Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 01, 1908, Sweiter Theil., Image 14

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    Auf falschem Boden; , »
spann von h. Genuss-Myla.
f
, (13. Fortsetzung)
Daraufhin hatte sie sich Mühe gege
ben. heiter zu scheinen, aber es half
sucht viel, wenn auch ihr Mann einige
Zeit wieder zärtlicher zu ihr wurde. »
. Mit täglich wachsenderAngst merkte
kla, daß zwischen ihr und ihrem
nne eine Scheidewand emporstieg,
Ihrr die sie sich kaum die Hände noch
reichen konnten. an ihrem Jnnern
sah es erbarmungswiirdig aus. Um
gehen von zarter, verstehender Liebe
war sie ausgewachsen nicht ein Hauch
hatte ihr retches Leben getrübt, bis sie
in dies haui gekommen war. Und
nun. war alles so ganz anders gewor
. u.
Den größten Schmerz Verursachte
ihr die Erkenntnisz des Unwerths
ihres Mann-es. Mit grausamer Deut
lichkeit zeigte er ihr täglich mehk und
’ mehr, daß er keine der großen und
edlen Eigenschaften besaß, mit denen
Threideale Begeisterung ihn ausgestat
tet hatte. Langsam, aber mehr und
sticht-, verblaßte das Bild, das sie sich
von ihm gemacht hatte, und vor ihr
stand Franz «Boßneet, wie er wirklich
war: oderslächlich, genußfiichtig in
siedrigster Bedeutung und eitel, baar
aller edlen Mannhaftiakeit undGröße.
Mit traurigen Augen sah sie auf ihr
fallenes Götzenbild und versuchte
mmer wieder, aus den Trümmern
ein neues zu hauen. Es gelang ihr
sicht.
. Sie wehrte sich tapfer und wie eine
Brrzweiielte gegen die volle Erkennt
eriß ihrer Lage. Was sollte aus ihr
werden, wenn das so weiteraing?
Und alles das trug sie allein. Jhr
iBater hatte wiederholt dringend um
Nachricht gebeten, wie es ihr ginge
Erst berichtete sie ihm immer falsch
Es ginge ihr gut, sie sei glücklich.
Dann aab sich aber Rast-aussen mit
diese-n Berichten nicht mehr zufrieden. .
Er kannte seine Hella zu genau, um
nicht zwischen den Zeilen allerlei zu
Lesen. was ihn heunruhigte. Er be
schloß also, Hella zu besuchen und sich
son ihrem Eraeben selbst tu über
gequgen Eines Tages schrieb er ihr
s und meldete sich fiir die nächste
seit an. .
Hella erfchral. Jhr Vater durfte
nicht kommen, er sollte sein Kind
nicht in seiner Erniedrigung sehen!
Sie schrieb ihm sofort wieder: »Kom
m nicht, Papa —- ich bitte Dich dar
.Iun. «Mein Verhältnis zu meinem
« Mann und seinen Verwandten ist ein
» Wettges, Du würdest es nur ver
schiimmern, ohne mir helfen zu tön
nen. Jch will wahr und offen zu Dir
sein, lieber theurer Papa, ich habe in
meiner Ehe bisher nichts als Ent
tiiuschungen gefunden. aber da ich sie
eingegangen bin, muß ich auch alle
Folgen tragen. Sorge Dich nicht um
mich, Herzens-barsch ich werde schon
fertig damit, und es muß ja einmal
besser werden. Aber Du sollst nicht
hierhertommem ich könnte es nicht er
tragen. Nur um Dich daran zu hin
dern, bin ich ossen zu Dir, das wird
Dich überzeugen, daß Du nicht kom
, men darfst. Behalte Du Deine Hella
lieb. mein einziger theurer Papa! —
Bitte, sag Sven nichts von meiner
Beichte, nur Du sollst es wissen, daß
ich mein Lebensschiss verfahren habe,
aber ich bin Deine Tochter. Du haft
sfi gesagt: ein guter Kapitän verläßt
sein Schiff nicht, wenn es aus Sand
geräth sondern sucht es wieder flott
ja machen. Danach will ich handeln.
