Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 10, 1908, Sweiter Theil., Image 13

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    Lebendig im Sarga
Dumoresle von Joses Wichner.
Es gibt nach einem nicht besonders
geistreichen Wortspiele Enten, die sehr
gerne Bier trinken: das sind nämlich
die Stab-Enten. So einer war auch
der Studiosuö Martin Sehn-acumin
get, auch lurzweg »Faß« genannt, der
sich zwar noch keinen lucketen Heller
verdiente, aber doch alles, was sich
seine Leute zu Hause vom Munde und
an den Kleidern und am bescheidensten
Vergnügen absparten, verdünnte, das
heißt: in Bier ausgehen ließ, der sich
weit mehr liter- als literaturtundig
erwies, und dem, obschon er bald zwei
Jahr die Rechte studirte, aus dem Ge
setzbuche nur der Paragraph 11 be
lannt war, der da lurz und bündig
lautet: Es wird fortgesossenl
Wie denn aber der liebe Gott in
seiner unbeschränkten Güte alle Dinge
zum besten lenlen lann. so geschah es,
daß den Studiosus Faß einmal ein
Mordsrausch nüchtern machte und
daß er, was bei einem Studenten
schon was heißen will, einmal wirk
lich genug belam, so zwar, daß er sich
vom Liter zum Maß belehrte oder
mäßig wurde und sogar ernstlich zu
studiren anbub. l
Das ging fo zu: Eines Morgean
früh, da alle vernünftigen Leute be
reits sechs Stunden gesunden Schla
fes hinter sich hatten, da trug unser
Martin auf feinen Schultern einen fo
gewichtigen Affen heimzu, daß seine
Füße gegen eine solche Ueberbiirdung
durch allerlei Wintelziige lebhaft pro
teftirtm Dessenungeachtet gelang es
dem viel erfahrenen Odhfseuö, zwi
fchen den schwankenden Höusern und
wackeinden Laternen gliicklich hin
durchzusteuerm seine Wohnung zu
finden und sogar mit dein eisernen
»hausmeifter« nach heißem Bemühen
das tanzende Schlüsselloch des Thores
zu erwifchen.
Aber geradezu eine Kunft war es,
über die tnarrende Wendeltreppe in
den ersten Stock zu gelangen, zumal
die verrückte Treppe sich in tiihnem
Schwunge nach links wand, Studio
sub Faß aber sich mit einer Beharr
lichkeit, die einer besseren Sache wür
dig gewesen wäre, nach rechts drehte
und durch die Mauer marschiren
wollte. Da prallte er denn mit- dem
Kopfe an das gefühllose Gestein, bis
es Funken gab und in seinem Hirnta
fiel doch etwas heller wurde. Es däm
merte ihm: da die Mauer nun einmal
durchaus nicht nachgebe, so könne er
den Gefcheiteren spielen, und so wand
te er sich mit schlauem Lächeln, als
gelte es, die Treppe zu überlisten, nun
auch zur Linien, tappte sich aufwärts
und in sein Zimmer, fand endlich auch
sein Bett und —- setzte sich mit schwe
rem Falle daneben auf den Fußboden.
»Satridibir,« brummte er, ,,ist das
Teufelsbett heut einmal hart! Aber
ma . . . ma . . . macht nir... ein
gu...gu...guterGe...hup,
Ge...briiu, ift ein gu ...gu...
tes R . . . uhetifsen. Jch will mal
gegen die Wa...wa...wand trie
chen, daß ich ni . . . nicht rausfall’!«
Und er kroch, ohne sich zu entklei
den, gegen die Wand und gelangte so
richtig unters Bett und schnarchte im
nächsten Augenblicke wie eine alte un
geschmierte Bretterfiige, die sich durch
Eichentnorren hindurchbeißen muß.
