Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, April 03, 1908, Sweiter Theil., Image 9

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    Uebraska
Staats-Anzeiger und Iferold
Jahrgang LU.
EIN-d Miss- Ns-i» 3. Ap-« Eos-. skikwkkkxk Thais
—
Nummer 32.
Wenn Du ein Gutes thust
Wenn du ein Gutes-thust, so ford’re
nicht,
Daß es gelehnt dir·metde. Handle
nimmer
Mit deiner Seele Schätzen. Jst der
Schimmer
Des «Himmlischen, dg sie nmbreitet,
« t
nr
Unendlich löstlicher.dals was auf Er
en
Als Lohn fiir deine That dir könnte
werden?
Ganz aus dem Herzen thue, was du
thust
Nicht ein Gedanke an dich selber mache
Das Heilige zu einer itd’schen Sache.
Die du dereinst auf Erden lassen
mußt.
Sei««s so gethan, daß überm Todes-:
ihale
Dis-s einst als Jenseitslicht entgegen
strahle
Jungfran Marindy Perkin5.
Ein Lebens-ils Ists einem Imtsfetnftiiisss ·
chen vin E. J. Q, Mitte-antre
rluis bern Englischen übertragen von s. G.
Marindy Perkins war eine liebe,
etwas befcheidene alte Jungfer. Je
dermann kannte das nette späte Mäd
chen und jedermann hatte es gern, alt
und jung im Städtchen waren ihm
freundlich gesinnt. Früher einmal, als
noch die Blüthe derdeuaend mit holdse
liger Lieblichkeit auf ihrer Stirn gele
gen und rofenrotheBacken dasvowGe
fundheit u. frohem Lebensmitth strah
lende Gesichtchen verschönt hatten, als
noch ein paar frische rotheLippen ihres
reizenden Mündchens gar einladend
zum Kasse verlocktem während zwei
große tiefblaue fprechende Au en den
gar zu lecken Freier nur zu strafend
abweier konnten, galt sie als die
Schönheit des kleinen Ortes, aber das
war fchon lange her. Auf dem jetzt
verbliihten Gesichtchen lag aber immer
der freundliche Abglanz eines müden
Lächelns, das die gutmütihige alteSeele
tennzeichnetr. Ein etwas herber Zug
um den Mund, der zuweilen in die
Ferne schweifende Blick ihrer Augen«
und der Reif von fünfzig Wintern, der
in leicht ergrauten Streifen in dem
nußbraunen Haar seine Spuren zu
rückgelassen, ließen freilich leine Täu
schung mehr darüber aufkommen, daß
die Jahre der Jugend und Schönheit
weit zurück lagen.
Marindy wohnte allein, wie alle al
ten Jungfern thun sollten. Sie fiel
niemand zur Laft und in ihrem kleinen
Stübchen war es recht heimisch und
gemüthlich Grüne Weinranken be
deuten im Sommer die Wände ihrer
freundlichen hütte, aber wie die Zeit,
fo wechselte auch die Farbe des Wein
laubs; im herbft wurde es fahl und
braun, und im Winter,wenn der Wind
und ein büfer Schneesturm durch die
Wipfel der Bäume jagte, dann schlu
gen und rüttelten die dürren und blüt
terlofen Ranken der Weinftöcke gegen
die Fensterrahmen und Laden ihrer
Stube. Dann empfand auch sie die
Einsamkeit ihres Daseins um fo tiefer
Aber es wird ja auch wieder Früh
läng, und wenn der warme Sonnen
fchein wieder die Fluren vergoldete,
und freundlich durch die lleinen,immer
blidblanlen Fenfterfcheiben blickte,wenn
Blätter- u. Blüthenanan zu neuem
Leben entsprossen, dann fchien auch ein
neues Erwachen in das herz des al
ten Mädchens zu ziehen und es war
glücklich und zufrieden.
Marindy lebte nur in einer kleinen
Welt, sie hatte das draußen nie kennen
gelernt, und war kaum fe einmal ein
DutzendMeilen von ihremheimathsort
entfernt gewesen. Und doch hatte auch
si-· eine Vergangenheit« eine Erinne
rung, an der sie zehrte. Es war eine
fo duftige Roman-re eines innigen Lie
beslebens und Leidens-, voll Hoffnung,
Wünschen, Harren, und endlich ftiller
Resignation.
