Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, February 28, 1908, Sweiter Theil., Image 9

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    Nebraska
Staats-Anzeiger und Esset-old
Jahrqaiig zu.
Grund Island, Nebr» Ak. Februar 1908. (Zwei·ter TheiH
Nummer 27 .
—-p « — — --« -.—.— ....-..- » -..- .-»-.-.-«...».«.-.
Moman
Willst du darum aar verzagen
Deine-Z Lieds Mit-sit,
Weil nicht mehr in- Sammet-tagen
Jubelnd singt dein Glück?
Will der Sommer von dir scheiden,
Herbstlich welit dein Lied; -
Bis der Winter deiner Leiden
Ueber’s Schneefeld zieht.
»Was im süßen Lebensdrange
Dir aetönt. gebläht,
Laß« du fcklaien —allzu lange
War die Luft schon müd’.
Leid will auch in Tönen klagen,
Singt in Moll ein Stiiet —
Wikllt du darum nat verzaxren
Deines Lieds Musik?
Ver Brief.
VonAnnaBlum -Eri,m«rd.
Im Hauäflur traf Gabriele den
alten Forftmeiiter.
»Wohin?« fragte er und hielt sie
an den Händen fest. »Nu: ein Stück
chen die Straße hinaus.« erwiderteiir.
»Ich bin gleich wieder hier.«
»Nicht meinetwegen!« wehrte er.
»Ich hab’ noch zu thun. Bleib’ aus,
fo lang Dich’s freut." i
Er sah der jungen Nichte nach, bis
die Thiir sich hinter ihr schloß. Dann
stieg er die Treppe hinauf ins obere
Stockwerk
Gabriele ging langsam durch den
Vorqarten und trat durch das alter
tbiimliche weiße That hinaus auf dies
belle Straße. So bell, daß sie diel
Augen ein wen-in schließen mußtet
Noch eine Biegung. und sie hatte dass
kleine ländliche Poftamt erreicht. Sie(
zögerte —- dann fchkiipfte sie hinter
dem breiten Rücken eines Zieht-änd
lers. der in der Thüriiffnnng stand
in den Wartemth An das Schreibs "
Lutt»«ge»le«hnt, iatk ssie dir-Lieb die oLfene
m antun-( us m- soll ruu Juv
biasse Poltsräulein saß darin und
,ehrieb. Ter alte Landbote war am
Tisch nebenan mit dem Sortiren be
ichäsiiai. Dann wurde aboestemtselL
Vielleicht in eben diesem Augean
der Brief, den sie diesen Morgen nrit
kalter Entschlossenheit in den Schal i
ter qeichoben
Was wollte sie hier? Ihn zuriick-’
holen? Unaiiltia machen, was darin
stand?
Noch war es Zeit. Noch lzg er aus
dem Tisch. Noch. Ein Wort von ihr
—und sie hielt ihn wieder in Hän
den. Aber hatte denn Laune ihn dil
tirt? War nicht jedes Wort reiflich
erwogen nnd mit ihrem Herzblut ge
schrieben worden? hatten nicht lei
denscbastliche Liebe und qeträntter
Stolz wochenlana in ihr um den Sien
akltritten. bis endlich, endlich der
Stolz die Oberhand behielt?
Der Bries mußte an seine Adresse
aelangen. Es war jämmerlich-.
Schwnchheit von ihr, hier zu stehen
und mit dem Gedanken zu liebäugeln:
Noch ist es Zeit. Sie wandte sich
hastig nach dem Ausgang. Fluchtartiq
war ihr Enteilenx aber langsam,
ganz langsam bog sie von der Haupt
straße in den schmalen erlenbeitande
nen Seitenweg, der in die Felder
führte. An einem Zaun« der zwei
Wiesgriinde trennte, bliebsie sieben.
