zeugt,
dann tritt zu aller Luft. es zu ent·
larven. fiir mich und meinesgleichen
oft ein unbestimmtei, pages Sorgen:
Der Kerl soll in Schönheit unterlie
gen, er foll sich den Respekt vor fei
nen Gauner ben. den er uer du
J sein Berbr n abgenöthist hat« nicht
« nachträglich durch einen allzu dum
men Streich verscherzen. Wir wollen
eben Gegner haben, deren Iesieguna
dem Sieger auch mit Recht Ehrel
" machtl. ..
»Als ich etwa um zehn Uhr in das
Polizeigebäude kam, um mich als
heimgetebrt zu melden und um Be
richt über meine Reise abzulegen,
theilte mir der dienftt nde Beamte
mit, daß der Polizeirab Franz Auf
trag gegeben hätte, mich sosort nach
meinem Eintreisen zu ihm zu führen.
»So folgte ich denn dem Beamten
durch all die Gänge und Borcäume
nach dem Zimmer meines Chris
«Der saß. als wir eintraten, vor
seinem Arbeitstische und war mit der
Lettiire der Berichte der verschiedenen
Polizeiwachen beschäftigt SeineSkirn
war gesucht etwas Soraenwlles,
Gedrücktei schien mir iiber dem— sonst
so energischen Gesicht mit den strafen
Zügen, über der ganzen Gestalt i
Mannes zu liegen, dessen unermüd
liche Thattrast und Frische ich früher
so ost bewundert hatte. « ,
»Als er mich erkannte, schob er die
Strtpturen hastig beiseite, stand aus
send kam aus mich zu. Eine echte
rende sprach ihm aus Blick nnd
rten» »als er mir dann die Hand
entgegenstreckte
»Ah —- Sie ndti, Herr Plan-il
Das ist schön. ' ten Sie mir sittl
trnmen — lang genug haben spie uns
nicht gesehen! Bitte, nehrnen Mai
—- hier —- and eine igarref —
Riehti —- Nun, dann g arme Sie.
daß ich mir eine anziindk—«
»Er brannte ein Streits-hats an,
» und wieder fiel mir, währender nun
« die Zigarre in Brand sente, aus« da,
seine hand ein wenig zitterte, da
geine gewisse Nervositiit ihn deherrf te,
idie mir früher an ., diesem M ne
! fremd gewesen war.
« »Sie haben mich sprechen willen,
Herr Rath.« Mann ich. »Ich nehme
an, es handelt sich um meinen Bericht
über den Herrn, den ich Ihnen da aus
Kuba zurückgebracht habe.«
»Er unterbrach mich: »Ihr Bericht?
Nein, das ist es nicht, so dankbar wir
Ihnen auch sein müssen fiir das. was
Sie in diesem Falle wieder geleistet
haben! Es ist etwas anderes, lieber
Herr Plant ——— eine Sache, die mich
Ihre Rückkehr seit Wochen geradezu
mit einer gewissen Ungeduld hat er
warten lassen, und in Bezug auf des
ren triminalisiische Erforschung ich
meine ganze Oeffnung auf Sie sehe!«
.Er sah mich gespannt an. dann
senkte er den Blick auf die glimmende
Asche seiner Zigarre nieder. Er schien
zu til-erlegen. wie er beginnen sollte.
Most-m ouare er aus.
.haben Sie die Wiener Angelegen
beiten verfolgen lönnen im Laufe der
letzten Monate?"
»Ich schüttelte den Kopf. »Nein
Sie wissen ja. daß ich den größten
Theil Jus einer Mjngd hinter dem
Destaudanten drein im Ernteß ug,
aus Schiffen und zum Theil irn n
nern Midas verbringen mußte —-da
schwindet jede Möglichtekt, aus dem
Lausenden zu bleiben mit dem, wag
unterdessen hier geschieht.«
»Er seuizte und strich sich neroög
den turzen. leicht ergrauten Spin
hart.
.Ja.- lieber Plank, dann haben Sie
ei gut gehabt! Denn was Erfreuli
ches hätten Sie iauni erfahren, wenn
Sie all diese schönen Dinge gelesen
hätten. die wir indessen hier erlebt
h:den. Aber das Neueste: den Raub
in derStephanstirche —— davon haben
Sie gelesen? Nun also! Ja — das
war der jüngste Streich —- aber von
der Sorte haben wir mittlern-eile
Zwei Dutzend. und nur Geduld —
morgen sei-on vielleicht ist ein aller-:
jüngster da! Und wir sind dabei
machtlos —- machtloI!« !
