Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 10, 1908, Sweiter Theil., Image 14

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Es irrt der Mensch
« , Roman von H. Coukths Mahlen
« (1l)z Fortsetzung.) s
»Hm — schZv gessgt Aber ich
will es Jhnen dennoch verrathenf
Sie legte ihre rosigen Fingerspitzen(
leicht gegeneinander und sah ihn mit:
schelmischem Lächeln ins Gesicht !
,Schuuen Sie einmal die beiden dort
an der Thüt an! Ein schönes Paar
—- nicht wahr?«
Rasse Augen leuchteten drohend in
die ihren, aber der Hieb saß Sie
merkte es voll Genugthuung, daß er I
betroffen war s
»Nun, Sie sagen gar nichts dazu?
Es wäre Jhnen natürlich äußerst nn
angenehen, diese Perle einer Gesell
schafterin einzubüßem aber ich fürchte,
Sie werden sich dereinfinden müssen.
Jch für meinen Theil gehe schon ernst
haft mit dem Gedanken um, die Stall
meisterwobnung in den linken Schloß
slügerv zu verlegen. Für eine Familie «
ist die jetzige zu klein« s
Er biß die Zähne zusammen und .
holte tief Athenn Dann sagte » er
leichthin: »Sie gefallen sich noch im- I
mer darin, Frau Wertentin anzugreiks «
feu, wo Sie können. Sie sollten wis
sen, daß das keinen Zweck hat«
»Aber ich bitte sehr, here v. Tor
nau. Jch würde mich sogar sehr
freuen, wenn die junge Frau ein neues
Glück fände und würde alles aushie
ten, ihr den Aufenthalt in Berlow
angenehm zu machen. Sie verkennen
meine Absicht vollständig. Machen
Sie sich doch nicht lächerlich, lieber
Tor-lau Glauben Sie, ich würde
eine solche Anspielung gewagt haben.
wenn ich nicht berechtigte Gründe sür
die Annahme hätte, daß zwischen den
beiden dort drüben in der That ein
kleiner Roman spielt? Sehen Sie
nur, wie er sie mit den Blicken ver
sengt«
»Ich bitte Sie, daß Sie in diesem .
Tone nicht von der Dame weiterreden.
Sie steht unter meinem Schutz.«
Sie lachte ihm ins Gesicht. »Auch
gut —- Sie wollen blind fein, fo bleis
den Sie ez.«
»Ich muß verlangen, daß Sie Jhre «
Bemerkung begrjinden.«
Sie wiegte lächelnd den Kopf hin
und her. »Ich habe jetzt teine Lust
mehr. Jhnen die Augen zu öffnen.
Vielleicht —- ich sage ausdrücklich viel- «
leicht —- hade ich später einmal Luft,
Sie noch weiter aufzuklären. Heute«
nicht. Fragen Sie doch Frau Wer
tentin selbst, ob sie nicht Beziehungen
zu herrn v. Trachin hat, von denen
hier kein Mensch etwas wissen soll!
Bei ihrer vielgeriihmten Wahrheit-Z
liebe wird Sie Jhnen die Antwort
nicht schuldig bleiben.«
Er blieb stumm auf ihre Worte.
aber in feinen Augen lag ein Aus-.
druck .fchmerzvoller Qual und Unruhe. :
Melanie hatte ihre Worte gut berech
net. All die felige Dafeinsfreude, die
er in der letzten Zeit besessen, war ver- ·
nistet und der alte finftere Zweifel,
das alte Mißtrauen wachten in ihm
auf. Er empfand klar und deutlich,
daß Melaniens Worten etwas Greif
bares zu Grunde lag, etwas, das fei- ;
ner Liebe Gefahr brachte. Hatte erj
denn ein Recht. an Renates Gegenliebe
glauben? —— Nein. — Wenn cin
cheuer Blick, ein Erröthen, ein Zit
tern oder ein verlegenes Lächeln nicht E
Zeichen der Liebe sind, ein anderes
Recht hatte sie ihm nie gegeben.
E: sah scharf zu ihr hinüber Sie «
war vom Sonnenlicht umflossen und
sah trotz ihrer ernsten Miene holdfelig
und berückend aus. Die Augen des
Siallrneifieri hingen wie gebannt an
ihrem Gesicht und zuweilen fah ihn
sent-te eigenthiimlich ernst und trau- j
tig m Sie sprachen nicht« die hei- -
den, eher konnte dies Schweigen nicht
beredter fein als tausend Worte?
