Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 08, 1908, Sweiter Theil., Image 12

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    HLJ
Der Vefrandant.
Skizze von Hans Hyam
zzaber a- Co!« rief vek Bau-kas
,,Dier!« sagte Henri Burrian mit
ruhigen fester Stimme.
· «Wieoiel?«
«Zweiunddreißig tausend fünfhun
Er stockte nicht, als er diese Zahl
artisprach, seine Stimme nnd sein
Gesichtsausdruck blieben kalt nnd
gleichmüthig. Dann erwiderte er auf
die Frage des Kassirers, wie viel er
in Gold haben wollte: »Taufend
Mart!«
Steckte die Doppeltronenrolle in die
Jackettasche und schob die Scheine in
sein altes abgegriffenes Vortefeuille,
das ihm einst Klara geschenkt hatte,
seine Braut. Und ein Lachen ftieg
in ihm auf, eine harte Freude, daß
er das Alles noch rechtzeitig von sich
abgethan hatte· Das wär’ ihm so
Tons gewesen, mit einer Frau dazu
sisern die schon verblüht war, eh’ er
sie heirathete, und womöglich ’ne
Schaut Kinder um sich, denen er die
Mäuler stopfen konnte, mit hundert
zwanzig Mart Gehalt monatlich!
Rein, hundertfiinfundzwanzigL Sie
hatten ihm ja Zulage gegeben,
ganze fünf Mart den Monat!
hohe-! Was dieser Schafston von
Direktor für ein Gesicht machen wür
de, wenn er’s erfuhr! Morgen sicher
noch nicht! Und übermorgen am Ende
auch noch nicht . . . Er hatte egjt so
schlau eingefädelt . . . Den Ochect
hatte er schon vor drei Tagen heraus
gerissen aus dem Scheclduch, in dem
Augenblick, als Direktor Wartenberg
einen Moment das Privatlontor ver
lassen hatte . . . Hatte natürlich auch
nichts gemerkt, dieser Jdiot! Und
wenn er’s gesehen hätte. na. dann
wäre auch nichts-. Inzwischen waren
schon die folgenden Formulare aus
dem Heft herausgenommen, an den
fortlaufenden Nummern konnte jetzt
also auch nichts mehr gemerkt wer
den, wenigstens im Bureau nicht...
Die nothwendigen Stempel standen
ihm jederzeit zur Verfügung, und
Yartenbergs Unterschrift hatte Henri
Illktlllll scholl scll Aivlluleu tuguus
geübt —- genau so lange, als er den
verbrecherischen Plan mit sich herum
trug. Und nicht einmal hatte ihm in
dieser Zeit das Gewissen geschlagen;
das Gefühl, er sei im Begriff, ein
schweres Unrecht zu thun, das Ge
fühl kam ihm gar nicht. Nur die
Angst überwältigte ihn hin und wie
der, es könnte etwas schief gehen da
bei. Denn seine Furcht vor dem Ge
fängniß war beinahe so groß wie sein
Daß gegen die Arbeit.
Warum hatte er eigentlich nicht
eine «56.500« oder »83,000« auf den
Wisch gemalt? Ein leiser Aerger
wollte das gehobene Gefühl in ihm
herabdrücken —- zehntausend Thaler
waren doch eigentlich eine Lappalie im
Berhätniß zu dem Risiko, das er ein
ging! Aber die Ueberlegung der
Sicherheitsmaßregeln, die er jetzt
treffen mußte, sein scharf an der näch
sten Zukunft arbeitender Verstand
hinderte ihn, sich solch unfruchtbaren
Betrachtungen hinzugeben
Den Deibel auch! Gerade heute
mußte mitten im Ottober ein Wetter
wie im Hochsommer sein. Keine ge
schlossene Draschte zu finden Nein,
ehe er sich einer Elettrischen anver
traute lieber wollte er zu Fuß gehen.
Da, da kam eine Gepäckdroschket Er
rief sie an und sprang hinein. Drin
lehnte er einige Augenblicke mit ge
schlossenen Augen in den Polstern.
