Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 24, 1908, Sweiter Theil., Image 14

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    ES irrt der Mensch. "
Roman von H. Coutths Mahlen
) « s f«x . «.-. -
« . »Is- «- —-3.F -·- «
(12. FortseyungJ
«Bleibst du bei mir?«
»Ich bleibe.«
»erner?«
Wie ein Schlag ging es bei dieser
Frage durch ihr Herz. Aber sie be
swang sich. »Jmmer«, antwortete
sie ruhig und freundlich. -
Da flog ein Lächeln über feine
bleichen Züge. Er schloß die Augen.
und tastete nach ihrer Hand. -
Sie feste sich an sein Bett nnd
hielt seine heiße Hand in der ihr-end
Ein tiefes Mitleid mit dem Unglück- ;
lieben bemächtigte sich ihrer Jedes;
egoistische Gefühl, der Gedanke an
ihr eigenes Glück —- alles trat zu- »
riick vor diesem Mitleid.
Unsre-W, leolle Tage ein-d
Nächte kamen für Sidenote Jrn An
fang kam Rdlf jeden Jag, erkundigte
sich und bei fie, sich zu schonen.
Darm swgte sie ihm eines Tages, die
Geer für ihres Mannes Leben sei
- vorüber, under möge nun nicht mehr
lot-unen, bis sie ihn selber arnm
bitten würde.
Er fah sie unruhig fragen-d an, denn
sie kam ihm so sonderbar so welt
entriickt vor. Ader er verstand, daß
feine Besuche sie unruhig machten,
uer fägte sich ihrem Wunsche
Wennte lebte sei-an ganz für ihren
Kranken, auch Frau v. Beriosw ließ
sich Mcht Oft schm
Dann learn der T ern den-. der
Arzt ihr erklärte, da Trachwitz ein
’ Krüppel bleiben wär-de DER-irden
. mark war durch den Sturz verletzt
worden, und der Unglsiickliche würde
nie mehr gehen können.
Sie hört-e »diese Erössnsung schein
bar Urng asn, aber aus ihrem Gesicht
war die lefie Spur svon Farbe ge
wichen. Als derArzt gesungen war,
trat sie ans Fenster und sah mit star
ten Art en Hieraus. Der erste Schnee
war ge allen. Er dünkt-e ishr wie ein
Leicheniuch, das-alles blähen-de Leben
bedeckte. Mit einem tiefen Seufzer
wandte sie sich ckb und kehrte dann,
scheinbar heiter und gelassen, in dar
Krankenzimmer zurück.
Trachwiß fnih »Ihr mit großen Au
gen entgdgen nvan hatte ihn ineinem
bequemen Stahl unter-gebracht Da
saß, oder lag er vie!-rne"hr, an allen
Gtiedem Meist-Int, kaum im Stand-e,
die Hand zu bewogen. Antg dem ichs
nen kräftigen fangen Mann war ein
hinfälliqet Krüppel geworden Aus
dein abgesehen-n Gesicht sahen die
matten Augen doppelt groß und un
deimlsich Eierqu Und doch ilamrnerte
« er sich mit beißen Wünschen an das
s-- Leben. Er fütpite keine Schmerzen
»" mir eine große Mattiqteit tin-d
Schwere in allen Gtiedem Die
mußte ja schließlich überwunden wer
iden so hoffte er.
Dienste nickte ihm, innerlich von
Gut-ten geschwind bei-tex- nu. »Die
Gefaäir für sdein Leben ist vorüber-.
sagte mir eben der-Arzt Nun mußt
gäer neben, gesund zu »er
»Wer-de ich das wirklich wieder
werden, Renate?«
»Das wollen wir hoffen Du mußt
nur vernünftig sein und thun, was
der Amt beste-bit «
, PS denn?«
V mußt versuchen dich zu bewe
kenf
, »Ich bin noch zu schwach undkann
sich nicht suf den Füßen hatten« .