Er hielt es nicht mehr aus. Mit
jähem Ruck stand er auf und schritt
II den beiden hinüber. Melanie
schickte ein boghastes Lächeln hinter
ihm her. Sie war zufrieden mit sich.
Schlau hatte sie das wenige, was sie
wußte, benützt. Sie kannte Nvls gut
genug, um zu wissen, daß er zu stolz
war, Renate zu fragen. Und wenn er «
wirklich fragte, dann war es auch gut, «
dann war es an Renate, ihm zu ant
werten.
·Jn diesem Augenblick rief der
Hausberr zu Tisch. Erleichtert oth
mete Renate aus.
Das Mittagessen verlies scheinbar
in heiterster Laune. Der Hausherr
sorgte in seiner heiteren Art siir die
Unterhaltung seiner Gäste und machte
den Damen abwechselnd den Hos.
Melanie unterstützte ihn aufs beste.
Sie war in glänzender Laune und
spriihtc vor Lebensluft und Vergnü
« gen. Iiir Reis steilich war es eine
— E« Marter, mit seinen schmerzlichen Ge
danken an· der Unterhaltung theilneh
neen zu milssen Er war steh, als
Isa- Iu Ende war nud er mit seinen
Mit heimsahren konnte. —
In diesem Tage an war et ver
hint nnd reizt-an Er besesnete
sRenate ost mit sorschendern Blick, und
sder Ton, den er zuweilen gegen sie an
schlag, war hart und unfreundlich
Sie war außer sich vor Unruhe über
lsein verändertes Wesen, und ihre pein
Iliche Lage quälte sie doppelt. Seine
trauhe Art that ihr doppelt weh, da sie
»durch seine Güte verwöhnt war.
Auch seine Mutter beobachtete ihn
voll corge Was war mit ihm? Hatte
ier Ursache, sein Glück für bedroht zu
halten?
s Sie beobachtete Renate heimlich und
sing ost ängstliche tummervolle Blicke
aus die aus ihren Augen Rols ver
stohle n folgten. Diese Blicke rührten
die akte Frau, und Tit hätte ihrem
Sohn gern ins Gewissen geredet.
Aber sie kannte ihn zu genau. Wenn
zer die tiese, senkrechte Falte zwischen
den Augen hatte, bu:ste Man ihm
nicht kommen. Sie ließ ihn daher ru
Jhig gewahren Verliebte sind wun
derlich — er wiirde sich schon selbst
wiederfinden.
So gingen die Tage dahin. Es
wurde herbstlicher in der Natur. Das
Laub fiel von den Bäumen und der
Wind peitschte es zu Hausen zusam
men. Dazwischen tamen noch son
nige warme Tage mit dichtern Früh
nebel, den die Sonne jedoch bald hin
wegsagt. .
Rolf hatte jetzt weniger zu thun
und trar viel in Gesellschaft der Da
men. Was Renate aber sonst beri
liche Freude bereitet hätte schasste ihr
jekt Kummer und Pein. Rolf wurde
von Tag zu Tag schrofser und wun
derlicher. Manchmal trat er ganz un
vermuthet zu ihr und sah sie an, als
wollte er sie etwas fragen, aber dann
wandte er sich doch wieder turz ab und
schwieg
Eines Vormittags stand sie auf der
Veranda und sah gedankenverlaren
nach dem Bart hinüber. Sie ahnte
nicht, daß Noli sie von seinem Zim
mer aus beobachtete. Der ausma
schende Wind zerzauste ihr das Haar,
abersiebötte nur wie im Traum das
Sausen des Windes, wie er durch die
kahlen Aeste strich. Sie sah, wie in
einer Vision, eine hohe, schlanke Män
nergesialt, wie sie mit gütigem Lächeln
sich zu ihr niederneigte, und breitete in
unklarer, unbewußter Sehnsucht die
Arme nach dieser Erscheinung aus.
Jn diesem Augenblick tauchten zwi
schen den Bäumen Melanie o. Berlow
und Trachwiß auf.
Rolf stöhnte wie ein verwundetes
Thier. Er glaubte, Renate habe nach
Trachwitz die Arme so sehnsuchtsvoll
ausgestreckt Er bemerkte nicht mehr,
wie sie schnell ins Haus zurücktrat.