Schwer athrnend. Als hätte sie eben
so viele Meilen wie Schritte zurückge
legt. Mit tlopsenden Pulsent Wie
schwer, ach, war das Leben-! Wie
schwer war es, die Entscheiduna zu
tressen, wenn Her-i und-Kopf verschie
dene Wege wieient
Sie sah an drin aliten Nirchthurm
empor der nach den Wiesen den Got
tesacker begrenzte. Noch ein Viertel
itiindehen, dann würde die Post vor
iikerrassein und denBries davonsiihs
ren»,»seinem Ziele-entgegens. .«
VII Icglc Ulckzclllck uns Millsjullll
auf und barg ihr Gesicht darin. Und
dann war dies Leben voll süßer hoff
nungen u Ende —-dethiei, in dem
sie ihm iebe und Freundschaft kün
digte, führte den Schwektsireich der
Vern«ichtung. Au Ende die gemein
sckaftlichen Ziele —er würde seinen,
sie ihren Weg gehen! Zu Ende dies
köstliche in Gedanken miteinander
VerhundenieinL ssu lEnde das heim
sitt-e Sehnen! Und die große, große
Liebe!
Eine gähnende qraue Leere starrte
ihr als Zukunft entgegen· Ein
Schauer überf-ieisie-—fte zttiettettotz
der wundervollen Sommemäeme.
unt-· Thränem aroße. heiße Thränen
rannen unrestillt über ihre Wangen
Noch swar es Zeit. Noch stand es
beiihr, das Leben mit feiner Lu nnd
Qual fortzuführen all die betinen
und untuisigen Erwartungen, die
Seelenkämpfe, die Erschiitterunaen
wieder »auf-unentmu, um endlich,
wenn er sich die Mühe nahm, ihrer zu
gedenken, in seine Arme zu fliegen
und mit heißen, durstiqen Lippen an
feinem Munde zu hängen. Nein. Das
sollte, das durfte nicht sein. Nicht
mehr sein! Uni. der Qual willen, die
sie seit Wochen litt ——nm der Zweifel
willen, die nach jedem Beisammensein
in ihr ausgestiean waren -— mußte
sie den SchmeHreich führen. Denn
heute wußte sie, was sie lange nieder
gerungen —- wiihrend dieser selbstauf
erlegte-n Trennung war ihr die
fchmerzliche Klarheit gekommen: Er
win wa: dieser großen, starken, alles
überwindenden Liebe nicht- werth.
Wie ein festabgerundetes Bild sah
sie die Zukunft an seiner Seite vor
sich: Sie würde darbei-» weil sie sich
verausaabte — sie würde hungern,
weil sie verschwendet-et Sie würde
ihn mit Liebe überschütten und erst
Zärtlichkeit. dann Gleichmiitlzigteit —
zulth Ermüduna ernten.
Und sie würde elend sein. So
elend, als sie zuerst glücklich gewesen
war.
Himmel, was war das für ein
Gliick acwefeni So arosz unsd strah
lend, daß es sie fast erdrücktet Eine
Seligkeit, fiir die es teine Worte gasbt
Lieben und geliebt sein! Sie hatte es
nie zuvor trotz mancher heimlichen
Schwärmereien gekostet. Damals erst,
dänlteihr, bade ihrLeben begonnen.
Weiten hatten sich nor ihr aufgetham
auf Höhen war sie gellornraenl —
Und dann .lam Sturz auf Sturz.
Möhlich sah sie-er war der Gott
nicht, den sie aeträumtx derceld nicht,
siir den sie idn gehalten; der Weise
nicht. dessen Born ihr unerlchöpslich
schien. All dies hat-te ihre Phanta
sie, ihre Liebe ihm angedichtet.
Ader noch war er ein kluger, ein lie
benswürdig-er Mensch von glücklichem
Naturell Und ihre Liede, anstatt sich
zu vermindern, wuchs. Gerade als
wollte sie ihn entschädigem daß ihre
Erkenntnis ihn seit-Glanzes beraub
.t- Mit Strom-II Rifsh S- mio eines
de;e Einfluß seines Werts noch im
mer war wie er sie im Banne hielt,
M sie nrit seinen Gedanken dachte
tseinen Worten spr
; Aber dann tarn ein anderes Stau
inen über sie. Der immer seiner Uns
adhängigteit vorn Urtheil der Welt
« sich gerühmt, war ein unfreiersMensch
»Tausend Rücksichten hielten ihn im
"Banne. - Nach rechts und links hatte
er zu schauen. Dies und jenes verbot
sich fiir ihn: Um seine Laufb.1hn nicht
zi: schädigen, hies; es mit der Veröf
sentlichung des Verlöbnisses me war
I ten. Gabriele fügte sich. Wa- lag im
Grunde daran, ob die Welt von ih
» rem Glück wußte? Allein aus diesem
TZustand erwachsen Mißhelligleiten
Es iarn vor, daß Erwin sie in Gesell
;t·chasten fast wie eine Fremde behan
xdelte, nrn ia jeden Schein näherer
HBeziehungen tu vermeiden. Es that
ihr weh, zu sehen, wie aroß seine
sFertigieit in der Beherrschung nsar,
Hund wie fröhlich er sein konnte nrit
i anderen, während sie still und stiller
sward, durch den ganzen Saal hin
Z durch nach seiner wohllautenden
sStimsrne horchte und schließlich zum
Aufl-reich mahnte. ohne essen wärme
ren Blick von ihm erhascht zu hatten.