Wie lange er so gelegen sein mochte,
das wußte nur die Wandnhr. Als das
Faß unterö Bett rollte, hatte der lleine
Zeiger vorwurfsvoll aus die dritte
Morgensiunde gewiesen, und als Bru
der Liederlich sich endlich regte und die
Augen aufschlug, richteten sich beide
Zeiger gleich entsetzten Armen nun
schon zum zweiten Male gegen die
Zimmer-decke; es sei doch entsetzlich und
nahezu Selbstmord, gleich einen Tag
und Zwei Nächte hindurch zu lumpen
und dann mehr denn zwanzig Stun
den Ln bleiernem Schlaf zu liegen . .·
so ein Leben halte selbst ein Riese auf
die Dauer nicht auf-!
Da war es denn tein Wunder, daß
: Herr Faß, obschon er sich die verguol
lenen Augen kräftig rieb, nicht einmal
die eigenen Hände sehen lonnte, denn
um Mitternacht ists unter einem Bette
gemeiniglich noch dunkler als gewöhn
lich.
Also drehte er sich auf die Seite und
duselte noch ein Stündchen. Er fühlte
sich irbrigens recht elend: der Kon
brummte wie eine wüthend gewordene
Baßgeige, der Magen schien mit im
Samum aufgewirbeliem, glühendem
Sande gestillt, der Athem —- kurz,
wäre dem Faß dieser Zustand nicht
wohlbelannt gewesen und hätte er
nicht gewußt« daß ein hering und der
Paragraph 11 Abhilfe schassen wür
den, so hätte er sich für ernstlich trank
halten müssen
Endlich erhob er sich, noch halb im
Schlafe und ohnedieg ganz dumm und
dumpf im Kopfe, und prallte gegen
etwas hölzernes.
Da rieselte der bleiche Schreck itber »
seine Glieder, daß die baut ausperltel ;
»Um Gotteswillem was ist dass
Wohin bin ich gerathen? Ich habe mich
doch. .. ja. ja, ich habe mich doch ins
Bett gelegt, und nun . . .2!« .
Er tastete mit beide-J «nden über
. —....-.---... «.- -—.....-.-.-. .......--..
sich am Boden des Bettgestelles hin
und stammelte:
»Das ist ja rein, als ob ich.
Sarge läge!!
mich denn so? Hinaus, hinaus aus
dieser drückenden, erftickenden Engel«
Und er kroch, da es ihm noch wie
im Traume vorschwebte, daß ihm die
Mauer im Stiegenhause nach rechts
nicht ausgewichen war, nach linls und
kam an die Holzverschalung des Zim
lM
Welcher Teufel narrt
(
mers und fand auch da keinen Aus-«
weg.
Da war es ihm fürchterlich tlarP
Ach ja, er hatte in der langen Sitzung
des Juten(?) wirklich zu viel gethan,
war heimgewanlt, aufs Bett gesunken,
war ohnmächtig geworden, vielleicht
hatte ihn, den vom Alcohol vergifteten,
gar der Schlag gerührt,
die Leute »
hatten ihn für todt gehalten und nun !
..·oie Haare sträubten sich ihm ..
nun Lag er....im Sarge, und bald
würden sie ihn hinaustragen und ins
die Grube sentenll
So jung, so in der Volllraft des
Leb-: ns, so treuzfidel, so reich an Zu
tunftshoffnungen . . und nun . . .
lebendig- -.todt .im Sarge und bald
in der Grube»
.durch eigene Schuld! "
Verfluchter Rausch! Verfluchter Allo- «
hol!
Und er lag nach wiederholten ver- »
geblichen Bemühungen, durch die
Wand zu kommen oder den Deckel des
vermeintlichen Sarges zu sprengen,
ermattet auf dem Rücken, faltete die
zitternden Hände auf der schwer ath: «
menden Brust und überblickte im Geiste
Vergangenheit,
lunft.