Wb soll du idich Wächst-now
« M den Armen fttitzem Der Arzt läßt·
MMM arbeiten damit du dich
fortbewegen taki-tritt
Et wandte kännsasm das Gesicht
von ihr fort nnd starrte vor sich hin
Möcken full ich also bekommen!«
- senkten heiser Quote —- ich werde
ein Kritpr bleiben, nicht weiht-V
»Meine dich doch nicht mit solchen
.»..Grtllen! Das ijt nur für den An
san-of
Er Lriitete lanae vor sich bin Dinn
ging e1.. Frösietn durch feinen Kör
tm Sie hiillte ihn sprng in feine
Becken
tcmete nach Ihrer Hand MN
bieit sie fest. Monate —- iaß mich
nich-i allein! Du weißt nicht, wie ich
wich fiirchtc wx diesem Allein-sein
Wen-n ich so .Miege und dich nicht
seh-h disk-Im kommen furchtbare Ge
danken. Ei laßet wie ein Alp auf
meiner Steh und UT- Sedtkfuchk nach
dir fällt über mich der und dicht
mich zu etstsickenf
wish-IN M is bei dir! Bemhige dich,
, —ich wer-de dich nicht mehr ver
— infian
Nie mich-h Atem-tei«
III-M nie W«
Wie Escin ich dit Weni«
Zwede dich Mr ins Unver
Widkiche fM M Nicht über dunklyl
MPW w
Sie nichts M M Ober ein tiefer
»Sagfzet; U MS VIII-Und
vix-U M wide-m
W
-..sschsiF"d-s » W Wit
HIM es ins seinen guckt
« «« Ein M TM m
W Minder-a der ihn mitcrcuenz
; .Re!mte!« sliisierie er.
s »Was wünschest du?«
J «»Sind meine Sachen asus dem Ver
walter-hause bieeiievgebeacht worden?"
»Auch der kleine braune Kasten aus
meinem Schreibtifch2 Es sind wich
tige Papiere darin-«
»Auch der-«
»Wo ist er?«
»Dort driiben im obersten Fach des
Scheeibtifches.«
»Das ist gut-—erbt aut,« swgie et
Und schloß dann aus ihre Bitte die
Augen, um zu schlafen
Doch fragte er noch einmal: »Wie
sfmd meine Sch!-iissel?«
Sie brachte sie ihm. Er suchte
nach einem kleinen SchIüsseL und ale
er ihn gesunden, war er Zufrieden
s I f
Am nächsten Morgen erhielt Rolsf
einen Brief von Renatr.
Sie schrieb: »Liebe: Here v.Tot
nam! Der Arzt hat mir nein volle Ge
wißheit gegeben »daß Mein Mann dem
Lelrn erhalten bleiben »wir-d —- als
armer Krüppel, der beständig einen
·.Menschen um sich limited-L welcher
ihm " all die sandteichimgen ils-un
muß, die ein ges-under Mensch seit-it
ausführen kann. Er wie-d ein furcht
bares Leiden zu tragen haben —ge:
sliihmi, wie ein Keines Kind von sei
ner Umgebung anh Daß ich
unter diesen Umständen bei ihm hier«
ben muß, cist selbstverständlich ich
kann nnd will ihn nicht mehr ver
lassen, denn ich würde kein Glück sin
den können, das mich den Gewissen
an sein- Elend des-schmerzen ließe
lNicht wahr —- Sie versteh-en michs
Er hat niemand und ich Thal-te es für
meine Pflicht. bei ihm nasse-harren
Damit will ich Jnen zugleich sagen,
daß ich nicht nach Tornæu zurückkeh
» ten werde. Ich würd-e sonst meine
I mühsæm erns-ng,ene Finqu verlieren
»und mit mein Opfer mitzles schwer
Manchem Daß es ein Opfer ist, wis
sen Sie, und daß es mir nicht leicht
«wic«d, will ich Ihnen nicht verschwei
gen. Ich very-kecke Ihnen ohnedaß
Sie mich dir-Inn zu bitten besuchen
daß Sie zeig-speisen von uns hören
« sollen.
Fraun-. Bekkow but in hochikeks
iziger Weise für meinen Mann eine
T Pension ausgesetzt Spiwa derKsranke
! transportfäbigiit, ver-lassen wir Bet
kow und siehe-in uns in Wiesbaken
an.
Und nun lassen Sie mich aus in
nigftsm Versen danken fiie alles was
ichLiebes udeuteS in Tom-m ein
pfing. Mein ganzes Herz bleibt dort
zurück, wo ich des Lebens echten
Werth erfassen lernte. Berges-den Sie
mit, daß ils-Schmerz und Umulzein
Ihr Leben brachte- Jch wende Sie
nie vergessen. Ihrer lieben Mutter,
meiner clizeit gütigen Herein, brin
gen Sie mein-e inniasien Grüße und
neben meinem Dank die heiße Biere
um Verzeihung-. Wiedersehen will ich
sie mich Ieicht imelyr —es ist für meine
Wlse so besser.
Leben Sie wohl, lieber Rplfl Bis
in den Tod Des-te streue Rennie."