Ach· Geld haben! Geld! ..... Wie
twsendnial hatte er sich so glühend
danach gesehnt. Und nun, nun war’s
soweit, er hatte Geld, er besaß Tau
sende. Er riß die Augen aus und
fuhr zusammen: hielt nicht die
Droschkei . . . Was war denn? —- —
» Aber dann lächelte Henri Burrian
-. s nnd strich vorsichtig über sein glattge
"" —scheiteltes, oben schon recht dünnes,
schwarzes Haar. Der bisherige zweite
suec-haltet des Hauses Faber F: Co.
sah gewohnheitsmäßig über den mode
ssarbigen steifen Fizhut, den er in der
, , Linien hielt, und über seinen tadello
»«« F sen Jackettanzng hin und schnipfte
ein Stückchen Faden vom Beintleid
« .ach ja aus sein Ueußeres hatte
er stets sehr gehalten, lieber verfagte
- et M emslai Hier und eine Zi
jam, ehe er mit schlechten Stiefeln
edee is salopper Kleidung umherlief
- W war, daß er seine
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—
bewarben haben, wenn er nur Aug
sicht gehabt hätte, angenommen zu
werden . . . ah, das war am Ende
auch nur leeres Gerede gewesen«
Jetzt schob sich die Drofchte vor, an
der letzten Trauereauipage vorbei;
vorsichtig hineinlugend, sah Henri»
Burrian den Fleischermetster Reiß-!
mehl. Der war Klara Metzgers On
lel, er hatte oft genug Stat mit ihm
gespielt. Herr Reißmehl saß neben
einem anderen, in dessen kleiner un
bedeutender Figur der Buchhalter den
Kaltulator Lenz, »den Vetter seiner
Braut, zu erkennen glaubte; im
Fond der Kutsche saßen sicher die bei
den Frauen, aber Henri Burrian
wagte nicht« seinen schmalen Körper
so weit mitzureden« daß er sich danach
umsehen konnte. Im nächsten Wagen
saßen auch Verwandte von Klara. der
Buchhaiter tannte sie alle. llnd nun
äin anderen, im ersten hinter dem
Sarge? Henri Burtian fühlte, wie
ihm das Blut ins Herz trieb, und wie
er erblaßte. Jetzt, sent reate er mit
der größten Behutsarnteit den Kopf
vor, und jetzt sah er hinein in den
schwarz ausgeschlagenen Wagen: auf
dem Rücksiy saßen Elise und Fritz,
Klarafz jüngere Geschwister, und hin
ten —er mußte sich fiir einen Augen
blirt ganz weit oordrehen—— dasaßen
Ehre Eltern, und der Mann, den er
so oft schon mit »lieber Schwieger
vater« angeredet hatte, - hielt die
schluchzende. verzweifelte Frau in den
Armen. Klara?... Klara...
Wie Eisesfinger trallte sichs um
des Berbrechers Herz; wenn das auch
schon Jahre her war. er hatte sie doch
·mal sehr lieb gehabt und sie waren
saft fünf Jahre mit einander gegan
gen: später freilich, als er sie Tiber
hatte, da war’L schrecklich geweiem
diese arzwungenen Besuche in ihrer
Familie! Hean Burrian aß dort
jeden Abend und beinahe auch jeden
Mittag, ohne dafür zu bezahlen, bis
das Verhältniss mit der Ratalie, der
kleinen Kraustöpfi en, anfing, dsnn
aab’s Thränen un Eifersuchtsszenen
mit Kiara« er tam seltener, und eines
Tages war’s aus« er ging nicht mehr
hin, und als sie kam und ihn anf
suchte, da ließ er sich einfach verleug
nen. Und nnn war sie todt, da in
dem silberbeichlagenen, mit weißem.
martheniibersiietem Tüll bezogenen
Sorge lag sie. Den Desraudanien
fröftelte es, ein Gefühl, als streckten
sich auå den Palmenzweigen nnd
Kränzen heraus ein paar schmale,
weiße Hände, die nach ihm griffen
und ihn festhalten wollten. Gott sei
Dant, daß die Droschte sent wieder
Raum hatte! Der Buchhalter schüt
telte sich. io ein niedertriichtiaer Zu
fall... sah beinahe aus wie ein böses
Ornent
» An der Ecke der Gollnowstraße ließ
er halten und machte den Rest des
Weges zu Fuß... Ach was, so ge
schickt. wie er Alles vorbereitet hatte,
da konnte ja gar nichts passiren...
Aber ihn quälte die Erinnerung an
Mart-, sie war die Einzige, die eine
Photographie non ihm besessen hatte.
