Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, February 14, 1908, Sweiter Theil., Image 12

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    per Kettenstksflinz
" Mem nasses-eck- deZV P. Wie
sin. Ueberfest von Paul
W a t,n e ck e.
Soeben -batien,1vie die fünfte Pak
Ue M« beendigt und fühlten
nunmehr das Oediirfnifz. uns durch
eilt Gespräch In eeftifchen. Wir spra
Cen äsbet M Volk, über die Kennt
nißlofigieit und Naivetöt der Dorf
setpobnet nnd den gänzlichen Mangel
CI feineren Gefühlen bei den russe
feben Butter-n
Das Gespräch ging bald« in einen
Sinkt über. Der sich stark in die
Länge zu ziehen drohte
Dies befürchtete der Hausherr und
fchlng deshalb vor, einen Fall aus fei- .
nem Leben erzählen zu wollen. s
Wie wurden ruhiger und eiickienH
näher an den Tisch, auf welchen-. ein’
Same-var kurz vor dem Erlöschen
fein letztes Lied sang.
»Der neun Indien« fo begann An
dtei Peter-via feine Erzählung, »als
ich mir die Dienfimiine aufgefeji
hatte, bildete ich mit ein, daß mir
selbst der Teufel nichts anhaben kön
peme betrachtete das übt-ine, nicht
unifotmitte Menschengeschlecht mit
tiefer Verachtung
»Sie haben asewiß, meine Hekt
fchastem bemerkt, daß in unserem
Lande ein fonfi leidlich intelligeniet
Mensch, sobald fein STon eine Amts
neiise erhält. sich sofort umwand-eli,
nnd pkiislich aus einem bis dahin
ganz ruhigen Biirger ein Donneter
wird, der feine Blitze auf die Köpfe
Der atwislxnlichen Sterblichen unbarm
herzig niederschleudeet.
»Ja der That tut-ne in) mich, arg
ich nach beendigtem Kurius eine be
scheidene Stellung in einer Provin
Jiakstadt angenommen hatte, sofort
zu großen und wichtigen Ausgaben
bestimmt, namentlich dazu, in den
Seel-en der Einwohner Angst zu er
W Ich fand sogar ein besonde
res Vergnügen daran. da ich fest
til-erzeugt war, daß ohne diese Furcht
die Sache derer nicht gedeihen kann,
denen ich dienen mußte.
»Warst-sich hatte sich diese Leicht
glinbigieit späte: gelegt aber damals
war ich voll von ähnlichen Empfin
«1nmgen, und sah in meinem Werte
eine Religion, eine Pflicht des an
ständigen Menschen
«Arn dritten Weihnachtsfeiertage
mußte ich in Amsangeiegenheiten
nach dem Lande abreisen, ans eine
Entfernung von zirta sechzig Werst
von der Stadt.
»Das Wetter war scheußtich: star-:
its Schneegestöber bei etwa zwanzig
Grad Kälte.
.Die Reise zu unterlassen, war un
Wich, und ich machte mich daher
auf den Weg mit dem postalischen
Meigespann
»Der Weg war noch schlimmer,als
sich mir vor-gestellt hatte. Die Pferde
sich-tagen sich mit letzten Kräften durch;
Hezogen den plumpen Schlitten über
Gruben und sonstige Hemmnisse hin
weg, nnd wie auch immer der eisrige
Kutscher mit der Kante peitschen
ne e. es hats wenig.
