Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 15, 1908, Sweiter Theil., Image 10

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Das Hundertfrankenftück. ?
Dostsiisg..ktp. i
ALLE-C. .t..I-.t«j- .t--s«s«t«t«t«t« st. J. .I. .0. -0. .0. «- -
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(11. FortsehungJ
Ils.
. Eine tiefe, fast betlemmende Stille
lastrte auf dem Hause des Konsulc
Seine wenigen Bewohner schlichen
auf den Fußfpiien iiber Tteppm Und
Gänge, das Gebell der Hunde drau
ßen im Garten war längst verstummt
und die Leitung der elektrischen Klin
gein war durchschnitten. damit kein
fchriller Ton die zu jeder Stunde des
Tages nnd der Nacht sorglich gehütete
Patientin erschrecke
Seit vorgestern schon war übrigens
nach der Erklärung des Sanitäts
roch eine Gefahr fiir ihr Leben nicht
mehr vorhanden. und die eine der
beiden Pflegerinnen war darum mit
seiner Zustimmung ihres Dienstes
enthoben worden. Während der we
nigen Stunden, die der zurückgeblie
benen Diatonissin für ihre Erholung
vergönnt werden mußten, konnte Lina
recht wohl die Wartung der Kranken
übernehmen. denn Margarethe war
nach Ablauf der ersten kritischen Tage
eine gar stille Patientin gewesen, die
ihrer Hüterin herzlich wenig zu schuf-.
fen machte. - ;
So hatte Lina auch an diesemj
Vormittag in Vertretung der Pflege- .
rin ihren Platz unweit des Krantenis
beides eingenommen. Es war nichtt
den genug, daß sie sich mit kamt
handarbeit die Langeweile hätte ver- i
treiben können, und so war sie dennj
nach unterschiedlichen Seufzern, dies
ohne Zweifel der Erinnerung an ih-«
ten so kurzen Liebestraum gegolten,
in einen sanften Schlummer gesunken; ;
Seit einer Viertelstunde schon hat- J
ten fich dagegen Margaretheg Liber«
gehoben, und sie hatten sich diesmaljk
nicht, wie es bisher. noch immer ge-?
schehen war. schon nach Verlauf we
niger Minuten wieder geschlossen.3
Die bleischwere, lähmende Müdigkeit,
die so lange auf ihrem Gehirn gele
gen, war zu ihrer eigenen Verwunde
rung ganz von ihr gewichen. Wenn
es ihr auch nicht in den Sinn kam.
ihre Stellung zu ändern. wenn auch
ihre Glieder noch« matt und kraftlos
in den Kissen ruhten, so glich dieses
Schwäche heute doch einer fast wohlt- f
gen Mattigkeit. die den Gesunden nach
glücklich vollbrachtet, angestrengter
Arbeit übertommt, jener Erschöpfung, s
die willig ertragen wird, weil ihr Be- :
wußrsein mit der behaglichen Gewiß
heit wiederkehrender Kraftf gepaart ist.
Auch der Anblick ihrer eigenen ma
ger und durchsichtig gewordenen
Hände hatte heute nichts Erschre
etendes für Margarethr. Sie betrach
tete sie mit einem gewissen neugieri-«
gen Interesse, und dann, nachdem sie
wieder lange Zeit zu dem schlafenden
Mädchen hinübergeblickt, legte sie eine
von ihnen an die Stirn, als könne sie
damit helfen, Ordnung zu bringen in
das Chaos von Vorstellungen und
Gedanken. das in ihrem heute zum
ersten Male völlig schmerzbefreiten
Kopfe sein Wesen trieb. s
Sie wußte genau, wo sie sich be
fand« aber sie suchte vergebens zur
Klarheit darüber zu gelangen, wie
lange sie schon hier liegen mochte, und
weshalb Lina in dem Lehnstuhl faß·
der sonst immer in einem anderen
Zimmer des Hauses gestanden hatte.