Machte sie ihm später bei ihren
heimlichen Zusammenliinften Vorhalt,
so ging er scherzend darübe: himneg
und betonte die Richtigkeit seines
Verhaltens-. Und hatte er nicht recht?
—- Es tarnen vReiten der Trennung.
Er hatte aeschäfttich ausmärts zu
thun oder war zu miltärtschen Dienst
iisungen einberufen. Die Verlobten
sahen sich auf schriftlichen Austaitsch
ihrer Gedanken und Gesiihle angie
tviesen.
Aber auch hier erlelste Gabriel-e
Enttiinsschungen Es war tein Ver
laß auf Erwin Er konnte oft Wo
chen hindurch in Stillschweigen ver
harren. Dann kamen rasch nach
einander zwei. drei liebevolle Briefe.
Aber aerade dann- wenn die Antwort
am dringlichften ersehnt wurde, ließ
sie unqebiihrliich lang-e auf sich warten·
Der Zweifel lam. Nichts Liebt er
mich? —-— sondern: Wird feine Liebe
mir genügen können? Sind meine
Anforderungen an ihn nicht ungemei
fener als er sie erfüllen kann? Werde
ich nicht eines Tages vergebens an
den Felsen rochen Mit-VI und der
Fels verfant?
Qual-volle Macht, in der die Sr
lenntniß reifte!
Bitterfte Stunde« die den Entschluß
gebar, zu entsagen!
Und Wochen seit ihrer freiwilligen
Flucht ins For-ithaus zu dem alten,
zartfiihlenden Onkel, der nicht ihren
wechseln-allen Sitmsmungen nach
forfchte. der sie geduldig im Lachen
und Weinen gewähren ließ s-« Wo
chen voll von Kämpfen: Soll ichs-! —
fokl ich nichts!
Ein bischen Liebe —so ein feichtes
Wasser. das last und-tändselnd an
allem Ernst voriiberrinnt —- das war
es, was Erwin ihr gab. womit sie
fiel- ein nanzeö Leben lang genügen
lassen mußte, »weil er nichts Tieseees
»in geben hatte.
Nein. Gabriele schrieb den Pries,
in dem sie ihm sein Wort zurückgalx
Nicht, weil sie ihn nicht mehr liebte.
Darum sck,r-iebsie, weil er ihre Liebe
nicht achten würde. Jeder mißt den
anderen nach eigenen Maßen.
Mit umslorten Augen sah Gabriele
in die Hohe Der aoldene Thurnruhr
zeiaer stand aus säus. Und fiinsmäch
iiae Schläge erschütterien die Lust.
Von der Dorfgasse herüber klang
Näderrollen unid Gusischlsag Die Post
rasselie davon, landeinwärts.
Gabrielens sherz irampste sich zu
fammen, Starr sah lsie bei entschwin
denden gelben Kutsche nach. Der
Würfel war gefallen. lUnd indem sie
saft schwanslend den schmalen Wiesen
weg dahinschritt, wußte sie, dafe fee in
eine graue. sonnenlafe Zukunft wan
decke. Mit matier Seele. —---—-—
Die Bombe
—-«
VonVirtorinSardou
Der Neujahrstag mit seinen Ge
chenien rust mir stets eine Episode aus
er Zeit der Pariser Belagerung ins
Gedächtniß zurück. Es ist eine harm
lose Geschichte, aber ich spiele darin eine
Rolle, und ich gestehe, dasz ich daraus
ein wenig stolz bin.