» ie erste Poststation erreichten
wir unter großer Schwierigkeit gegen
Ldrei Uhr. Hier wurde ich zu einem
für mich unangenehmen Aufenthalte
zwangen: alle Postpserde waren
ort. Ich wurde wüthend. Wie war
denn das nur möglich! Es kommt
( eine so wichtige Persönlichkeit, und
auf einmal —- teine Pferd-! Jch be
schimpfte den Postmeister, versprach,
ihn nach Sibirien zn schleppen,mußte
weh aber nichtzdestoweniger mit der
traurigen Thatsache abfinden. ,
»Ich wäre höchst wahrscheinlich ge
Ztvnngen gewesen, die Nacht auf der
PFststatron zu verbringen, wenn mir
recht ein Bauer, den ich vorher gar
naht bemerkt hatte, aus der Verlegen
MLWIJEU WE- . . -
Don-c»
,,O«vg1erch er nch nur dem Fuhr
evefen gar nicht befaßr hatte, so ver
fiigte er doch üsber ein paar gute
Pferde und erklärte, mich über die
Grenze des Bezirts bis zu der Stin
rivn, die ich zu erreichen wünschte
befördern zu wollen« Der Vostwirth
Eber zuste, als ich mich bereit er
klärte, diesen Vorschlag des Bauern
auszunehmen unzufrieden mit den
Achseln und bemer ite, sich an ihn
wendend: »Du wirft nicht fahren kön
M, Mistg. Dti weißt es doch wohl,
wie die Wege sind, und jetzt fängt
wieder ein neues Schneegeftöber an.«
»Macht nichts, tonnne schon durch,«
erwiderte Mitte-, mit feinem Vollbnrt
fckkiittelnd »Es kommt nrir nicht zum
erstenmal von-«
nW wenn ich Dir sage«
« :Spanne schnell ein-« unterbrach
II spden Beim-Mk daich annahm, daß
M dieser qui Eigennus hier aufhal
tenwolkte »Sei-et spanne die Pferde
G!«—Mkitn oreßte seine Miise auf
J fis-f msd n hinaus; ich aber
- Oe meinen Ueietoffer nahm ein
N Iies auch irr-Fenster nieder und
Man nlefen
" Mo der Scheidewand wo sich
Neffen-eilte des Post
s Iotach man leise mit
weine weibliche Stimme
MM sann es denn fein?
« .,-—— —Unsi;sn, so in eilen!«
te tiefs. werer .« erwiderte
Its Fallen- Ans in nach ein
»H« sen-«- M N«
« » « n . ' DIEN
s- MIserere-M Sehr-ev . nich ein
- EMN M Met
sie-zis- nk ern-, M
W W see-, ma- u
-
W
auch Geschrei erhebt. Der Keitensträfs
fing will mit ihm fahren. Verfluchter
Kett-der fürchtet sich von nichts-—
Nin-Lache sich der aus Sei-Ungew
«O·, Wirst-P rief ich hinter die
Scheidewand
»Der Pestmeistee kam uiii lang
samen Schritten herbei, deoot fra
gend: »Was befehien Euere Gna
den?«
»Mit welchem Kettenfiriifling wol
len Sie mich»befötdcrn?« fuhr ich den
Wirth in erregtem Tone an.
»Diefee« wurde-unruhig und erwi
,derte, sich dabei mehr und mehr nach.
»der Thiie zurückziehend:
»So einen Spitznamen hat ihmT
das Dorfvvlk gegeben-— aus Dumms:
heit wahrscheinlich».« »
»« »Du, mein Frezind, mache Tichi
nicht los,« unterbrach ich ihn ernsU
»Sag«s gerad’ heraus, wie es ist« l
»Nun ja. vor dein Gericht was er
fteilich.'·
»Na, und...?«
»Man erzählte, er habe Jemanden
erschlagen Bevor es zu aetichttichet
Verhandlung lam, vermuthete man
deshalb. er würde zur Zwang-Farben
verurtheilt werden. Aber die Richter
sprachen ihn frei. Trojdem nannte
man ihn seit dieser Zeit Kettenfirkst
ling, und diese Bezeichnung blieb
ihm«
»Ich wurde bedenklich: unier vier
Angen—auf sder Steppe ——knii2en
in der Nacht —« allein mit dem
Menschen« der iraend Jemanden er
mordei hat...
«Jndessen betuhiate ich mich. daich
inzwischen auf meinen fechssliiufiaen
scharfgeiadenen Revolver in deeTafche
geleitet dir-tie.
-- x »so-sk
»Illzkptscheil szl ver Pollux Im
genderrnaszen fort: »Vielleicht tani
den Leuten irgend etwas in· den Kopf,
nndNikita gerieth, weil er von nichts
zurückschreckte, in den Verdacht, die
Untdat verübt zu haben. Schau nur,
was siir ein sürchteriiches Sturmes-et
ter." unterbrach er sich selbst, nach
dem Fenster schauend. »Eu« Gna
den sollten sich gedulden... Schwer
in der Nacht zu set-um« verfehlen
den Weg . . .« s
»Unsinn. ich bin kein Wing,
mein Freund.«
»Nun, wie Sie wollen«
»Wer der Hausthür tiingetten die
Pserdegtocken Der Ketiensträsling
war mit den-Schlitten da. Ja einer
Minute brachen wir aus« begieitetvon
allen möglichen Reisegliietwünschen
des Dosen-indes welcher auf dein
Flur an der Hauähiit von mir Asd
schied nahm.