Als Reif v. Tot-um diesen Brief
gelesen, blieb er lange tmmgslvs vor
seinem Schreibiisch licen. Starr
blickte sei n Auge ins Leere. an Zeit
izu Zeit zuckten feine Häkide wie im
» Fieber
Eis-Blicks faßte er sich geewliizm «
Er ariff zur Feder und schrieb zurück:
»Liebe, theure Ren-Fiel Sie thun
weils-eine Renate kann nicht em
«ders Handeln, wenn sie sich selbst treu
bleiben will. Wie es das Schicksal
will, so miisien wir es tragen. Im
allem Leid lziiit mich ein Gedanke mi- T
recht-— ich bebe mein Gläck einmal
im Akten aehalten —- ganz vergefcens
wer-de ich’5 nie-wiss mehr. s
Meine Mutter arüßt Sie als elire
aeliebcke Tochter. deren Leid sie gleich
dem meinen beteaueti. Ueber alleni
anderen Gedanslen stehe der an Mittel
qeqeteseiiiqe unwandekbake Hei-beich«
tuug und Treue Mik- die MßlzeiH
sdafe wie schalt-los leiden
Was wach kommen mag- in Treue
kis ans Ende —
Mr Reif Toknaw
c I I
Weihnachten stand »beme, und vor
dem Feste noch wollte Siena-te mit ih
rem Manne Bett-w verlassen. Der
Zustand des Kranken war immer der
selbe. Renatse hatte schreckliche Tage
hinter sich. noch schrecklichen vor sich.
Teachwitz hatte oft Anfälle von
siebet-haftete Uns-lebe Er quälte sich
und sein-e Frau smlit ismsmer neuen
Plänen und hoffan und dazwi
schen kamen Stunden Ver Verzweif
lung, des Hader-us mit seinem Ge
schick. und seine Selbstverwlagen waren
schwerlich anzuhäven
Einmal fix-tilde et sich besser, daan
baute er wakschlöjseu war es ihm
sie-miser gut, so san-! er gebrochen zu
Flammen
» Ja feinem krankhaften Egoismus
et Oft- Welch-es Opfer ihm Re
Hob We, mvd dann ekfchiittetste er
ssie wieder jedes-W nein-ew- Dank-Mk
Mh VII sit Ihn mcht ärließdqßslst
kk Muse-u wn se
M M W M meiner lieben
,« Wer esle Wer sich
W
M
W
Herr-innen, ibr zu sagen: Geh rmd
wende wörtlich mit ihm. Nur ein
selvfcem grauenhafter Blick haftete zuk«
weilen aiuf feinem Schlüsselbund,das
er nie von sich Ließ. — ·
DerArzt tam rwch ein letztes Mal,
unt nach seinem Patienten zu sehen.
Nenate war gerade ein wenig ins
IM- gegangem um Luft M Mopr
säNun herr v. Trachwit wie geht
e «
Der Kranke verzog fein Gesicht.
»Auf Krücken. Herr Doktor," ant
wortete er bit-ter.
»Na, das wird ja auch wieder bes
ser geben«
»Dottor, setzen Sie sich. bitte, her
zxu mir und sehen Sie mich fest und
ehrlich an. Dann wollen wir einmal
miteinander wie zwei ver-ständige
lMiinner reden-meine Frau ist zum
sGliick nicht hier«
Als der Arzt faß, sagte Tracknvitz
langfam ·"und ruhig: »Und nun be
antworten Sie mir Ruck in Auge eine
Frage, aber offen und wahr, wie es
Ihnen Ihr Gewissen als ehrlicher
Mann gebietet· Glauben Sie, daß
ich je wieder meine Glieder gebrau
chen kann wie ein gesunder Mensch,
oder twerde ich immer crls Krüppe! an
die Krücken unid den Rollsteshl gefei
felt bleiben?« ·
Er sah »den Arzt durchbohren-d an.
Der wollte Ausfliichte machen.
Trachwis mußte genug. »Waer
haben Sie mich bi-.,iser belegen, Herr
Dotier?«
«Solange Leben ist, ist hoffnung,
Herr v. Tuch-spitz und Ihre Frau
will, daß Sie en eine Genesungglaw
ben sollen. lenm Sie ihr doch den
Gefallen, ihr Geschick ist schnedies
freiele und schwer· «
Trachwitz schwieg lange. Dann
insqte er leise, aber rsulsigc »Wielaniqse
tannich noch zu leben haben — im
gänitiqiten Falle«
»Tarii-ber brauchen sSäe sich keine
Sorge zu nnd-en—Sie können-roch
lange Jahre leben,« rief der Arzt, der
froh war, eine angenehme Wustunii
geben zu können.
»Jet; sdante Ihnen, lieber Doktor.