Doch möge sich der verehrliche Leser
der vielleichi an irgend eine blutige
Heldentbat denkt, beruhigen. Die Ve
gebenheii spielt wedehaus den Wällen
von Paris, noch bei irgendeinem Var
posien. Schauplatz der Handlung ist
das behagliche Haus meines alten
Freundes Dutaillh in der Rue de Trä
vise. Lutailly war ein reicher Fabri
tant, besaß eine ausgezeichnete Frau
und eine hübsche Tochter, war ein guter
cncsls -L » ---L--tcll«c--- M
slubslsss UlIU SIII UUSI BIIIIWIS a«
schiistsmanm nur hatte er den einen
Fehler, etwas gar zu sehr aus die Po
litit ver seisen zu sein. Sonst war er
aber der beste Mensch von der Welt
Er hatte sich nicht bereden lassen, aus
der Stadt zu fliehen noch ehe sie von
den Preußen eingeschlossen ward.
Uebrigens tröstete er sich damit, daß ja
die Sache nicht allzulang dauern könne.
Doch Madame Dutcälln vorsichtiger
als ihr Gatte, hatte nicht versäumt, un
glaubliche Quantitäten von Nahrungs
mitteln in ihrem Hause auszufveichern,
sodaß die Familie damit ihr Auskom
men gefunden hätte, wenn auch die Be
lagerung noch drei Monate länger ge
dauert hätte. Ja die vortreffliche Frau
hatte sogar in ihrem Garten einen
Kuhstall errichten lassen, dazu tHühner
in Menge und einen vollbesetzten
Schweinetoben.
Jch habe guten Grund. dieser braven
Hausfrau in Dankbarkeit zu gedenken.
Denn ich war bei Dutailth zweimal
wöchentlich, Sonnta s und Donners
tags, eingeladen, un ich entschiidigte
mich dort für die Entbehrungen, die
ich mir sonst auferlegen mußte. Ha,
diese Omeletten, diese Räsetortem diese
Fricandeausl Dazu der gute Wein
meines Dutaillyt
Jch war nicht der einzige Gast des
Hauses. Der erste Buchhalter der Fa
brit, der zukünftige Schwiegersohn und
Associa, Anatole Brichaut, hatte sein
Kuvert neben dem meinigen. Der gute
Junge, etwas schüchtern und träume
risch war leidenschaftlich in die hübsche
Gertrud verliebt, die ihn ganz gern zu
sehen schien. Die Eltern hatten gegen
den Verderber nichts einzuwenden, und
so schien alles nach Wunsch zu gehen,
wenn nicht die Verlobungsseier des
Krieges wegen hinausgeschoben worden
wäre. Vrichaut, der als Korporal ein
berufen wurde und in der Kaserne St.
Drnis domizilirte, that seine Pflicht
als Soldat, allerdings ohne Enthusias
mus.
Dutaillv hingegen war ein sanati
icher Anhänaer des Gen-Tals Jrnrhu
Dazu hatte der »Temps« begonnen,
eine Reihe von Artikeln zupublizirm
in denen irgendein unbekannter Stra
tege die Operationen in der Provinz
zu einem fiegreichen Ende siihrte »s
aus dem Papier natürlich. Dutailly
nahm diese Phantasien blutig ernst.
Er besteckte eine Karte mit rothen
Zähnchen und folgte mitffeuereifer all
diesen imaginären Märschen und Ge
fechten. Brichaut, etwas ungläubig,
erlaubte sich eine fchüchterne Einwen
dung, erregte aber dadurch seinen Chef
rsufs höchste. Es gelang mir, die bei
den wieder zu berföhnen, aber ich
merkte wohl, daß Dutailly sich nicht
darüber beruhigen konnte, so viel schöne
Stege verlieren zu müssen, weil Bri
chaut es nicht zugab, daß sie möglich
wären.
Die Ankunft eines neuen Gastes
inachte die Situation noch verwickelten
Ich war sehr überrascht, eines Abends,
da ich mich etwas verspätet hatte, mei
nen gewöhnlichen Platz zur Rechten
von Madame Dutailly besth zu fin
den. Es war ein Unbekannter, groß
und robust« mit ftart rreröthetesn Ge
l»
sicht, lärmend und prahlerisch. Er trug
eine phantaftische Uniform, die aus ir
gendeiner Theatergarderobe stammte
und mit den Abzeichen eines Kapitäns
geschmückt war, dazu ein Paar sehr
hoher, glänzend gewichster Stiefel, die
allein ihm schon das Ansehen eines
Heros verliehen.