Weißt Du, an was ich fest immer
denken muß — an sSvenZ Wert »Auf
'--falschem Boden«. Solch ein Pflänz
chen-· hin auch ich —- auf sieinigen Bo
den bin ich gerathen, und ich war so
Denk fruchtbares Gartenland ge
WL Da muß ich nun erst lernen,
strich zu begnügen. Leb wohl« Vater,
« BE Sven und behalt lieb Deine
Daraus hatte Rasmussen ihr gute,
itssiende Worte geschrieben, die sie
wunderbar siärkim Zum Schluß
hies-. esst »Ich will Dich nicht in Dei
nen Entschiiissen wankend machen.
mein geliebte-«- Kind. Der Lebens-»s
iarnpf hat nun auch Dich erfaßt, aber
bqtre aus und bleib Dir treu. Da
Dr- cs nicht willst, komme ich nicht,
aber ein Wort genügt, um mich zu
Deinem Schutz an Deine Seite zu
führen. Du bist nicht allein, Dein
Vater mrliißt Dich nicht, was auch
kommen mag. Sven läßt Dich grü
ßen« er arbeitet mit glühean Eifer,
und was er schafft, ist benannt-erns
lverth. »Aus falschem Boden« ist«
wie ich Die schon schrieb, mit der
Ovid-Im Medaille ausgezeichset wor
den. —" Smjsi sast unzerieennlich
Du mir, et wird mir täglich theueet.
M wie M Abends zusammen
g-, M wir sasi nur von Die,
sß mitten unter uns. Frau
Attribut sorgt in alter treuer Weise
Ist Mich mid» wird sogar tot-kaut ge
t " Ue «Siseinpuppen«, seii ich eine
, von Die geschaffen habe, um
Z an Deinem Ugblick zu erfreuen.
j much riet-e- Mat mit feuch
» « I W« und sqgix »Hm
Mot, es ist doch zu eiwai gut,
lydaß Sie so etwas können, nun haben
wir wenigstens unser liebes Fräulein
Hellachen noch bei uns. Nur schade,
daß sie nicht auch noch sprechen und
lachen tann«. —- Siehft Du, Herz
iind, viel Liebe fliegt in Gedanken zu
Dir, laß es Dir zum Trost gereichen. ;
Schreibe mir oft und mache Dir dasi
Herz leicht. Sei innig geküßt von
Deinem treuen Vater.«
Diese warmen, treuen Worte tha
ten Hella ungemein wohl. Mit hei
ßer Sehnsucht dachte sie· an die Hei
math. Wie schön müßte es sein, sich
aufmachen zu dürfen und an der
treuen Vaterbrust allen Schmerz und
Kummer auszuweinenk Aber man
würde sie nicht fortlassen und —- die
Rückkehr wiirde ihr dann doppelt bit
ter sein. Besser, es blieb, wie es war.
Des Vaters Brief hatte sie aber
wunderbar gestärkt. Die Versiche
rung, daß man ihrer in Liebe ge
dachte, machte ihr das Herz höher
schlagen. Sie war es ja so gar nicht
mehr gewöhnt, gute liebe Worte zu
hören.
Von neuem warb sie um Liebe und
Verstand-riß bei ihren Verwandten,
aber bald mußte sie einsehen, daß al
les vergeblich war. Und da wuchs
langsam der Trotz in ihr empor. Mit
aller Demuth erreichte sie nichts als
neue Kränkungen, ihr Mann dankte
ihr die größte .Selbstiiberwindung
nicht, vergalt sie vielmehr mit Ver
nachlässigung und höhnischen Bemer
kungen· Stand ihm dann einmal der
Sinn danach, den Zärtlichen zu spie
len, dann verdroß es ihn. wenn sie
nicht gleich darauf einging, und er
schalt sie störrisch und drohte, ihren
Starriopf schon noch zu brechen und
ihr zu zeigen, wer Herr im Hause sei.
Das alles wurde ihr auf die Dauer
unerträglich, sie begann sich zu wehren
und auf Abhilfe zu sinnen.
Am gräßlichsten waren ihr die wö
chentlichen Kaffeelriinzchen und die
sogenannten »geselligen Abende« mit
den Herren und Damen des Voßnect
schen Vetanntenlreifes.
Jm Kränzchen hatte sie sich durch
ihr ehrliches, offenes Wesen, welches
Klatsch und Tratsch geißelie und ver
abscheute, sehr bald unbelirbt gemacht.
Außerdem vergab man es ihr nicht,
daß alle herren Heila entzückend fan
den und sie an den geselligen Abenden
umschwärmten
Die junge Frau war so froh, wenn
sie mit jemand ein vernünftiges Wort
sprechen konnte« und unter den herren
fand sich dieser und jener, mit dem
es sich lohnte, eine Unterhaltung zu
führen. So gab sie sich diesem selte
nen Vergnügen mit Freuden hin, ah
nungslos, daß lleinliche Klatschsucht
und Bosheit ihr das zum Verbrechen
anrechnete. ·
Vertha und ihre Mutter hielten es
fiir ihre Pflicht, die junge Frau dar
auf aufmerksam zu machen, daß ihr
freies Wesen den Herren gegenüber
und ihre extravaganten Toiletten von
allen Damen ihres Kreises gerügt
wurden, und daß sie in der ganzen
Stadt den Gesprächssioff bildete. Daß
sie selbst dafür gesorgt hatten, hella
von Anfang an in Mißlredit zu brin
gen. verschwiegen sie natürlich dabei.