Es war ihm unmöglich« sich jetzt
vor seinen Gästen zu zeigen. Er schloß
sich in sein Zimmer ein« und blieb,
das Gesicht in den Händen dergraben,
sitzen
Melanie war mit Trachwiß ins
Wohnzjmmer getreten. Sie fanden
Renate allein.
«Sind die Herrschaften nicht zu
Hause?«
»Doch, «Frau Baronin. Frau v.
Tornau bestimmt. Oh der herr an
wesend ist« weiß ich nicht. Jch werde
Frau v. Tornau sofort benachrsichti
gen, sie ist in der Küche-"
»Lassen Sie nur, ich danke Ihnen,
ich werde Frau v. Tornau selbst in
der Küche aufsuchen.—-—Herr v. Trach
wiß, Sie unterhalten inzwischen wohl
Frau Wertentin ein wenig. Jch bin
gleich zurück.« »
; Sie ging hinaus, konnte es jedoch
nicht unterlassen,ihr Ohr draußen der
Thür zu nähern. Und sie hatte Glück.
Sie vernahm ganz deutlich, wie
iTracht-riß in seiner scharfen Aus
sprache leise sagte: »Ich muß dich
dringend sprechen, Renatr. Morgen
Nachmittag um drei Uhr am Weiher.«
«Jch werde tornmen,« antwortete
Rethr.
Melanie buschte davon mit trium
phirendem Lächeln. »Endlich!'« dachte
sie. »Ein Rendezvous am Weiber, da
müssen wir dabei fein —- Rolf Tor
»nau und ich-«
» Sie trai dann mit strahlendeni
Lächeln in die Küche und begrüßte
;Frau v. Tornau lebhaft
l »Nicht stören lassen, liebste gnädige
Frau! Jch komme nur im Vorüber
reiten, um guten Tag zu sagen. Jbr
iHerr Sohn ist leider unsichtbar. Und
nun gebe ich gleich wieder, ich will
nicht stören denn Mamsell Birlner
,rnacht schon ein böses Gesichi.« «
L »Aber nein, gnädigste Frau Baro
!nin, das ist nun ganz gewiß nicht
wahr. Wie würde ich mich unterste
«ben, Ihnen ein bös Gesicht in zeigen!
Das traue ich mir wahrhaftig nicht«
Z Die schäne Frau lachte der Eifri
gen lentfelig zu, und Frau v. Tornau
saate ruhig: »Das war ja nur ein
Scherz. Manier. Die Frau Baro
nin glaubt das sicherlich nicht von Ih
M.«
Sie geleitete Meianie bis in den
has nnd kehrte erst mit Renate in die
W
Küche zuriich als die beiden wirket
weggeritten waren.
Melante aber sagte auf dem
heimweg neckend zu Trachwih:
»Wissen Sie, was ich glaube, herr
d. Trachwitz:«
»Leider nicht. Wollen Sie ei
mir verrathen, gnädigste Gebie
terin.«
»Ich glaube, Sie sind im Begriff,
in ein tiefes Wasser zu stiirzen.'«
Er horchte auf und begriff sofort,
was sie damit sagen wollte. War
es Eifersucht, die aus ihr sprach?
Er wußte nicht, wie er mit Melunie
daran war, und es interessirte ihn
auch gar nicht mehr so brennend.
Seine Gedanken beschäftigten sich
nur noch mit Renatr. Er war so
weit, um ihren Wiederbesiy alle an
deren Projekte aufzugeben. Wie
ein Sehn des Schicksals war ei, daß
sein Herz in unbezwinglicher Liebe
zu seiner eigenen Frau entbrannt
war —- jeht, da ihr an dieser Liebe
nichts mehr gelegen war. —
«Warum glauben Sie das«.
fragte er, scheinbar ohne es zu be
greifen.
«Verstellen Sie sich doch nicht,
Trachwitz!« Sie wissen so gut wie
ich, wen ich mit dem stillen Wasser
meine."
»Frau Baronin —
»Es ist gut — mich täuschen Sie
nicht. Aber ich tandoliere von her
zeu. Mein kleiner Finger sagt knir»
daß trir nächstens auf der Dochzeit
in Tornuu tanzen, und die schönes
wird Renate heißen.« s
Trachin gab ptöulich seinems
Pferd die Sporen, daß es sich hochj
ausbäumtr. Sein Gesicht sah blaß;
und schlaff aus« und in seinen Awl
I
1
gen brannte ein unstetes Feuer
»Das werde ich zu verhindern wis
sen«·. rief er. unbesonnen alle Bor
sicht vergessend.