« »Der Weg war noch schlechten als
aus der ersten Station.
.Der Schneestuan trieb sein
schauerlicheö Spiel, und die Dämme
rung rückte schnell vor, so daß ich,
stinf bis sechs Wesft von dem Dorfe
entfernt, nur noch schwer das vordere
Schimmelnferd erkennen konnte.
Ich versuchte mit dem Kutscher ein
Gespräch -anzurniipsen. Mein Versuch
mißglüekte: er erwiderte entweder alk
gebrochen aus meine Ansragen, oder
er schwieg, als wenn er mich gar nicht
sprechen Horte
Das ärgerte mich, und ich dachte
»Warte, mein Freundchen, wirst schon
sprechen, wenn ich deine kranke Stelle
berühre.«
»Höre mal, Nitit-a,« sagte ich, »wes
ha·ld nennt man dich eigentlich Ket
tenstriifling?«
Statt aller Antwort peitschte er
wild ans den Schimmel ein.
»Werft du denn. was ich dich
stage?«
»Und weshalb, Gniidiger. willst du
das wissens« erwiderte er, ohne den
Kopf umzuwenden Vielleicht nennt
man dich noch schlimmen und ich bin
nicht neugierig, es Zu erfahren«
Aha, dachte ich, mit den-. ist nicht
zu scherzen.
Bei diesem Gedanken tastete ich nach
dem Region-eh ängstigtse mich aber
doch nicht vor diesem »Mit-den« und
L heisses bald meine Tapseekeit
Der Ase-: war, wie gejagt, uberau
voll svon Gruben, und der Ketten
sträfling aab sich keine Mühe, diesen
auszuweichem Bei einer hätte et mich
beinahe umgeworsem Ich schalt aus
ihn und drohte, bei Wiederholung
ähnlicher Unsvorsichiigkeit ihm den
Hals umzudrehen
Der Kettensttäsling lächeite darob
mit kurzem, bösen Lachen und
brummte. »Katze Hän"de!« Jetzt ist
das Gericht für alle dasselbe, j-: wohl!
« In Ihn-lichem Falle kann man ja auch
; Widerstand leisten . . .«
) Obwohl et das in seinen Bart
brummte, so war doch jedes Wort siie
mich vernebmlich. «
Diese Antwort des »Bei-einstim
Ilk in Des-un ans Gleichheit vor
in Gericht erregte meine Gallr.
»Wie?« dachte ich, »ein Kettenstriif
ling uni- ich?! Ich, ein intelligenter
Mann, ein Mensch mit weißen Kno-,
eben, und et— ein Ankömmling He
halbwildem ein Halt-wilder se .
ein Iiehisches Wesen —- alg ob das
alles dasselbe wäre!«
Um ihm mein »Recht« zu beweisen
und ihn von solchem Freisinn zu bei
len,schluq ich ihn an den Kot-s Ich
versichere euch, ich schlug ihn ganz
leicht, Um ikgm keine Schmerzen zu be
reiten. Die Wichstinkekt des Sei-Ia «
Lag nickt in der physischen Ein in
dung, sondern in dem Witten des
Absatzes der nas) meine-e damaligen
Ansicht dem ten-gehorsamst Bewies-«
Wes-en »vor den weißen Knochen bei
bc We Der Ieiienstiifling
- M ,.e M« me wenn et mit einein
. · OWN- ’wiit"e, Asdent
B s.
W
Kntfchbocknni unt-faste, indem et sich
ganz zu meinem Gesicht bit-neigte
»Dn, mein Gniidiget, site ruhig-.
Jch berühte dich nicht, und du laß
mich in Ruhe, sonst wird's unsfchlecht
geben«
Darauf trieb et die Pferde an nnd
schrie: »He, ihr Freunde. Muth! Jhe
müßt ziehen, alfo ziehei!«
Es wurde ganz dunkel, ich hüllte
mich in meinen Pelsiragen ein, faß
nnd überlegte den Streit. Jeh iit rte
» mich ganz schrecklich; denn das Ue -
«gewicht und das letzte Wort blieben in
doch bei dem Kettenfttäfling.