L
Ja, ne harte genevi. uno auap oas
war lange, lange her, wenigstens der
Anfang ihres kleinen Roman-Z. Der
Mann, dein sie ihr herz geschenkt, war
in die weite. weiie Weit gezogen, weit
fort aus ihrem Gesichtskreis-, er war
im Zorn gegan en und hatte nie wie
der etwas von eh then lassen. Nach
einander waren sie alle gestorben, die
freundlichen Seelen, die ihren kleinen
Familienlreiö bildeien und an denen
ihr Herz gehangen und jedi, wo das
Alter schon feine Botboien schickte.
stand Marindn allein. Nishi ganz al
lein —- ihre alte treue Rate streifte
noch ichnurrend im Zimmer umher
und suchte sich ein weiches Lauerpliik
chen auf dem alten aus Zeugreiien her
gestellten Teppich zu den Füßen der
allen Dame, der zutrauliche Kanarieng
vogel im veraoldeten Käfig ließ jeden
Tag lein fröhliches Liedchen erschallen
und ieden Morgen weckie sie der Hahn
des Nachbars durch sein lustiges Mii
hen und die Schaar seiner hühner be
grüßten mit lautem Gackern die gute
alte Seele, die ihnen aus dem Fenster
gar oft eine Handvoll Futter streute.
Aber troh alledem, trotz ihrer Sorge
und Freundlichkeit für diese ihre Lieb
linge, trotzdem kamen Stunden und
Tage, in denen Marindy Pertins sich
sehr einsam fühlte.
hätte es nur etwas gegeben, das
ihre ganze Aufmerksamkeit gefordert
hätte, etwas, das müßige Stunden
vertrieben, das ihre Gedanken davon
abgelentt, wenn sie sich in weiter Fer
ne ergingen und gar zu unerfüllbaren
Hoffnungen und Wünschen verstiegen.
Ein Wechsel im täglichen Einerlei, der
sie abkenken konnte vom nutzlosen Brü
ten oder iemand, für den sie schaffen
und arbeiten konntet
Träumend saß sie in Nachmittags
stunden, nachdem sie ihre Hausarbeiten
beendet, an dem kleinen Fenster ihrer
Stube im Sorgenftuhle des verstorbe
nen Vaters, müde ruhten die geschäf
tigen Finger, die sich mit einer kleinen
Nähnrbeit für eine liebe Freundin oder
einer Strickerei für arme Kinder be
schäftigt hatten, imsSchooßoe und ihre
Augen blickten hinaus und verloren sich
aus der Straße, die gerade vor ihrem
Haus in den kleinen Ort mündete. Da
sah sie eines Taaes eine-Scham Arbei
ter an der: Straßenecken, die Erde aus
warsen und große Pfähle einpflanzten
und zu ihr kamen diese Leute und woll
ten gerade vor ihrThor einen solchen
Pfahl aufrichten. Es sei für die Te
lephonleitung, sagten sie und obwohl
die alte Seele protestirte und auch la
mentirte. es fiel den resoluten Män
nern nicht schwer, sie schließlich zu
überreden und sie zu bewegen die Er
laudniß zur Aufrichtung des Pfostenss
vor ihrer Ihür zu geben und als Ent
aelt dafür wurde ihr versprochen, daß
sie mehrere Monate lang einen Tele
phonapparat zur freien Benutzung
überwiesen haben sollte.
» »Was«soll ich nun wohl mit solch’
UUCM JVMS MARle fragte sie la
chend ihre Katze, als diese sich am
Abend behaglich schnurrend auf ihrem
Schooße hinftreckte und sie mit ihren
klugen Augen anguckte. Wußte Ma
tjndv Poch taum, wie solch Instrument
eigentlich aussah und sie konnte sieh
auch gar keine Vorstellung davon ma
chen.