Meine Frau braucht nickts von die
irm Gespräch zu erfahren — nicht
mail-r. das bleibt unter unsi«
Ter Arzt erhob sich. »Ich wünsche
Ihnen gute Reife. Es wird alles gnt
gehen Sie können im Schlitten zur
Berän fahren. und in Wieskaden wir-d
es Ihnen schon qefalten Da kann
man auch vom Rollstnsht cxsnå ein qam
angenehmes Leben führen. —- Leben
Sie wohl, Herr sv. Trackwitz, Jbre
Frau werde ich draußen noch treffen.·'
Er ging. Trackzvitz arinfte mit ver
zerrtem Gesicht its-mer ist-en Bei-. »Ein
angenehmes Leben vom- ROM
anst« iliisierte er. »Doran freue ich
rnich sehr, mein herr Doktor!«
Als Renate zurückkehrte, fand sie
ihn scheint-at knslzin nnd heiter. Sie
planderten von Wiesbaden, unt-schie
nen beide mit ihrem Geschick ausge
söhnt.
Er hielt ihre Hand in der seinen
und- fatls sie an. als nriisse er sich ihrs
Züge fest einpräaern
Die frische, klare Winter-Luft hatte
ihre Wangen sanft aerötshet und ihr
einsbelebteres Aussehen gegeben als
ion t.
»Wenn du misj jetzt eine Weitem
behren könntest, würde ich gern zur
Barenin gehen, um ihr einen Darst
nnd Abschiedsbesiuch Fu machenhente
Abend, wenn du zur Ruhe gegangen
bist, resill ich dann unsere legten Sa
chen einpacken. Moraen iriih bkeibi
keine Zeit mehr dazu.« «
»So ist unsere Abreise unabänder
lich auf morgen feftneient?«
»Ja, es ift besser fiir uns alle.«
»Und wird es dir sehr schwer-, diese
Gegend zu verlassen?«
Sie fckh ihn fest an. »Es ist auch
siir mich besier, wenn wir in andere
s Verhältnisse kommen« Sie erhob-sich.
»Mit du alles zur Hand? Ich werde
snicht lange fortbleiben« « "
E »Geh nur rat-dia- nnd unbesorgt«
s MS sie schon an der Tbiir war, rief
serfie zuriick. »Quinte« warte Weins
wenig. Komm, siehe dich nsoch einmal
zu mir. Sage mir ehrlich: wird es.
dir nicht zu jåwey nrir das Opfers
deines Lebens zu bringen?
»So sollst du nicht sprechen! Fürl
mich gibt es nur eine W jetzt,
»die ich Wen rann nnd will: dirz
sdeisn Leben zu ertragen helfen. Wenni
nnd-ich nicht gar so elend und main-l
los fühlst, bin ich schon zufrieden miH
meinem Loosf l
Er jah sie sinnend an. »Da « Weib
ist doch ein unlösbakes Räihset Dixij
bist »das größte von allen. Æs ichs
noch gesund und frisch war, weigertest
du dich mit mir zu leben Ietzt da»
ich ein armer Krüppei bin, biekdit im!
freiwillig bei mit, mn mein Elend zu
theilen."
»Es-kühn sokist du nicht grübeln!
Es ist doch sollst und selbstverständ
iich, daß ich deduzieren-it dik Wes
und sie mit dir zu tragen versuchef
»Ja, dir ist das verständlich —i
mir war es einst nicht verständzich (
Aber ich verspreche dir, nun nicht nie-be
daran zu denken —- an gar nichis
mehr, außer data-n, wie ich dir für
deine Gifte dancken kann. Wen-n iches
mir so recht überiege. Neunte, sowo
ten ldie letzten Wochen doch diewerkly
wissen meines Leben-. Sie haben
mich gelehrt, mich sei-bit zu vergessen
—So, und nun noch eines, Neugie,
ein freies ehrliches Wort. Gib mir·
deine band dabei. Denk-it du, daß eö
dir möglich ist, Tonne-n zu Ungesieii?«
W Hand W leise in der sei
sen und ihre-seinen Weiten fsgx4
einen MW. Das-on seid sie ahn
--— - ———W—M—W
ernhig in feineAM »Bei-gessen willi
und tnnn ich ihn nich-t. Er ift iintneril
sehr gut zu mir geweer Aber wir;
werden uns nie wiedersehen —- dir-ans
laß dir fiir fett nenitgenf
»Wie — das isi ein limges Wort
swir wollen es kürzen. solange
shans Trachwis lebt, will ich Rolf
Tom-an nicht wieder sehen —Daö ge ;
nügt mir.
