Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 24, 1908, Sweiter Theil., Image 13

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    »Die nicht alle werden.«
Erzählung von Ma rie S t ahl.
Tante Josesine, die oerwittwete
Frau Geheimrath Bermtvald, schüt
telte den Kopf, nachdem sie den Brief
ihrer Schwester, Frau Direktor Los
sow gelesen. ,
Seit einigen Wochen hörte man von
Lossows nur den einen Namen »Ellen
Kramer«. Und jeder Brief war ein
Loblied auf diese Perle. Sollte es·
möglich fein, daß Lossorvs eine lei-I
stungsfiihige und zugleich liebenswür
dige »Stütze« gefunden hatten, die der
Hausfrau alle Lasten abnahm, ohne je
in ihre Rechte zu greifen? Ein solches
Wunder müßte man mit eigenen Au
gen sehen.
Außerdem traute sich Tante Jose
fine ein undesangeneres Urtheil zu,
als ihrer Schwester-, der »guten Ma
thilde««. Sie war in der ganzen Fa
milie oberste Autorität in Fach-,
Sach- und Menschenienntniß, und ge
hörte zu den sogenannten Hellen, die
durch ein eichenes Brett sehen. So
hielt sie es für ihre verwandtschast
liche Pflicht, mal bei Lossows nachs
dem Rechten zu sehen, packte den Reise- !
lorh und die juchtene Handtasche und !
reiste ab. ’
Acht Tage lang war Tante Jose- s
fine heftige Opposition.
»Nimm es mir nicht übel, liebes
Mathilde. aber Jhr iibertreibt,« sagte «
sie hei der ersten Aussprache im Plau- «
derwintel des blauen Boudoirs. I
»Fröulein Ellen Kramer mag viele«
vortreffliche Eigenschaften besitzen, aber »
Jhr macht zu viel aus ihr. Sie be
herrscht euch ja alle! Das gehört sich
nicht fiir eine Person in ihrer Stel
lung!«
»Ich oegreiie dich nicht!" rief Frau »
Losiow erregt. «Giebt es ein beschei
deneres Wesen als dieses junge Mäd
chen? Seit sie bei uns ist, geht mein
hanshalt wie am Schnürchen, noch
nie hat solche Ordnung. Sauberkeit
und Pünttlichteit geherrscht! Sie
nimmt mir jede Sorge und jeden Aet
gee ab. Neulich, als die Köchin plötz
lich erkrankte, kochte sie sofort das
Mittagessen selbst. Du weißt, wie
quiinglich Oskar ist, aber es schmeckte
ihm so vorzüglich, daß sie seitdem öf
ter mal ein Gericht siir ihn kochen
muß. Und das macht sie so spielend
nebenbei, ohne alles Aufhebens. Da
bei ist sie im Salon vollendete Dame.
Ohne schön zu sein, stellt sie jede
Schönheit in den Schatten durch ihren
seltenen Geschmack und ihr fesselndes
Wesen."
»Nimm dich nur in Acht, daß sie
nicht andere zu sehr in den Schatten
stellt," bemerkte die Geheimriithin
trocken und beschloß die Augen weit
offen zu halten
Arn Abend im Familienwohnzimi
mer gab es allerlei Ueberraschende5.
Der Hausherr, der als Direktor ei
nes großen, industriellen Bezirks den
Tag über mit Arbeit überhäuft war,
pflegte sich in diesen Feierabendstunden
abgespannt und nervös reizbar zu zei
gen. Er war dann den lebhaften uns
ruhigen Kindern gegenüber zu stren
gem Tadel geneigt, was ein gewisses
Unbehagen verbreitete. Die Mutter
hätte es gern beiden recht gemacht:
dem Girtten die Ruhe verschafft, ohne
den Kindern die Freiheit zu kürzen,
und da dies nie möglich war, mußte
sie Zafür büßen.
blanke Joseitne rannte diese kleinen
Szenen genau und wappnete sich mit
Muth und Energie. um die Kinder
gehörig in Respelt zu halten. Aber
siehe da, es herrschte heute eitel Friede,
Freude und harmonie im Familien
reise. Die Kinder waren musterhaft.