Aber es kam, nach einigen Tagen
hatten die Arbeier es installirt und
nun stand das blanke blitzernde Nickel
instrument mit der grünen Koth-( am
Horrohr auf Marindys Tische, wohin
es die Telephonarbeiter gestellt hatten.
Erst war es ein Gegenstand der Be
wunderung und Neugier-, mit dem die
tlte Frau nichts anzufangen verstand,
dann später wurde es ihr Freund und
Genosse, ihr Tröster in den langen ein-·
samen Stunden.
Sie hatte das Telephon noch eigent
lich nie benutzt und wußte vielleicht
garnicht einmal, wie man es anzufan
gen hatte, sich mit Bekannten durch die
Vermittlung der Zentrale in Verbin
dung zu sehen.
Tage, Wochen, ja Monate waren
vergangen, seitdem im Telephonregister
der Name »Jungfrau Marindy Per
tins« stand. Und während der ganzen
Zeit hatte die kleine Glocke an dem
braunen Kasten an der Wand auch
nicht einmal geläutet und trotzdem
war das Instrument ihr Vertrauter,
ihr treuer naher Freund geworden.
Hatte ihr der Mann, der ihr das
merkwürdige kleine Ding brachte, nicht
gesagt, sie könne diesem alle ihre klei
nen Leiden und Freuden erzählen?
Und so saß sie denn oft stundenlang
davor, gerade wie ein Heide vor sei
nem Götzenbild, und sliisterte ihm ihre
Sorgen und Freuden in das stets hör
bereite, geduldige Ohr. Freilich sie er
hielt nie eine Antwort, für sie hatte
dir Glocke nie getlingelt, aber trotzdem
Iiebte sie den Apparat und gewann ihn
gern, so gern wie einen teurenFreund
Was für Geheimnisse hatte er nicht
schon von ihr gehört, und nie weiter
erziihlt, ihr ganzes Herz hatte sie ihm
eröffnet. Wahrhaftig er war der
rechte, echte Freund und ganz ergeben.
Sogar ihrer lieben Rade hatte er den
Rang abgelaufen, die sonst ihr ganzes
und un etheiltes Vertrauen genossen
hatte. ber gleichsam, als müsse sie
sich entschuldigen, erzählte die alte
Dame dem stummen Freund, daß die
Katze doch jetzt auch gar keine Zeit für
sie iibrig habe. Die müsse ihre Jun
gen hegen und pflegen, mit den kleinen
Mischen spielen und Mutterpslichten
seien gar ernst zu nehmen. Die dürf
ten nicht vernachlässigt werden und
man dürfe auch niemand darin stören
oder gar davon abhalten. Und die
große Brahmaputrahenne war gestor
ben. Sie war gerade von ihrem Grabe
gekommen, das sie ihr so zärtlich und
warm unter dem Weinstock bereitet
und wo sie mit einer brennenden Zähre
von ihrem todtenLiebling Abschied ge
nommen hatte. Und der große, stolze
Brahmaputrahahn stolzirte jetzt sc
traurig und niedergeschlagen umher,
seit er seine Gefährtin verloren. Sicher
fühlte er, wie sie es vor vielen, vielen
Jahren so bitter empfunden hatte, als
Teddh Marsham sie sitzen tieß und aus
Nirntnerwiedersehen auf und davon
ging. Sie erzählte dem Telephon,
wie damals ihr Herz stehen
blieb und kalt und todt in der
Brust lag wie es nie wieder leben-«
dig und freudig seitdem«geschlagen.