Aus meinen Gedanken wurde ich
plötzlich durch einen ftatten Ston het
ausgebrncht Ich legte schnell den
hochgeftellten Kragen meines Pekzes
um und neigte mich ans dem Schlit
ten heraus
Wir waren, fopiel ich in dem dicken
Nebei erkennen konnte. in einen
Schneehnnien getjthem und der
Schlitten lag auf der rechten Seite.
Der Kettensträflinq stand bei dem
Schlitten mit der Tabakspfeife im
Munde. »Nun, Gniidigek, fett be«te,«
iackie et, leicht lachend, ,.dente an
Deinen Heiligen.'« —- Er Hat einen;
Schritt auf mich zu, un eine tin-fin-:
nige Furcht ergkii mich, daß et mirs
fest an’s Leben wolle. Ich griifnnchz
meinem Renolvee und schoß. Das«
Feuer beleuchten anf einen Moment
den Nebel, und gleich darauf schien
mit-, als ob eifetne Zangen meine
Hände erfaßt hätten. —- »Spiele
nicht, Unruhiget,« sagte der Ketten
fträflina mit heissem Stimme, indem
er mir den Revolvek abnehm. »die:
tönnen wir Beide zu Grunde geben:
wir haben uns vetittt.'« —- Das Blut
ftieq mit in's Gesicht. Mich ergriff
eine Schem. eine brennende Scham.
Es war ein Glitt-. daß die Mel
den Kettenstriifling nicht nett-Ihn
hattexokwnhl ich diteitffnnf ihn jedes-.
wetst du was-, Una asotaer pracy
inzwischen der Kettensträfling indem
er seine Pseise reiniate, «b!eib’ lyier
sitzen, ich werde aus dem Schimmel
den Weg suchen. Gott weiss, wohin
wir gerathen sind. Indes durchschlak
aen werden wir uns vielleicht, denke
ich'« —J-n der Ruhe des Kutschetk,
welcher eben einer Lebensgesahr ent-«
gangen war und wie vorher ru g
seine Pfeife tauchte lag etwas
habenes das mich detuiithiate·—-— »Du
schau.« sagte er weiter, »ersriere nur
nicht. Du hast ein städtifches Meid
an, das weißt du. Nimm meinen
Schafpelz erfrieren tann man bald.'·
»Und was machst du?«
»Hei-te Sorgen! Wir sind daran
aewiihnt Der Bauernaneben ist
start, wird schon aushalten Schler
nur nicht ein! Vetsxyärst du Neigung
zum Schlos. lasse nicht nach, das be
deutet in Ohnmacht fallen, reibt so
ksort die Hände, trete mit den Füssen,
fchautele mit ihnen. Nur nicht nach
lassen sanft bist du rettungslos ver
loren Streichluilzer hast du?«
i »Habe,« erwiderte ich.
i hNun aib die Schachtel must be
ileuchtem wo nöthia und die Pfeife
l
i
;anziinden. Also ich reite Bleibe»
; mit Christus.«
Ich wollte dem Kettenftrösling noch
)verschiedene5 saaen. Etwas brodelte
tin meiner Brust und wollte heraus
Haber ich habe mich beherrscht; das alte
Vorurtheil hielt mich noch zurück, und
eine liigenhasteScham verschloß mei
nen Mund. Pech hörte, wie der Ket
tensträsling die Anspannriemen los
machte und der Schnee knarrte unter
den Hufeisen des Pferde-, das un
ruhig stampfte.
Dann wurde es still. und ich war
allein Ich muß gestehen daß ich
schlechte Minuten durchlebte die mir
wie eine Ewigkeit vorlamen. Ich
lauschte aus jeden Ton, und meine er
reate Phantasie verwandelte das
Pseisen des Schneesturtnes in ein
Heul hungriaer Mlsr. Manchmal
schau elte der BraUne, ver an die
Deichselstanae angebunden war, mit
dem Kot-se und dann tlingelten die
Pferdeglocken ganz leise, und in diesen
Tönen war etwa-, das die Seele
schrecklich erregte. Und der Schnee
sturm nahm nicht ab: er tsars mir
ganze Wollen sterbenden Schnees ins
Gesicht, vertlebte meine Augen und
schüttete sich hinter den Kragen mei
nes Winterer
Wie ich mich auch immer einlnillen
mochte, die Kälte drang immer stärter
in meinen Körper. die Füße wurden
immer !iilier, und ich wurde müde.