Heute früh hatte er eine Nahm-ost
tarte in den Kasten gesteckt, daß er
sich trank fühle und deshalb nicht in’s
Geschäft kommen könnte. Dort würde
also heute und morgen taum Jemand
Argwohn schöpfen. Nach der Bant
war er oft hinqeschiett worden und
hatte zu verschiedenen Malen nam
hafte Beträge abgehoben: seineCheck
präsentation tonnte da also auch nicht
aufiallen... nein, wahrhaftig, vor
läufig brauchte er sich noch leine
grauen Haare wachsen zu lassen!
Die Wohnung, in der et ein be
scheidenes Zimmerchen bewohnte, war
um diese Zeit leer-er hatte das Al
les ganz genau vorausberechnet —
und ehe seine Wirthin zurücksank die
ihrem Manne das Mittagbrod in die
Fabrik brachte, war er zehnmal über
alle Berges
Vor allen Dingen nahm ee sich nun
den schwarzen Spihbari ab, dabei die
größte Vorsicht aebrauchend. Kein
haar durfte hier liegen bleiben! So
ietzt sah sein sinrktinniges, etwasfah
les Gesicht mit der fleischig-n Nase
und den slachliegenden Augen von
unbestimmter Farbe durchaus dem
eines Schauspielerö ähnlich. Den Ra
sirapparat paate er in die handtasche
und etwas Wäsche, Lamm und—
Dürste: dann hing ex den schon vor
längerer Zeit in einem Trbdler
geschäfte ersiandenen hat-elect tun-—
bisher hatte er ihn sorgfältig ber
schlosen in seinem Koffer gehalten-—
trnd seite, kühn in’5 Gesicht gedrückt,
den breitrandigen Schlanohut aus.
Nun siand er spornt Spiegel und
dachtet In dem Aufzug würde ich
jmbch silbst nicht lennent.·.
f
·
Dann sah er noch einmal » seinen
Koffek nach; was ihn irgendwie korn
promittiren konnte, hatte er verbrannt
nnd vernichtet... nur das Allzumj
mit den Photographien feiner GelielH
ten nicht, das ließ er recht sichtbar
liegen, da hatten die Zeitungen, die(
ihn so wie so mit einer ganz besonde- ;
ren Aufmerksamkeit beehren würden,;
wenigstens was zu schreiben! In sei-;
ner Eitelkeit, sich als Don Juan und
herzensbrecher hingestellt zu schen,
vergaß er ganz, daß jedes -diefer«Miid- «
chen, denen et feine Liebe hetheuert
hatte. Zne neue Austunftsstelle iiir
die Poiizei über ihn und fein Vor
leben sein würde«M Aber wie er das
All-um schon ans der Hand gelegt
hatte, nahm er es noch einmal auf,
de lag ganz hinten in einem Kuvert
ans Seidennanier Klar-as Bild. Das
hatte sie ihm im Anfang ihrer Be
kanntschaft gegeben, wie sie noch »Sie«
zueinander sagten. Auf der Rückseite
des sildes hatte sie in ihren feinen,
N
grundstrichlosen Schriftzii en hinge
schriehem »Zum Venri rrian zur
i freundlichen Erinnerung.« "
- Ersah das Bild eine Weile an,
und in sein unruhigeg« aewiß nicht
weiches Herz. tam heim Betrachten
des zarten. ichwermäthigen Mädchen
lopses doch etwas wie Bedauern und
Reue. Sie war immer gut zu ihm
gewesen, hatte all seine Launen ertra
aen und hatte ihm treulich mit « ren
paar Groschen, die sie sich durch ·eine
Stickereien verdiente, geholfen, wenn
er nichts hatte oder gar stellungslos
war. An all diese lieben und guten
Stunden dachte er jetzt wieder, und
fiir Augenblicke quälte ihn die ängst
liche Frage, ob es nicht doch besser
gewesen wäre, wenn er bei ihr ar
blieben und lie geheirathet hätte. Aber
sie wak ja doch todt...
Ach was! Er machte eine unwillige
Bewegung, seht, wo er Geld hatte wieT
Heu... wo die ganze Welt ihm offenj
stand! Rasch steckte er die Photogra
phie in die Tasche und trug den Brief,
den er auch schon am Abend vorher
geschrieben und in dem er seinen
Wirthsleuten mitgetheilt hatte. er ver
reise fiir ein paar Tage, in die Küche
und legte ibn auf den weißaescheuer
ten Tisch. Dann nahm er feine
Hantasche und ging festen Schrittes
die Treppe hinunter auf die Straße.