»Sicherlich bin ich trant,'· dachte
sie, »sehr trank vielleicht!«
Aber auch das machte ihr nicht das
geringste Unbehagen. Wenn der na
chende Tod keine fürchterlicheren He
rolde doraussandte, als eö diese ei
genthiimliche Mattigkeit des gleichsam
von der Herrschaft des Willens tos
Blsäm Körpers war, so gab es gar
«nen Grund, sich vor ihm zu fürch
- ten. Es würde nichts anderes sein
ais ein fanftes Entschlummern, als
· eine ewige Fortdauer dieser tiefen
· Stille, deren sie sich mit voller Klar
- hatt als einer töstlichen Wohlthat be
wußt wurde, nichts als ein leises Er
- Eschen und Verschwirnmen der selt
farnen Bilder, die jetzt in wirrem
Durcheinander an ihrem Geiste vor
sei-erzogen
s— k--L-—f----- MLlL-« --I
!
TUKL Utc sutivkxvur.us Uns-se kug
schen nicht· Sie wurden Vielmehr
immer deutlicher und nahmen immer
mehr die Farben des wirklichen Le
. bens an. Das geliebte, gütige Ant
kitz des Konsuls tauchte in ihnen aus,
nnd es war, als hätte es alle Todes
gedauken aus Margarethes Seele ver
scheucht, als hätte es eine Welt von
Zärtlichteit und Sehnsucht in ihrem
Herzen wachgerusen. Ein dunkles
Erinneen kam ihr, daß er fort sei —
weit fort, daß sie sich noch lange,
lange werde gedulden müssen, ehe es
ihr oee önnt sei, ihn wiederzusehen
Sie ent ann sich eines Briefes, den er
ihr geschrieben, und den sie auf der
Bank im Garten gelesen, und an diese
Erinnerung knüpfte sich in ihrem Ge
« dächtnilk ein langsame- Wiedeteewa
"' scheu n der Eindrücke-. die der ersten
Kdigen Wirkung von Gerbard
ningi liebevollen Briefe gefolgt
waren- Die Unterredung mit der
Ins-, die Ins-Elende Angst um den
W ihres Eli-Sei ihk verseh
svsssrvsvsssssvsssssvssssstsss
liches Bemühen, die rechten Worte fiir
eine Antwort an den geliebten Mann
zu finden —- das alles ftand jetzt in
den scharfen Umrißlinien des wirt
lichen Erlebnisses vor ihrem Geifte da.
Und dann —- dann war mit einem
Male auch das andere da, das Fürch
terliche, das zugleich das Ende der
Kette bedeutete, denn dahinter war
nichts mehr als tiefe, undurchdring
liche Nacht.
Sie wollte sich aufrichten, doch sie
brachte nichts anderes zu Stande als
ein schwache-l Erheben des Kopfes.
»Lina! — So hören Sie mich
fragen.«
Verwirrt fuhr das Mädchen auf.
»Ach Gott, Fräulein, wie ift’s blos
möglich? — Jch glaube. ich war wirt
Ilich ein bischen eingenickt. -— Soll ich
Ianen von der Medizin geben? —
’Sagen Sie’s doch nur nicht der
Schwester, daß ich geschlafen habe-" "
»Nein, nein, gewiß nicht. Aber
Sie mtiffen mir dafür auch auf
meine Fragen antworten. Ich bin j
trank gen)et’en?«f
·· »Ja, Fräulein —- furchtbar trakt
Aber ich darf ja eigentlich noch gar
nicht mit Jhnen reden. Wenn das
der Herr Sanitiitsrath erfährt —«
»Er soll es nicht erfahren. Sein
Verbot bezog sich doch auch wohl nsrr
auf die Zeit meiner Krankheit Jetzt
aber fühle ich mich ganz gefund, nur
noch ein wenig matt. Sie dürfen
mir darum nichts verschweigen, Linn.
—- Kominen Sie hierher, dicht an
inein .Bett, damit uns niemand hört
—- und dann sagen Sie mir: was
isi’S mit meiner Taute?«
»Ach, mein Gott, Fräulein! Jn
der vorigen Woche schon haben wir die
arme Frau Baumert begraben«
Eine wunderbare Kraft der
Selbstbeherrfchung war über Marga
rethe gekommen. Wohl hatte sie noch
eine schwache Hoffnung gebogn- daß
das entsetzliche Erinnerungsbild doch
nur ein Traum gewesen sei, aber die
Gewißheit, daß sie diese hoffnung
aufgeben müsse. bedeutete ihr trohdern
keine Enttiiufchung mehr. und fie
nahm all ihre Energie zufammen, um
das Mädchen nicht durch den Anblick
ihrer Besiiirzung von weiteren Mit
theilungen abzuhalten.