Aber Teddh hatte es nie erfahren, tei
ner Menschenseele überhaupt hätte sie
ihr Leid klagen können und sie war
doch sein gewesen mit allem, allem,
was sie besaß. Und sie war heute noch
sein mit Herz und Seele, wie pflegte
sic sein Andenken, wie oft und gern
rief sie die Stunden ihres kleinen Lie
besromans in die Erinnerung zurück
und mit welchem bitteren Schmerze,
den freilich die Zeit und die Entsagung
gemildert, dachte sie noch so ost, fast
täglich an den Ungetreuen. Wenn er
nur einmal, nur aus einen Augenblick
zurückgekommen wäre, so daß sie ihm
hätte erklären können. — Wenn, ja
wenn dieses böse Wort »wenn« nicht
eristirte. Leise, wie ein Hauch tames
scbnsuchtsvoll von ihren zuckenden
Lippen: »Wenn er nur einmal käme.«
Da ein turzes scharfes Läuten, un
nitltürlich greift die Aufgeschreette
such dem Hörrohr und führt es an die
Ohren und: »Ich komn1e,« schallt eg»
wie aus einer fernen Region. Starr
wie eine Statue steht sie da, kaum
wagt sie es sich zu rühren. »Klang
es doch wie eine Stimme aus demJen
seits, als es sprach,« erzählte sie später
mit einer von Schluchzen und Freude
fast erstickten Stimme ihren Hühnern
Und nun sprach es weiter: »Ich kam
zurück heute Morgen, ’Rindn, und ich
hatte die Absicht, dich aufzusuchen. Und
da sah ich deinen Namen »Jungfrau
Marindh Perlins« in der Telephon
liste. Da dachte ich, vielleicht sei es
besser, erst einmal anzufragen, ob ich
dir auch willkommen sei. Mein liebes
altes Mädchen, kannst du mir vers
geben fttr alle Leiden und Sorgen, dtk
ich dir bereitet? Aber jetzt soll es hel
ler Tag zwischen uns werden, willst
du ’Rindy, willst du dem altenFreunde
die Hand reichen?« Aber sie konnte
vor Schreck und Bewegung nicht ant
worten und die Stimme fuhr fort:
»Dein Schweigen ist Gewährung, ist
es nicht ’Rindy? Jch komme, ich tomme
sicher gleich —— sofort!« Und Teddh
Markham kam!
i
Nod-—
Der neue Trick.
Eine Gaunergeschichte von Paul
Blisz.
Es war acht Uhr früh.
Noch schlummerten die Loairaäfte
des Familienhotels »Berner Hos«,
aber unten im Parterre regten sich
schon lange die rühriaen Hände der
Angestellten des Hauses-, um alle
Vorbereitungen zum Erscheinen der
Gäste zu treffen.
Besonders Friedrich, der stramme
Hausknecht war in reger Thäriateit:
ein Hausen Stiefel und ein Berg von
Kleidern laa vor ihm, die der Reini
guna harrten. Aber dennoch hielt er
manchmal im Putzen inne, sal; mit
verschlasenen Augen sinnend hinunter
auf den Fluß, der unmittelbar ern
Hause seine trüben Fluthen träge
weiter trieb, und wenn dann der kalte
Nebel dicht aufstieg und die winzig
vorlugenden Sonnenstrahlen verdüs
sterte, dann wurden auch des auten
Friedrichs Augen triib und in stiller
Wuth murmelte er: »Sauwetter, ver
dammtes!«
Plötzlich schlug die eleltrische
Glocke an.
Grimmig sah Friedrich nach der
angeschlagenen Nummer. »Na, der
hat's wohl furchtbar eili»1!"
brummte er vor sich hin und stopfte
langsam die zwei Treppen hinauf
nach Nummer 86.
Aus sein Klopfen erschien der Zim
rneraast in tiefem Nealiaee undsraate
unwirfch und mit sehr energischem
Nachdruck, wo denn eigentlich seine
Sachen blieben.
Friedrich starrte ihn zuerst ein we
nig verblüfft an, dann sann er nach,
ichiittelte den dicken Schädel und ers
widerte endlich: ».Einen Augenblick,
bitte,« woraus er verschwand
Langsam ftiea er die Treppe wieder
hinunter. Noch immer sann und sann
er. Aber Alles war umsonst. Er konnte
sich absolut aus nichts besinnen, weg
niaitens nicht genng Und unten an
gekommen, suchte er nun die Berae
der Stiefel und Kleider durch, duckt
keine Nummer 36 fand sich vor. Voll
Korn wars er Alles durcheinander,
fuchte nnd suchte wieder. aber nur mit
demselben Erfolg. Nichts von Num
mer 36 war zu sehen.