Da dies aber in die Zeit fiel, in
der sich bei hella der Trotz zu regen
begann, hatte diese Ermahnung nur
zur Folge, daß sich hella noch mehr
von all den lleinlichen Frauen zu
rückzog und sich im übrigen durch das
Gerede nicht die wenigen Stunden
rauben ließ, die ihr eine kleine geistige
Anregung brachten.
Es- IIAII II- IIAII Its- IIIII www .
sc ---- -- s--- —
in Ungnade. Am seindllchsien stand
ihr jedoch Elsa Kleeseld und deren
Mutter gegenüber. Diese beiden ed
len Seelen sorgten eifrig dafür, daß
Hella isoliri wurde. Bei-ihn hatte
ihrer Freundin Elsa mit Schauern
moralischer Entriisiung von der
Marmorstatue und der modellirten
Hand erzählt. Diese Erzählung war
natürlich noch ein wenig ausge
schmückt worden, nnd Elsa hatte dann
das Jhrige gethan.
Mit vielsagenben, verschleierten
Redewendungen, mit bedentungsvol
lem Achselzucken und anklagend zum
himmel blickenden Augen hatte man
einen netten Brei zusammengetochn
Es war danach er sen, daß Hella
Berliner Künstlern wFinden gestanden
hatte. » Natiirlich beeilien sich die Da
men, diese Schauermiir ihren Heeren
nbinterbringen, nni sie vor der ge
feibrlichen Kniette zu warnen. Der
beabsichtigte Zweck wurde indessen
nicht erreicht. Die Herren fanden ini
Wl die schöne btoniie Berline
rin dadurch noch eine Riiance Man- i
ter nnd drängten sich erst recht in ihre »
Mike- Die Damen waren außer sich
dariiber nnd versscherten der «lieben
WeeU baß man nur aus Rücksicht
sätsie einen Eilat vermied.« »
Franz hatte von diesem Gerücht
!
i s.
iiber feine Frau ebensowenig eine
Ahnung wie diese selbst. Daß hella
so unbeliebt bei den Damen war, hin
ter-brachten ihm Mutter und Schwester
natürlich mit Genugthuung. Sie er
zählten ihm, daß feine rau unlie
benswiirdig und hochmiit ig sei und
Halle Damen sich durch ihr freies Ver
Jhalten herren gegenüber verleht fühl
;ten. Sie zeigten bei dieser Veranlas
;sung, daß sie nicht ohne Phantasie
waren, denn sie schmückten die Be
richte nach eigenem Ermessen aus. Da
mit erreichten sie, daß Franz immer
ärgerlicher auf feine Frau wurde und
gar tein Hehl daraus machte. daß er
bereute, sie geheirathet zu haben. Er
lief herum wie ein böses Thier und
Hella bekam auf alle Fragen nur höh
nische, beißende Antworten.
Das bestärtte sie in ihrem Trotz.
Sie war sich bewußt, alles gethan zu
haben, was in ihren Kräften stand,
um sich eine bessere Stellung im hause
zu schaffen. Nun aber war auch ihre
Geduld erschöpft. Sie nahm sich vor,
noch einmal einen Versuch zu wagen,
ob sie ihren Mann nicht bestimmen
tonnte, mit ihr das Haus seiner El
tern zu verlassen. Gelang es ihr nicht,
dann mochte es gehen wie es wallte.
Ungestraft demiithigen ohne Grund
sollte sie niemand mehr, das war sie(
sich selbst schuldig. —
Sie verbrachte jetzt den größten
Theil des Tages in dem kleinen
Zimmerchen, welches sie zu einemx
entzückenden Schmuckkästchen ausge-;
ftattet hatte. All ihre schönen Sachen ;
hatte sie hier untergebracht. Es blieb H
ihr nicht viel Platz, sich zu bewegen,;
aber da sie stets allein war. genügtel
es ihr vollständig Das Zimmerchen
war ihre Friedensinfei. Hier konnte
sie sich als Mensch fühlen und an ihre
Lieben daheim denken.