·Der Polizeiraih war ausgestandeni
von seinem Plag. Erregt und nervös
gin er, während er nun weiter-sprach,
in einem Urbeitsjirnmer aus und
nieder. Man sah ihin an, wie sehr
die uorgesallenen Dinge ihn bedrückten
und wie sein ganzes Wesen danach
drsingte und sah gequälte hier Mar
hert zu schaffen.
.Wai er ir nun auseinandersegte
und bericht e. das waren Einzelver
brethen — ganz verschiedenartige
tiihne Gelegenheitsdelitte —- die heute
bier und morgen dort verübt worden
waren. Vortomniniise, denen der talt
trittsche Verstand kaum einen Zusam
menhang jumuthen konnt-e, die nur
dadurch besonders au ielen, da sie
zeitlich beinahe alle ich ini Ver ause
des legten halben Jahres abspielten,
daß sie ohne Ausnahme »in-sc Große«
gingen, also bedeutende Objekte betra
sen, und dasj sie durchweg eine gazz
ungewöhnliche Schlauheit und ta it
blütige Berechnung in der Anlage
aufwiesen- Zurn großen Theil waren!
die Anschläge gegliiett, und reiche
Beute war den Gaunern in einer gan- ;
gen Anzahl von Fällen in die Hände
gefallen. Aber all diese wohlgemung
nen Verbrechen hatten, wie ge agi, bis
aus die Schlauheit und ganz ausfal
lend umsichtige und seine Berechnung,
mit der sie angedreht waren, eigent
lich nichts Gen-einsamen Es war, wie
mir der Polizeirath Franz sagte,
mehr eine Gesiihlstrititvon ibtn als
eine mit viel Gründen vertretbare
Ansicht, wenn er die anze hl der
Title doch immer wi r we etwas
; sammengehörigee überschautr. Or
stünde damit auch irn Gegensatz zu
jenen Beamten. die bisher mit den
einzelnen Fällen und ihrer Klärung
betraut gewesen waren —- denn sie
use wären der Ueberzeugstsn dass es
sich hier wohl um eine Reihe schwerer
Delikte handelte, daß diese aber durch
aus als Einzelverbrechen ohne Zu
sammenhang miteinander zu betrach
ten wären. Ausfällig mae allerdings
auch diesen herren, daß die Verbre
chen durchweg von einzelnen Personen
ausgeführt waren, die ohne Genossen
» oder hilsskröste gearbeitet hatten,
i und die, soweit sich das aus den Dox
lumenten der Verbrechen erkennen
ließ, irah der seinen Plananlage doch
keine Zutritt-erdulden vielmehr in
manchen Fällen geradezu Dilettanten
des Verbrechens waren. Die That
sache, daß man es hier auch in den
gelungenen, nicht entlarvten Fällen
nicht etwa mit einer ganzen Anzahl
van Verbrechern zu thun hatte, war
durch Vergleiche uriickgelassener Fin
gerahdrtiete, Fußspuren und sonstiger
Anhaltspunlte deutlich erwiesen.
»Ich unterbrach den Polizeirath
mit einer Fraue
«Sie glauben also an eine Art Ban
denbtldung —- Sie glauben, daß all
diese Leute durch eine verbrecherische
Gemeinsamkeit zusammen gehören-P
»Der Palizeirath hob die Achseln,
ein unentschlassener M stand unt den
sonst so energischen nd.
Oandenhitdungt —- Liebee lanl,
Sie wissen, rnit wie viel Varsi t wir
Miminalisten das Wort gebrau
miissen. Oh ich hat« spat ich hier -
adachtete, so nennen taan —-ichn-eis
es nicht. Ich sehe hunderthsnde —
s .