Fräulein Kramer erzählte so amiisante
Geschichten, daß sie ganz Ohr waren.
Lein Zanl, tein Streit und lein Lärm.
Die Mutter saß, ein Bild des Beha
geno. in der Sofaecke und es entging
Laute Josesine nicht, daß der Haus
herr hinter seiner Zeitung aushorchte
und zuweilen lächelte, bei einer beson
ders netten Geschichte Ellens, deren
weiche Stimme selbst den reizbarsten
Nerven wohllhun mußte·
Und er lam sogar aus seiner Iso
lirecke heraus und lauschte mit sichtli
cher Besriedigung, als Fräulein Kra
mer später mit Melanie vierhändia
den Donau-Weiher vortrag, denn es
war bisher zum steten Aerger des Va
terö noch keinem Sterblichen gelungen,
die vierzehniiihrige junge Dame zum
Vorspielen zu bewegen. Als dann
Ellen Kramer selbst reizende französi
sche Chansons und englische Bollölies
der tsortrug, war von Ermüdung und
Nerven nichts mehr an ihm zu mer
ken. Die Stimmung erreichte den
Höhepunkt des allgemeinen Ent
zücken-Z
Und dann arrangirte Ellen Manier
einen Stattisch. Das war es gerade-,
· was dem Papa so sehr gefehlt hatte,
ein kleines Spielchen oor dem Z bett
gehen. Seine Bemühungen, alter,
dem siebenzehnjährigen Selundaner,
Ciat beizubringen, waren elend ge
scheitert und hatten stets ein schnelleö
Ende gesunden. Und nun hatte Wal
ter bei Ellen diese Kunst im Handuw
drehen gelernt.
Tante Josesine beschloß, die Augen
noch weiter auszumachen. Der Abend z
war indessen einer der angenehmsten,
den sie tm Lossowschen Hause erlebt.
Selbst tleine Dispute zwischen den
Eheleuten wußte Fräulein Kramer in
angenehmer Weise zu schlichten.
Am folgenden Morgen beim Früh
stiicl theilte Frau Lossow den Jhren
halb entrüstet, halb lachend aus der
Zeitung mit, wie eine ganze Familie
durch einen Hochftapler in etlatanter
Weise um Hab und Gut betrogen war,
den sie für einen Gentleman auf guten
Glauben aufgenommen hatte, ohne
legitime Beweise.
»Wie kann man nur so dumm
sein!« bemerkte sie.
»Das sind eben die Dunnnen, die
nie alle werden,« pflichtete Herr Los
sow bei.
»So etwas könnte mir aber nicht
passiren,« ereiferte sie sich weiter. »Ich :
begreise es nicht, ein Lump verrath!
sich doch immer an gewissen Zügen.«—— !
»Höre mal, meine liebe Mathilde,
ich glaube, niemand wäre leichter zu
täuschen, als du,« erwiderte der Gotte
ein wenig geringschätzig »
»Dante, sehr schmeichelhaft, daß du
mich zu den Dummen zählst, die nicht
alle werden,« erwiderte sie tief ver
letzt. ,,Uebrigens, haft du nicht da
mals dem Buchhalter auch viel zu viel
vertraut, bis endlich die Unterfchla
gungcn ans Licht tamen?-'«
Das traf eine wunde Stelle in den
geschäftlichen Erfahrungen Lossows;
er brauste auf, und es wäre zu einer
heftigen Szene getommen, wenn nicht
Fräulein Ellen schnell eine sehr in
teressante Geschichte erzählt hätte, von
einem sensationellen Betrugsfalle, der
die Gedanken in neue Bahnen lenkte.
Jm Verlauf der nächsten Tage be
merkte Tante Jvfefine zweierlei. Er
stens, daß ihre Schwester eigentlich im
Haufe nichts mehr zu sagen und nichts
mehr zu bedeuten hatte. Und zwei
ten-I, daß eine große Veränderung mit
ihrem Schwagek vor sich ging.