»Nun gnt,« saqte sie lächelnd, «wie
»du niillst.«
»Ja, fo will ich es. Wenn ich ein
mal sterbe, sollst-hu noch glücklich wer-I
den· Das-sit sollst du mir eine Bitte
eriiillen. Ren-sitz tiisse mich noch ein
einziges Mal." ;
Sie zauderte einen Augenblick, 4
dann beugte sie sich über ihn undi
drückte ihre frischen rothen Lippen
ans feinen Mund. Ein Schauer rann(
dabei über ihr-en Leib nker sie be
zwang sich nnd lächelte ihm freundlich
zu- ehe sie ging.
Er blieb sitzen uni- sceh ihr mit gro
ßen. strahlen-den Augen nach. Als
dann alles um ihn her ftill war,rich
tete er sich mühsam ans seinen Krücken
empor und schob sich langsam nach
dein Schreibtisch hinüber. Er öffnete
das oberste Fach rund nahm das
braune Kästchen heraus.
Er stellte es auf die Schreibtisehg
p!atte, öffnete es schwerfällig und
nahm dann einen blihendenGegens
stand heraus. Als er das kalte Eise-n
berührte, durchs-ishr ihn ein Scheinen
Er legte sden Revolver neben sich hin
tin-d tritzelte mühfarn mit einem Blei
stift einige Worte auf ein Stück
Papier-.
Dann ickkoh er sich schwerfällig, den
Revotver in der Hand, nach seinem
Rollstuht zurück Al- ek wieder faß,
athmete er tief arti —- es war ein
schweres Stück Arbeit fur ihn new-.
ien, iund er fühlte sich einer Ohn
niacht nahe.
Mit Aufhietung feiner ganzen
Willens-kraft zwanq er sich eur Reise
Er trJni ein Glas Wein das für ihn
zur Stärkung lereit stand Dinn
nahm er sorgfältig und bedächtigden
Revoevern
II H s
Ren-te shnite sich bei der Baron-in
melden lassen und wurde sehr liebens
würdig von dieser empfangen
»Ich komme einr, um Jsbnen Lebe
wohl zu sagen Frau Baronin, nnd
Jsbnen nochmals fiir Ihre Hochsiserzig
Zeit an danken«
»Melnn«ie ninlie abweist-end rnit der
Lan-d. »Es-Heu wir das. Frau v.
Trackswin. been Sie schon Ihre
Vorbereitungen netroifen?«
»Ja. es ist alles gescheit-ein«
»Und von Tornsaus wollen Sie sich
nich-i verabichsiedenY
»Ich sbabe ibnen briefiich Lebewobl
gesagt Ich kann meinen Kranken
nicht so lange allein lassen, um hin
überznfcbren, und Ver-über bemühen
will ich sdie bereist-then teinenfalls.«
Melanies Augen lenchieten anf
Sie glaubte nun gewonnenes Spiel
zsu haben.
Jn diesem Augenblick vernahmen
die bei-den Frauen einen Schuß. Er
ichteckt ftatrten sie sich beide nn.
»Was irae »das?'« fragte Rein-it
»Es war zweifellos ein Schuß,«
antwortete Melanie.
Da wurde auch schen die Tbür aus
gerissen. Der eMienen welcher nieste
benzirnmer des Kranken sich aufhielt,
um auf sein Elingekzeichen gleich bei
der Hand Zu fein, stürzte smit verstär
iem Gesicht ins Zimmer.
»Gnädige Fron, bitte, kommen Sie
schnell, es ift ein Unglück geschehen«
Rennie flog wie gejagt an ihm
vorbei.
Hans v. Trockne-in hatte gut getrof
fen. Nur eine Leiche sah sie wieder-.
? Sie schrie laut auf und Osaib wie
irr um sich. Da fiel ihr Blick aui den
; Schreibtisch. ans sdern der Miene
« Spanne Kasten ftansd Sie ging inn
; über nnd sub ihn Oeriiändnißloö an.
» Da erbiickte sie den Zettel, den Trach
kwih getriselt Hatt-e. Sie les: »Lebe
hochl, Renate —- Dcrnl für Deine
«Giiie. Werde aliicklich mit Zorn-rn
zVernib mir alles rund sei gesegnet
lSeh liebe Dich. Zum lebten Male
« Dein Hans.«
i Nun verstand sie enii ganz. was
iMel-sehen Mr. Sie steckte den Seite-l
szUsich und unt-faßte Tracktwih mit-ih
ren-Beinen Dann rief sie dem Die
ner zu: »Einn! Arzt-schnell, und
wenn Sie an Totnau vonbeireiien
ditien Sie Frau v. Tor-m, zu mir
zu stimmen«
Dag- kamek suute um« euch Me
lanie kam seht mist finstern Miene
und fah smebt äegwiich als erschüttert
auf den Todten
Renote wollte sprechen, aber es
drang kein Laut aus ihrer Kehle
Das Zimmer hear-un sich plöslich im
tollen Wirt-ei um sie Fu drehen, uns-v
mit einem leifen Schrei-brach sie ohn
mächkig zusammen. —
W Zwei Stunden später erschien
Frau O. Totnau Ihr Sohn war nicht
un gewesen, als sie die Botschaft
er- elt Sie Hatte sieh. als ishr der
Diener von dem Ungliick erzählte, so
fort messen-chi, sum Renate helfend
zur Seite zu stehet-.