,,Wat will denn der Dussel eigent
lich? iEr shat doch jar teene Kluft
’rausgel)ängt!« schimpfte er schließlich.
Dann setzte er »sich nieder, stiitzte den
Kopf in die Hand und versuchte, sich
aus die Ereignisse des Vorigen Abend-Z
zu besinnen. Aber so viel er auch
sann und grübelte, aanz tlar waren
ihm die Geschehnisse nicht mehr. Das
war ihm zwar allerdings noch erin
nerlirb, daß der Herr von Nummer
36 erst gegen 10 Uhr angekommen
war; ja, er besann sich sogar noch
daraus, daß ek ein-en langen Ueberkock
nnd große rnssische Gummsischuhe an
gehabt hatte: von dem weiteren Ver
laufe der Dinge aber wußte er abso
lut nichts mehr: er hatte ein wean
gekneipt, war müde gewesen und hat e
dann rein mechanisch alle Sachen vor
ien Thüren zusammengesucht unsd mit
Nummern versehen.
Wieder schlug die elektrische Glocke
auf Nummer 8 an.
sUnd zum zweiten Male stapfte
Friedrich shinaus «
»Zum Donnerwctter, wo bleiben
denn meine Sachen? Ich muß zur
Bahn,« schalt der Fremde.
Der Hausknecht guckte ein wenig
verlegen die Schultern und antwor
tete: »Der Herr wird sich wohl irren:
es sind keine Sachen da von Nsnndner
36.«
s.«- s«.—8 . is
KOCH sUIU IUULU Uclluuc HTIUULT
den!«
»O, ich denke nicht«
»Sie! Ich verbitte mir denSpaß!
Schafer Sie mir sofort meine Sa
chen oder der Deuwel hol’ Sie!«
»Aber der Herr werden verzeihen
—es sind in der That keine Sachen
da von Nummer 36.«' .
»Ja, zum Kuckuck, wo sind sie denn
geblieben? Jch hab-e sie doch gestern
Abend hinausgegeben!« (
»Was war es denn?«
»Noch Hofe und Weste und ein
Paar sast neue SchniirstiefeL «
Friedrich zuckte wieder die Schul
tern und sagte von Neuem: »Ich kann «
nur wiederholen, es ist nichts da von;
:)6 «
Jetzt wurde der Fremde arob: »Da
haben Sie es eben vermechselt!«
»O, bitte, das ist aanz ausgeschlos
sen! Fünf Jahre bin ich bereits irn
Hause, aber noch nie ist etwas von
mir verwechselt worden!«
,,Also gut. Wo sind die Sachen?«
,,Unten im Vatterre.«
»So werde ich mit herunterkom
men."
Der Fremde zog- die Galoschen an,
hing den lanan Mantel um und
tiea mit dem Hausknecht die Treppen
hinunter.
Unten wurde ein Anzua nach dem
anderen in Augenschein genommen,
aber der richtige war nicht darunter.
Mit einer Siegermiene stand Fried
rich lächelnd da.
Der Fremde aber sagte kurz un«
biindig: »So sind meine Sachen eben
einfach gestohlen. Rufen Sie mir so
fort den Wirth nnd lassen Sie unver
ziialich die Polizei holen.« Damit
stieg er wieder hinauf in sein Zim
mer.
Jetzt bekam es der gute Friedrich
doch ein wenia mit der Angst, denn
er sah, daß der Herr nicht mit sich
spaßen ließ. Schnell lief er zum
Wirth, weclte ihn und berichtete unt
ftändlich, was- sich ereignet hatte.
IDet Wirth, dem natürlich an dem
guten Rufe seines Hauses gelegen
war, kleidete sich sofort an nnd begab
sich hinauf nach Nummer 36.
Dieselbe Szene wiederholte sich.
Empört rief der Fremder »Ich bitte
dringend, sofort die-Polizei holen zu
! lassen!«
»s, I»L Zu .!»....
»Auch lllkllliUtth VII into-unnen
» hochanstiindigen Hause,« versicherte
! der Wirth.