Das Schlimmste war, vatz vie gute
Mathilde nichts von ihrer Entthro
nung merkte, so süß und bequem wur
de sie in den Winkel völliger Ueber
.slüssigteit gesetzt. Und noch viel be
Identlicher war die Bewußtlosigleit,
mit der ihr sonst so kritischer, nüchter
ner Gotte sich umgarnen ließ· Die
IGeheimräthin lonnte jedoch nicht klug
twerden, ob der unbewußte Zauber
seltener Vorzüge oder List und rassi
snirte Berechnung von seiten der ge
sährlichen Stütze die Ursache waren.
Thatsache war: ihre Schwester hatte
kein Geheimniß mehr vor der Frem
den, sie vertraute ihr sämmtliche
Schlüssel an, selbst die zu ihrer Kasse·
Sie besprach die intimsten Angelegen
heiten mit ihr und ließ sie sogar ihre
Briefe lesen.
Und der hauöherr wurde alle Tage
liebenswürdigen Nichts mehr von
überarbeiteten Nerven und Quänge
leien. Er war sanft und sast zärtlich
gegen die Gattin, milde gegen die
Kinder, gut ausgelegt bis zu Scherz
und Lachen. Die Kinder fühlten sich
wie im Himmel und daher gab es viel
weniger Streit und schlechte Laune.
Diese Ellen Kramer war aber wirt
llch ein Universalgenie! Als der Se
lretiir Herrn Lossvws erlrantte, stellte
es sich heraus, daß sie so viel von
Stenographie und Buchführung ver
stand, um ihn zur Noth einige Tage
ersehen zu lönnen.
Herr Lossow, der sehr verstimmt
über das Mehr von Arbeit wen-, das
dieser Aranlheitssall ihm anslud,
nahm sie sosort mit in sein Privat-—
jtonton Sie schienen sich bald wun
.dervoll eingearbeitet zu haben, denn
seine gute Laune stieg täglich. Tante
Josesine, die wiederholt dringend den
sRath ihres Schwagers wegen An- nnd
Vertauss von Papieren brauchte, er
schien zuweilen unangemeldet im Kons
tor. Einmal hörte sie schon von seen
sein herzliches Lachen und Ellen-H
weiche Stimme, die etwas sehr Antä
santes zum besten zu geben schien
Und einmal überraschte sie beide vor
dem ossenen, eisernen Geldschrant, der
in die Mauer eingelassen war und
dessen Geheimnisse noch nicht einmal
der Gattin enthüllt worden waren.
Er enthielt außer Werthpapieren nnd
Baargeld auch den werthvoller
Schmuck seiner Frau. Die Geheim
räthin sah mit eigenen Augen« wie die
Fremde lachend an den Geheimschlös
sern probirte und naive Freude an den
verborgenen Schätzen zeigte.
»Giebt es denn überhaupt so viel
Geld?« sagte sie gerade. »Davon hat
ja unsereins leine Ahnung« Tant
Josesine mußte sich räuspern, uns be
merkt zu werden, so versunken waren
beide in Belehrung und Betrachtung,
und der Direktor legte ein paarmal
seine Hand-aus Ellen Kramers weine
Finger, um sie den Griss zu lehren,
unter dem die Geheimsächer sich Zfsne
ten.
Jetzt wußte die Geheimrtithin, biß
eine oolltommene »Stütze« sehr be
Hdenllich siir eine Hausfrau ist und sie
Zwar mit sich einig, daß etwas gesche
Hhen müsse. Sie sah einen Abgrund,
Idee sich unter den Füßen der ahnungs
slosen Familie austhat, und in den
Halle wie hnpnotisirt zu stürzen droh
Jten. Sie hatte schlaslose Nächte dar
-iiber, aber mit Mathilde zu reden war
E zweckloi.«
I Eines Tages kam ein Bries von der
alten Marna Lossow, der die ganze
Familie zu ihrem siebzigsten Geburts
tag einlud. Es war eine kleine Reise
bis zu ihrem Landsch, man blieb stets
über Nacht dort. Mathilde war außer
sieh, daß sie Ellen Kramer nicht mit
nehmen konnte, und alle Kinder jam-«
merten, es war gerade, als könne nie
mand mehr einen Tag ohne sie sein.