Niemand störte sie. Jhr Mann
war im Anfang einige Mal bei ihr
gewesen« als sie noch gute Stunden
miteinander hatten, aber er fühlte sich
beengt und ungemüthlich und konnte
nicht begreifen, daß Hella dieses Zim
mer so schön fand. Bertha und ihre
Mutter mieden nun gar den trau
lichen Raum voll Entrüstung. weil
»das Mädchen mit der Perle« darin
nen stand und gar auf dem hellsten
5Blase, gleich vorn am Fenster· Es
war einfach ein Standal. —
Es war ein Frühlingstag. Es
klingt i« .««-soetisch, wenn die Dichter
singen: »Der Frühling kommt mit
Brausen«. Jn Wirtlichieit bleibt we
nig von Poesie übrig, wenn das Brau
sen mit strömendem Regen untermischt
ist« der tlatfchend an die Fenster ge
trieben wird. hella stand fröstelnd
am Fenster und schaute stumpf in das
Wettergebraus. Melancholisch fah sie
das Wasser an den Scheiben herab
rinnen wie unzählige Thriinenbiichr.
Solches Wetter ift fiir traurige Men
schen fürchterlich.
Pliihlich schrat sie aus ihrem Da-«
hinbrüten auf, die Thiir zu ihres
Mannes Zimmer fiel draußen ins
Schloß. Sie erhob sich und ging hin
Franz Boßneck stand aus dein Kar
ridor, im Begriff, zum Essen hinun
terzugehen.
»Bist Du schon seriig?« fragte sie,
um nur etwas zu sagenk
»Wie Du siehst, ja. Wir können
hinuntergehen.«
Stumm schritten sie nebeneinander
die Treppe hinab und begaben sich
ins Speisezimmer.
Frau Emilie und ibre Tochter wa
ren schon. anwesend und gleich nach
ihnen trat Ernst Baßnecl ein. Er
machte ein grimmiges Gesicht Un
terwegs hatte er einen Bekannten
getroffen, der ihrn allerlei Schmei
chelhastes über seine Schwiegertvch
ter gesagt hatte. Unter anderem hat
te ek bemerkt:,.11nd eine Art, das
haar zu tragen, bat Ihre Frau
Schwiegertvchter — entzückend gera«
dezut So etwas giebt es in unse-(
rer guten Stadt nicht wieder-« l
Ernst Bosnea war weit davon!
entfernt dies als Schmeichelei arg: i
zunehmen Er hatte sich s on man »
mal iider helle-I geniale» risur ge
ärgert. Er redete sich ein, die Aru
ßerun des Bekannten sei versteckte
Mißbtlligung, und betrachtete dies
als eine willkommne Gelegenheit,
Hella etwas arn Fuge zu slicken
Als man bei ische saß schweig
iarn und unfreundlich wie immer,
merkte die junge Frau ans dem ste
chenden. boshasten Blick seiner Au
gen, daß er evieder etwas gegen sie
vorhatte. Sie wußte aus Etsahruna,
daß es nur eine neue Kränkung be
deutete« als er plvjlich das Wart an
sie richtete. Diesmal sollte er aber
nicht wieder über sie triumphiren,
sie hatte es satt, sich ewig schikani
ren zu la en, ohne damit ihre Lag-e
irn aerin en zu bessern.
Seisagen Sie einmal Frau Schwie
ter« , begann er, Minnen Sie
teine etwas solidere iFrisur
ankeclenide Man fürchtet immer,
der Sud-be zu finden, wenn
mie am gcisch Ringe sie-n Außerdein hält
r auf. Erst heute
habe ich wieder bänriche Bewertun
sen darti dereinstecken müssen. So
Diesi- itisiteu sich Witwe Kell
nerinnen oder sogenannte Künstle
rinnen, aber nicht Damen aus anse
ren Iesellstbsflslreisem Es ist mir
schen inneres ein Greuel ge,wesen Sie
;tn so an seian Aussughe herumlau
ssen Irr ehen. Ich deute, es bedarf
znnr die s hinweises meinerseits um
;Sie aus das Unpassende in Ihr-et
M
Oaartracht aufmerksam zu machen.«
hella war erst bleich, dann glit
hend roth geworden bei diesen der
lehenden Worten. Sie sah zu ihrem
Mann hinüber. Fand er wirtlich
auch diesmal nicht nöthig, ein Wort
zu ihrer Vertheidigår » Zu sagen?
Der aber saß , a s ob ihn die
Sache gar nichts anginge. Gemächt
ruhig liiffelte er seine Suppe und
zerbriietelte Brot zwischen seinen Fin
gern. Um hellas Lippen zuckte bit
terer, schmerzligtek Spott. Von da
tam ihr keine ilfe, da hieß es, sich
selbst wehren.