Nachmittags war Henri Burrian
schon in Dresden und mit dem Fünf
ubrzug fuhr er iiber Leitmeritz nach
Wien. Dort hatte er ein Jahr londis
tionirt, tannte die Gelegenheit und
beherrschte sogar den Dialelt ein we
nig. Er hatte das Gefühl, daß er da
am sichersten fei. Natürlich war sein
Erstes· den Anzug zu vertauschen.Er
kam sich Anfangs ein wenig asfeltirt
vor in dem Glockenrock und dem vorn
offenen, weit auegeboaenen Stehtra
aen mit flatternder Binde, aber fein
jehiges Auf-sehen war- von dem friihe
ren dadurch so grundverschieden, daß
er ganz zufrieden war mit rdieser
Verwandlung Und hld merkte er.
da er damit noch mehr gewonnen
ha te, das nämlich, worauf in feinem
Leben eigentlich Alles antam: die«
Aufmerksamkeit der Frauen. Siehiel
ten ihn höftwahrscheinlich ii.ir einen
Mimen. Die ersten Tage war de:
Buchhalter noch zu vorsichtig, um sich
in ein Abenteuer einzulassen Und als
am dritten Morgen sein Bild in den
deutschen und bald auch in einigen
Wiener Blättern erschien, da vertroch
sich henri Burrian ängstlich in dem
kleinen Hoteh Ko er vorläufig Woh
nung aenomme hatte.
r hatte es nicht gewagt, iolch’ eine
Zeitung iu tausen. nur im Cafe hatte
er sie eingesehen. Und voll blassenEnt
sehend aetraute er sich im ersten
Augenblick gar nicht, den Kopf hinter
dem Blatte hervorzugehen Denn fet
nenr Eint-finden nach sah er genau so
aus wie das Bild in der Zeitung, das
nach jener Photographie her eiiellt
mar, die er feinek Braut aefchenlt
und die Manns Familie inzwischen
wohl der Polizei übeaeben hatte. Aber
allmählich wurde der Buchbdlter ru
higer, und das Fieber, das in all’ sei
nen Pulsen hämmerte, hörte auf, als
er sich tlar machte, daß er jetzt ja ein
ganz Anderer fei, als damals bei Be
gehung dek That. Sein Verantwort
lichleitgaefiihl war an sich gering,
aber mit der Zeit bekam er es fertig«
die Person. die jene Checksällchung
vorgenommen hatte, von der anderen,
die fett in ruhiger Gemächlichteit von
dem Raube lebte, so zu trennen,daß
er sich selbst mit dem gesuchten De
fraudanten gar nicht mehr identiich
fühlte.
»in-— Os-—- —:-- --j
HOUII Jlll klug-seen cui-re ging «
hin und kaufte sich, allerdings an ver
schiedenen Zeitunglsiiosken, alle Blät
ter, die irgend Etwas über feinen Fall
brachten. Die Sache fing an, ihn
außerordentlich zu interefsiren, and
die verfchiedenartiqen Vermuthunaen
her Zeitungåleute, wohin der Defram
dant sich wohl gewandt haben könne,
belustigten ihn. Er fand sogar, fein
Fall werde nicht mit der nöthigen
Gründlichkeil behandelt. Am erften
und zweiten Tage ftanden längere
Artikel in den Spalten. nachher kaum
noch eine· flüchtige Erwähnung. Für
den jungen Mann lag darin etwas
wie eine unverdiente Zurüafetzunq.
Auch daß fo gar nichts über sein
Berhiiltnifz zur Familie Metzger iu
lesen war — merkwürdig! Na. sie
wollten offenbar die arme Klara idro
nen! Deren Bild trug der Deirau
dant immer bei fich. Zu der Todten
war fein Verhältniss wieder lieber und
inniger geworden. Jshm war’s, als
lebte fie noch, als wörexfie der ein
zige Mensch, zu dern er eine gewisse
innerliche Beziehung habe. Das wars
eine Freundschaft ilber das Grab hin- .
aus« zusammengehalten durch ein»
kleines Bild. das henri Burrian nicht
aus feiner Jafche ließ. ;
Du Uebrigen hielt ihn das nicht
ab, sich nach Kräften zu vergnii en
Er wechfelte von Zeit zu Zeit csein
spiel, das war aber auch die einzige
Vorsicht, die er noch übte. EineSorg
losigkeit hatte ihn überkonunen, die
höchstens vor der Anknüpfung eines
sseften Verhältni i zu irgend einem
Mjlbchen zuröckf reckte. Aber das
hatte er nun ja auch gar nicht nöthig,
es gab ja doch to viele, die ihm zu
»lZchelten. .