Der Schafpelz des Kettenstriiflinqs
:lag neben mir. Ich streckte meine
lHand aus, um mich mit iinn zu be
decken, aber sofort stieß ich ihm wieder
weg, wie wenn eraliihendei Eier
wäre. Die Scham kam Tiber mich,
wie eine Feuer-weile vordeinaendkaber
dennoch bekam schtießtich das Gefühl
der Seerbaltung das Uebergewicht
Ich versteckte mich in den Schafpelz
und gab mir Will-, Tiber nichts nach
zudenken.
Wie lange ich mich in diesem Zu
stande befand weiß ich nicht« glaube
indes. daß ich nahe daran war, ein
zufchlafen, als mich eine Berührung:
erweckte. »
Ich richtete mich auf und fah den
»Kettensiriifiiug, der mit der Pfeife im
Munde dastand, sich tief iiber wich
neigend. «
»Sei-it du denn, Gnädigee?« fragte
er mich. »Mir sehr schwer erkannte ich
den Weg! Nicht erfroren?«
«Nein,« erwiderte ich. »und du?«
’ «Wir "find daran gewöhnt Die
lzinger has ich mir etwas erfroren.
Bewegtes sich nicht, ianei die Riemen
nicht are-binden«
i
N
M sprang-aus dem Schlitten nnd
,
W
half dem seines-Mitten der sich
dann auf den Bock setzte nnd scharf
nach recht-i drehte.
sWit sahtm«»langk, sehr lange im
iiesen Schnee· Endlich konnte man
merken. dass »der Boden härter wurde
.unter den Füßen der Pferde. Schon
war es Nacht geworden, als wir nach
Durchlebter Aufregung die Poststation
erreichten. Dein Kettensträsling waren
Gesicht und dönde stark erfroren, und
ettnußte, wie ich später erfuhr, einen
ganzen Monat itn Kranienhause lie
gen.——Da«3 ist alles-—- Jch will keine
- Moral predigen, aber die Erfahrungen
stellen selbst dieFrage: »Was würde
jeder von uns nach ähnlichen Beleidi
gungen thun?«—Jhrsehet, der Ket
tenstriisling rettete den gnädigen
Herrn, der ihn beleidigt hatte, rettete
ihn nnd litt seinetwegen sesbst dtvrch
Krankheit — Das ist die Logik disses
Halt-wildem bei dem ein derartig tie
fes Gesii l schwerlich zu vermuthen
ist.« —- ndrei Petiowicz schwieg und
sbfickte ernst und in tiefes Nachdenken
fversunten vor sich« hin. Wie es schien;
Thurchlehte er in seinen Erinnerungen
? alle Peripetien dieses für ihn wichtigen
Lebensereignisseö. Bei uns anderen
war die Stimmung. von der wir uns
vorher in io gesteigertetn Selbstbe
wußtsein hatten hinreiszen lassen, wie
ein Rausch verslogen. Noch lange
wirkte in uns das Gefühl der Beschä
mung, daß wir beim Anhören seiner
Geschichte empfunden hatten.
----·-.s.--.
die Pumpgenie5.
Humoresle von Eugen Jsolani."
Wie hiistelman in unsere Stamm-»
tischrunde gekommen war, das wußte
tein Mensch. Sonst waren wir ziem-»
lich peinlich in der Aufnahme eines
Mitgliedes in unseren tleinen Kreis.
Zwar besahen wir teine Statuten,
nach denen jeder Mensch« der mit uns
an unserem Kneiptisch gemeinsam ein
Glas Bier trinken wollte, Geburts
zeugniß, Jmpsschein und Führungs
attest von der Polizei vorlegen oder
sonst welche Ausweise iiber seine ma
teriellen Verhältnisse geben mußte.
Aber ein ungeschriebenes Geseh hatte
uns, die wir seit Jahren im »Golbenen
Löwen« zum Stamm-Seidel zusam
men zu kommen pflegten, davor be
wahrt, jeden, der nicht mindestens von
einem von uns genau gekannt war,
von unserem gemälhlichen Kneiptisch
seenzuhaltern
Bei hüstelmann war dies zum er
stenmal Iris-achtet worden. Als er an«
ven Stammtisch lam, kannte ibn tein
Mensch näher, aber am zweiten Abend,
Pda er dort war, hatte ihn bereits jeder
von uns lieb, mit Ausnahme vielleicht
eines einzigen, desjenigen nämlich, den
Jee angepumvt hatte.