Nur Tante Josesine athmete erleich
tert aus und beschloß, Mama Lossow
ihr Herz auszuschütten und mit ihr zu
berathen, was zu thun sei. Vor der
Abreise übergab sie ihrem Schwager
Geld und Werthsachen, die sie bei sich
hatte, zur Ausbewahrung im seuer
und diebessicheren Geldschrant. Es
gab einen rührenden Abschied von El
len. die zu Hause bleiben mußte. Ma
thilde umarmte sie vor allen Leuten,
die Kinder warfen Kußhände und
selbst der Direktor schwenkte wieder
holt seinen Hut. Es entging Tante
Josesine nicht, daß das Thermometer
seiner Liebenswiirdigteit während der
Reise aus Null sont-. Er war wie
der sehr streng gegen die Kinder und
ironisch gegen Mathilde mit ihrems
zahllosen Handgepäck. -
Tante Josesine war mehr denn je.
entschlossen, seine wohl selbst noch ah- -
nungslose Seele vor dem Verderben
zu retten.
Am Morgen nach Großmamas Ge
sburtstag trat die Katastrophe ein.
Die Geheimriithin hatte sich bereits
mit der alten, sehr klugen Dame ein
gehend verstiindigt. Nun nahmen
beide die gar zu harmlose Mathilde
ins Gebet. Die arme Frau war ganz
gelähmt vor Entsetzen iiber die Zu
muthung, sich so schnell als möglich
ihre unschätzbaren Stütze zu entledi
;gen.
s Sie schwankte zwischen einem Ohn
machtsansall und einem Weintramps,
Ein demselben Augenblick trat der Di
Irektor ein, treidebleich, ein offenes Te
Ilegramtn in der Hand.
I Heut Nacht schwerer Einbruch.
Geldschrani ausgeräumt. Von Die-·
den keine Spur. Fräulein Krainer
berschwunden,« las er mit heiserer
Stimme. Sein erster Gelchiistssiihrer
hatte unterzeichnet.« Tableau! —
Erft später erfuhr man daß Ellen
Kramer die Gattin eines berüchtigten
Hochftaplers und Einbrechers sei. Das
Ehepaar hatte bereits im Ausland
derart zusammen gearbeitet, daß die
sehr gewandte Frau, die früher Er
zieherin in großen Höusern gewesen,
Stellungen annahm, in denen sie ih
rem Mann und feinen Helfern die
Wege zu ihren Raubziigen bahnte und
alles so geschickt einleitete, daß sie nicht»
gefaßt wurden.
Die Verluste der Familie Loffow
waren bitter und nicht sehr erhebend
das Bewußtsein, auch einmal zu de
nen gehört zu haben, die nicht alle
werden. Tante Josefine aber segnete
diese Lösung eines verhängnißvoll
werdenden Problems, obgleich auch sie
zu den Gevrellten gehörte. Sie reiste
beruhigt ab, nachdem ihr Schwager
aenau so unliebenswiirdig wie früher
Abends von seiner Jsolirecke aus die
Familie tyrannisirte und die »gute
Mathilde« seufzend von Neuem die
Pflichten und Lasten der Hausfrau
auf die eigenen Schultern genommen
hatte. Um eine schwerwiegende Er
fahrung und Lebensweisheit reicher
kehrte sie heim. Nämlich, daß es
schlimm fiir eine Hausfrau ist, wenn
sie überbürdet ist, aber noch schlimmer,
wenn sie entbehrlich wird.
NO .-.-—·
Die goldene Violine.
Von Charles Engels.
1
Das Hochzeitsmahl nahm tein Env
de; ermüdet von der langen Unbe
weglichleit hatte ich mich hinausge
schlichen und war froh, fiir kurze Zeit
dem Lärm und der schwülen Luft ent
schlüpft zu sein.