! Crit heute Vormittag hatte er im
EIPrater wieder eine ganz allerliebste
Bekanntschaft gemacht. Nun stand er,
es mochte sechs Uhr sein undei dun
telte schon, und wartete auf die Mei
ne,die ihm ein Rendezvaus s IIgerieben
hatte. Da lan- sie, fesch wie a e diese
Miit-eh die den Tag iiber arbeiten und
des Abends am Arm ihres Kavaliere
die Geniisie Wiens in vollen Zügen
kosten. Sie wollte in ein Case, und
das war dem Puck-halten der erst
Täetatek oorgefchlagen hatte, auch
re .
Zigeuner spielten. an dem grellen
Lichte der Bogenlampen standen ihre
ichlanlen Silhouetten auf dem Po
dium, hoch über den Köpfen der Vie
len. die an runden Marmortischen
zechten Die Musik strich wie eine
weiche Hand iiber die Herzen der
Leichtlebigen. Venri Vurrian fühlte
wie sich der runde Arm feiner Beglei
terin in den seinen preßtr. Er fah
sie blitzend an und formte die hart
losen Lippen zum Kuß ——— sie lachte.
Und dann saßen sie und tranken. Er
aufte ihr Rosen. Aber wie der Zi
geuner lam, gab er ihm nur zwei
lKreuzen
I Das Mädchen foppte ihn, er hätte
wohl nichts bei fich? Ob sie ihm nicht
«,,ein paar Sechserln« vorstreeten
sollte?
Den Buchhalterz der schon tüchtig
getrunken hatte, den packte die Groß
mannssuchts er holte seine Brieftasche
heraus. um« die Kleine hineinsehen zu
lassen in seinen Reichthum. Dabei
fiel ihm, ohne daß er es gewahr
wurde, Mark-VI Photographie zu
Boden. ’
Sie, mit ihrem scharfen Blicke, be
merkte sofort, daß das ein Frauen
bildniß fei, das da arn Fuß des Mat
mortiichchens lag. Und von eifersäich
tiger Neugier gepackt, hob sie »das
Blatt unauffällig empor. behielt es
aber auf dem Schooß. uin es unge
stört betrachten zu können
Er hatte den Kopf gegen den grauen
Pliiich des-— Sofas gelehnt und fah,
von der Musik gen-trat träumeriich
den Rauchringen feiner Zigarre nach.
Da sagte sie auf einmal: »Ich dent’,
du heißt Eduord Leitgeber · . . . und
hier steht doch »henri Burian?«
Dabei hielt sie ihm die tleine Pho
tographie in einiger Entfernung vors
Gesicht. '
Ihm schlugen Angst und Wuth wie
eine rothe Welle ins Antletx Auf
springend stürzte er über sie her, um
ihr das Kartonblatt zu entreißen, das
sie, sich hinteniiberweriend und die
Hand, soweit sie tönnte, nach hinten
haltend, wahren wollte.
Die Leute swurden ausmertsam,
und gerade jth schwieg die Musik
Er gab nach. »Gid mir das Bild
wieder!'« flehte er.
Sie gut-'s nicht. »Du heißt Bu
rian,« sagte sie laut, »wer weiß« was
du für ein hallodri bist!«
Todtenbleich sah er sich um.
Da tagte jemand hinter ihm: »Bu
riau?-« -
Das übrige verstand der Buchhal
ter nicht mehr, er hatte sich erhoben
und wollte fort, ohne Hut. Indem
llang die Stimme wieder in unver
fälschtem Berlinisch:
»Ach, det is ja der Schectfiilscherl
Halt ihm! . . . . halt ihm!« . . ..
Und da hatten sie ihn auch schon.
Geschehen. gestoßen flog er zurück aus
seinen Platz-» bis dieVolizisten lamen.