Jcki war kaum mit der Suppe fer
tig, als ich schon über meinen Mann
gründlich insorinirt war. Denn er
sprach unaufhörlich. Jch erfuhr, daß
Robillard —- fo war er mir von mei
nem Freunde vorgestellt worden — ein
Kopieiin der ,,mnthisgen Söhne von
Courbevoie« war, mit sein-et Schaar
die Ordre durchgeführt hatte, einzelne
Häuser der Stadtgrenze von Paris zu
zerstören dder wenigstens die Möbel
wegzuschaffen, um den Feinden leine
Gelegenheit zu geben, sich dort zu ver
schanzen. Jch fragte mich im geheimen
mit Aerger, wie dieser Schwadroneur
dazu komme, uns die besten Bissen weg
zuschnappen, als mir Madame mit
leiser Stimme einige Aufllärungen
gab. Sie war diesen Abend auf dem
Boulevard Poissoniksre ausgeglitten
nnd konnte nicht aufstehen. Kapitän
Robillard, der zufällig vorüberlam,
führte sie in eine Apotheke und brachte
sie dann in einem Wagen nach Hause.
Aus Dankbarkeit hatte man nicht um
hin können, den Retter zum Diner zu
bitten. Diese Erzählung beruhigte
mich, denn ich war überzeugt, daß der
Kapitiin ein zweitesmal nicht kommen
werde.
Robillard zeigte sich als ein witziger
Bursche. Er gab sich für den Ange
stellten einer großen Kompagnie aus,
die ihn mit den wichtigsten Kommissio
UM oclklllll CARL UND In Dcl Ungele- ·
genheit eines riesigen Kohlengeschäfts
hatte er halb Eurova bereist und er
zählte uns sehr amiisante Abenteuer.
Beim Ausbruch des Krieges war er
heimgetehri, da es das Heil des Vater
landes erforderte, und an der Spitze
der ·,,muthigen-Siibrse« hatte er wahrx
Heldenthaten vollführt »Die Feinde
waren bereits im höchsten Grad bean
ruhigt —- ich saß ihnen tüchtig im
Nacken —- fiinstausend solcher Burschen
mehr wie sneine, ,,m-uthiaen Söhne«.
und ich will meinen Kon wetten, dasz
wir durchbrechen — uns mit den drau
szen Wartenden Verbinden und Paris
entsetzen —- u. s. to.«
Madame hörte diese Prahlereien mit
Höflichkeit an, während ihr Gatte nur
schlecht dem Verlangen widerstand, ih
nen Glauben zu schenken. Gertrud
allein schien sehr gleichgültig Was
Anatole anbelangt, der in seiner Uni
form noch schmächtiger als gewöhnlich
aussah, dazu mit einem fürchterlichen
Schnupsen behaftet war, so verschwand
er gar-z neben·der martialischen Er
scheinung dieses Kriegers, der auch
nicht ermanaelte, ihn, nach Art der
Starken, etwas sehr von oben herab zu
behandeln.
Jch erfand einen Vormund um
aleich nach dem staffee zu verschwin
den, betäubt durch die Fanfaronaden
des-Kapitiins, in der Hoffnung, ihn
nicht mehr anzutreffen Darin hat
te ich mich aber grausam ge
täuscht. Er blieb keinen Abend aus,
an dem auch ich eingeladen warI Jch
konnte auch bemerken, daß er allmäh
lich in der Gunst des Ehepaares große
Fortschritte machte. Madame Du
tailly hatte er sowohl durch seinen Hu
mor wie durch seine Galanterie gewon
nen und Dutaillh selbst war entzückt,
daß der Kapitän das lebhafteste Jn
teresse an seinen militärischen Erim
sionen auf der Karte zu nehmen schien.
Anatole. noch mehr verschnupft als ge
toöbnlich, verlor sichtlich an Terrain
bei den Eltern.