Gegenwart und Zu—»
Ach ja, am Gymnasium, da war er T
noch brav und fleißig gewesen, da hat
te cr seinen Eltern Freude gemacht,
und wenn er auch hie und da die Ge
legenheit wahrgenommen und zu tiefj
in den Krug geguclt hatte, so warens
es Ausnahmssälle und der unaus
bleibliche Kahenjammer hatte noch den
Ekel und den festen Vorsatz der Besse
rung erzeugt. Noch standen die Worte
eines Professors auf der Tafel seines T
Gedächtnisses, der da gesagt hatte, es »
tödte der Allohol mehr junge Männer
als oer Krieg, und er erinnerte sich.
genau, wie er und manche seiner Ka
meraden dem Lehrer geglaubt und;
nachdenklich zugeniclt, andere freilich ;
als flotte Burschen des alten Zopfes s
und Wasserlopfes gespottet hatten. s
Nun der Krieg hatte ihn bisher ver- ’
schont; dafür war er, alle Mahnungen s
und alle Vorsätze in den Wind schla- ;
gend, an der Hochschule dem TFämon s
Allohal in die Krallen gerathen, und s
die hatten Widerhalen und ließen das !
gefaßte Opfer so leicht nicht mehr los. ;
Æie das nun schon so geht, wenn’
e aus dem Elternhause und der
Schulzucht in die blendende Freiheit
hinaustritt und vom Großstadttau
mel umtanzt und mitgerissen wird!
Zuerst muß man sich von der an
strengenden Arbeit des letzten Gnmnas
sialjahres erholen, sodann die goldene
Freiheit in vollen Zügen genießen,
hierauf das Großstadt eben kennen
lernen, und was ein fideler Jurist ist,
der rerbummelt den Großtheil der
zwei ersten Universitätsjahre grund
sählich
uno es finden sich verwanoie Hee
len«genug, die dein Neuling unter die
Arme greifen und ihn von der Hoch
schule hinweg, die man doch nur des
Bummels und der Raufereien wegen
besucht, in die Kneipe schleppen.
Ei, da geht’5 denn freilich hoch ber,
da saust der Schläger auf den Tisch,
daß die Gläser hopfen, da dampsen
die Quastenpfeisen, als sei man in ei
nem Lotomotivstall, da brausen im
Chore die theils-« herrlichen, theils
ultigen, ja selbst ftumpfsinnigen Lie
der des Rommersbuches, da fliegen
die Brand- und Freiheitsreden und;
die zündenden Schlagworte durch dies
Lugh da sauft man sich zu und vor
un nach bis zur Besinnungslosigteitj
und möchte im Uebermuth der Kneip- ;
stimmung am liebsten gleich der Herr: z
gott sein, um ein Faß zu schaffen, fos
roß als wie die Welt. und ein Glas, l
so hoch bis an den Mond, auf dafi"
es sich des Trinken-Z verlohnte!
Ei ja, es ab wohl auch in der
Kneipe Jdea e und es gab wackere
Burschen, die in aller ihrer Munter—
teit ihren eigentlichen Lebensberuf
doch nicht im Bier ertränlten; aber
—nicht wenige versumpsten, und zu
denen gehörte auch der Faß, der nun
im Sorge lag und über den sich die
Schatten eines größlichen Todes ge
breitet hatten.
Ja, er war versumpft, vonBegietde
zu Genuß getaumelt, hatte des Va
ters schwer erworbenes Geld nur in
Bieraltien angelegt, hatte den Seinen
schweren Kummer bereitet, hatte,
schon tief im Sumpfe, die sittliche
Kraft nicht mehr besessen, sich her
aus uarbeiten, und hatte die anlla
en e Stimme des Gewissens durch
a giftige Betäubungsmittel immer
wie r zum Schweigen gebracht.
Und nun lag er im Sarget Bald
würde es tagen. Dann wurden sie
tommen . .. in Trauertleidern ...mit
ver-weinten Augen... die abgehärmte
Mutter, deren einziger Sohn er war,
der verbitterte Vater, dessen schöne
hoff-Jungen er so schwer getäuscht
hatte, die bleichen Sch-weLern, die sei
netwegen ihrer unfchulrsvollen Ju
gend nicht froh werden lonnten.
—
Und sie würden ihn hinausfahren
...gar eilig... ohne Sang und
Klang; in der Großftadt macht man
mit einem todten Studenten nicht
viele Umftiinde... da gehen gar viele
gleich ihm zu Grunde-» durch eigene
Schuld!