» Reif hintenließ see die Botschaft,
«daß, wenn Trachwitz wir-flieh todt sei,
sie Reime gleich mit nach Tvrnau
bringen würde
Die alte We fand Renate in
einem jammervollen Zustand Sie
war ganz von Sinnen und wußte
nicht was sie Man und lassen sollte ·
Nach einer kurzen Auseinondepj
seitens mit Melanee nackte Frau v i
Tonm- die Arme reist-at in ihren
Wasen und fuhr heimwärts zait ehe
W
s
: » Hintre vor Tornau kenn ihnen Rolii
entgegen der eben feiner Mutter hatte
noch Bertoev solqen wollen. Renate
erkannte ihn nicht mehr. sie war be- i
sinnungsloL
i Er mußte sie aus dein Wagen hebeni
und trug sie dann behuan in ihrs
sZinemer hinaus. Sein W ging
schwer als er in ihr süßes, Hasses
Gesicht »sich Es Mr nicht nur dies
sAnsirengung, sondern vor ullem die?
sCrregung die ihn ausfiiihnen lies-,
! Seine Mutter trieb ihn dann hin- s
Taus. Mit Mianrsell Bictners Hitfe
brachte sie die sung-e Frau zu Bett
Sie merkte wohl daß bei Renate ein
biiseS Fieber im Anzug sei.
. Sie ließ die Biriner bei ihr und
eilte ins Wohnzinrmer hinunter wo
Roif unruhig auf und ab ging. Mit
wenigen Worten unterrichtete sie ihnl
über die Vorsiille in Beet-mo. ;
»Wie geht es Renote, Mutter?«s
sroJ te er
e hat ein weniges-siebet tin-d ist
noch nicht zu sich gekommen Mache
dir aber ieine Sorge darüber. mein
Junge. Die seelische Erregung, die
sich in den ledten Wochen bei ihr auf
gest-nut, will sich Luft schaffen. Jch
pslexre sie dir schon wieder gesund-—
da sei ganz ruhig. ·'
Er umfaßte die eilte Frau »Liebe
gute Muttet!«
»Nun irr-es ist schon gut, Noti.
Jch weiß alles, was du mir sagen
willst. Nun sei nur getros !«
»Mutter, ich hätte nicht gewußt,
wie ich’g tragen sollte. uwenn Renate
mit Trackjwiiß davongezogen wäre-«
»Ja. ich glaube es dir. Es war
gut so, wie es lam. Aber nun, Rotf,
es ist wohl deine Pflicht. der Bat-o
nin die Sorge cum Trachin aber-neit
nien. Sie isit in der letzten Zeit so
außerordentlich sitt-tin gegen Ren-ri
geweiem daß du ihr auch ein Dankes
wort vergönnen iannst.«
»Das will ichs-un Du hast recht,
wie immer-. Ich werde sofort hin
über-reiten« — «
Eine Stunde später lies-, er sich bei
Melanie meiden. Sie wollte ihn ersit
nicht empfangen weil sie vermein.
und unvortbeitsbaft aussah. Schtiesik
lich sorgte sie sieh ober. daß in nun
doch alles aus »und vorbei fei. Ihr
Spiel war verloren. das snsh sie ein
stand statt Nemte dadurch unerreichbar
für ihn zu machen. satte sie dieselbe
srei gemacht für Rolfs Besoerbuno
Sie grollte Tracht-itz, disß er sie io
schmählich im Stich gelassen hatte.