Seine Aussichten oerschlechterten sich
noch mehr, als er nach dem Gefecht
von Bouraet mit einer Wunde am lin
len Arm zurückkehrte Er erzählte uns
die traurige Episode, die Flucht, den
Tod von Baroche, dies alles mit einer
Miene von Niedergeschlagenheit, daß
ihn der Kapiiän bald der Desertion
und der Feigheit beschuldigt hätte.
Wenn er es nicht that, so geschah dies
sicherlich nur aus Rücksicht aus die Da
men; aber er drückte sich nichts-desto
weniger ziemlich unverblümt aus. Ha,
mit welcher Entriistung malte er aus,
welche Wendung die Sache genommen
hätte, wenn die »mutl)igen-Söhne« da
bei gewesen wären! Dutailly war
enthusiaszmirtl Auch feine Frau war
begeistert, und außer mir und Gertrud
nahm niemand wahr, daß Anatole
ernstlich an seiner noch blutendeann
de litt.
Am nächsten Tage hatte er Fieber,
und mehrere Wochen hindurch mußte
er das Bett hüten. Als er wieder er
schien, noch bleicher und schmächtiger
als sonst, hatten unterdessen die offen
kundigen Bewerbungen des Kapitäns
um die Hand Gertruds bei den Eltern
einen günstigen Eindruck gemacht. Das
Mädchen hatte vermeinte Augen. und
ich schloß daraus, daß sie mit ihrer
Mutter-, die von Robillard ganz begei
stert war irgendeine Auseinanderset
zung gehabt hatte. Es war höchste Zeit
zu handeln!
Zufällig war der Neujahrstag nahe
und diesen Abend sagte der Kapitiin zu
der Frau des Hauses: »Gnädige Frau,
von meinem Reujahrsgeschent werden
Sie überrascht sein!«
Dies gab mir die Jdee, auch meiner
seits irgendeine Ueberraschung vorzu
bereiten. .
Am Neujahrsabend waren wir alle
eingeladen und Dutailly empfing uns
mit strahlender Miene. Der Stratege
des ,,Temps« hatte an diesem Tage den
Prinz Karl aufs Haupt geschlagen,
durch einen scheinbaren Rückzug in die
Falle gelockt — einer der schönsten und
interessantesten Fälle in der modernen
Kriegsfübrung —- Dutailly offerirte
uns diese Nachricht als Neujahrsge
schenk. —- Anatole überbrachte einen
Hasen, der sich in einer Schlinge auf
der verwüsteten Jnfel St. Denis ge
fangen hatte. Was den Kapitiin be
trifft, so überreichte er der Dame des
Hauses eine große sDüte kandirter
Früchte in —- eine·r deutschen Pickel
haube. »Meine Gnädige, setzte er lä
chelnd hinzu, »es hätte nur von mir
abgehangen, Ihnen mit diesem Helm
auch das Haupt des Besitzers zu offe
riren!«
»Wie?« entsetzte sich Madame Du
tailln, »Sie haben ihn getödtet!?«
Ich erlasse dem Leser die näheren
Details, aber man kann sich wohl den
ten, daß uns der Kapitän nicht die ge
ringste Einzelheit schenkte Versteckt in
einer Tonne, hatte er den Feind be
----- I UN--I-ll-» und --I— H--I s- -.- «
asso, uvsssvubst gut- kssvuhssq UU bl
von seinem Revolver keinen Gebrauch
machen wollte, um nicht die Aufmerk
samkeit der übrigen auf sich zu lenken.
——-—Oh! ————wienahm sich
im Gegensatz zu dieser Heldenthat der
arme Hase Anatoles kümmerlich aus!
»Ich will durchaus nicht mit unse
rem werthen Herrn Kapitän rivalisi
ren, «ertliirte ich, »aber auch mein Ge
schenk ist eine kleine Ueberraschung.
Da es aber erst in einer Weile an
kommt, schlage ich bor, uns dadurch
nicht abhalten zu lassen, zu unserem
Diner zu gehen.«
Man setzte sich zur Tafel und die
Mahlzeit verlief sehr heiter.
Eben als man beim Kaffee saß, mel
dete der Diener, daß ein Artillerist
mein Geschenk im Salon niedergestellt
hatte Wir begaben uns dahin und
sahen auf dem Tische einen ziemlich
großen Gegenstand, der m weißes Pa
pier eingehiillt und von einem blauen
Band umwunden war.