Die blonde Lina ließ sich denn auch
täuschen. Da das Fräulein, wie es
ihr schien, die hauptfache doch schon
wußte. was konnte es ihr da schaden,
wenn sie auch die Einzelheiten erfuhr,
und bei der besonderen Vorliebe, die
sie feit früher Kindheit fiir alies
Schaurige und Grufelige gehegt hatte.
fiel es der blonden Kleinen durchaus
nicht schwer, für ihren sehr ausführ
lichen Bericht eine iiberaus lebhafte,
hier und da beinahe dramatische Dar
ftellungsform zu finden.
Margarethe hörte ihr zu, ohne sie
zu unterbrechen- Sie hatie den Kopf
ein wenig zur Seite gedreht, fo daß
es dem Mädchen nicht möglich war.
den Ausdruck ihres Gesichts zu beob
achten. Ein einziges Mal nur war
sie in heftigem Erfchreiten zufam
mengefahren, und das war gefcheherl,
als Linn Ollendorfs Namen als den
des muthinaleichen Einbrechers und
Mörders genannt hatte
.Wie konnte man das für möglich
haltenl« hatte sie gesagt. »Der arme
Menfchl — Aber man hat ihn doch
gleich wieder in Freiheit gefesti«
»Nein, Fräulein! Es soll ja schon
fo gut-·wie bewiefen sein, daß er’3
gethan hat. Blos feine Spießgefels
len haben sie noch nicht entdeckt, und
die Münzen auch nicht. Jch denle
mir, die hat er irgendwo vergraben.
Meinen Sie nicht auch, Fräuleins
Die Lorenz freilich denkt, daß sie sie
eingeschnrolzen haben werden«
»Seit-nett es sich um Herrn Ollew
dorf handelt, glaube ich weder das
eine noch das andere. Aber erzählen
Sie weiter. Linal hat denn der herr
Konful nicht Einspruch erhoben, als
er von dem Verdacht gegen feinen
Neffen erfuhrs«
doch, Linal —- Jch muß Sie etwas -
.- .-s--I - -.-a—
-.-«-O·- -
»Das weiß ich nicht, Its-meint (
Mit uns hier im Hause spricht ja der f
Heer Konsnl kein Wort mehr, seitdem !
die Geschichte passirt ist Ganz tief
sinnig ist er aeworden und so flend
sieht er ans, daß es einen erbarmen
iiinntef
»Er isi also von der Reise zurück? :
Un«d er ist hier im Hause? Hat er —- s
hat der Herr Konsui denn noch gar
nicht den Wunsch geäußert, mich zu »
besuchenk
. »Die Lorenz meint, der Sanitiits
rath wiitde es ihm wahrscheinlich
verboten haben. Denn wenn Sie
erst Besuche empfangen dürften, tolle
den sich wohl auch die Polizeibeamten
nicht mehr abweisen lassen. die schon
so ost nach Ihnen gefragt hattenk
Die Polizeibeamten? —- Was
könnten sie denn von mir erfahren
wolleni Jch vermag doch über alle
diese schreckliche Dinge nicht das ge
ringste zu sog en«
Fräulein haben also in der Nacht !
gar nichts bemerkt? Na ja ich dacht
mirs schon gleich daß das Gered
von der Lorenz blos bashaftes Oe
fchwätz ist. Ob sie den Herrn Ollen
dorf wohl hinrichten werden? Eigen
lich müßte er doch gelöpft werden
Es ift so gräßlich! Die arme alt
Dame hatte ihm doch nicht das-ge
ringfte gethan. Und sie dann nod
obendrein mit einem Bettlissen zu er
fticteni Das muß ja fchaudethaf
sein.«
Sie war jetzt in ihrem rechtei
Faden-offen und Margarethe ließ si
reden, ohne eine weitere Frage an si»
zu richten. Aber nach Verlauf eini
ger Minuten drehte sie ihr plötzlicl
das schmale, farblofe Gesicht zu.