Sie griff ihm in die Zügel.
Können Sie das wirklich. Trachk
wi?«
Er kam zu sich und suchte sich zu
fassen. »Natürlich nicht — verzeii
hen Sie, ich war nicht recht beil
Sinnen. Es ist Thorheit, was ich
eben sagte.«
Sie sah ihn seit an. »Trachwitz
—- ein offenes Wort. Ich weiß. Sie
haben zu Frau Werkentin Bezie
hungen und weiß auch, daß Sie
diese Frau lieben. Run hören Sie
krnich ruhig an. Schafer Sie mir
idie Möglichkeit, Rto o. Tornau von
ihr zu trennen, dann können Sie
von rnir verlangen, was Sie wol
len. Mir ist kein Preis zu hoch —
Persiehen Sie mich?"
Seine Augen weiteien sich. Da
lag eine Möglichkeit siir ihn, sein
sLehen noch einmal auszubauen.
INoch war Renate sein Weil-, und
wenn er ihr eine sichere Existenz
bieten konnte, und sie wieder zu ihm
kkgnn dann würde es ihm auch ge
Ilingem ihre Liebe wieder zu errin
gen· Er verstand mit einem Male,
daß Melanie in Renate die Neben
buhlerin um Tornaus Liebe sah.
Daher der Daß aus seine Frau. Sie
wiirde ihm sein Geheimnis mit
Gold auswiegen, das war sicher, er
brauchte nur zu wollen, so erhielt
er, was er brauchte, und trennie
zugleich Tornau von Renatr. Wie
eine Faia Morgana stieg es vor sei
nem geistigen Auge aus. Wirt kratz
ten die Gedanken sein Dirn, er fühlte,
er mußte erst Ruhe haben, klar Hi den
ten, mußte ersi mit Renate sprechen.
um einen Entschluß sassen zu können
Morgen sollte sich alles entscheiden
morgen schon.
Melanie hatte ihn scharf beobach
tet. »Nun, Tuchin —- entschlie-(
ßen Sie sich.«
«Laisen Sie mir Zeit — bis mor- .
gen Abend nur« dann will ich Ihnen!
antworten. Jetzt tann ich nicht-« ;
Sie überlegte. Wenn er heute
noch nicht sprach, traf sich das gan
gut. Morgen würde sie ein Mitte
finden, mii Tornau die Unten-e
dung zwischen Tuchin und Re-«
note- zu belauschen. Brachie sie das
nicht zurn Ziel, blieb ihr immer
noch seine Aussage als letzter
«Trnmps.
i »Nun gut, Trachwitz«, erklärte
sie, »ich werde warten· Eines will
ich anen nur noch fagent ich tverde
auch ohne Jhre Hilfe zum Ziel
kommen. Aber wenn Sie mir hel
fen wollen, werde ich nicht undank
bar fein. Jch will Jhre Zukunft
sicherftellen, wenn Sie mit Renate
Werkentin einen fernen Ort aufsu
chen wollen —- das ift meine Bedin
gung. Die Frau stört meine
Kreise. Haben Sie die Macht, sie
von hier zu entfernen ««
Er blickte ftarr vor sich hin. »Ich
kann anen auch darauf heute keine
Antwort geben. Morgen Abend
aber sollen Sie alles wissen —- so
oder fo.«'
Damit mußte sie sich zufrieden ge
ben. Schweigend titten sie neben
einander her, bis sie nach hause ta
men
Mechnnisch stieg Trachin vom
Pferde, bob Melanie herunter und
gab einem Stallknecht Auftrag, die
Thiere zu versorgen.
Dann verbeugte er sich fiunnn vor
Melanie nnd fchriit feiner Wohnung
zu.
—
Melanie ließ sich von ihrer Jungfer
in ein weißes, weiches Gewand hül
len. Sie sriistelte ein wenig und sah
mißmuthig durchs Fenster-.
Dann warf sie sich aus einen Di
wan und starrte sinnend zur Decke
empor. Sie überlegte, wie sie am
besten ihr Ziel erreichen konnte.