Als ich vor dem Saal vorbeikam,
in dem später dem Tanze gehuldigt
werden sollte, bemerlte ich durch die
offene Thür einen Manu, der durch
sein ionderbares Aussehen meine Auf
merksamteit auf sich lenlte.
Er war außergewiihnlich schlank
und in die Höhe geschossen und machte
den Eindruck eines Schwindsiichtigen.
Sein abgezehrtes, mageres Gesicht
mußte ohne Zweifel schön gewesen
sein. Seine langen Haare umrahins
ten eine hohe Stirn, und seine Augen
glänzten « fieberhaft.
Mit seinen lnochigen, sleischlosen
Händen reinigte er mit einem seidenen
Tuche eine Violine, deren Laet einen
sonderbaren goldigen Glanz aus
strahlte.
Ueberrascht von der wundervollen
glänzenden Farbe des Instruments
näherte ich mich dem Musiler; ohne
Zweifel hatte ich den Mann vor mir,
der uns zum Tanze ausspielen wollte.
»Sie scheinen da eine iverthvolle
Geige zu baben«, sagte ich zu ihm;
denn als ich mich ihm näherte, fielen
mir sofort auch die schönen Formen
des Instruments auf.
»Ja!« erwiderte er lebhaft- ,,Es ist
eine schöne Amati. die einzige, die mit
diesem glänzenden, gelben Lacke be
deckt ist« Die Sammler kennen sie
wohl; sie nennen sie die »goldene
Violine«. Aber sie haben ihre Spur
verloren. Wer sollte sie auch hier in
diesem Städtchen suchen?.. Jch habe
sie von meinem verehrten Lehrer Al
berti geerbt, der sie aus seinen großen
Concerten spielte» Jch nehme sie
sonst nicht mit hinaus-, mußte es aber
l
(
ist-e thun, da meine andere Geige:
nicht in Ordnung is.«
»Sehen Sie«, fügte er nach einer«
Pause zu, ,,wie fein ihr Kopf ist we
gewölbt ihr Körper, und wie er leuch
tet, dieser Lack! Aber das ist alles
nur für die Augen; man muß sie hö
ren! Hören Sie, kennen Sie eine
vierte Saite, dieso singt, wie diese?
Und er spielte langsam einen ein«
fachen Satz von Mendelssohn, und
die Töne bebten, eindringlich und
fchwermiithig, als hörte man ein
Cello erklingen.
»Aber Sie sind ein Künstler«, ries
ich aus, »ein wirklicher Künstler!«
»Wie? Also auch Sie?« sagte er
bitter. ,,Einer ist wie der andere«,
fuhr er fast zornig fort. ,,Künsile:!
Wissen Sie, was ein Künstler ist?
Jch bin nur ein Geiger, hören Sirt
. . . Ein Dorsmusitant!«
Und er drehte mir den Rücken
zu. —
Ueberrascht und fast beleidigt ver
ließ ich den Saal und spürte kein-.
Neigung mehr, mich weiter mit die
sem Original mit den Künstlerhaaren
zu unterhalten.
An der Thiir traf ich meinen
iFreund, den Doktor Bornftein, der
Jniich suchte.
j »Sie wissen Alles-« sprach ich zu
ihm, »Sie werden mir auch Auskunft
iiiber diesen sonderba ren Menschen ge
jben können, den ich soeben sprach. «
» Und ich vertraute ihm den Verlauf
meiner Unterhaltung mit dem Musi
fter an.
l »Sie haben alle Beide recht«, er
tlärte der Doktor; »der Mann war
ein großer Künstler-. Aber der Kum
mer, der Altohol und seine Krank
heit haben ihn zum Dorsmusitanten
erniedrigt. Sie wollen seine Ge
schichte hören? Sie ist nicht so lang,
wie sie schmerzlich ist, nnd ich will
sie Ihnen erzählen«
2.
»Es lvijrde schwer sein, zu sagen,
zu welcher Zeit man Georg zum er
sten Male mit dem Instrument in
den Händen sah.
Sein Vater war friih gestorben
und seine Mutter ließ ihn ganz seiner
Neigung leben. Sie besaß dieses
kleine Wirthshaus und ihre ganzen
Ersparnisse wurden der musikalischen
Ausbildung ihres Sohnes gewidmet.