Und die alteZiminerfrau, die er
wies ihm wohl auch die letzte Ehre
und besprach sodan mit den Nachba
rinnen, der Hausmeifterin, der Greis
lerin und der Tischlersfrau im Hofe
beim Schalerl Kaffee das Gescheh
-niß: »Na ja—er hat fi halt’ z’Tod
g’foffen, der Student... ift kein
Wunder nit, wie II der trieben hat!
Na!... froh hin i, daßi zu mein’n
Sach kommen bin, und die Seinigen,
die werden so ein Früchtel bald ver
gessen haben. Wär rein schad um die
zwei lieben Madeln, wenn er ihnen
ihr Gerftl auch noch durch die Gurgel
g’jagt hätt’!«
So etwa würde es fein, wenn sie
ihn hisnausgebracht hätten
Und dann? . . .
Er hielt sich die Hände vor’s Ge
sicht, um nicht sich selbfi auf so gräß
liche Art sterben sehen zu müssen.
Ach, wenn man nur der Phantasie
die Augen zudriicken könnte! Aber die
ist gerade am gefchäftigften und ieht
am klarsten, wenn das Auge des ör
ners geschlossen ift oder in undurch
dringliches Dunkel starrt.
Und was er sah, das aufgedunsene
blaurothe Antlitz des nach Athem
Ringenden, die hervorquellenden Au
gen, den blutigen Schaum vor dem
Munde, die letzten Zuckungen und
dann... Leiche-« Verwesung, das
brachte ihn dem Wahnsinn nahe»
err er war, beim nein en wori,
doch noch nicht im Grabe! och stand
der Sarg wohl in der gemietbeten
Kammer oder gar in der Halle des
»Leichenhauses, noch lebte er, noch
mußte es ihm gelingen, sich bemerkbar
zu machen.
Und er schlug mit den Stiefeln ge
gen den Boden, die Wand, die Bett
bretter, er schrie, er brüllte ,,Hilfe...
Isj)ils... i...o! Macht aus! Jch bin
nicht todt!" .
Nun war der Mann der Zimmer
vermietherin ein Schneider, und der
hatte feine Werkstatt nebenan und
war der nahenden Festtage halber so
mit Bestellungen überhäuft, daß er
selbt die Nacht über arbeiten mußte.
lso nähte er sammt seinem Gesel
len und seinem Lehrbuben beimSchei
ne einer Oellampe darauf los, daß
die Nadel heiß wurde, bis ihn das
Mart und Bein durchdringende Ge
schrei des Studenten aufschreckte. Da
lief denn die tapfere Gesellschaft, der
Meister mit der Lampe in der Hand
voran, zum Hausmeisten der Herr
Schwamminger brülle so schauder
haft, als ob er am Spieße stecke; es
sei kein Zweifel, daß er von Raub
mördern überfallen worden sei und
sich verblute.
Der Hausmeister meinte zwar, er
glaube nicht, daß es bei einem Stu
denten besonders viel zu rauben gebe,
griff aber doch nach einem langen
Messer, sperrte das Thor auf und
holte den Polizeier von der nächsten
Straßentreuzung.
Dann stürmte die Gesellschaft das
Zimmer, in dem der arme Student
Vielleicht eben ermordet wurde.
War aber, obschon der Sicherheiter
binter die Vorhänge nnd hinter den
Ofen und sogar in den Kleiderschrant
leuchtete, leine Spur einesVerbrechers
zu entdecken, wohl aber rumorte es
unter dem Bette aanz gewaltig und
hob das schwere Bettaestell um eines
Fingers Dicke vom Boden und schrie:
»Ich bin nicht todt, ich bin nicht
todt! Oessnet den Sarg oder ich er
sticke!« -
Da leuchtete oer soviezeimann un
ter’"g Bett, griff tapfer-hinein, er
toischte einen Stiefel und zog mit ihm
ein Bein und daran den Studiosus
Faß aus dem fürchterlichen Gefäng
nisse.