»Was wird es wohl sein?« fragte
neugierig Madame Dutailly.
»Ich will es im vorhinein fagen,«
rief ich, ,es ist eine Bombe!«
,,Eine Bombe?«
»Jawohl — —- Dutailly hat so oft
den Wunsch ausgesprochen, eine wirk
liche Bombe zu besitzen, daß ich mich
entschlosz, ihm deanesallen zu thun —
—- mein Freund Roland, Komman
dant der Batterie, hat sie mir geschickt.
Sie kommt vomPlateau vonAbron——«
Dabei entfernte ich die Papierhiille
nnd die Bombe zeigte sich, schwarz,
ernst, fast drohend.
»Du entzückst mich!« sagte Duiailly.
»Ich will sie gleich in mein Arbeits
zimmer tragen —«
»Aber wenn sie geladen wäre?«
meinte Madame Dutailly besorgt.
»Oh!« erwiderte ich, »beruhigen Sie
sich -— --—- es ist doch selbstverständlich
das. mir Roland keine ungebrauchte
Bombe schicken wird —- — ubrigenz
da ist Ia sein Brief — — —
Jch nahm den Brief und erbrach
ihn. Aber schon bei den ersten Zeilen,
die ich mit halblauter Stimme gelesen
hatte, zeigten sich Ueberraschung und
echreeren in meiner Miene so deutlich,
daß alle bestürzt ausriefem »Was ha
ben Sie —- —-— was gibt’s?«
Ich las den Brief lan vor: »Lieber
Freund! Anbei die gewünschte Bom
be. Leider war es mir nicht möglich,
sie vorher ungefährlich zu machen —
— unter meinen Leuten versteht sich
niemand darauf. Aber Sie können
sie ja zu dem Büchsenmacher in der
Rue Druot senden: der dies Geschäft
leicht besorgen wird. Nur ist äußerste
Vorsicht beim Traaen nöthng kein
Schlag, keine unsanfte Berührung —
— —- denn es gehört nicht viel dazu,
um eine Bombe zum sExplodiren zu
bringen — —«
Jch wurde 'von den entsetzten Aus
rufen der Anwesenden unterbrochen.
,,Entsetzlich!« schrie Madame Du
taill1), ,,entfernen Sie doch dies schreck
liche Ding —- —. Das ist ja entsetz
lich —- eine Bombe in meinem Solon!«
»Nicht anrühren!« schrien die an
dein.
,,Nur Ruhe!« befahl ich. »Der Ar
tillerist, der die Bombe gebracht hat,
soll sie auch wieder wegtragen —«
,,Oh!« sagte der Bediente, der zit
ternd itndanqstverstört bei der Thüre
stand, ,,er ist schon fortgegangen!«
Neuerliches Entsetzen!
»Nun denn,« entschloß« ich mich,
»dann will ich selbst —
,,Jch verbiete es dir!« schrie Dutail
ln. »Du bist zu schwach, um diese
Bombe bis dahin zu tragen. Du witt
dest sie vielleicht auf der Straße fallen
lassen, oder noch im Borzimmer— -—-«
Madame Dutailly klammerte sich an
mich an. »Nein! Nicht Sie! Es ist zu
gefährlich!«
»Das ist ein Geschäft für unsern
Kapitän!« fügte Dutailly hinzu.
»Für mich?« sagte Robillard.
»Ja doch, mein Lieber,« erwiderte
der Hausherr »Sie sind statt, und au
ßerdem sind Sie an dergleichen Sachen
gewöhnt —- -—— — Sie spielen ja mit
Kugeln und Bomben —- —«
»Aber,« stotterte der Kapitiin, der
merklich erbleicht war, »——— —- eine
Bombe! —- — Könnte man sie nicht
vielleicht morgen holen lassen?«
»Morgen!« schrie Madame, »aber
ich würde ja vor Angst die ganze Nacht
lein Auge zumachen!« Und ganz außer
sich, fügte sie hinzu: »Ich gehe in die
sem Fall sogleich in irgendein HoteL
um dort zu übernachten —- —«
Anatole nahm das Wort. »Das ist
unnöthig—-—lassen«Sie mich die Born-be
forttragen -——«
Dutailly hielt ihn zurück. »Sie sind
närrisch, mein Lieber! Mit Jhrem ver
wundeten Arm —- -—— — wollen Sie
das Haus in die Lust sprengen?«
»Das ist in der That kein Geschäft
für einen Kranken,« stimmte ich bei.