»Ja, zum Dionnerwetter, wo sind
denn aber meine Sachen qebliebenis
Oder meinen Sie, ich sei ein Betrü
ger-? Hier, bitte, durchsuchen Sie
meine Reisetasche!«
Flehend bat .der Wirth: »Aber er
regenSie sich doch nicht so, mein Herr-!
Sie stören inirja alle meine anderen
gästel Ihr Anyccr wird sich ja sin
»Finden? Wo soll er sich denn sin
den? Jch habe ja bereits alle Sachen
durchgesehen, die unten sind! Sie sha
ben eben einen Dieb im Hause. Also
I lassen Sie aefälliast sofort die Polizei
holen. Meine Zeit ist tnapp.«
»Aber, mein Herr, so lange ich das
; Haus habe, ist so etwas noch nie Vor
J gekommen!«
»Nun gut. Wo ist Ihr Telephon?
So werde ich selber die Polizei rusen.«
»Mein Heer, ich bitte, haben Sie
doch ein wenig Geduld. Sie vernichten
ja den guten Ruf meines Hauses. Jahr
Cälnäua muß sich ja doch wiederfin
en.«
»Seht aut! Soll ich hier vielleicht
bis zum Abend in Unierbosen umher- -
laufen? Um halb zehn aeht mein Zug.
Sich werde Sie siir Alles verantwort
lich machen!«
i
f Dek Wirt-h, Angstschweiß auf dek?
Stirn, bat noch ein-mal höflichst:
!,,Bitte, mein Herr, haben sie einpasar
.Minuten Geduld, ich werde sofort;
Rath schaffen« ’
; Schnell hatte der fürsorglich-haus
. herr sich entschlossen, lieber den Scha
den zutragem als durch einen Poli
zeislandal sein gutes Haus in Verrus
kommen zu lassen.
Bereits zehn Minuten später
klopfte an die Thiir von Nummer 36
der Zuschneider eines benachbartens
Herren - Garderobegeschästes, nahms
dem Fremden s-Maaß und nach wiede-:
rum zehn Minuten lagen sechs fertigeI
Anziige dem fremden Herrn zur Wabli
vor. Desgleichen wurden aus einem
Schuhgeschäft verschiedene Stiefel zur
Auswahl geschickt.
Nach kaum einer halben Stunde
war der Herr von Nummer 36 neu
equipirt· Er schalt zwar noch recht
tüchtig, daß er-einen sehr schlechten
Tausch mache, denn sein Anzug wäre
viel gediegener gewesen. auch die Stie
fel seien lange nicht so gut, als »die
seinigen gewesen waren. Da indessen
der Wirth immerfort bat und ihn be
schwor, daß ek keinen Standal machen
möge, und daer ihm endlich auch noch
das Zahlen der Hotelrechnung erließ,«
fo gab sich der Fremde schließlich zu
frieden und ging eilig zumBabnhof.
Erst als er hinaus war, athmete
der Wirlb wieder sauf. DieSache hatte :
zwar zirka 100 Mark gekostet, aberi
immerhin war dies noch leichter zu
tragen, als ein StandaL der ihn um
seinen Ruf brachte.
Einigermaßen beruhigt setzte er sich
zum Frühstück nieder, um sich nach
der ausgestandenen Aufregung zu
stärken. Doch kaum saß er, so lasm
eine neue Ueberraschung für ihn.
Es erschien ein Schiffer, dessen
Kahn auf dem Fluß an der Rückseite
des Hotels seit gestern Abend festge
macht war. Der Mann brachte ein
ziemlich umsangreiches Packet und be
richtete dazu, daß es nach Mitternacht,
als alles schon schlies, aus einem Fen
ster des Hotels ins Wasser geworfen
worden sei: Er sei noch wach gewesen,
hätte zum Kabinenfenster hinausge
sehen, da sei das Psacket an seinem
Kon vorbei ins Wasser geflogen.Zu
erst habe er an ein Verbrechen ge
dacht. Da aber alles still blieb, sei
auch er ruhiger geworden. Gleich bei
Beginn des Morgengrauens habe er
dann mit dem langen Haken nach dem
Packet gefischt, bis er es denn auch
endlich, nach vieler Mühe, gefunden
hatte.