Der Aufenthalt in der Hauptstadt,
die tostspieligen Stunden bei den er
sten Meistern verschlungen nur zu
bald die Mittel der Familie, und er
hätte auf die Künstlerlaufbahn ber
zichten müssen, wenn sich nicht« der
gute Alberti aus Zuneigung seines
Schülers angenommen hätte.
Als der Lehrer im vollen Glanze
starb, wollte Geora gerade sein erstes
Concert geben. Die Mittel fehlten
und er mußte hierher zurückkehren,
um auf eine Beschäftigung zu warten.
Seit kurzer Zeit hatte sich in dem
Hause, das dem Gasthofe gegenüber
liegt, eine fremde Familie niederge
lassen
An dein Fenster, das sie von hier
bemerken können, saiz täglich ein jun
des Mädchen bei ihrer Handarbeit.
Trotz ihres bleichen Gesichtes war
Elise schön; besonders bewunderten
Alle ihr reiche-Z goldblondes Haar,
das ihren feinen Kon schmückte.
Georg’s Leidenschaft wurde ent
facht. In einein plötzlichen Fieber
der Eingebung entströmten oft wun
derbare Melodien seiner Geige. Er
fing mit einem bekannten Satze von
Mozart oder Haydn an, aber bald
hörte man erregt und leidenschaft
liche Variationen» die sich in’s Un
endliche ergingen.
Dag, was er oem jungen cucaochen
nicht zu sagen wagte, das, was Worte
unfähig waren, auszudrücken, das
sang der Künstler auf dieser golde
nen Violine, das entströmte diesem
Instrumente wie das Bild einer
glückverheißenden Zulunfti
Und wie beantwortete Elise diese
Liebe?
Grausam, wie ein LIJiädchen ohne
Herz.
Sie spielte mit diesem Gefühle des
Künstlers, für das fie kein Verständi
niß hatte, und machte sich lustig über
ihn, wenn sie den anderen Jünglin
gen des Ortes von den musikalischen
Ergiissen Georg’s erzählte.
Unbarmherzig erweckte sie aber in
derselben Zeit durch eine falsche Ko
tetterie in dem Armen trügerische
Hoffnungen, die ihn an ein kommen
des Glück glauben ließen.
Sie spielte ihre Rolle so gut, daß
der Künstler bald glaubte, seine Liebe
werde erwidert.
Sein Erwachen war brutal. Als
Elise sah, daß er sich seines künftigen
Glückes sicher fühlte, sagte sie eines
Tages mit spöttischem Lächeln:
»Ich habe eine Ueberraschung für
Sie; ich heirathe Robert, den Kauf
mann; Sie werden uns doch zum
Tanz ausspielen, nicht wahr?«
Das, was für jeden eine grausame
Gnttäuschung gewesen wäre« war sür
«
gen Künstler ein Schmerz ohne Glei
en.
Er schien bis zum Tage der Hoch
zeit wie wahnsinnig. Nach der kirch
lichen Feier trat er mit seiner goldenen
Violine in den Saal. Ein Stück von
erschreckender Traurigkeit klang aus in
eine Hymne der Verzweiflung
Dann sloh er ins Freie und er lief
einsame Wege geschwinden Schrittes
entlang, ohne es zu bemerken, daß der
Abend anbrach und es finster wurde.
Die jungen Leute machten sich ein Ver
gnügen daraus, ihm zu folgen, und
schließlich führten sie ihn mit Gewalt
in den Ballsaal zurück.
Endlich schien er ihrem Drangen
nachzugehen, und man sah, wie er
seine Violine wieder zum Spiel an
setzte. Aber an Stelle des fröhlichen
Tanzes, den man erwartete, hörte
man den ,,Let3ten Gedanken« von We
ber erklingen, wie ein heldenhastes
und tragische-Z Schluchzent Georg
sagte seinem Talent und allen seinen
Träumen ein herzzerreißendes Adieu!