»Vorwärts, Kapitän!« rief der
Hausherr aus. »Entfernen Sie doch
k.:-,...(.·.--.—.. .- Wes-si
.»....-»--·-e.»a
can-»
g:-.».
ko- ssz ,-—-s- ·»
Ei
sk.
oteteg ungethum ——«
Dem Kapitiin sah man es an, daß
ihm nicht wohl zumuthe war. Aber er
behielt seine Kaltbliitigkeii.
»Sie haben mich vorhin nicht ver
standen,« sagte er lächelnd. »Ich woll
te sagen, dassz die Fortschafsung der
Bombe so ohne weiteres gefährlich ist
——- — es handelt sich darum, irgend
einen Wagen auszutreiben ——«
»Einen Wagen!« rief Dutailly, »die
sind ja alle fiir die Ambulanzen requi
rirt ——«-——«
»Mein Freund, der General Ber
biss,« sagte der gewandte Rohillard,
»dinirt heute bei Rebant. Sein Wa
gen ist vor der Thiir des Reftaursants.
Jn zehn Minuten, höchstens in einer
Viertelstunde, kann ich hier sein-— ——«
»Eilen Sie!« rief die Hausfrau.
»Ach, ich zittere an Händen und Fü
ßen — ——«
Der Kapitän hatto seine Scharpe
unzgegürtet und an der Eile, mit der
er verschwand, sah man deutlich, daß
er froh war, die Bombe weit hinter
sich zu wissen.
Jch kehrte in den Salon zurück, wo
eine vollständige Verwirrung herrsch
te. Madame Dutailly schwankte zwi
schen dem Verlangen, zu fliehen und
die Bombe zu überwachen. Unauffäi
lig spähte ich durch das Fenster auf die
ntondbeschienene Gasse.
»Es wäre doch so einfach gewesen,
wenn man mir gestattet hätte, sie fort
zutragen,« murmelte Anatole.
Dutailly betrachtete ihn erstaunt
über diesen unerwarteten Muth.
»Wenn nur der Kapitän bald zu
rücktäme!« seufzte die Hausfrau.
»Daß er aus sich warten lassen
wird,« sagte ich heiter, »dessen können
Sie versichert sein ——— er wird über
haupt nicht zurücktommen —- ——«
»Warum denn?«
»Er hat den entgegengesetzten Weg
eingeschlagen-— — —— ein Zeichen, daß
er nicht zum Restaurant geeilt ist ——«
»Ja, wag sollte denn das heißen?«
rief ihr Mann aus-.
»Das will heißen, lvertherFreund,
daß der Kapitän nur ein Aufschneider
ist, den ich mittels dieser unschuldigen
(’l)-.--,.k-- --1-l---L c-s-« « ji-.8 :
s ·.«—M’4:exsxk.sw.; MMH«WWIs-i
s
ti
»v..»x.. » « .
kk—." Fkä -
zAf sf »:7-. «,.·;;
«. .
Fsps
UUIIIUL DIIICUSUI D,UUL f-- » Ussu III
deni ich ein Photographiealbum vom
Tische nahm, schlug ich mit aller- Kraft
auf die Bombe, die in tausend Stücke
zersplittertes——- — —in tausend Stücke
von Schotolade!
Ein stiikmisches Gelächter brach los,
begrüßte diese Explosion, die eine end
gültige Entscheidung für Anatole be
deutete.
Drei Monate später -k-,-eiratk)eke er
Gertrud.
Der Kapiiiin ließ nichts mehr von
sich hören
—
Die feindlich-n Brüder
Wäbrend der Homerule-Debatten
befand sich «Joe Chianiberlain als Gast
Sir William Harcourts in -Malwoo-d.
während sie sich doch im Parlament
»als- grimmiae Geaner befehdeten. Ein
Freund spielte aus die knettwilrdix
Gastfreunldschast an, die Harcourt
Chamberlain gewährte. »O,« antwor
tete Sir Willian1, ,,Joe und ich sind
wie Bruder « ,Ja,« entgegnete der is
Freund spöttisch. »das waren Naiv -
und Abel auch!«