Nur ein einziges IesV-r hätte er noch
Zu leben brauchen und Renate mit
sich nehmen sollen- dann so glaubte
sie hätte sie itsr Fiel erreicht gehabt
CZchtusz iolqt )
Glitt-regte der Zukunft
Die aledtische Wundbehandlung, d.
h. die Kunst, selbst sehr schwere Ver
letzungen ohne Entzündung oder gar
Eiterbildung zu heilen, hat die Chi
rurgie in den Stand gesetzt, sogar an
den ledenswichtigsten Brauen Ein
griffe mit dem Mess r zu wa
gen. Das Gehirn ist längst kein
»Rühr’ mich nicht an" mehr, und
schwere Verletzungen des Herzens
sind schon in eine ganzen An
zahl von Fällen durch Zufatntnennii
hen der llaffenden Wundränder geheilt
worden. Und gerade das Nähen hat
neuerdings in der lunstgerechten
Wundoersorgung noch zu weitern Er
folgen geführt. Wunden in Muskeln,
Sehnen und Nerven zusammenzuniis
l)en, hat lange nicht die Schwierigkei
ten gemacht, wie die Naht größerer
Vlutgefößr. Es galt nicht bloß blut
dicht zu nähen, sodaß die genähte
Stelle dem Blutdruck solange wides
ftehen konnte, bis die Verletzung in
der Gefößwand geheilt war, sondern
so zu nähen, daß sich auf der genähten
Stelle keine Blutgerinsel bilden konn
ten, die, vom Blutstrom losgerissen
und verschleppt, anderswo zu Ver
stopfungen hätten fiihren müssen. Jn
neuerer eit haben die Chirurgen diese
Schwierigkeiten zu überwinden ge
lernt. iEllexts Carrel und C. E. Gut
tbrie vom physiologischen ball - Labo
ratorium der Universität Chicago sind
noch einen Schritt weiter gegangen: sie
versuchten ganze B l u tgefiisze
zu flicken mit Stücken von Adern
oder mit Lappen aus dem Bouchfell.
Namentlich ihre gelungenen Versuche
in letztgenannter Hinsicht lind bemer
tenswerth So schnitten sie bei einer
Nase aus der Vorderleite der großen
Bauchschlagader ein Stück heraus und
nähten dafiir einen passenden Lappen
.aus dem Bauchfell der INase hinein
Trog seiner Zartheit« widerstand - der
Ifssacll Uclll Olllloclla suc, UllU Ucl
Meistan ver-lief in dem geflickten Ge
fäß regelrecht; noch fünf Monate spä
ter konnte man die Blutbewegung
durch das durchscheinendeStiick Bauch
fell beobachten. Auch der Ersatz eines
großen Stücks aus einer Ader durch
ein gleich geoßes Stück Vene, das sie
in dre Liicke hineinnöhten. ift ihnen ge
lungen; die Wandungen der Vene wa
ren allmählich beträchtlich dicker ge
worden. Selbst wenn das.ausgefchnit
ten: Gefäßftiick mehrere Tage lang in
Mitte aufbewahrt worden war, heilte
es noch ein und erfüllte seine Aufgabe.
Daß ss gelingt, abgetrennte Haut
lcppen von einem Menschen auf einen
andern zu verpflanzem ist bekannt
Es wird ja von Zeit zu Zeit über
Fälle berichtet, daß sich jemand aus der ;
Haut feines Armes oder Beines ein
größeres Stück babe herangfckpneiden
lassen, um es auf einen andern Men
"fchen über-pflanzen zu lassen-damit esl
idort die Ueberhsutung einer oberfläch
W
fliehen Berlesung bon großer Ausdeh
nung, die dureb Verbrennung, Eite
rung usw. entstanden ist, erleichterr.
Ol- die geborgte baut von einem Wei
ßen oder einem ardtgen stammt, ist
gleichgültig; selb die ebenholzschwati
Jze harrt eines Negers wird, auf einen
Weißen verpflanfh dort bald weiß,wie
sich auch anderse is weiße Hautlappem
die zur Ueberhiiutung bei e nein Neger
mitgeholfen haben, dort mit der eit
färben. Es ist fiir einen geii ten
Chirurgen nicht sonderlieh schwierig,
zerstörte oder entstellte Nasen durch
geeignete Operationen wieder zu er
ganzem zerstörte Augenlider sind
Ureb Lappen aus dem Ohre ersetzt
sworden und auf einen Fingerftummel
bat man schon einen Zehen angeheilt
nnd durch den Zehenfinger die Ge
brauchsfiihigteit der Hand beträchtlich
verbessert. Daß es gelingt, rohe
Liielen in einem Röhrentnochen urch
eingesehte Knochen von Thieren wieder
in ergänzen, darüber liegen ebenfalls
interessante Mittheilungen vor.
Aber das Ideal der Chirurgen
steht thetx sie bemühen sich feit eini
gen Jahren, statt einzelner Theile gleich
ganze G l iedmaßen, ganze
Organe durch andre zu
e rs e nen. Es wird wohl jeder als
selbstverständlich anfeden, daß das
Gelingen derartiger lebensgefiihrlicher
Eingrisfe erst durchVersuche an Thie
ren erprobt wird. Carrel und Gutthrie
nahmen einem Thier in der Keule das
eine Beine ab, die Blutgefiiße und
Nerven wurden sorgfältig ifolirt.