; Dann ließ er sich Branntwein brin
den; und er, der bis dahin der nüch
»ternste aller Männer gewesen war,
»er suchte in der Trunkenheit Berges-;
»sen siir seinen nicht zu ertragenden
IKurnmerl -
s Was soll ich weiter sagen-? Sie tön
tuen sich die schmerzlichen Stuer sei
Ines Niederganges denken. Der Künst
"ler wurde zum Musikanten, denn er
mußte leben! Die goldene Violine
singt nicht mehr-, und in einem Jahre,
vielleicht schon in einem halben, wird
die schreckliche Krankheit den zerriitte
ten Körper besiegt haben.
42 pl- st
Nnn tannte ich die Geschichte
Georgs.
Endlich hörte er einmal wieder auf
zu trinken· Aus großen Bogen li
niirten Papiers schrieb er mit großer
Geduld aus dem Gedächtnisz die Me
lodien nieder, die ihm einst seine Liebe
eingegeben hatte.
Dann mußte er das Bett yuren;
ruhig, wie ein Kind, kam er dem
Grade mit jedem Tage näher.
Endlich fühlte er, daß sein Ende
nahte. Er wartete, bis er einen An
genblick allein war; dann nahm er
alle feine Kraft zusammen und stieg
aus seinem Bett.
Er nahm seine Violine in seine
zitternden Hände und legte sie auf die
glühenden Kohlen des Ofens · . . .
sa- gs- s
Aks sein letztes Röcheln erstarb, zer
sprangen die Saiten der dem Feuer
überantworteten goldenen Violine
mit einem schrillen Ton; der wie ein
Schrei aus geängstigter Menschenbrust
erklang.
—--.—.-.I----·
Für den Nächsten
Ein Streckenarbeiter in New York
war von einem Zuge todtgefahren
worden nnd seine Wittwe vertlagte
die Bashngessellschaft asnf Schaden-tr
fatz. Der Hauptzengse schwor positiv,
daß die Lotomotive nicht eher das
Warnnnnssianal gab. bevor der
ganze Zug über den Arbeiter hinweg
gegangen
»Sie gestehen also zin, daß das
Warnunggsignal gegeben w:!:«S-e?«
frng der Anwalt der Bsakknaeiellsskaft
den chaen.
»O ja, acwiß.«
»Nun. wenn das Signal reditxeitig
erfolgt wäre. nm den iiberfabrexien
Streckenarbeiter en warnen, Iniisde
diese Thatfache doch günstig siir die
Badnaesellschaft sein?«
»Allerdinas.«
»Gut. Für welchen nnd-ren.s?,.verl
sollte aber der Lotomojivfiibser dis
Signal gegeben haben. nachdem der
Maan bereits überfahren lva:?«
,,Ver-mutks.lich Mr den nächst-n
Streckenarbeiter,« lautete die verblkjf
sende Antwort.
—.-—
Die lange Dienstzeit
Bei einer Truppenmusterunq in
Pommern machte es Friedrich dein
Großen Vergnügen, sich vor der
Frcnt mit einigen Soldaten zu nn
terhalten »Wie lange dicnst du
fckon2« fragcke er den treuherzig
dreinsckauenden Flügelmann der er
sten Kompagnie
,,Dreizel)n Jahre, Majestät,« lau
tete Die Antwort.
»Der Tauf-end! Wie alt bist du
dean da«?« forschte der König ver-«
wundert.
»New-Denn Jahre,« entgegnete der
wackere Pomrner.
»Kerl, du kannst doch unmöglich
schon von deinem sechsten Jahre an
gedient l)absen!« lachte der König.
»Tech, sMojesiät,« erklärte der
junge Fleiqu ,,fiins Jahre diente ich
als Gäsnseiunge, sechs Jahre als
Ochsenlnechi und dann die letzten
zwei Jahre als Soldat.«
Im Seitennerven-h
Also vierzigtausend Mark
kriegt die Dame mit? Schön! Jch
möchte sie aber vorher einmal sehen!«
»Hier ist ihre Photographie.«
»Nein —- ich meine die...vierzig
tausend Mark.«
Die Ileiichportimr.