Eines war ihr schon gewiß: sie
würde morgen Abend spätestens
Rols v. Tornan überzeugt haben,
daß Renate Wertentin entweder fiir
ihn verloren oder seiner unwiirdig
war. Sie kannte seinen starren
Sinn —- er würde, selbst swenn er
Nenate liebte, sie aufgeben, wenn
jnur der leiseste Makel aus ihr
ruhte, und so viel war gewiß,
Trachwitz und Renate hatten eine
gemeinsame Vergangenheit, die das
Licht scheute, sonst hätten sie sich
inicht so sonderbar benommen.
Sie lies irn Zimmer bin und ber.
Jhr Blut wallte stürmisch zum
fis-regen wenn sie dran dachte, daß
sibre Zeit nun gekommen war. Tor
nau mußte, von ihrer Liebe be
izwungem nun endlich zn ihr zu
rücktehren2
Sie trat vor den Spiegel und
mustertesich scharf von allen Sei
Iien. Noch war sie schön, noch zeigte
sich kein Fältchen in der weißen·
sammtweichen Haut, und die Augen
hatten Jugendglanz und Feuer-.
Er mußte erliegen, wenn die Ne
benbublerin unschädlich gemacht
war, nnd dann —- ein GesiibL das
mehr dem Haß als der Liebe aiich
durchdrang mit zitternder Leiden
schaft ihr ganzes Wesen ——« dann
nimm dich in acht, Rolf v. Tornau,
dann entfchädige ich mich iiir alle
Qual, die ich um dich erduldet!
s T v
Ren-sie hatte eine unruhige Nacht
gehabt: Rolf war am Abend vorher
so finster und worttarg gewesen
und hatte ihren Gutenachtgrusz mit
einem so forschenden Blick erwidert,
daß sie die Erinnerung daran nicht
loswerden konnte. s
Was war nur mit ihm? Wo war
der hinreißende Frohsinn der letzten
Zeit geblieben, was für finstere Ge
danken hatten ihn fortgewischt? Ver
schwunden war das glückliche Leuchten
seiner Augen, der warme. zum herzen
dringende Ton feiner Stimme. Sein
froher Sinn hatte sie —- taum wußte
sie selbft warum -—- so glücklich ge
macht, nnd nun traf sie sein verän
dertes Wesen wie ein herber
Schmerz. Er litt —- und sie litt mit
ihm, und der heiße Wunsch. ihm hel
fen zu können. füllte ihre Seele. —
Jn zitternder Erregung saß si
ihm am Morgen am Frühstüasiisch
gegenüber und bediente ihn mit be
bend-n Händen· .
Frau v. Tornau blickte von einem
zum anderen. Was trieben nur die
thörichten Kinder? Sah denn ihr
großer dummer Bub nicht, daß das
arme Ding nor herzenssorge kaum
aß und traan Warum nahm er sie .
nicht kurz und bündig in seine Arme
und sagte ihr, was fiir Grillen er mit
sich hetumlchleppte!
Eben schobsiolf unmuthig Neua
tes Hand zurück, die ihm eine frische
Tasse füllen wollte, und nach einem
Blick in ihr bestürztes Gesicht erhob
er sich. wiithend auf sich selbst, und
lief hinauf-.
Ein paar große Thriinen rannen
iiber die Wangen der jungen Frau,
und obwohl sie dieselben schnell und
verstohlen sortwischte, hatte sie Roka
Mutter doch bemertt.
»Kind, machen Sie doch nicht ein
so ängstlicheä Gesicht. weil mein
Sohn schlechter Laune ist! Das ist
nicht so schlimm, als es aussieht«,
sagte sie beruhigend.
Renate faßte nach ihrer Dono.
»Liebe gnädiqe Frau, ich fürchte, ich
habe ihm, ohne es zu wissen, Grund
zum Aerger gegeben«
»Dann wird er bald merken, daß
er leine Veranlassung dazu hat. Las
sen Sie ihn nur ruhig gehen und ma
chen Sie nicht auch noch ein so trübes
Gesicht. Männer sind zuweilen ein
sonderbarei Volk. Wenn er es gar zu
bunt treibt, werde ich ihn dornehmen.«
»O, bitte nicht. Er leidet gewiß
unter irgend einer Unannehrnlich
teit. Ohne Veranlassung ist er
sicherlich nicht so böse. Er ist doch
sonst so gut!«
Die alte Dame streicheite ihr die
Wangen. »Ja, Kind, gut ist er ge
wiß —- vergessen Sie das nicht. wenn
es auch einmal anders aussieht. —
So, und nun wollen wir an unsere
Arbeit gehen und ein fröhliches Ge
sicht machen. Wenn er noch lange so
brummig ist, lachen wir ihn« einfach
auB.« — .