»Wollen Sie mir einen Liebes
dienft erweisen. Lina s-— einen wirt
lichen Liebesdienft, fiir den ich Jhnet
von herzen dankbar fein werde?«
»Aber gewiß doch, liebes Fröuleir
—- für Sie thu’ ich alles. — Siebel
himmel, wie schlecht Sie nun wiedei
aussehen! Vielleicht hätte ich Jhnen
doch das nicht alles erzählen fallen. '
»Machen Sie sich deshalb keine Ge
wissensbisse! Jch fühle mich ganz
kräftig. Ader ich muß den Herrn
Konful sprechen --——- auf derStelle muk
ich ihn sprechen. Sie müssen ihn da
oon in Kenntniß setzen, ohne daß ein
anderer im Haufe eiwas davon er
iährt.«'
»Gewiß, Fräulein, das will ich
schon machen. Jch glaube. der Herr
Konful ift in feinem Arbeitszimmen
Soll ich ihn gleich rufen?«
»Ja — ja denn es handelt sich
im Dinge die keinen Aufschub lei
)en." ,
Die Kleine entfernte sich diensibe
reit, nnd während der Zeit, die bis
zu ihrer Rückkehr Derging lag Mar
karethe mit gefchloffenen Augen da
vie eine Schlafende.
17.
Mit haftiaen Schritten eilte Brü
iing über den weichen Teppich auf
las Lager zu und sanl neben ihm in
sie Kniee, die zarte Gestalt der Wie
der-geschenkten mit beiden Armen um
chlingend. kMargarethe — mein
Zieb —,— mein süßes Lieb! Bist Du
nie endlich — endlich zurückgegeben!«
Wie ein Strom wonnigftee Glück
eligleit rann es heiß durch ihre
ldern und scheuchte all die lühmende
Schwäche hinweg. die es ihr nach
sor kurzem fast unmöglich gemacht
satte, sich nach eigenem Willen zu be
oegen. Sie schlang den Arm um
Berhard Brünings Nacken und
chmiegte ihre Wange an sein Gesicht.
Du Lieber —- Liederl«
Das war alles, was sie zu sprechen
ermochtex aber es llang fo süß und
o zärtlich, daß fich die Augen des
Rannes von Freudenthriinen feuchte
en.
Wohl ein paar Minuten lang
chwiegen sie beide. überwiiltigt von
sem Glück dieses Wiederfindens,
sas ihnen vielleicht zum ersten Male
sie ganze Größe und unermeßliche
Tiefe ihrer Liebe offenbart hatte.
Dann aber, während ihr Arm sanft
ion Gerhard Brünings Schulter her
bglitt, sagte Margarethe leise: »Laß
ins nun ruhig und verständig sein,
nein Freund! Jch habe Dich ja so
stel, so unendlich viel zu fragen.«
Er erhob sich aus seiner knieenden
Stellung und ließ sich, ihre band in
ser seinen behaltend, auf been Stuhl
leben dem Bette nieder. »Aber Du
ollft mich nichts fragen, Liebling!
heute— wenigstens sollft du es noch
licht thun. — Weißt Du auch, daß
s mir überhaupt noch verboten ist,
Dich zu sehen?«
«Sorge Dich darum nicht, Ger
)arb! Jch weiß wohl besser als der
lrzt, was ich meinen Kräften zumu
hen darf. Wenn es etwas giebt. das
nir gefährlich werden könnte. so ist
e viel eher die Qual der entseßlichen
lngewißheit, in der ich mich befinde.
Nan hat meine unglückliche Tante er
nardet, nnd man hat Dich bestohlen
—- Du stehst, daß ich das Iürchters
ichste schon weiß. Wäre ei da nicht
ine Unbarmherzigteit, wenn Du mir
sie Auölünfte vorenthalten wolltest,
sie vielleicht im Stande sind, mich zu
seruhigen«i«
Die scheinbar gesagte surr, in oer
ie der schrecklichen Ereignisse Erwäh
iung gethan, setzte den Konsul wohl
n Erstaunen, aber sie nahm ihm auch
sugleich die Last einer schweren Be
orgniß von der Seele. »So frage
nich, mein Liebling!« sagte er zärt
ich, die schmale Hand sieeichelnd, die
"o leicht und kühl wie ein Blumen
ilatt in der seinigen lag.