und lege einen Gem, der hinter-den«
Verbrechen dieser hundert findet
steht! Aber kann ils darum a en,
daß ich biet eine tegeltth otganl tte
Bandes-or mit dabe? Gewiß —lcbtie
den wer deute noch die Jahreszahl
1800 oder wären die Zeiten längst
vergangenet Nänbetromemtik Enoch
lebendig, ich würde dieses Were ge
brauchen —- ttoh allem, was in jedem
der vorliegenden E· zelfölle Zuge en
spricht. Ich würde ·betlegen, o ch
nicht doch eine «Bande« qedildet haben
könne« die dxs Gelübde ver Verschwie
genheit jedem einzelnen ihrer Mit
glieder mit ganz unerhörtes Schärfe
zur Pflin gemacht hätte. eine
«Bande«, die ihrem übetkgenen Fül
kek in blindem Gehorsam ergeben
L wate —-————«
per-Lat
l
s
.Der Polizeiratb schüttelte plo lich
den Kopf und bielt iiib in seiner an
derung durch die Stube. «Aber das
sind ja alles Phantaitereient Ueber
die Zeit solcher Romantil sind wir
gründlich hinaus. und aus dem Holz,
das ebeinals die Bandenfiibrer gab,
wachsen beute die genialen Einzelver
brecher! Fiir Banden ist kein Plas
mebr in unseren Polizeistaatem die
inoderne Krimnalistik bat solchem Ge
triebe den Boden entzogen! Und den
len Sie doch selbst. Plaiik —- bier in
Wien! —- ioo wir doch jeden halbwegs
ialentvollen Verbrecher kennen, wo
wir in diesen lehten Jahren das ganze
iioeiselbaste Bevölkerungsmaterialgei
siebt und wiederum aesiebt szaben,ioo
wir ieat einen Ueberioachungjdienst
organi ren konnten, der musterhaft
arnan werden kann —- ivo sollte
denn etwas wie eine .Bande" exis
itiren können!"
»Und die Leute, die man sestaeis
nomnien bat.« wars ich ein« »diese
Menschen« deren Verbrechen ;bnen zu
dieser seitsamen Gruppe von eiikten
zu gehören scheinen, läßt sich aus de
nen gar kein Hinweis locken, und bie
ten denn die gar ieine Anhaltspunkte
» für irgendwelche Schlüsse?'.'
,·Der Polizeiratb ging wortlos zu
leineni Aktenständen nabm einen über
spannboben Stoß von Atten, die in
blauen Pappniappen lagen. aus einein
« der Fächer und sente den vor mich bin
aus den Tisch.
»Da. lieber Plank. bedienen Sie
sich! Da baben S«e eine unterbaltliche
Lektiire siir die nächsten Teicet Aber
eins kann ich Ihnen gleich sagen,
wenn mir die unentlardtrn Fälle —
die Fälle« in denen uns die beeren
Verbrecher entkommen sind —- rätbi
selbast erscheinen —- diese hier —- die
bei der That ertappten oder nachber
sestgenoininenen, sind’s mir noch mehr.
Schon ein Blick aus die Namen und
Berufe der Leute« die Sie da beisam
men finden. wird Sie staunen machen
s-—ia, lesen Sie nur« herniann Son
boda, sioilingenieur —- Else Linzer,
Kontori in — Aarl Edingr, Bank
beamter —- iind so weiter. und so
weian Alles Menschen aus guten
Kreisen. zum Theil aus den besten
Familien. Alles Leute, von denen
keiner noch jemals irgend eine Vor
strase gehabt bat oder mit dem Stras
geseßbuch in Konflikt gelommen wäre
-— also alles reine Berussoerbrecher,
und doch alle bei irgend einem schwe
ren Verbrechen gegen fremdes Eigen
tlzum ertapott Und dann, wie sich
die herrschasten bei ibrer Festnobme
und nachher beim Verbiir benebmen
—-— wie Kinder und wie Betrunkenes
Wabrbastiz lieber Planl —-— ich stehe
ietzt seii»sechsundzroanzig Jahren im
setcherbeitsdiensi — aber diese Sze
nen. wie ich sie da neitangeseben
habe —- '-· —
.Die Klingel des Telepbons be
gann surrend und schrikl zu bis-n
rnern-«und unterbrach die Rede des
Polizeiratbs.
»Der naben die hörschale an das
br.
dägier Polizeiratb Franz —- ioer
«Eine Pause. Ganz sii war es
im Zimmer, aber die Oe alt des
Æzeiratbss strasste sich, und ein
, Noth der Erregung stieg ibm
1
in die Stirne. -
.Wie? —- Bitte, noch einmal —«
«Allec war Lauschen und Erwar
tung an dem Manne, und auch ich
horchte auf, obwohl ich natürlich
nichts von dern verstehen konnte,
was der Partner des Polizeirathes
sprach. Nur ein ganz leises, ble
chern llingendes Rauschen ainq vonj
dem Apparate aus und drang her-»
übe- vir zu mik. i
.Dann aber klang aufs neue die!
Stimme meines Vorgesesten I
.Sa? —- Jrn vierten Bezirk —l
—? Und Sie haben den Mann
dort sest?« «
«Wieder Schweigen Nur das leise’
metallische Rauschen. Und über dern
aanzen Wesen des Polizeirathee der
Ajuidruck neu ausladernder Ener
g —- —
»Ja, natürlich! —- —- Verdöreni
Rein, ich will ihn tell-it verhören.