Er sah sich haßerfülltnach dem Mii
del um, aber die warl fort. Nur,die
Photographie lag auf dem Marmor
tifch, und ihm war es, als blickten ihn-i
Klaras Augen mit einem schmerz
lichen Lächeln nach, als er gefesselt
abgefiihrt wurde.
» Ein Opfer der Lüfte.
Von P, S.
Kein Tag ohne Ballonsabrt —- keine
Zeitungsnummer ohne Notiz über die
sen oder jenen Erfolg im Reich der
Lüste! Seb’ ich die Bilder mit den
»attuellen« Ungethümen der höheren
Sphären, den starren, den halhstarrem
den lenkbaren und nichtlentbaren vor
mir, dann gedenie ich unwillkürlich je
nes Ballons und seines jugendlichen
Führers, den vor nun 15 Jahren bot
unseren Augen in türzester Frist ein
tragische-L Geschick ereilte.v
Es war im sernen Bonn-an das
wir als Erholungsstation mit unserem
kleinen Schifflein, von der ostasrita
nischen Küste kommend, sür einige
Wochen ausgesucht. heute (Sonntag)
Aussiieg des »The Wanderer«, geführt
von einem jungen Schisssossizier, Re
serveleutnant der englischen Flotte —
so besagte das Programm. Ganz
Bombay strömte hinaus tron glühen
der Tropenhiye —- galt es doch, mal
etwas Besonderes zu sehen; hatte man
doch schon gehbrt von den jüngsten
kühnen Fabrten dieses Arnateurs, bei
denen er mit dem Iallschirin aus un
glaublicher Höhe heil wieder unten
angelangt war. Ja, ganz Bombar
mar aus den Beinen, vorn Gouvernem
bis um ärmsten Juden-Wer je in
indischen Stüdten umhergegangen,
wird sich im Geiste vorstellen lbnnen,
welch saebenvriichtiges Bild sich· ne
’benbei aesa t, da entrolltej Viel Jn
teressantez ab ich schon. aber dies
ibuntscbeckige, eigenartige Durcheinan
’ der einer indischen Voltsrnenge bleibt
Imie stets in lebbaster Erinnerung
Wie hatten unter dem woblbelannten·
Stoßseufzer eines nordischen Mannes
im Tropenllimat »Ob« die hinei«
den Platz de! Ballanschauspieleö end
lich erreicht. Ja, eine ungeheure
Menschenmenge hatte sich eingefunden,
herrütbe Toiletten der Damen aller
Gesellschastzstlassem sarbenreiche Uni
I sonnen un Gewänder der Eingebun
«-»...-«.--«.-«-——....--—... -—.—— » -, — ---— .-.—.-.. —
! Sttmel gehst.
»W- »W- " «
Provinzmime Hm Stammtifch): »Das war gestern ein Bombenekfolg
— siebenmal hat«-mich das entzückte Publikum betaukqejutelt Der erste
Liebhaber ist vor Neid beinahe geplaht... Jetzt liegt er im Akt-schwe
tet Gelbfuchtsonfac!« (A Lesen-so tritt der erste Liebhaber ganz sidel und
gesund rings Mime Heise zu den anderem: »« a ist et ja det Aetmste!».
Er weiß nkch gar nicht, wie krank er ist!"
nen. Mühsarn bahnte man sich einen1
Psad durch die neugierig ruichauende
Menge, und dann stand man doridtn,
dein »Wanderer«, der von englischen
Mater-sen festgehalten wurde.
- Wie ein Rennpserd vor dem Start,
to unruhig« bäumte sich auch dek Bal
lon an seinen Fesseln. Prall ausge
füllt— tlar zum Gefecht —- fo wiegte
er sich aus dem Raienplatze hin und
her, stolz gemustert von den fröhli
chen. zuversichtlichen Augen seines
rrn und Gebieten-, der, ausgerüstet
m den verschiedensten Instrumenten,
nunmehr die letzten Vorbereitungen
zu seinem Aufstiea tras.
Und nun gings wirllich los. Einige
Kommandos —— dann bestieg der
liibne Lustfchisser die trapexartiae
Gondel, ein paar Dändedrücke —- ein
,.Auf Wiedersetsen«, und sanft schwebt
der «Wanderer«, aus ein letztes Korn
mando seiner Fesseln entledigt, unter
den wohlbekannten Klängen des da
mals noch ailtiaen »Got) iave the
Qu»een'« in sein eigentliche-; Element
--tn die »höheren Regionen". Der
Ballon steigt maiestätisch unter dem
üblichen »Dir-! bit-! Hart-abl« einer
tsusendlövsigen Menge empor. Weiter
brausen die Klänge der MititiirmusiL
gespannt solgt das Auge, das Glas
dem Fluge des Unaethiimo der Lüste.