Mit einem dankbaren Blick sah sie
In ihm auf. »Ist es wahr-, Gerhard.
daß meine arme Tante von den ent
setzlichen Menschen ermordei morden
.st, die hier eingedrungen waren, um
Deine Sammlung zu stehlen2«
»Es ist unmöglich, eine andere Er
klärung für ihren Tod zu geben«
»Und man hat Deinen Neffen her
mann im Verdacht, diese siirchlerliche
That verübt zu haben?«
Fluch das hat man Dir her-its er
siihltf Ich hätte gewünscht daß es
Dir noch lange verborgen geblieben
ware.«
«Bielleieht war ei gut, daß ichs er
fuhr, denn dem unglücklichen jungen
Manne ist mit solchem Veeda t das
entseslichste Unrecht geschehen, u d du
mißt alles aushieten, was in Deinen
Nunan
Kräften steht, um ihn davon zu bei
freien.«
Der Konsul seufzte schwer. »Wollt·
der Himmel, daß ich dazu im Stand
wäre. Aber das ist ja das Schreck
liche, daß ich selber nicht an sein«
Schuldlosigleit glauben lann, dasz ick
vielleicht der allererste gewesen bin
der ihn für den Tböter hielt.«
«Wie bist Du auf solche Vermu
tbung gekommen?«
»Ich wußte, daß Hertnann in Ber
lin unter schlechte Gesellschaft gera
then war, daß er namentlich in lehtei
Zeit ein leichtfertiges Leben geführt
hatte. Wenige Stunden nachdem ich
auf die Kunde von dem, was hier ge
schehen, zurückgekehrt war, lam Paul
Ollendorf zu mir und ersuchte mich
um ein Darleden, das ibn in den
Stand setzen sollte. seinen Sohn nach
Amerila zu schicken. Er sprach von
einer verzweifelten Stimmung, in der
sich Hermann befiinde, und erwäljnte
» auch einer Verletzung an der Hand,
. die ibn veranlaßt habe, seine Stellung
in Berlin aufzugeben. Es war wohl
nur ein halb» instinktiver Argwohn,
der mir alle diese Mittbeilungen so
peinlich machte, denn eines bestimm
ten Verdachts wurde ich mir in fjenem
Augenblick noch nicht bewußt. Der
stieg erst in mir auf, als mir später
der mit den Nachforschungen betraute
Kriminallommissär davon sprach, daß
der Mörder der Frau Baumert, nach
den vorgefundenen Blutspur-en zu ur
theilen, eine Verletzung an der Hand
gehabt haben müsse —- und als er,
noch obne die Person des Thäters zu
ohne-i. der Vermuthung Ausdruck
gab, er könne möglicherweise unter
den von xnir unterstükten Leuten, viel
leicht unter meinen armen Verwand
ten, zu suchen sein. Ein Zufall oder
ein Verhängnis wollte es, daß Her
mann gerade in jenem Augenblick
draußen am Hause vorüberging,
scheu und verstört, wi: das leibhaftige
böse Gewissen, und mit einer verbun
denen Hand Jn jenem Augenblick
schoß mir’s wie eine Offenbarung
durch den Sinn, day es für niemand
leichter gewesen wäre. den Einspruch
zu begeben, als gerade für ihn. Denn
als ich vor zwei Jahren nach dern
ersten vereitelten Anschlag auf meine
Sammlung mit dem Gedanken um
ging, sie in diebeåficheren Schriinlen
unterzubringen erbot sich hermanm
der damals gerade in diesem Faches
arbeitete, mir die Zeichnungen für eine
solche Anlage zu entlaufen That
söchlich ist alles bis in die tleinsten
Einzelheiten nach feinen Angaben aus
geführt worden«
»Aber das ist noch nicht Grund ge
nug, um einen Menschen durch den
schrecklichsten Verdacht vielleicht fiir
die ganze Dauer seines Leban un
glücklich zu machen!'«
»Nein, es wäre nicht Grund genug
gewesen« wenn sonst nichts gegen ihn
gezeugt hätte. Aber die Verdachte
mornente hausten sich so erschreckend,
daß schließlich auch ein selseniester
Glaube unter ihrer Wucht hätte zu
sammenbrechen müssen. Als jener
erste Verdacht in mir aufgestiegen
war, hoffte ich selbst ja noch von gan
zem Herzen, ihn bald enttriistet zu
sehen. Jch sagte mir, daß es über
zeugend für herrnanns Schuldlosig
keii sprechen würde, wenn die von ihm
ersonnenen und in außergrdentlich ge
schickter Weise angebrachten Geheim
tresors, die nach seiner eigenen Ber
sicherung fiir einen Uneingeweihten so
gut wie unauffindbar waren, unbe
rührt geblieben seien. Es gab sicher
lich nur wenige Menschen, die außer
ihm Kenntniß davon hatten, daß ich
in diesen Fächern die kostbaren Stücke
meiner Sammlung verwahrte, und
ich wußte bestimmt, daß ich niemals
in Gegenwart eines Fremden geöffnet
hatte. Du magst Dir danach wohl
vorstellen, mit welcher Aufregung ich
die Schwelle des so lange amtlich
verschlossen gehaltenen Gemaches über
schritt. Mein Verlust an und siir sich
war mir schon beinahe gleichgültig ge
worden neben dem Gedanien an die
entsesliche Möglichkeit, daß der Sohn
meines Stiefbruders ein Berlorener.