Nun wurde auch derSchneider mu
thig. Er brach in ein unbändige-z Ge
lächter aus, in das seineUntergebenen
pflichtfchuldisg einstimmten und das
der Hausmeister mit feinem Brumm
baß begleitete, und meckerte: »Vi, hi,
hi, hat sich ber Herr von Scham
minger wieder einen Mordsaffen ge
tauft und der hat ihn unter’s Bett
geschmissen! Sehen S’ denn nit, daß
das · hr Bett und lein Sara ist und
daß hie auf dem Boden desZimmerg
liegen? Und warum sind S’ denn nit ,
herausgekrochen? Hat Sie doch nie
mand anbundenl Na, so a Dumm
heit.·.hi, hi, hil« ;
Da schaute sich der Studiofus Faß
mit großen, verwunderten Augen in
feiner Bude um. Er fah die getreuzs»
ten Schlöger an der Wand, er sah an
orr Thüre einen alten Pausroch er
» sah den Schreibtifch, an m er so oft
;des theuren Studirens halber um
; Geld geschrieben hatte, er fah das un
berührte Bett und darunter....die
s schwarze Höhle und nun gingdtihm ne
s ben der Oellampe des Schnei es noch
sein anderes, viel helleres Licht aus.
Er erhob sich mit Hilfe des Schnei
dergefellen und des Lehrbuben, sah-i
1
mete tief auf wie einer, dem eine
Zentnerlast von der Brust genommen
s ist, und tagte
»Mir scheint, ich habe mich unsterb
H lich blamirt, und ich tann’s den Her-»
I ren nicht verdenlen, wennSie sich den’
l Buckel voll lachen. Aber ...tvenn Sie
«wüßten, was ich ausgestanden habe
- unter dem verfluchten Bett, würde
; Jhnen das Lachen vergehen! Nun
...ich danle Jhnen herzliich...Sie
« haben mir das Leben gerettet und...
jetzt habe ich genug, dies war mein
letzter Rausch!« i
Da meinte der Polizeim-ann, es sei
das ja ein recht löblicher Vorsatz, aber
das sei kein Grund, daß er nicht sei
nes Amtes handle, und so möge sich
denn der Herr aus eine Vorladung ge
faßt machen, um sich wegen nächtlicher
Ruhestörung und unnöthiger Bemü
hung der Wache zu verantworten.
»Gut«, erwiderte der Studiosus
Faß, der seine Fassung wieder ge
wonnen hatte, »ich werde der Ladung
Folge leisten und meine Schuld be-l
Irappen oder...absitzen...ganz nach;
Belieben. Aber dann..sind wir mit
einander fertig; denn ich werde von
nun an unter dem Schutze der ,,Alma
Mater« weilen, und die wird mir ein
Asyl gewähren, das ihr Polizeileute
I gemäß alter Privilegien nicht betreten
dürst. Nichts für ungut, meine Her
ren, und recht gute Nacht allerseits-t«
W
Von C.A.Hennig.
Meine Tante, Rosalinde Feuerstein,
war ein sonderbares Menschenkind
Exzentrisch und von derber Gemüths
art im Allgemeinen, äußerst scharf
sinnig und voll IHumor nach ihrer
eigenen Meinung; boshsaft und albernl
i
i
Ein wunderliches Testament.
nach der Meinung anderer Leute und
die treueste und beste Tante in mei
nen Augen. Sie liebte es, ihren
Spaß mit den Leuten zu treiben, sie
durch harmlose Mystisilation zu nei
len und ihnen durch eine zur Ge-(
wohnheit gewordene fchnörielhafte
Bilder- Und Räthselsprache heständia
die Köpfe zu verwirren. Niemand!
kannte sich mit ihr aus, niemath
wußte, wie sie zu nehmen sei, aber?
dies-: Zustand erfüllte sie mit eiuexs
geradezu sieghaften Befriedigung undi
wenn wir ihr schallendesz Gelächter-(
durch das Haus dröhnen hörten, soj
wußten wit, sie hatte wieder einmal’
ein harmloses Geschöpf aus den Leim!
geführt. Das Osriginellste aber, was!
sich ihre eigenartige Natur leistete,j
war ihr Testament Die alte Damei
war damals hoch in die Siebzig alsi
ein Schlaganfall ihr Plötzlich dies
Sprache und den theilweisen Gebrauch i
ihrer Glieder nahm. Zwar besserte;
sich ihr Zustand wieder etwas, doscht
fühlte sie deutlich, daß es zu Ende!
mit ihr ging, und so deutete sie mirt
eines Tages durch Gebärden an,,daß
sie ihr Testament zu machen wünsche.