Meisterin: »Was weinst Du denn,
Du dummer Bengel?«
Lehrling: »Ach, das Stück Fleisch,
das Sie mir gegeben haben, ist mir
in meinem hohlen Zahn stecken geblie
ben."
Eine glänzende Partie.
Zwei Jugendsreunde sisen nach lan
gen Jahren wieder im Wirthshause
beisammen und besprechen alle Vor
kommnisse während der abgelaufenen
Zeit.
»Ja, die hochnasige Käthe,« erzählt
A» »hat richtig noch einen Fürst ge
heitatfset.«
,,Donnerwetter,« ruft B. aus, »wohl
gar einen regierenden, wie?«
»Das gerade nicht,« erwidert A»
»aber von einer Seitenlinie. Er heißt
nämlich Färst und ist Schafsner bei
der Pfützenheimer Sekundärbahn!«
Die einzige Frage-.
A.: »Nun, was sagen Sie zu der
vielbesprochenen Frauenstage?«
B.: »Ach, Unsinn! Es giebt meines
Wissens nur eine einzige Frauen
srage ——«
A.: »Und die heißt-s«
B.: »Ist er noch ledig?«
Bot-haft
Freundin: »Findest Du noch immer,
daß mein Maan alt neben mir aus
sieht?«
»Jetzt nicht mehr; Du hast Dich sehr
zu seinem Vortdeil verändert!«
Elietragödir.
»Der Schulze hat doch vor einiger
Zeit eine Dame aus dem Wasser gezo
gen und sie später geheirathet.«
,,Ja—- und?«
»Gestern isi cr selbst ins Wasser ge
gangen.«
Der Unverbesierliche.
Försten ,,Brechen wir auf, Bat-o
nessc, der Himmel nmdiistert sich.«
Baronesse: «Daran sind nur Sie
schuldi«
,,Förster: ,,Wieso ich?«
Baronesse: »Weil Sie seit einer
Stunde wieder ’mal alles Blaue her-—
»untergelogen haben!«
Modern.
A. (zu B.): »Warum lassen Sie
thre Söhne nicht studiren?«
B.: »Das erschwinge ich nicht; es
Istudiren nämlich schon m e i n c
sämmtlichen Töchter!«
Meter-er Trost.
Reiche, häßliche Braut: »Ach, ich
fürchte, meinem Bräutigam ist cr
schließlich nur um mein Geld zu
thun!«
Freundin: »Nun ja; aber er muß
doch unter allen Umständen Dich auch
mit dazu nehmen!«
Schmeichelhqft.
Gattin: »Frau Meyer sagte gestern
zu mir, es müßte ein Genuß sein, mit
einem geistreichen Manne verheirathet
zu fein.«
Gatte: »Und was sagtest du dazu's«
Gattin: »Ich sagte, ich könnte das
nicht beurtheilen.«
Angel-nist.
»Meine jetzige Köchin ist bereits 58
Jahre alt!«
»Nun, da finden Sie doch wenig
stens keine Ulanen mehr in derKiiche!«
»Nein aber zwei Veteranen!«
Draftische Abhilfe
»8)Jian hört ja Ihre Frau in letzter
Zeit gar nicht mehr Klavier spielen!««
»Ich habe eine Maus in den Fliigel
gesperrt, nnd jetzt traut sie sich nicht
s«
mehr, ihn auszumachen.
Vor-weggenommen.
Gatie Czder irxn I? Uhr Morgean
nach Hause kommt. bevor sein-e Gat
tin noch den Mund zur Gar-bitten
Preidisgt össnest): »Ja, ja! Jch weiß,
ich bin ein unnützes Mitglied der Ge
sellssckast; ich mache Dir dag- Leben
zur Qual; es ist ein Elend-T daß Du
mich aselyeirathet rast — so, nun
tannst Du ruhig sck.«lafen!«
· Wandel.
»Wer ist denn der hemntergekonp
smcne Mensch d-'ort?«
»Das ist der So.,n eines Empor
köinmlings. «