ein Berbrecher sein könnte. Jch wars
keinen Blick aus den kleinen Rest der
Sammlung, den die Diebe mir gelas
sen hatten, sondern ich hatte nur Au
gen fiir die Stelle. wo sich die Ge
heimtresorg befanden. Da war mir’5
nicht anders, als ob mir jemand einen
Schlag vor die Stirn versetzt hätte,
denn ich erkannte aus den ersten Blick,
daß die verborgenen Fächer geöffnet
waren, nicht mit Gewalt, sondern un
ter Anwendung von Nachschliisselm
deren Anfertigung keinem anderen
möglich gewesen wäre als dem, der die
Konstruktion des Schlosses entwor
fen. Alles, was mein Stiesbruder
mir ahnungsloz von seinem Sohne er
zählt hatte, von seiner Gemüthsveri
fassung von dem Zeitpunkt seiner An
kunft, von seiner entschiedenen Meige
eung, die Schwelle meines Hauses
noch einmal zu überschreiten — es
gewann siie mich eine andere ver
hängnisvolle Bedeutung Jch wagte
nicht mehr zu zweifeln und zu has
sen. Aber ich war zugleich entschlos
sen, dem unglücklichen Vater wenig
stens die äußerste Schmach zu erspa
iren, sofern es dazu noch eine Mög
lichkeit für mich gab. Noch in später
Ihmdsiunde des Tages, der mit die
schmerzliche Entdeckung gebracht hatte,
begab ich mich zu ihm. um ihm eine
Oeldsumme einzuhändigew die groß
—
i genug gewesen wäre, Hermann die so
fortige Flucht zu erträglichen Jch
ezwar mir vollkommen bewußt, damit
.- eine strasbare Handlung zu begehen,
i aber ich war bereit, die Folgen auf
mich zu nehmen. Der Gedanke an
s meinen armen Stiesbrnder brachte die
Stimme s meines Gewissens zum
Schweigen.«
Fester drückte Margarethe seine
Hand. Zugleich aber sagte sie:
»Wenn er der Dieb Deiner Samm
lung gewesen wäre. Gerhard. wozu
hätte er dann noch Deines Geldes be
durft? Er besaß dann doch Mittel
genug, um auf eigene Kosten zu ent
fliehen.«
»Er konnte trotz dieses kostbaren
Besitzes fiir den Augenblick mittellos
sein« denn ein sosortiger Verkauf der»
Münzen hätte ebenso leicht verhäng-i
nißdoll werden können, wie der Ver-J
such, das Gold, zu dem sie sie einge
schmolzen haben mögen, an den Mann(
zu bringen. Und dann --— es war
doch nicht bei dem bloßen Einbruchs
diebstahl geblieben. Die Unseligen
hatten ein Menschenleben vernichtet,
um sich vor drohender Entdeckung zu
schiißem und der, dessen Gewissen mit
solcher Schuld belastet war, mußte
wohl hundertmal ängstlicher sein, als
es ein gewöhnlicher Dieb ist.«
»Was geschah also lveite·:?«
»Während ich noch mit ihm sprach,
erschien bereits ein Kriminalbeamter,
um ihn festzunehmen. Eine anonhme
Anzeige hatte die Behörde auf seine
Spur geführt, und da man erfahren
hatte, daß die Zeichnungen sür die
Tresoranlagen von ihm herrührten,
hielt man ihn für hinlänglich verdäch
tig, um ein Verfahren gegen ihn ein
zuleiten.«
»Ein Verfahren gegen einen Un
schuldigen! —- Denn er ist unschul
dig, Gerhardt Ich selbst habe nicht
größeren Antheil an dem Tode mei
ner unglücklichen Verwandten, als
er.«
fi««,-l, L, 6.--k«t k.«
Qcllllllg stluruc ou Fusan-u um
Kopi. »Auch Du würdest anderen
Sinnes werden, wenn Du alles wüß