Das war nämlich die Schattenseite
von hiistelmannt er pumvte jeden an,
xder in seine Nähe lam. Aber er wußte
Edas mit solcher Grazie und mit soviel
humor zu machen, daß man ihm
schließlich auch darüber gar nicht böse
sein konnte. Mit unverwüstlicher
Selbstironie scherzte er iiber seinen
dauernden Uebersluß an Geldmangel
und sand immer neue Formen, einen
Pump zu seistirern
Und da er in seinen Ansprüchen an
unsere hilfsbereitschast nicht sonder
lich unbescheiden war, so ließen wir
uns das gern gefallen, zumal er die
ganze Kneiprunde erbeiteete.
Das ging so lange, bis er den Ober
lebrer Stelzenbach angevumbt hatte.
Dieser elende Pedant hatte nämlich
den unerbbrten Einfall, Hüftelmann
zu mobilem
Das nahm Pustetmann mn Recht
sehr übel und that, was ein echteg
Pumpgenie in solch ungewöhntichem
Fall mit Recht zu thun pflegt: er
blieb von dem Tage, da er gemahnt
worden war, unserer Kneiprunde
fern. Er war beleidigt, ties verletzt
iund empört.
» Na, uns that es leid, daß der ge
irniithliahe Hüftelmann uns nicht mehr
erheiterte; wir machten sämmtlich dem
Stelzenbach Vorwürfe, weil er ihn
durch sein Mahnen verscheucht hatte.
Der pedantische Oberlehrer aber sagte:
.Ordnung muß sein; .Iver Geld
borgt, muß es auch abgeben.« Und die
ser Schulsuchi wollte es durchaus nicht
begreifen, daß es höchst unlogisch sei,
zu erwarten, ein Pumpgenie tönne ei
nein jemals das Geld wiedergeben,
das abzuborgen ihm gelungen war.
hüstelrnann also tam nicht wieder,
aber ein anderes Puinpgenie trat an
seine Stelle.
Eines Tages brachte der Ober-lehret
Stelzenbach einen Menschen on den
Stammtisch. der ihrn von aufwärts
empsohlen worden war
Weiß Gott, wer sich den Ult gemacht
hatt-, diesen Menschen —- Orgelbauee
tvar sein Name, und er bezeichnete sich
als Privatgelehrter —- an den pedan
tischen Oberlehrer zu empfehlen
Diese Empfehlung schien eine offen
bare Strafe des Schicksals für das ri
goeose Benehmen des Oberlehrers ge
gen denatrneit hiistelmann, denn an
Dreistiateit des Anpumpens übertraf
der Privatgelehete Orgelbauer den
Hitstelmann etwa so, wie der Mont
blane einen Maulwursihiigel überragt,
nur das unser neues Pumpgenie bei
«seinen Armes-sangen nicht den liebens
I ·I U-. sc.s.;’;- .
L...... -. .. , J
Fräulein: »Ich liebe S e ja such Robert, aber werden Sie auch eine
an ernähren könne-NR ·
Robert .Wet wird denn immer nur ans Essen «denken!"
i würdigen Humor entwickelte und nicht
Hin solchen bejcheidenen Grenzen blieb
; wie jener.
; Bereits am ersten Tage, da Orgel
j bauer an unserem Stammtisch erschie
;nen war, nahm er einen unserer
IStammtischgenossen beiseite und sag
zte: »Verzeihen Sie, mein herr, wenn
ich trog der Kürze unserer Bekannt
ichaft das eigenthiimliche Verlangen
an Sie stelle, mir zwanzig Mark zu
» borgen!«
J Das ging so der Reihe nach herum
IJedeimaL bevor Orgelbauer an den
»Stammtifch kam. wetteten wir unter
ieinandey wer nun wohl von uns an
ngzapft werden würde. Hatte er dann
ioon einem seine zwanzig Matt weg,
idann blieb er zwei bis drei Tage dem
iStammtifch fern; dann aber erschien
in wich-: auf vkk Bin-flache um sich
von neuem lein Goldstück zu holen.