Als Noli über den Hof ging. tam
ein Bote von Berlow und übergab
ihm einen Brief mit dem Bemerken.
daß er aus Antwort warten solle.
Tornau öffnete das Schreiben mit
finsterer Miene und las: «Lieber
Derr v. Tornau. —- Es war nicht
recht von mir, Ihnen neulich nur eine
halbe Eröffnung gemacht zu haben.
Ich hätte ganz ossen zu Ihnen sein
müssen —- «.ali alte Freundin. Jch
weiß. daß Jhr Interesse an Frau
Wertentin groß genug ist, um Sie
wiinschen zu lassen, in dieser Angele
· nheit klar zu sehen. Kommen Sie
te Nachmittag nach drei Uhr an
glange vor sich hin.
Fnau als Ruheplatz benüst
Dort sollen »Sie allei«
erfabren. oBitte aber Jbr Vorhaben
den Weiber.
Meine
V.
geheim zu halten, ich babe
Gründe dafür. Jbr Melanie
Bertotp.«
Rolf saltete das Schreiben zusam
men und sagte: NBitte bestellen Sie
der Frau Baronin, daß ich kommen
würde.«
Der Bote entfernte sich, und Rolf
ging ins Haus zurück.
In seinem Zimmer griibelte er
Sv wie jetzt
konnte es nicht weiter geben, das sah
er ein« «Lieber die boffnungsloie
Gewißheit, als dieser entnervende
Zweifel. Er mußte wissen, wie es
um Trachwiy und Renate stand —
um jeden Preis
Melanie war zu Fuß nach dem
Weiber gegangen. um niemand zu
verrathen, was sie vorbatte.
Sie erreichte den Platz viel zu
zeitig. Um sich unbemerkt ein Ver
steck aussuchen zu können, hatte sie
es so eingerichtet.
Sie sah sich suchend auf dem Plage
um und überlegte, wo sie sich am
besten verbergen konnte. Sie mußte
einen Platz wählen, der ihr gestat
tete, zugleich den Weg von Berlow
und den von Tornau im Auge be
halten zu können.
Da, wo diese beiden Wege zufam
mentrafen, stand ein tleiner Papil
lon, der zuweilen von Frau v. Tor
wurde,
user-n sie im Walde spazieren gegan
sgen war.
Jm Winter wurden darin-- die
Bönte und Gartenmöbel aufbe
wahrt- Sie waren bereits fiir dieses
Jahr untergebracht, und Melanie
;beschloß, sich im Vanillon hinter deri
aufgeichichteten Möbelbarritade zuT
verbergen. Durch die Lücken ar
wann sie einen freien Blick über dies
Wege und zugleich blieb sie ielbsij
verborgen, auch wenn die beidenj
direkt in den Padillon treten wür
Wenn dann Totnau kam, brauchte
er nur die beiden zusammen zu ieben
das genügte. Was sie bespra
chen, würde sie selbst Wort iiir Wort
hören können. die Luft war klar und
still isnd die Fenster waren offen.
(Fortseyung folgt.)
den. !
i
l
Dsi sauft-en der Rissen-Fälle
ver-stimmen
Seitdem der Industrialismus die
grwaltigen Wasserinaffen desNiagarw
stromeg in seinen Dienst gepreßt,
schreibt.der »Buifalo Vollvfreund«,
wurde wiederholt vie Befürchtung aus
gesprochen, daß has großartigherrs
liche Naturschausviel der Fälle eines
Tages dem modernen Moloch vollends
zum Opfer fallen werde. Die vo -
stehende Uebersthrift will aber iei
wegs besagen, daß das « Schicksal ver
Fälle sich bereits erfüllt und sie jetzt
aufgehört haben zu rauschen, ev han
delt sich vielmehr um ein Phänomen,
tas vor langen Jahren einmal einge ·
treten ist und damals unter ven Beii
wohnern der Fälleftavt eine ungeheure I
Aufregung hervorgeruer hat (
Jn einer alten Schrift finden wir
darüber einiae Aufeeichnungen und
das Ereigniß ist interessant genug, um
wieder r« me Urinnerung gerufen zu
werden:
Jm Bvrfriihling des Jahres 1848
irat plötzlich ein seltsames und stau
nenertegendes Naturereignisz ein. Es
vesiand in nichts Geringerem als sn
vem gänzlichen Auftrocknen der Niasi
gara-Falle. Zum ersten Male seit
Menschengedenlen verstummte das
Rauschen des größten aller Wasser
fälle Ananias
Berm Morgengrauen des :-1. Marz
des genannten Jahres wurde die Be
vdllerung in der Umgebung der Fälle
durch eine ungewohnte Stille aufge
weckt. die infolge ihres blöhlichen Ein
tritto und ibrer Vollständigkeit ebenso
aufregend wirlte, als die gewaltigste
Explosion. Manche tleideten sich rasch
an und eilten hinaus. Ein Gesiibl,
daß etwas Schreckliches sich ereignet
babe oder im Werden begriffen lei, be
herrschte sie. Manche vermutheten ge
radezu, das Wettenoe tec angevrochen.