test, was seit seiner Verbastung noch
weiter an Belastungsmaterial gegen
ihn zusammengetragen worden ist. —
Aber wir wollen jeßt nicht länger da
von reden, nicht-wahrt- Wie sollte ich
die Verantwortung sur den Schaden
tragen, den diese ausregende Unterhal
tung Dir zusiigen kann's«
»Sie schadet mir nichts, Du darfst
Dich dessen versichert halten, Gerhardl
Jch rnuß alles wissen —- wirtlich. Du
darfst mir nichts derschweiaenl«
»Ich weiß nicht einmal, ob mir in
diesem Augenblick alles gegenwärtig
ist, was der Untersuchungsrichter
mir mitgetheilt hat. Soviel aber ist;
sicher, daß Hermanns Versuch, sich
zu entlasten, vollständig mißlang.
Es steht fest, daß er in Geldverlegen
heit war, daß er arn Abend vor jener
Nacht, in der hier das Verbrechen;
verübt wurde, aus Berlin eingetros-s
sen ist, und dasz er nicht angebenk
kann, wo er die Nacht zugebracht hat.s
Bei seinem Vater hat er sich erst nachi
Tagesanbruch eingefunden, und nie-.
mand schenkt seiner Erzählung Man-l
ben, daß er sich sechs oder sieben
Stunden lang planlos in den Stra
ßen und in den Parlanlagen herum
getrieben habe. Auch die Verletzung
an der Hand zeugt gegen ihn. Es ists
zwar richtig. daß er sie sich-nicht beis
dein Einbeuch, sondern schon vor weh-s
reren Tagen bei seiner Berussarbeiti
zugezogen hat, aber die ärztlichens
Sachverständigen erklären seht die aus;
dern Kopstissen Deiner Tante vorge-;
sundenen Blutslecte damit, daß sich
der von dem Mörder getragene Ver-s
band während seines furchtbaren,
Wertes leicht verschoben haben tönne,k
so daß die noch unverheilte Mundes
von neuem zu bluten begann. Diese j
Erklärung würde sogar viel besserj
als die ursprüngliche Annahme zu derf
Thatsaehe stimmen, daß sich an ders
eigentlichen Arbeitsstätte der Diebel
keinerlei Blutspuren nachweisen lie
ßen, sondern daß sie außer aus dern
Pfühl nur noch an der äußeren Seite
der Thiir gesunden wurden, die in
das Schlaszinuner Deiner beklagend
werthen Tante siihrteli«
»Aber die Münzen? Hat man auch«
nur eine einzige von ihnen bei Her-i
rnami gesundenilm
«Nein. Man konnte nur in seines
Vaters Wohnung danach suchen, und ·
es war von vornherein nicht anzuneh
men. daß er et gewagt haben würde,
sie dort zu verbergen. Wenn er sie
nicht an einein anderen Orte versteckt
hat,ipbeftuveniietichvvchisdm
"Häavm v-: Miischutvigeu. vie er pha
allen Zweifel gehabt hat.«
»Aber die Spur dieser Mttschuldis
Igensm
»Den-rann leugnet natürlich ihre
Existenz ebenso deharrlich. wie er
Iseiue eigene Schurk- in sur-rede steur.
tAber die Behörden sind der Meinung,
sdaß es sich um Leute aus seinem Ber
liner Belanntenlreife handelt, die un
sere Stadt vermuthlich schon unnüt
telbar nach vollbrachtet That wieder
verlassen haben.«
Margarethe wollte eine weitere
Frage thun,t da trat die Kranken
pflegerin mit ganz besiitrztern Gesicht
ins Zimmer und neigte sich nach ei
nem vorwurfgoollen Blick auf den
Konsul über die Patientin. »Sie
diikfen fest nicht mehr sprechen,
Fräulein Hunold -·— Und Sie dürfen
auch nicht länger Besuch haben."