Nehmen Sie den nächsten Mai-en
und bringen Sie den Mann her
her! Auch der Goldarbeiter loll d
mitkommen! Aber, bitte, so schne
wie möglich —- —— —- Ja —- gan
rechtl —- —- Schluß!« »
«Vieder das surrende Hammetn
der kleinen schrillen Klingel
»Der Poliseirath säugte die Dile
schale wieder sein ·und wendete nsich
dann zu mir. Seine Augen glanz
tslz er atdrnete ties aus«
»Wir baden ihn —- —!« .
»Was —- wenn ich sragen darst
Mit-Laden Kerl aus der Ste
p tr «
.So«—-— —-!« Ein leises Mlkl
der cuitiuschunq stieg in mir, au .
»Ich gratuliere Ihnen«, sagte ich
dann nett-· aber ich fühlte zugleich
daß mein Herz nicht rnit h iesen
Worten war. Beinade schmerzlich
kpar ei mir daß der Mann, der
kenen fp virtuoj angelegten Raub
ausgefiilzrt hatte, nun —- wohl durch
irgend eine Dummheit durch eine
nn Vergleich zur Kühnheit seiner
That unwiirdige Unvorsichtigteit —
io rasch der Polizei in die hände ge
fallen war. ,
»Der Polizeirntb nickte mehrmals
hintereinander reich und freudig. —
.,Gott sei Dant!« meinte er dann,
»die Sache bat mir auch lchonioie
ein Stein auf dein Ver en gele en!"
Und er ging zu seinem ifch. achte
ein paar Blätter und Protokolle aus
den Stößen von Slripturiii und
Leg-te sie vor sich bin.
»Sie lassen sich den Mann hierher
immer-, Herr Ratt-W fragte ich. und
icks tniipite damit an die Worte des
trlepbonilchen Gespräches an, die ich
vernommen hatte.
«J..i, freilich. Ich will ihn selbst
vernehmen. Jn einer Viertelstunde
haben wir ian da. Auch den Gold
arbeiter. bei dem er die ausgebro
chenen Steine hat verkaufen wollen
nnd der seine Verdaituna veranlaßt
dat. Na, Planl, bin ich frei-. daß
wir den Burschen baden — —- ——!«
Gartsetzung folgt.)
Doo selig-trustees us Ostern-U
Dicht neben dem geschichtlichen Flet
ke. wo auf dem Schlachtfelde von Wa
terloo Napoleoni Stern erlosch, besaß
zu Anfang des 19. Jahrhunderts ein
gewisser Victor Troyon ein unschein
bares häuschem Die Generäle und
Offiziere von Napoleons Heer erhiel
ten hier auf ihre Bitte mehr als einen
Becher friichen Wassers während der
viele Stunden dauernden heissen
Kämpfe arn 18. Juni 1815, und sogar
der Kaiser selbst suchte fiir einige Zeit
Erholung in dem bescheidenen Wohn
zimmer des Mannes. Als dann die
blutige Schlacht entschieden war, hiel
ten sich auch die glücklichen Sieger,
Blücher und Wellington, vorüberge
hend in demselben Zimmer auf.
Kaum waren die Feldherren samt
ihren herren aus der Gegend weggeso
aen,«alo Viktor Tronon. der mit den
Seinen im Getiimmel der Schlacht die
ichrertlich bedrohte Lage seines hauses
lebhaft beklagt hatte, Ursache sand, ge
rade flir diese Lage recht dankbar zu
sein« Ei verging tein Tag, an dein
nicht Reisende, oft oon weit her, bei
ihm vorgesprochen hätten, um sich nach
den Vorkommnissen bei der Schlacht zu
erkundigen und unter seiner Führung
die dxntwiirdigsten Punkte zu besichti
gen. Mit Rührung betrachteten sie
auch das Stäbchen. in welchem die
beiden des großen Tages sich aufge
halten. den Tisch, an welchem sie sich
ernuiett die Stühle, auf denen sie ge
sessen, dir Gläser, aus denen sie ge
trunken hatten. Sie drängten sich da-·
nach, an diefer geschichtlichen Stätte
sich gleichfalls erquicken zu lassen, und
ohne daß er etwas dazu getan hätte,
wurde herr Trovou veranlasst, Bier
und Wein im Haufe zu halten, unt sei
ne zahlreichen Besucher befriedigen zu
lönnen.