Möglichst ruhig sagte sie im lühlen
Tone: »Sie werden trotzdem gestatten
müssen, daß ich diese Frifur auchfer
nerhin trage. Mein Vater fand sie
am tleidsamsten für mich, und was er
gut findet, tann ich mir ruhig als
Richtschnur dienen lassen. es wird
gewiß niemals unpassend sein«
»Ihr Vater —-— Jhr Vaters Bleiben
Sie mir doch mit Ihrem Vater vom
Leibe. Immer berufen Sie sich auf
den« wenn es gilt, Ihren Dicktopfauf
zusetzen. Der hat sdoch als freier
Künstler leine Ahnung, wie es in ei
fner soliden Familie zugeht Laufen
Ietwa meine Frau oder meine Tochter
mit solchen Wuschelhaaren herum. wie
iSie? Jeht haben Sie sich nach Ihrem
Mann zu richten und nicht nach Ih
rem Vater, wie es Ihnen immer be
liebt.«
Hella bist die Lippen aufeinander.
Die Thränen waren ihr fchon wieder
nahe, aber sie kämpfte dagegen an.
Der boshafte alte Mann sollte nie
mehr die niedrige Freude haben, sie
gedemlithigt zu sehen, wenn sie esir
gend vermeiden lonnte. Sie nabm sich,
äußerlich ruhig, ein Stück erisch und
legte es auf ihren Teller. Dann sagte
sie gelassen: »Bertha würde in einer
Frisur, wie ich sie trage, entschieden
hübscher aussehen, als mit diesem
glattem festgetnoteten Haar. Doch ist
das ihre Sache, wie es die meine ist,
mich nach meinem Belieben zu feist
ren. Sie irren sehr. wenn Sie an
nehmen, daß ich mein Haar gegen den
Willen meines Mannes lo trage.
Franz hat mir oft versichert, daß ihm
meine Frisur aefiillt.«
Franz Boßneck wurde sehr roth und
lachte verlegen, während sein Vater
wiithend auf ihn und seine Frau
starrte. »Als Bräutigam findet man
eben alles entzückend an feiner Braut,«
sagte er, wie entschuldigend.
Hella sah ihn mit einem Blick an,
der ihm ungemüthlich wurde und ihn
ärgern »Du hast mir dasselbe auch
noch nach unserer Verheiratbung ver
sichert," sagte sie.
Er guckte die Achseln. »Natürlich,
in der ersten Zeit, als ich nach io
lopflos verliebt war."
»War? Das scheintweit hinter Dik
zu liegen!'· sagte sie mit del-endet
Stimme. »Wir sind noch nicht ein
mal ein Jahr verheirathet.«
Eheer antworten konnte, schnitt
ihm sein Vater das Wort ab. Bitte
—- teine ehelichen Auseinandersetzuw
gen in meiner Gegenwart Ich man
;s nicht mit anhören, wie Du Dich
mit Deiner ewig opponirenden Frau
um die Herrschaft ftreiteit. Du bist
selbst schuld, daß Du es so weit hast
kommen lassen. Ich will meine Ruhe
haben bei Tisch.«
s- sx o k-- »
YvUllU Pius-IT cl slclv clll sul Its-s
unliebsames Thema abzubrechen
Auch heute wurde es still. Beriha
warf giftige Bliele aui ihre Schwäge
rin, deren Kritik iiher ihre Haartracht
sie schwer geärgert hatte, xumal sie
im stillen neidisch aus das wunder
volle, aoldhlonde Haar Hellag war.
Ueberhaupt —- was hätte dieses
Stieftind der Natur nicht aeaehen,
wenn sie iiber solch ein schönesAeuszere
hätte verfügen tönnent Kein Mensch
ahnte, wie oft Bertha schon heimlich
in ihrem Zimmer probirt hatte» ihr
Haar aus Hellas rt zu ordnen. Ihr
striihniaes, spörli s Haar sah aber
einfach lächerlich dabei aug. Sie hielt
Hellas Worte iiir Hohn, obwohl dies
der jungen Frau ganz iern leaeii
hhttr. Sie hätte mit ihren ges ickten
banden auch wohl aus Berihas haar
eine kleidsame Frisur iiir diese auf
stecken können, natürlich nur« wenn
zuvor die reichliche Pomade entfernt
worden wäre.
Jedenfalls hatten ihre Worte Ber
thaöUnwillen erregt, wenn diese junge
Dame auch nicht n·Muth hatte,dies
offen zu zei en. Sie haßte dasiir
ella im sti en umsomehr. In dieser
? leinlichen Frauenseele war alles Gute
erstickt durch die tvrannische Erzieh
lung. hellas Schönheit und Lieblich
» teit war ihr ein Dorn im Auge, denn
Zwenn sie schon überhaupt wenig Be
Tachiung bei den beeren sand, neben
’ hella wirtte sie noch--iinbedeiitender·W
Ali das iungeTltaar nach Tisch]
hinausgegangen war en seine Weh-i
nun-a, trat della vor ihren Mann hin.