Gerhard Brüning hatte sich sofort
erhoben. »Die Schwester hat recht,
Liebling," fliisterte er in Margarethes
Ohr »und ich muß mich jetzt entfer
nen.·'
18.
Zwei Tage darauf wurde der Kon
sul von neuem zu dem Untersuchungs
richter gebeten.
Lenzmann legte ihm zwei Gold
münzen vor. »Ein Antiquitätenhiind:
let überhrachte sie der Polizei mit der
Erklärung, daß ein unbekannter
Mann sie ihm zum Kauf angeboten
habe. Der Händler vermuthete so
gleich, daß die sehr werthvollen Stücke
aus dem Diebstahl in Jhrem Hause
herrührten. Er erlundigte sich bei
dem Berliiufer, der wie’ein besserer
Arbeiter gekleidet war, ob- er noch
mehr derartige Münzen habe. Als
das bejaht wurde, erklärte er sieh be
reit, sie ihm abzutaufen, sagte jedoch,
daß er die mitgebrachten Stücke zu
nächst prüfen lassen müsse. Seine
Absicht war, zur Polizei zu schicken
und den Fremden festnehinen zu luf
sen. Der Besitzer der Goldstücke fchien
jedoch mißtrauifch zu werden« behaup
tete, nicht warten zu können, und
fagte. daß er später wiederkommen
wolle. Die Münzen ließ er dem
Händler zur Prüfung zurück. Dieser
trug sie sofort zur Polizei, und es
wurde ihm ein Krtminalfchutzmann
mitgegeben, um den Unbekannten zu
verhaften. Er hat sich jedoch nicht
wieder sehen lassen."
Brüning hatte die beiden Münzen
einer eingehenden Prüfung unterzo
gen. Es waren zwei römifche Gold
denare, beides sehr seltene Stücke, die
der Koniul an der Art der Brich-Libi
gungen mit großer Bestimmtheit als
fein Eigenthum wiedererlannte. »Ich
habe diese Münzen erst vor ganz tur
zer Zeit erworben,« sagte er.
»Wir haben damit also den sicheren
Beweis, daß Ollendorf heiser hatte,
;n deren händen sich die bei ihm ver
gebens gesuchte Sammlung befindet,«
meinte Doktor Lenzmann. »Da die
Münzen offenbar noch nicht einge
schmolzen sind, dürfen wir hoffen, sie
den Spihbuben doch wieder abzuneh
neu-"
CFartsehung folgt.)
Madame war einige Tage vorn
Haufe abwesend. Bei ihrer Rückkehr
frug sie das Dienstmädchen, ob ihr
Gatte sie während ihres Fortfeins sehr
vermißt hätte. — »Während der ersten
Tage habe ich das nicht"bemertt.« gab
Marh Bescheid, »aber heute morgen,
wenige Stunden, bevor Sie zurückla
knen, war ertder Yerzweljflung nahe.«
Aus New York tomrnt die set-satte
nelle Nachricht, daß eine Frau um
ZMlberaubt wurde, als sie aus einem
Gelchaft tam, wo sie sich eben einen
neuin Osterhui getauft hatte. Und da
will man uns glauben machen, daß sie
noch soviel Jeld bei sich hatte?
O
Es gibt fo viele Leute, die Fäuste,
aber leinen Kopf haben und dennoch
aaeh Aemtern streben, die einen Kopf,
aber teine Fäuste beanspruchen
Bescheidenheit ist jene Tugend, die
man aus deriRot z.u mache-n pflegt.
f
Wie»tvohl tann uns eine Träne
tun, wie weh ein Lächelns
I I O
Noch mehr als im Theater wird bei
den Tragödien des Lebens — ge
klaschL
·- i
Der Erfolg des einzelnen hiin
häufig davon ab, tote frlth tm Lebegrt
Itnan ausfindet, was man nicht tun
ann.
Tokiku
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.Wir yab’n aber heuer an fein-I Summetftifchlek g«habt! So an lie
ben, freundlichen her-n! Alle Suautag hat et mitg tat-its·
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