andere glaubten, sie seien vlöslich taub
geworden, wieder andere vermuthe
ten den Vorboten eines surchtbaren
Sturmes-. Aus allen lastete ein Ge
siibl banger Ahnung und Furcht.
Man entdeckte jedoch bald die Ur
sache dieses allgemeinen Schreckens
im Aufhören des Getöses der Fälle.
Als es vollends Tag geworden, bot
sich der versammelten Menge ein nie
geschauter Anblick. Vor ihren Augen
lag der Abgrund, iiber den noch vor
Kurz-. .. Tau-senkte von Tonnen Wal
serö sich ergo en hatten, nackt und ent
blößt. iNur hier und dort sickerten
schmale Wolserbächlein über die lich
austbiirmende Felswand hinab. Und
oo den Fällen beobachtete man statt
des schäumenden und rauschenden
Stromes nur einen entleerten Wasser
laus, der von schwarzen FUde n
starrte. Das Strombett war that ach
lich von einem Ufer bit zum anderen
leer, mit Ausnahme einiger weniger
Wasseradern, die gleich Alpenbiichlein
dem Rande des Abgrundes zueilten.
Die erstauntensuschauer trauten lautn
ihren eigenen Augen.
Manche bemerlenstvertbe Unterneh
mungen wurden an dem Tage ausge
«siil7rt. Leute gingen von der laue-di
W
schen Seite längs des schauerlichen
Avgtundes bis Goat Island, ohne ei
nen Fuß zu benehen.
Einige machten sich an die Erfor
schung des Stromdettes oberhalb der
Fälle und fanden eine Anzahl alter
Flintenliiuse, die Jäger vor langen
Jahren verloren haben mochten, und
die auch, nachdem die holzschäste he
reitJ adgesault waren, von der Gewalt
des Wassers stro mal-warte getrieben
wurden Jcn Felsen fand man Höh
len und seltsame Formotionen, von de
nen man früher teine Ahnung gehabt
hatte
Den ganzen Tag blieben die Nio
gara-Fälle trocken. -Manche, die bis
spät in die Nacht eine Aenderung ah
trarteten, mußten sich schließlich, ohne
kZeuge derselben gewesen zu sein, zur
Ruhe begeben. Ader in der Morgen
friihe des ersten Aprils hörte man wie
dermet den gewohnten Donner des ge
waltigen Kataraltes und jedermann
wußte, daß das seltsamer Weise aus
getrocknete Flußbett seine Wasser wie
der über die Fälle ergieße.
Die aussallende Naturerscheinung
erklärte sich bald aus sehr einfache,-na
ltiirliche Weise Der Winter von 1847
aus 1848 war äußerst streng. Nie zu
vor hatte man Eis von solcher Dicke
gesehen, wie es sich damals aus dem
Eriesee bildete. Als das Eis gegen
Ende März brach, wehte ein heftiger
w»..7,.»re...;»--k reizt-- .)--se. H, ans-,
selde r und thiirmte die Stücke zulieb
lieu «- ..« r«,... -.« . ...... »e
3.0 März schlug der Wind plöhlich in
die entgegengesetzte Richtung um und
wach-S ««- eine-» »ew«1lei»»· com-»
an. «Dieser trieb ausgethrmtes Eis
llill soeHu chtUuii law-»e- Ullv ..l
das Strombett hinein, das; sich ein
hoher und leinahe nndurchdringlicher
Damm bildete. Während eines gan
zen Tages blieb die Quelle des Stro
mes verschlossen Am Morgen des
Bl. war der Strom sattisch aufgetroct
net und so fin 24 Stunden der Don
ner der Ungarn-Fälle zum Schweigen
gebracht. Doch am frühen Morgen
des l. April wich der Ciswall unter
gewaltigem Drucke von oben und die
Wasiernmssen nahmen trieder ihren
gewohnten Lauf.