Stelzenbach verging dabei vor
Scham und Wirth, erstens, weil er
s selber mit zwanzig Mark hineingebl
len war. und dann, weil wir, wenn
ivon Orgelbauer die Rede war« immer
(
sagten: »Ach. dem können wir ruhig
vorgen, Oberlehrer Stelzenbach hat
ihn ja empfohlen, und unser Oberleh
rer ist ja die Ordnung selbst· Der wird
uns doch keinen Menschen an den
Swmmtisch bringen, der uns Geld
abpumpt, ohne es unt wiederzugeben·«
So waren nach der Reihe alle von
eines Tages gekommen waren, als wir
uns von Orgelbauer angepurnpt bis
auf den Fabritbesitzer Eppelbach. und
daher war denn die Schlußfolgerung
nicht fehr ungewöhnlich, zu der wiri
unseren Freund Eppelbach bei seinem?
Erscheinen am Stammtiich begrüßten»
mit den Worten: .Eppelbach, heute
kommen Sie daran, heute müssen Sie«
bluten! Qrgelbauer ist wieder fällig!
Mache-i Sie zwanzig Mart locker!'«
»Was gilt die Wette, meine herren,
daß er mich heute nicht anvumpen
wird!"
»Na, na! Na. na. Cppelbach!«
meinte einer, «ieien Sie nicht leicht
sinnig! Machen Sie sich nicht unglück
lich! Wetten Sie nicht: es ist todt
sicheiz daß Orgelbauer, wenn er heute
kommt, Sie anzupumpen versucht!«
· «Wahrscheinlich hat er ’n schon heute
angepumptt Er hat ’n vielleicht ge
troffen!" meinte irgend jemand.
«Nein,« sagte Eppelbach, »er hat
mich noch nicht angepumpt.«
»Na. dann wissen Sie, baß Orgel
hauer heute nicht am Stammtisch er
scheint,« rief ein anderer.
»Nein, ich weih sogar, daß er gleich
hier fein wirb. Jch habe ihn vor we
niaen Minuten hier die Straße her
auttommen sehen, und wenn ihn nicht
inzwischen gerade der Teufel erholt
hat, dann kann er jeden Augenblick
hier eintreten!« versicherte Epvelbach
und siigte noch einmal hinzu: »Aber
ich wette doch, daß Orgelbauer nicht
den Versuch machen wirb, mich anzu
pumpen!« ,
Eben wollten ein paar von uns die
Wette halten, da trat der Privatge
lehrte Orgelbauer ins Lokal, und ehe
wir noch dazu tamen, darüber noch
weiter nachzudenken, weshalb wohl
Eppelbach seiner Sache so sicher gewe
sen, erhob sich diese-. ging dem Pri
vatgelehrten entgegen, nahm ihn et
was beiseite »und sagte. halblaut, so
baß wir, die beide beobachteten, es hö
ren tonnient «Berzeihen Sie, mein
herr, wenn ich trat der Mir-e unserer
Bekanntschaft das eigenthtlmliche Ber
langen an Sie stelle, mir zwanzig
Mart zu botgent«
Orgelbauer zuate die Achsel und
sagte ganz laut: »Aber, bat thut rnir
wirklich leid, herr Evvelbacht Gerade
heute bin ich schlecht bei Kasse; es ist
mir fatal. Aber« —- und damit
wandte er sich an unseren Stammtisch
- undn sagte laut und ungenirt —- «viel
"" leicht lann einer der serren uns aus
L der Verlegenheit helfen. Wir sind
- beide heute etwas tlamm srnit dein
. Gelde, der here Eppelbach und ich.
E Vielleicht taun jemand jedem von uns
zwanzig Mart leihen!«
»Der Oberlehrer Stelzenbach hat
stets Geld bei sich,« sagte einer. nnd
Eppelbach meinte:
«Wissen Sie, Oberlehrer, ich bin
auch mit zehn Mart zufrieden!«
Und der Oberlehrer Stelzenbach
viiclte wirklich mit dem Getd heraus.
Natürlich gab ihm Eppetbach, der int
rner eine gefüllte Bantnotentasche bei
sich hatte, gleich nachher das Geld in
riich und do er diesmol dem Orgel
bauer auch nur ze n Mart gegeben
hatte, se war er chlteßtich diesen
Abend billig davon gekommen.