Im Nu ist es in Airchthurrnhöhe,
noch kann man den frei dastehenden
Führer mit bloßem Auge erkennen.
Dacht-a —- halt —- wad ist denn das?
Welche Bewegung dort in der Balle-n
htille7 Mit einem Male auch Bewe
gung in der gespannt nachdliclenden
Zuschauermengr. Die Ballonbiille
flattert elgenthiimlich hin und her.
OGolt —— der Ballon ist aeplatztl
Jäh bricht dieMusit ab. Nuse und
Schreie des Entsetzens und der Angst!
Alles rennt durcheinander Damen
werden ohnmächtig, man möchte bin
eilen, aber der »Wanderer« ist unssa
entrückt-— freilich, er lehrt heim —
doch wie!
Noch ist ein langsameö Aufsteigen
wahrnehmbar man sieht den jungen
Führer inssieberhafter hast an den
Tauen und dem Fallschirrm dem er
sich schon so oit anvertraut hatte,
hantiren. Augenscheinlich will erihn
in Thiitigleit sehen, um mit ihm dem
zerstörten Ungethiim zu entfliehen.
Aber ·- ach—— das ist in dem Wirr
warr da oben nicht mehr möglich.
Der Ballon steht, und dann —- ein
langer Schrei der angstvoll zuschauew
den Menge. dann sinlt die slatternde
Masse mit seinem um sein junges
Leben tömpsenden Opfer. Ein eigen
artiger, herzzereiszender Augenblick-·
dieser soeben noch neben uns in voller
Jugendlxast Stehende und dann
einige Selunden später dort oben in
den Lüsten, vor unseren Augen, dem
Tode Bersallene, vor aller Augen« die
ihm soeben noch fröhlich nachbliettenl
Er sinlt "———-— obs-here erringt.
Man gewahrt vor sich an der ver
muthlichen Landestelle Baume-tappen
und hent tm Stillen die Dass-rann
daß ein aiitiges Geschrei derkFall
durch hängenbleiben in den Zweigen
milder gestalten möge —- nur ern
frommer Wunsch, ohne große Wade
scheinlichleit. Immer schneller srnlt
die Masse-dann ist sie ain grausa
men Ziel. Die Menae stürzt fort zu
dek Landestelle, die Zurückgebliebenen
warten in banger S Ile. Endlich
eine zurückströmende enschengrubve
rnit dem Freudenrus: «he is lavedl«
t»Er ist gerettet!«) Ein dreifaches
freudiges: «Dtp!hipl hurrah!« war
die Antwort
II-- I-I- II IIIO III ask-—
CUII II s s- - - - s---»
die Hoffnung, der Wunsch eilte der
Thatsache voran-. Wohl lebteer noch,
der tiihne Luftschisser, als er mit zer
schmetterten Gliedern aus dem Rasen
platze gefunden wurde, wohl trant er
gierig das dargebotene Glas Whiötn
und Soda, aber dann spat ei aus mit
ihm-— Sehnsüchtia harrte die Menge
aus eine weitere Bestätigung der er
sten, immerhin unwahrscheinlich tlin
genden Freudenbotschaft —- sie wollte
und wollte nicht tammen. Dann
endlich wogten die Menschen zurück,
langsamen Schrittes, mit ernsten
Mienen: «he is der-W —-—-———
Wie war ej nur getommenLS Zu
starte Gassüllungf Verletzung der
Ballonhiille durch unglücklichen Zu
falls Oder waren die Folgen des
letzten Abstieas der Grund? hierbei
war nämlich der ,,W-nderee« ins
Meer gestürzt, Fischer hatten ihn
über die steinige Küste ans Land ge
zogen, und dadurch war der Stoff an
verschiedenen Stellen gerissen. Sollte
die Ren-natur teine genüsende gewe
sen sein? Fast mußte man, dies glau
ben: denn eine andere Erklärung war
nicht zu finden. «
Ein Tag später. Wir lie en mit
unserem Schifflein im großen kosten
dock. dessen hohe Wände eine kühlende
Briie abhalten und die Tropengluth
noch erhöhen. Rings-herum aus dem
Masienwatd alle Flaggen batbstocksiir
den beliebten jungen Seemann, der
auch das Meer der Lüste in tiibnem