Sie sah ihn ernst und entschlossen an
«Jch habe niit Dir zu«reden, Franz.«s
Er wandte sich unwillig ab. «Laß’
neithdusriedent Ei sind doch nur wie-s
der otwürfe, die dabei herauskom-?
mein'
»Nein, tanz. Ich will Dich n
einmal bit en aus tiefster Seele: la
uns sort iehen aus diesem hau e. Nur
der Um nd, dass Deine An e eigen
ewig zwischen unx siegen, ·t dies
silrchterltehe Verhalten gezeitigt Ich
erteage es nichtinehn itte, kund
site unt leben in Zukunft. dann wird
es besser werden« .
Er sah sie ärgerlich an. »Da-chi
tch’5 do , R so etwas heraustiimr.
Das eh aa’ r ein site allemal aus
dem inn.« «
Sie legte ihre hdnde aus seine
Schultern und-so ihm rnit heißer
Bitte ,in die Auge . «Franz, h
Du nitchtvirtltch schon aar nicht nie
liebt Bin ich Die gar nichts mehr,
W
daß Du mich zu diesem ents lichen
Leben« verdammsti Wenn D? mich
nnr ern wenig lieb hast« mu t Du
mir diesen Wunsch erfüllen« taub-.
mit. unfek Glück geht hier-» bald voll
ends in Trümmer, ich fühle täglich
mehr, daß es so nicht weiter eht mit
uns. Ichgehe zu Grunde dagei. Er
barme Dich, Franz-lieber Franzi«
Sie legte ihre Wange an die seine
und schmiegte fich- bittend an ihn.
Ganz war ver Zauber doch noch nicht
gebrochen, den sie auf ihn aus·bte.
Er schloß die Lebende in seine rme
nnd läßte see, und als ihre Lippen
diesen Kuß erwiderten. küßte er sie
wieder und wieder und zog sie zuin
anf einen Diwan. .
»Siißes Närrchen, wenn Du doch
lieb und vernünftig sein wolltest! Laß
doch alle reden, was sie wollen, sei
meine süße, tleine Frau« dann ist doch
alles aut· Die Schönste und Rei
zendste histDu doch in unserer guten
Stadt. Das können sie Dir eben
nicht verzeihen, die Linchen nnd Min
chen alle. Bist ihnen gar zu verführe
risch, süßek Trohlopf!"
Siewand sich mit ernstem Gesicht
aus seinen Armen. »Nicht io ietzt.
Franz. Laß uns ernsthaft zusammen
reden. Jch bitte Dich noch einmal so
sehr ich kann. laß uns aus diesem
hause gehen.«
Er machte sofort wieder ein ver
drießliches Gesicht. »Das ist unmög
lich. Mein Vater würde seine Hand
von uns abziehen. Wovon sollen wir
leben?«
»Du arbeitest doch in der Fabrik.
Dein Vater müßte Dir doch wenig
stens einen Gehalt auszahlen. Und
wenn nicht —ich brauche mich nur an
Papa zu wenden -——er hilft uns ioi
fort." «
Franz lachte spöttisch auf. »Ich
danie. Wenn ich schon abhängig sein
muß, bin ich’s lieber von meinem
eigenen Vater.«
»Aber daß ich in der schlimmsten
Abhängigkeit von Deinen Eltern hier
vegetiren muß, findest Du gsllz in
«Ordnung!«
»Na, erlaube «——- das ist eine andere
Sache. Frauen sind eben zur Abhän
gigkeit geboren.«
»Das ist eine sehk beaneme Aus
legung.« ·
»Ach geh —- laß uns dies Thema
abbrechen. es fiihrt zu nicht«
»So lasse ich mich nicht wieder ais-;
fertigen. Franz, Fieber Franz — iei
doch barmherziwi Unser Gluel steht
aus dem Spiel.«
Entsetzung folgt.)
-
hinrichtmegeee tu Spanien.