Dek Ward und die Werber-eh
Die Lederinduftrie in ihr-n Revie
hunaen Zur Ausnuhung der Waldun
gen ist Gegenstand eines Berichtee des
wundes : xyotsiouteum der idcren der
Presse übergeben worden ist. Demsel
ben ist zunächst zu entnehmen, dass die
Ver. Staaten mehr als ein Viertel des
gesammtenLederbedarss der Welt lie
iern. In teineni anrcren Lande wird
halb so viel produzirt Sechslkuns
dertiindfiedzehn wertereien sind in der
Fabrikation beschäftigt Das Raimu
icrial besteht aus 108 Millionen
Häuten nndzellem Ein großer Theil
davon tomint aus Argentinieii. Diese
iinaebesire Menne, die mit 250 Mil
lionen-Doktors bewerthet wird, zu ger
den, waren iin letzten Jahre einund
einoiertel Millionen Cords Rinde ini
WertlJe von nahezu 13 Mill. Dol
lar5, und iiir sy,·00,0v0 wer-mon
Ertratt ersorderlich. .
Ueber zwei Drittel der gebrauch
ten Bauinrinde kommt von Dennoch
iiber ein Viertel von Eichen; Ansta
nien und andere Hölzer liefern den
Rest. Die Gerberei - Industrie ist
til-er die ganzen Ver. Staaten ausge
breitet, hauptsächlich aber in Penn
sylvania, New York, Michigan und
Wisconsin daheim. JnPennsylvania
allein wurden über 900 Milliixnen
Niiind Rinde und tiir R Millionen
Crit-alt 37 Proz. des Gesammtme
te5. verbraucht. Wankend Der ietzien
sechs Jahre ist di-: Menge der ver
braiictiten Rinde siw siinisebn Mars-it
zurückgegangen deiWerth aber gestie
gen. sit-er Verbrauch von miratt
stieg von 67«000 aus 606,000 Fuß.
Rinde brachte tin le te- Jahre den
Iniedrtgsten Preis in etv Hampshire,
lden höchsten in Oregon, der Durch
s schnitt-preis betrug 89.30. Der Preis
des Gerbstoss - Extratts ist seht det
tcktickzm E.s sichs-i sich zisch dem-ita
r(uur, aus Dem et yet-gestellt M· Die
Rinde der Kastanie lChesinuU wird
zur Herstellung des Extrattes mehr
als die irgend einer anderen Baum
art oerwendei. Aus Lan da wird et
was Hemmt-Rinde eingeführt und
aus Westindien und Asrita die vom
Mangelbauin. Von Quebracha wurde
dem Gewicht nach viermal so viel Rin
de als Ertralt eingeführt; der Preis
ist ungefähr der gleiche. Wegen sei
nes außerordentlichen Tanningehalti
ist derselbe sehr gesucht. hemlock aus
den westlichen Staaten wurde sriiher
nicht verwendet, ist erst neuerdings in
Ausnahme getommen,, da das Mate
rial allgemein tnapper wird.
Der Verbrauch von GerbstosfsExs
iratt wird sür Wisconsin wie solgt
489, Chestnut 2950, Quebracha U.
angegeben: Eichen 685 Fuß, hemloct
491, Palmette 929, von allen übrigen
Arten 277 Fuß. Jrn Verbrauch von
Eichen-Ertrakt sieht Kentucky obenan,
danach tommen Ohio, Massachusetts,
New-Jersey und Pennsylvania. Der
Verbrauch von Exiratt nimmt mit je
dem Fahre zu, im le ten Jahre war er
um weidrittel grö er als der von
Rinde. Quebracho - Exirati ist erst
neuerdings eingeführt worden« .-aber
großartig in Ausnahme gekommen
Pennsylvania verbraucht die hälste
der Einfuhr, danach kommen New
Art Massachusetts, New Jersey und
isconsim