Fluge durcheiien wollte. »Gan Bom
ban in Trauer« —- —— so lese ich’s
noch in einem vergilbten Briefe an
meine nun auch schon dahin cis-hiebe
nen Eltern — doch beim L en stebt
mir alles wieder, als sei es gestern
passnt, lebhaft vor Augen
Auch das Blut des jungen Luft
schiffers ist siir die große Sache nicht
umsonst geflossen. Es bat auch wohl
beigetragen zu« weiteren Vorsichtöo
maßregeln, zu weiteren Vorbeme
mitteln, aus die es zweifellos bei der
artigen Unternehmungen so besonders
ankommt. ——— Große Erfolge, Thatem
Entdeckungen — sie alle baben ihre
Opfer gefordert und werden es thun,
solange die Welt besteht. So möge
auch diessileinh schtichte Erzählung
aufgefaßt werden«
-— -
Jugeleuaoerslozubem
Daß Perlen Ihriinen bedeuten sol« -
len, weiß so ziemlich Jedermann. Er
gab und aiekit deshalb nicht wenige
Frauen, die diesen sonst doch so hoch
angesehenen und ebenso kostbaren wie
tletdsamen Schmuck nur mit einer Art
von abergliiubischer Scheu anlegen.
Erst wenn die Erfahrung ihnen be
wiesen hat« daß das Tragen des löst
lich schimmernden Perlenhalsbandes
durchaus nicht immer Thränen zur
Folge hat« verliert sich die Angst.
Der Diamant stand in früheren
Zeiten in dem Nase, erstens dem Be
sitzer Macht iiber andere Leute zu ver
leihen. und zweitens seine Gesundheit
zu sichern. Ganz besonders sollte er
vor dem Wahnsinn schützen Die Rei
chen und Vornehmen trugen ihn deg
haLb gern als tlniulerr Bei manchen
hat sich dieser Glaube bis heute nicht
verloren. «
Auch der Tiirtik wird noch heutzu
tage von nicht wenigen Leuten als
Schutzmittel aeaen aesundheitstörende
Einsiiisse bochaeschiitzt, und zwar soll
ek vor plötzlichen Perlen-ungen, vorm
Absturz und vorm Uebersahrenwers
den bewahren.
Als Schutz vorm Wahnsinn gilt
nicht nur der Diamant, sondern auch -
der Tonne-. Er soll die maaische Fik
higteit besitzen, den irren Geist zu be
ruhigen und den·verstandgerriittenden
Einfluß unterirdischer Mächte zu ban
nen.
Wer in schweren Unwettern einen
Ring oder sonstigen Schmuetaegen
stand von Achat dei sich trägt, soll
vor einem Erschlagentoerden durch den
Blitz sicher sein.
- heiliriiste werden auch dem Bern
stein zugeschriedew Kleinen Kindern,
behauptet man. erleichert er das Zah
nen, ebenso verhindert er Halsschtnen
ten und geschwollene Mandeln. Bern
steintetten werden daher in vielen
Boltötreisen mit Vorliebe getragen.
Dem Opal traute man ehemals die
Krast zu, seinen Träger in den Augen
der Menschen liebenswürdig erschei
nen zu lassen. Wo es nöthig war,
sollte er ihn sogar unsichtbar machen.
Jn der Neuzeit dagegen versieht man
sich von ihm solcher heilsamen Dienste
nicht, sondern schreibt ihm allerhand
Mitkkbiicha Wirkungen zu» Dasselbe
ist bei-n Amethysi der Zoll. Der Ru
bin soll, wie man sagt, Blutvergießen
in Aussicht stellen.
Der Smaragd dagegen soll Glis
bringen und ein heiteres, hoffnungs
vollez sicetniith verleihen. und dem
Verhll schreibt man die Kraft zu, zwi
schen Ehegatten ein gutes Einverneh
men herbeizusiihren. Ob diese Kraft
nicht sämmtlichen Juwelen inne
wohnti z
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M des solle-.
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zig der Neugierde halber anatomische
Betriebsaan Der erstreute grosesi
sors legt ihm eine sage in etress
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