Ueber hinrichtunaen in Spanien
berichtet ein Korrespondent oom Ber
liner Tag folgendes-:
Das Hinrichtungswextzeiig, N na
»rote, das Würgeisen, beftebt aus
einem senkrecht aufgepflanzten Pfahl,
an dem ein schmales Sitz
brett fiir den Verurtbeilien und
ein bewegliches Halseisen angebracht
sind, das durch eine Schraube so zu
sammengezogen werden kann, daß es
dem Hinzurichtenden das Genick
bricht. Der Verurtheilte wird mit Le
dertremen und Ketten an den Pfahl
festgebunden und lann sich nicht im ge
ringsten bewegen. Sobald der Hals
des Berurtheilten im Würgeiien steckt.
bewegt der Scharfrichter eine Art He
bel hinter ihm, man vernimmt einstm
chen wie von zermalmten Knochen, der
Kopf des Hingerichteten neigt sich vorn
iiber und alles ist vorbei . . . Der
Scharfrichter muß aber, um diesen
Zweck zu erreichen, ein hand- und net
venftarter Mann fein. Oft kommt es
bor, daß die Borrichtung fehlerhaft
oder nicht gut geschiniert oder daß der
Handgriff des Scharfrichterg wegen
Mangels an Uebung nicht energifch
genug ist, oder auch, dafz er dem Hebel
drei bis vier S wingungen geben
muß. Jn solchen iillen währt es oft
drei bis vier Minuten, ehe der Tod den
Berurtbeilten erlöst.
Vierundzwanzig Stunden vor der
hinrichtung erfolgt die Einführung
des Verurtheilten in die Ca illa. Das
ift, ein äußerst grausamer rauch, der
in folgendem besteht: Jn der Gefäng
nijzelle werden demVeruttbeilten fein
Todezurtheil u. die tönt licheWeige
rung des Gnadengesuchs eierlich ver
lesen. Dann kommt der Scharfrichter
herein und nimmt, im hinbliet auf die
Errichtung des Blutgeriiftes und der
Aufstellung des Pfableö mit dem
Würkeisem dem Verurtbeilten Maß,
wobe er besonders den Umfang des
Halseö und die Länge des Rückgrat-i
verzeichnen Sodann betreten die Zelle
schwarz vermummte Gestalten, deren
Gesicht durch eine Masse und deren
Kon durch eine spi Kapuze bedeckt
ist. Es find die M tglieder der her
mandad de la Paz o Caridad, der
Brüderschast «des Friedens und der
Barm ztgteit, deren Aufgabe es ist«
moral sch und materiell den Verne
tbeiiten zu un»terftii»tz·en«, zu trösten und
ltcllcn, vom Augen-mu- sic-, wo et me
Copan betteln bis er den leiten
Athemzug thut. Sie sind ei, die für
seine Beerdigung. für dieVÆstreckung
seines Testamentö und die Ausfüh
rung seines leiten Willens sorgen. Am
Tage vor der hintichtung durchziehen
»die schwarzen Brüder die Stadt und
sammeln Almosen, die dem Ver-urteil
ten eingehändigt werden. Dieser kann
»frei über das gesammelte Geld verfü- !
Igen. Der Vermont-ad gehören die
ladeligslen Namen Spanienz an, Her
zog von All-a, Matquis be Voll-eign
ffias Bato von Qttega, Vicegraf von
Jtuesie u. . w.
i Die Copan ist ein viereckiges Ge
mach im Gefängniß, ganz mit schwat
W
zen Stoffen ern-geschlagen Jin hin
tergrunde steht ein von einem großen
Kruzifix überragter Altar, um den
schwere Wachsterzen brennen. An den
Wänden hängen Gemiilde, die das
Leiden und den Tod Christi darftellen.
Priester in schwar en Gewändern lesen
unaufhaltsam Me en siir das Seelen
heil des Verurtheilten. Bald nimmt
einer ihm dieBeichte ali, bald ermahnt
ihn ein anderer, sich mit Gott und den
Menschen zu versöhnen. Der Chor .der
Priester und Brüder-stimmt ab und zu
ein Todtenliedan. Kur vor der Hin
richtung steigert sich ie Tragit des
Vorgangs noch. Der Scharfrichter
kommt herein in· die Capilla, wirft sich
demVerurtheilten zu Füßen und ruft
«Du mußt sterben. Du haft nur weni
ge Augenblicke mehr zu leben; noch ein
Kleines und du bist in der anderen
Welt. Fluche mir nicht, mir, der ich
der Arm der menschlichen Gerechtigkeit
rin, denn ich bin nicht schuld an dei
nem Tode, dein Verbrechen ist eö.«
Der Verurtheilte pflegt dann die For
mel auszusprechen, durch die er dem
Scharfrichter verzeiht.
Hieraus fragen ihn die schwarzen
Bruder, ob er etwas zu sich nehmen
wolle. Alles, was er an Speise und
Trank verlangt, wird ihm vorgesetzt.
Es ist sein letztes Mal. Die meisten
Verurtheilten sind infolge der ausge
slandeneii Angst mehr todt als leben
dig und verzichten aus den Schmaus,
und man ist genöthigt, ihnen rinnen
beriihigende Mittel einzugehen. An
dere lassen es sich gut sein, tauchen
und triiileii und schmausen, bis sie
die Besinnung verlieren.