Damit aber nicht genug: die meisten
seiner Gäste waren auch begierig, ein
Andenten von dem Schlachtfelde von
Walerloo und dein tlrinen häuschen
mitzunehmen, das so- hervorragende
Herden unter seinem niederen Dache
beherbergt hatte. Sie bestürmten den
Besitzer, ihnen dies oder jenes zu liber
lassen. Nun aber war herr Trohon
ein schlichter, einfacher Mann, der siir
das damals besonders stark grassieren
de Reliquienfieber ganz und gar tein
Verständnis hatte. Er wies also die
Bittfteller rundroeg ab; er habe kein
Andenlen zu vergeben. Dabei war er
ein Mann in äußerst beschränkten Ber
mägensverhättnisfen, der persönlich
die Bedienung der bei ihm Vorsvrei
chenden besorgte und selbst ietzt nur
das tät-gliche, tägliche Brot zu erwer
den imstanoe war. -
Da war es der schlaue Rath eines
Nachbarn, der den einfachen, redlichen
Menschen zu einem Reliquienböndler
und bald zu einein reichen Manne
machte. Jhm gegenüber nämlich be
klagte er sich über die Zudringlichkeit
der fremden Reisendem die ihm am
liebsten die Gläser aus dem Schrank,
die Bilder von der Wand, die Möbel
aus dem Zimmer entsiihrten·
»Ja, aber warum überlassen Sie sie
ihnen nicht?« fragte der ebenso scharf
sinnige. wie skrupellose Mann dem sich
Betlagenden.
»Wie soll ich sie ihnen lassen?«
meinte er erstaunt. »Ich hätte ia dann
selber keinen hausrath mehr?«
: .Mann.« war des Nachbars Ani
;wort, »Sie geben ihn doch nur weg
fiir schweres Geld und können sich weit
bessere Sachen dasiir kausenl ,Wenn
Sie es geschickt anfangen, können Sie
Ihren Lebensunterhalt davon haben.«
here Froh-n lachte wie iiber einen
wohlseilen Wih und entgegnete:«·«Was
die guten Leute mir wohl an Reichthü
mern siir meinen Altviiierhausrath ge
beii würden, wurmstichig und wacklig
wie er ilit Und woher ich noch wissen
sollte, welches das Glas ist, aus« dem
nun gerade Napoleom Bllicher oder
Wellinsion etrunken hak! Die Gläser
sind abgewa chen und ausz Küchenbrew
gesth worden« mehr weiß ich davonl
nicht. Ebensowenig habe ich mir eins
Zeichen gemacht aus welchen meinen«
i Ist hlen nun der eine oder der
andere banden Deersilhrern gesessen
, ·
hat. R Essig-n Leute scheinen sich
das einzudildem«
»Aber rasseu IT He dein-Grau
hen,Rachdar,« rieth der chlauderger,
»was macht es nen aus. wenn die
Reliquienjäger n Glas all Wellingi
tongm, Radoleonglai, alt Blitcheri
glae mit nach Bau e nehmer-T das we
der Wellington, n Zischen noch Na
poleon jemals in der hand ge adt ha
ben. wenn sie et Ihnen nur m t gutem
Gelde bezahköm Und reichen Ihre
Gläser fiir die Nachfrage nicht aus.
nun, in Briifsel haben sie mehr oon der
Sorte und helfen Ihnen gern damit
aug, noch dazu fiir ebensodiele Centa,
wie Sie Franken oder gar Nat-pleon
daro dafiir einnehmen können. Jn
Brüssel gidt’i auch hunderte von alten,
wurmstichigen, wackligen Stühlen und
Fischen zu taufen, die sich ganz gedul
di fiir die echten Stuhle und Tische
vesiaufen lassen, an denen hier Blit
cher, Napolean und Wellington in Ih
rem hause gesessen haben. Sie plan
dern«S auch nicht aud, daß die Geschich
te nicht wahr ist, wenn Sie den Rauf
lustigen erzählen. an diesem Tische
hade der große Napoleon soundfoviele
Verfügungen an seine Marschiille ge
schrieben, und aus jenem Stuhle sei
der alte Blücher vor Uebermiidung
eingeniott Iiir die Verriickten aber
aewinnen sie durch solche Anetdoten an
Werth, und Ihnen siillen sie denSiietel.
Wenn ich Sie wäre, ich würde ein ret
kcher Mann bei dem Geschäft und ver
handelte ihnen den letzten Dachstein
und jeden Balken meines Haufes.'