Der Wirt-h war äußerst erstaunt
und ließ das-Partei öffnen. Und zu
seiner großen Verwunderung kam ein
abgetragener, geslielter und mehr als
schädiger Anzug und ein paar total
Zerrissene Stiefel Zum Vorschein. Da
bei war ein mit Bleistift geschriebener
Kettel auf dem man nach einiger
Milbe noch die Worte entziffern
konnte: »Da der Winter kommt, muß
man sich neu einileiden»!« —
Das Ell-gießen von Gesichtsmasken
bei wilden Böcken-.
Von sehr großer Wichtigkeit und Be
deutung für die ethnologische und eth
noaraphische Forschung sind die Ge
sichtsmaslen, die von Forschung-stei
senden angefertigt werden und in wis
senschaftlichen Sammlungen zu Stu
dienzwecten Aufstellung finden. We
nige aber dürften wohl eine Vorstel
lung davon haben, mit welchen Schwie
rigleiteu solche Gesichtsmasken ange
fertigt werden. Es ist daher recht in
teressant, zu untersuchen, wie der be
kannte Südseereisende Und Erwerber
von Kaiser-Wilhelmsland, Dr. O.
Finsch, der große und reichhaltige
Sammlungeu von Völkertypen der
Südsee und dem malaiischen Archipel
angefertigt hat, bei seinenArbeiten ver
fuhr. Bei Eingeborenen empfiehlt es
sich sehr häufig, zunächst das Gesicht zu
waschen, das in allen Fällen mit Oel
eingerieben werden muß, wie Augen
brauen, das Stirn- und Schläsenhaar
mit Fett (Talg), ebenso ein etwa vor
handen-er Bart. Dann hat sich die
betreffende Person flach niederzulegen;
um das Gesicht wird ein Stück Zeug in
der Weise gelegt, daß es je von der vor
deren Ohrbasis nur den Kon um«
rahmt, so daß Schläfe und Stirn mit
dem Anfange der Haare frei bleiben.
wie auch die vordere Hälfte des Halses·
Die Augen müssen möglichst natürlich,
wie beim Schlaf, geschlossen bleiben.
Das Athmen findet durchRöbren(aus
Papier) statt, die in die Nasenlöcher ge
steckt werden. Jetzt hat das eigentliche
Abgießen zu beginnen, was mit einem
Blechlöfsel geschieht. Der Gips (etwa
4 bis 5 Pfund) wird in einer Schüssel
mit Wasser in dier Weise schnell ange
rührt, daß er eine Suppe bildet, nicht
etwa einen Brei. Die erste dünne Lage
muß sich möglichst schnell über das
ganze Gesicht ausbreiten, und es emp
« fiehlt sich, die ersten Löffel über Augen
und Mund zu gießen, um etwaigem
Oeffnen und damit einem Mißerfolg
vorzubeugen. Je nach der Person
nimmt das Abgießen 5 bis 6, höchstens
10 Minuten in Anspruch, dann ist der
aufgegossene Gips bereits so erhärtet.
daß die Maske vorsichtig abgenommen
werden kann. Sie bildet natürlich nur
die Form für den ersten Abguß, über
den dann die eigentliche Form zur Ber
vielfältigung hergestellt wird. Dazu
gehört natürlich ein erfahrener Fach
mann.
Außer dem bedeutenden Hißegradc,
der sich unter der Gipsdecke entwickelt,
hat die Sache für den Betreffenden kei
nerlei Unannehmlichkeiten. Aber schon
die Vorbereitungen sind wenig auf
munternd, erregen mindestens Beden
ken, meist aber Abscheu und Furcht, so
daß auch bei Europäern die Bereitwil
ligkeit, sich abgießen zu lass en, nur sehr
gering sein dürfte. Es zeugt daher
von feiner längst anerkannten, kaum
übertroffenen Meisterschaft in der
Kunst, wenn es Dr. Finsch fertig
brachte, die »Wilden« zu überreden,
und zwar meist in der Zeichensprache,
da ja nur ausnahmsweise ein einiger
maßen sprachliches EVerstiindniß mög
lich war. Vor allem war daher ein un
schöpfliches Maß von Ausdauer und
Geduld erforderlich, um mit stets hei
terer Miene denEingeborenen das Ber
langte wenigstens in den Hauptmo
menten pantomimisch vorzufiihren.