Der Privat-lehrte Orgekdonee
oder schien mit feinem Orfo-Te sehr
unzufrieden zu fein. Er besa te sehr
früh feine Zeche und verabschiedete
sich als erster aus der Kneivrnnde,
nährend er sonst immer einer der
legten war.
. Dafür aber nahm Eppelbach Gele
»grnheit. fein Erstaunen darüber ans
jzndriicen und sagte: »Na, aber lieber
lOrgelbnuer, wessalb denn heute so
lfriili nachher-Zet« Orgelbauer fchiitkte
eine leichte Er ältung nor. .
»Na, aber, morgen tornrnen Sie
kdann nur ganz sicher. Wissen Sie,
Imorgen lornrnt ein Freund an den
jStanuntiickn der längere Zeit tich nicht
Ziehen ließ. Ein nett-ersah der auch«
j-— das tagte er leise, so daß wir es
nicht hören tonnten, er theilte une
daö nachher erst rnit —- ,,nicht solch’
Schlingen ist wie die hier alle, die
auf ihren Geldsäcken sitzen. Da müs
sen Sie tomrnent Ein netter Kerl,
den iniissen Sie tennen lernen!«
Dann ging Orgelharm, und weih
iend wir fragend unseren Freund
Eppelbach ansehen. tagte er: »Mot
igen müssen wir hütteltnann hier ha
ben! Ich bin neiigieria, wie die beiden
gegenseitig den Versuch machen wer
den, sich anzuptnnpengs
Und dann lterz er um vorn 1.Leser
eine Posttarte neben und schrieb an
Hüftelmanm er werde am Stamm
tisch leit langem lebhaft vermißt. Er
möchte doch endlich am nächsten Tage
kommen. Ober-lehret Steigen-Dach
wagte natürlich dagean nichts einzu
wenden, daß wir so den von ihm ver
scheuchten Hüftelmann formell gera
dezu zum Wiederkehren ausforderien,
und am anderen Tage erschien hiiss
telmann denn auch pünltlich wieder in
unserer Kneiprunde.
Eppelbach gab ilnn gleich einen
Wint, daß das neue Mitglied unserer
Iaselrunde ein sebr »mohlhabender
ssinopp« sei. Da tam auch schon Dr
aelbauer, und Epvelbach siellte beide
Herren vor und richtete es so ein« daß
beide nebeneinander saßen. Dann
aber erhob sich Eppelbach uns-d sagte:
»Meine Herren, ich mache einen Vor
schiaal Unser Freund Hüftelmann
ist so lanae nicht an unserem Stamm-«
tisch gewesen, daß wir seine Rückkehr
in ganz besonderer Weise feiern mits
sen Ich schlage vor, wir veranstalten
heute einen Bowlenabend Ich lasse
die erste Champagnerbowle bringen:
dann kommen die anderm daran!«
»Braivo, Freund Eppelbachl« sagte
Hüsielmann, »das machen wir. Aber
erst rücken Sie Jbre Banlnotentasche
heraus und punwen Sie rnir Ger
dazu. An herrns Orgelbauer mit die
sem Verlangen heranzutretem verbie
tet mir die Kürze der Bekanntschaft
mit diesem «.berrn. Pumpen Siemir
hundert Markt Dann verratbe ich
Jlmen auch ein sebr interessantes Ge
beimniß, »das Ihnen mindestens so
viel wertb sein wirdt« Wir lachten
alle über Epvellrachi Nein-fall. Der
aber gab dem Wtelmann wirklich
einen sundertnrarkscheinx dann W
dieser ihn beiseite und verrietb ihm
das.0eheimnisz. Der Orgelbaneyso
verrieth er. ist ein ganz fauler- Koop.
von dem er bereits aehilet habe, der
ymnpe alle Leute an-: damit er bei
ilnn nicht etwa den Versuch mache,
babe er sich gleich öffentlich den duns
derimarischein geliehen. .
Von diesem Tage an sakm wir
nun freilich beide Punwaenies nicht
mehr an unserer Taselrunda
i Kundint Jst-Hm Sie ’mal, lieber
Freund, wie sage man eigentlich rich
s tigx Margartn oder Mars-krimi«
ji Komm-is- «-Jch muß immer Butter
Esset-IF sonst schmeißt mich det- M
rau .'«