Nun, ein reicher Mann wollte Vir
tor Troyon auch werden« und er erwies
sich als ein gelehriger Schüler seian
schlauen Nachbars. Jn der Frühe des
nächsten Morgens fuhr et nach Brüfsel
nnd tam mit 'einem wohlverdeclten
Wagen vollerGegenstände zur-lich die er
bei den Trödlern siir ein Billiges er
standen hatte. nnd die vorläufig auf
dem geräumigen Hausboden ein Un
terkommen fanden, »dis Bedarf ein
treten wurde-.
Der Bedarf aber trat bald ein. Noch
aen selben Tage ließ sich der schlange
wordene Besitzer des historischenhäuss
chenb »endlich« bereitfinden, die viel
begehrten Andenten an den 18. Juni
1815 herzugebem die dies unschein
baie haus in sich barg. Das erste,
was abging, war das »echte Wellings
tonglas', von dem sich herr Trohon
nlöhlich erinnerte, das- er es an dern
ereigniszreichen Tage nicht zum Reini
gen hinausgegebem sondern »wie es da
war'«, in eine Schublade gestellt hatte.
Ein reliauienwüthender Englander
zahlte deni neuen Geschäftsunterneh
mer sofort 50 Pfd St. dafin hin, das
sind 1000 Mart oder 1250 Frantetn
Ein solcher Anfang war errnuthigend.
Und das Angenehmfte an der Sache
war, dasz schon zwei Tage daraus, als
der Käufer des Glases, ganz stolz auf
seinen Erworb, abgereist war, ein
zweites Wellingionglas sich einstellte,
das bald auch einen enthusiastischen
Liebhaber sand, der es nach seinem
heimisch-n Jnseilande rnit hinüber
nahm, wenn er auch nicht eine ganz so
hohe Summe dasiir anlegen konnte.
Schade, dasr nicht der gute Troyon zu
verlässig gesiihrte Bücher hinterlassen
bat, aus denen sich mit Sicherheit er
tennen ließe, wieviele »echte Wellings
ton:Gläser« er den nach Andenten lit
sternen Englandern verkauft hat.
Denn wenn auch nach rjnenr Nava
leonglase starte Nachfrage war, und
wenn auch die Blücheraläser Käufer
fanden, so wie die WellingtonxGliiser
ging doch sonft teins ab.
Das zweite Stück, das rnit Erst-filt
ten getauft wurde, war der Stuhl
»von dern aus der Franzosentaiser
den verschiedenen Divisionstornniani
danten seine Befehle geschrieben hatte«.
Ein englischer Touristwar es wieder,
an den er überging, nnd zwar fiir eine
ungeheuere Summe. die leider nicht
notirt worden ist. Der Tisch« auf
dein die angeblichen Befehle verfaßt
wurden, erzielte teinen so hohen Preis
He ging nrit einern begeisterten In
hiinger Napoleons nach dem Süden
oon Frankreich. Vielleicht hat der Er
sahtisch eine reichere Einnahme ge
bracht ——sagen wir lieber gleich »die
Ersattische«. denn Stuhl und Tisch
wurden nach und nach in einer Reihe
von Exemplaren vertaust. Ebenso
die Feder und das Tintensaß, deren
Napoleon sich dazu bedient haben soll
« te; denn namentlich rnit diesen tleinen,
Hleicht transportablen Dingen trieb
Iherr Troon einen ganz schwunghafs
ien Hdndel..
Als et endlich, um nicht Verdacht
zu erregen. das einltägliche Geschäft
aufgeben mußte, weil er alle seine An
denken-los geworden war, sanften ihm
die Relicuienbegiekigen beschliäblich die
Dachileine iibekm Kopf, die Baustrine
aus den Wänden ab. ja die Splitte
von den Ballen! Viktor Ttoydn ging
als ein reicher Mann von der leeeen
Schalle weg, auf der das descheidene
Däuschen feiner Väter gestanden hatte.
Und als das Neliquiendaus zu Wa
ierloo vom Erdboden verschwunden
war, da stelltenlicd noch Reliquiens
süchlige ein und nahmen wenigstens
eine Tiiie voll von dem Schutt mit lich
hinweg, der von det alten Bakacke
übrig-geblieben war! O
Espa
Der Stadt-at von Decaiut, Jll»
hal sogar den Verlauf von Spiritu
fiie medizinilche und industrielle
wede verboten Vielleicht feilchiel
ee als Kutiosiläi selbst in Spiritu
kgelect in werden.