Nach einigen Minuten festen sie dein
ielben Thier — um fiir den Versuch
zunächst den einfachsten Fall zu wählen
—- das abgenommene Bein wieder an
und vernöbten die freien Enden der
Knochen, Muskeln, Gefäße, Nerven
usw. aufs genaueste miteinander. Be
reits nach einer Strnde war der Blut
kreislan wieder hergestellt, denn in
dem abgenommenen Bein war deutlich
Puls zu fühlen. Nicht die geringste
Stauung zeigte sich- also mußte das
Blut regelrecht zu- und abfiieszen Das
Bein wurde einige Zeit durch einen
festen Verband unbeweglich aedaltern
beide Theile waren später Völlig rnit
einander verwachsen, nnd fiir dasThier
schien beim Laufen nnr eine tleine
Schwache in- dem-Bein zurückgeblieben
zu sein. Der schwierigere Versuch,
das Bein eines Hundes auf
das entsprechende B e i n ei
ner Hündin zu verpflan
zer, ist ebenfalls gelungen!
Jn praktischer Hinsicht bedeutungs
voller ist noch ein andrer Versuch; ge
lingt die Ueberpslanzungvon
L rqanen,sowiireeöia unter
Umständen möglich. damit Krankheits
zustände zu heilen. Und so hat man
derartige Versuche mit Organen ange
stellt, deren Verödung oder Erkran
tung beim Menschen zu schwerem
Siechthum und zum Tode führt, wie
z. B. Entartung der Nieren, der
Schilddriise usw. Nach den Versuchen
annns von Haber-ers können grade
Stücke stischen Nierengewebes bis zu
der halben Niere eines Hundes in Le
ber-, Milz und Netz eines andern hun
des ohne Schwierigkeit ei geheilt wer
den; aber das Nierengewelze geht bald
zugrunde; ihm fehlt dort die nöthige
Versorgung mit Blut. Ohne diese
kann kein Organ seine Ausgabe et
fiilten Aber diese Schwierigkeit ist
inzwischen auch überwunden worden.
Bereits 1902 ist es Dr. E. Ullmann
gelungen, eine h u n d e n i e r e an
den Hals einer Ziege zu verpflan
zenx die Niere arbeitete aus ihrem
neuen Boden weiter, son derte
also ab. Da sie an ihrem neuen
Sitz mit dem Blut der Ziege ernährt
wurde, konnte sie die Absonderung-I
nur aus Ziegenblut herstellen.
Cakkel und Gutihtle haben neust
dings die beiden Nieren eines
Hundes nebst dem ganzen umgeben
den Gewebe. den Blutgesäßen und
Nerven in die Bauchhöble einer stin
djn iiderpslanzt, der sie dieselben Theile
fortgenommen hatten; dann wurde al
les richtig miteinander vereinigt,2ldern
mit den entsprechenden Adern, Vener
rnit Benen, Nerven mit Nerven usw.;
noch einer Unterbrechung von I
Stunden war alles erledigt. U
siehe da! Zwei Stunden nach der
Ueberpslanzung so n de rt e d i e
Hündin mit der Niere des
Du n des klare Flüssigkeit
a b ! An einem der nächsten Tage trank
und fraß das Thieo schon mit Appetit
und hat weiter denEingriss völlig Uber
stcndem noch nach Monaten waren die
Nieren gesund. Und in ähnlicher
Weise vermochten Thiere mit über
vslanzten Nebennieren, Milzen u.
Schilddriisen waren noch nach einein
Jcbre brauchbar; die Blutversor nng
nsusi also in den zusammengen isten
Gesiißen gut von statten gehen.
Diese Versuchdergebnisse, ma ihre
wissenschaftliche Bedeutun au noch
lo groß sein« haben site d e vraltis
Heiltunde zunächst noch wenig Wert ;
zwischen ihrem Gelingen beim Thier
und ihrer Anwendung beim Menschen «
als Dein-erfahren tlasst noch eine wette
Lücke. Aber trotzdem berechtigen sie
zu schönen Hoffnungen mögen diese
sich vielleicht auch erst nach ahren er
siilteti. Der erste ersolgre" e Schritt
nach dieser RichtuncL ohne den es kein
Vorwärts gegeben hätte, ist gethan
worden«
Der Seidentrust ist verkracht. Hier
scheinen die Gründer also teine Seide
gesponnen zu haben, obwohl es ihr
sGewerbe war