Wenn die 24 Stunden in der Ca
pilla vorüber find, so führt man den
Verirrtheilten zum Schafft-L Er
tragt einen schwarzen Tatar und eine
Kapu e mit eingewebtem weißen Kreuz
auf der Vorderseite. Das Schafott,
auf dem der Hinrichtungsapparat
steht, erhebt sich einige Fuß über den
Erdboden, damit. der schauerliche Alt
rom Publikum deutlich gesehen werden
kann. Jch habe in Spanien hinrich
iungeii gesehen, bei denen Mütter ihre
Kinder in die Höhe hohen und riefen:
,,Skhet, was die erwartet, die den Wes
des Verbrechens einfchlagen.«sDarau
prügelten die Weiber die Kinder grau
sam durch, damit der erhaltene- Cin
druct nachhaltiger sei. Seit eini en
Jahren finden die Hinrichtungen nicht
mehr öffentlich. sondern im Jnnenhof
des Gefängnisses vor geladeneii Gasten
statt.
Der Scharfrichter von Madrid
heißt»Aureo Fernandez Eorrasco und«
ift ern Mann in den Fünf-Figu
jahren. Er bewohnt draußen vor der
Stadt, in den Cuatro Carntnos, ein
einsames Häuschen in Gesellschaft ei
ner Nichte, die seine Haushälterin ist,
nnd eines zehnjährigen Sohnes. Er
ift Witwen Im übrian ein fehr
umgänglicher Mensch. Jch fuchte ihn
in feiner Behaufung auf und er er
zählte mir mancherlei aus feinem nicht
gerade hanalen Leben. Er war früher
Koch. Als er feine Stellung verlor,
hatte er monatelang nichts zu beißen
und zu brechen. Das war vor vier
zehn Jahren. Da faßte er den ver
zweifelten Entfchtuß, fich um die
Scharfrichterftelle in Madrid zu be
werben. Sein Vorgänger Frasquito
Caftellanos war soeben gestorben. Es
bewarben fich im ganzen 235 Landb
daten um« die erledigte Stelle, und
darunter waren elf Ingenieure, acht
zehn Aer.zte, ein Nechtsanwalt, ein
Feldwebel a. D. und ein Apothetert
Einer von den Bewerhern führte in
feinem Gefuche aus-, die Stelle komme
ihm mehr als fonft wem zu, in An
betracht der innigen Freundschaf ,
«welche ihn mit dem seligen Caftellanog
verbunden. »Wer wird besser als ich«
—- fo fchrieb der Bittfteller —- »im
ftande fein, das unterbrochene Werk
des unvergeßlichen Freundes fortzu
feheni Trotz alledem betont Fernandez
die Pfründe, weil ihn einige einfluß
reiche Polititer vroteairen. Schon
vierzehn Tage nach feiner Einfetzung
in das Amt mußte er eine hinrichtung
vornehmen. Er erzählt, er fei infolge
des erhaltenen Eindrucks wochenlang
daran trant gewesen. Jn vierzehn
Jahren hat er bloß lieben hinrichtuw '
gen ausgeführt, fo daß er eigentlich
nicht fehr in Anspruch- genommeanL
·---J.s
Wie das vorn .Marinedepartement
veröffentlichte Programm ersichtlich
macht, hat die atlantifche Flotte den
schwersten Teil ihrer Expedition noch
vor sich —- eine lange Reihe von guten
Tagen. -
O s O
Bot einigen Jahren wollten die
Bergleute nicht arbeiten und die Gru
benbefiser erhöhten die Kohlenpreife,
iesk wollen die Grubenbetiher die
Leute n t arbeiten lassen, und aber
mals wir dies als Born-and bemißt,
um den Preis der Kohlen W erhöhen;
gleichgtiltig was geschieht, s Publi
tutn zahlt die Zeche.
I I O
kiee Schwandotser Bottizeitung
met i aus Schwandorf: »Am 2.
April findet eine Viehzählung stati.
Sie erstreckt sich auf Pferde,Mauliieee,
Montefel, Esel, Nindvieih Schafe,
Schweine, Ziegen, Federvieh, Kanins
chen and Blumensiöcke.« Daß die Blu
menfwcke zum Vieh gerechnet werden,
muß auf einem s allen Schwandotfer
Lokalrechi beruhen, von dem anderswo
nichts bekannt ist.
' t- if ·
Nur sehr wenige wissen, wie viel
man wissen muß, um zu wissen, wie
wenig man eigentlich weiß