Dutzende Male hieß es da vormachen.
wie man sich hinlegen, Augen und
Mund zu schließen, durch die Röhren
zu athmen hat, während die bedenk
lichsteSeite. das Gipsausgießen.aller
dings am schwierigsten zu erklären
blieb. Ein fertiger Abguß als Probe
leistete hier ausgezeichnete Dienste, un
ter Hinweis auf die Masken der Ein
geborenen, da solche, freilich in sehr ab
weichenden Formen, meist bekannt sind.
Am wirksamsten waren jedoch stets die
in Aussicht gestellten Geschenke, die
schließlich Mißtrauen und Furcht über
winden halfen, und glückte es erst, eine
Person abzugießen, so hatte man in
dieser einen Fürsprecher und Damiet
scher für weitere Stammesgenossen ge
wonnen.
. » —«i.«.- «
Zu liebenswürdig
Aus seinem Mittagsschläfchen wird
der Herr Rath, ein würdiger alter
Herr, »durch scharses Klopfen an der
Thür anfgeschreckt, und gleich daran
steht »ein Bote des Bürgermeister-Z -"
seines Nachbarn, im Zimmer. Warum
der Junge so außer Athem ist?! Der
Fürst wird auf der Durchreise das
Städtchen berühren und in weniger
als einer Stunde ein-treffen. Selbst
verständlich muß der Herr Rath bei
dek Begriißnng zugegen sein und
zwar in der «Unisorm, die er zur Zeit
des verstorbenen Fürsten bei feierli
chen Gelegenheit-en gar oft getragen.
Mit einer Art sWemuth hat er sie vor
15 Jahren bei seiner Uebersiedeluna
in das Waldstädtchen zuk letzten Ruhe
in ihre Kiste gelegt. Nun sollsie noch
einmal auserstehen. Wie er sich aber
umkleidet, findet er trotz ängstlichen
Suchens den Hut nicht. Seine Haus
hälterin -— eine vKlatscdbase — ist,
wenn man sie braucht, nie da. Angst
und Aufregung ergreifen ihn. Plötz
lich jedoch Zeigt sich ein rettender Aus
weg. Der Bürgermeister mufe ihm sei
nen alten llniforms-rdut borgen —
mager passen oder nicht. Er trifft
dag- rTtadtoberhaupt noch eben in vol
ler Gala zu Hause und fährt mit des-—
sen zweiter Hutaarnitur in der Hand
erleichtert zum Babnhof. Freilich darf
er den geborgten Hut nicht aussetzen,
da er ihm in der That nicht paßt;
aber in Gegenwart des Fürsten dient
ja auch ein Hut nicht als »Kopsbedeck
ung«, wie er schmunzelnd benierlt.——
Bald ist dag Stiel erreicht, und nicht
lange danach Iiiust der Zug ein, dem
der Fürst und sein geringes Gesolae
entsteiaen. Die Durchlaucht ist ein
noch ziemlich junger Mann, der aus
Etiiette wenig Gewicht leat. Freund
lich begrüßt er die ihn Erwartenden
— den alten Beamte-n aus seines Va
ters Zeit besonders-« herzlich. Er staat
ihn nach mancherlei Dingen aus ver
aanaenen Jabrem und die inne Be
artifmnn wird so au einem längeren
Gespräch Dabei bittet er incan des
herrschenden Windes den ehrfurchts
voll vor ihm Stehenden wiederholt·
sich zu bedecken. Beinahe ängstlich
lehnt jedoch der Rath ab, was der
iunge Fürst siir übertriebene Beschei
denbeit hätt und endlich, kurz ent
schlossen, dem alten Herrn ohne weite
res feinen Dreispitz aus der Hand «
nimmt --—— ehe der Ueberraschte es
hindern kann, steht er mit bedecktem
Haupte vor seinem Landeshcrrn so
daß vom Gesicht nichts mehr zu sehen
ist.