»Soll ich den Notar holen, liebe
Tante?« fragte ich. Denn obwohl sie
selbst nicht sprechen konnte, verst-1nd!
sie doch, was andere sprachen. i
Tante Rosalinde nickte. i
»Und vielleicht auch den Doktor?«s
i
««-vertand aber sofort,
»Zum euren unurryayll allcyk
Der alte Knurrhahn war ein weit
entfernter Verswandter von ihr, hatte:
eine rothe Nase und einen Blumen-s
laden und war als ein Erzgeizlragen
in der ganzen Stadt verschrieen.
»Auch den", nickte meine Tasnte nnd
ein kleines boshastes Zwintern um
flog ihre Augen.
Jch machte mich also aus den Weg,
um den Wunsch der alten Dame zu
erfüllen; zuvor aber trug ich der ge
treuen Köchiw die seit ihrer Jugend
um sie gewesen war, auf, ja recht sorg
sam über ihre Herrin zu wachen, da
init diese nicht etwa »durch irgendwel
chen Umstand in eine unborherg-e.
sehene Aufregung versetzt werde, die
sie zu dem bevorstehenden wichtigen
Alt unfähig machen könne. Denn
ein guter Neffe muß an alles denken.
Doktor und Notar waren sofort
zur Stelle, auch der alte Knurrhsahn
tam bereitwilligst mit, obwohl er auf
seine Erbschaftsausslchten keinen
schlechten Groschen gegeben hätte
Als wir die Wohnung der Tantse
wieder heiraten mertte ich sofort, daß
die Patientin eine auffallende Er
schöpfung zeigte. Auf eine stumme
Frage an die Dienerin erwiderte mir
diese, daß »das alte Fräulein« in
einem unbewachten Moment aus dem
Bett gekrochen sei und sich in der
Küche etwas zu schaffen gemacht habe.
Jch wollte die Unachstsanie venweisen,
aber Tante Rosalinsde wehrte mit
einem energischen Kopfschiitteln ab,
sah mich aber dabei so vielsagend ge
heimnißvoll an, das; ich wohl ahnte,
die Tante müsse bei dieser beschlver-s
lichen Extursion ihren bestimmtens
Grund gehabt haben. »
Der eigenartige Akt konnte nun-s
mehr beginnen. Aber wie? Die altes
Dame konnte weder sprechen noch
schreiben, aber trotzdem mußte auf
eine völlig unanfechtbare Weise Klar
heit über ihre letzte Willensmeinung
herrschen.
Doch der Notar war ein alterPrak
tikus.
»Da Fräulein Rosalinde Feuerstein
nicht selbst bekunden kann, wie sie
iiber ihre Hinterlassenschast verfügen
will, so müssen wir sie darum fra
gen. sagte er.
Tante Rosali.nide nickte mit dem
Kopfe, als hätte sie bereits auf diese
Aeußerung des umsichtigen Notars
gewartet.
Und zu mir gewendet, fuhr dieser
dann fort: »Sie, als der nächste Ver
wandte der Dame wer-den am besten
über deren Verhältnisse unterrichtet
sein« übernehmen Sie es also, die
. Fragen zu stellen.«
eh war zwar kein alter Praktikus,
was der kluge
Mann des Rechts meinte, undso«-trat
ich denn an das Lager meiner Taute«
machte ein entsprechend wehmüthrges
Gesicht und sagte: »Geliebte Taute,
Du besitzest zunächst vier Häuser? »
Tante machte ein bejahendes Zei
chen Und der Notar trug die vier
Häuser ein, dann raunte er mir zu:
eragen Sie, was damit geschehen
o «
»Was soll nun damit geschehen-N
fuhr ich, dem nüchternen Rathe sol
gend, sori.
Tante Rosalinide wackelte, dem
Ernst der Situation entsprechend, ein
paarmal mit dem Kopfe hin und ber,
dann fuhr ssie mit ihren gelähmten
Fingern unter das Kopfkissen Und
brachte eine kleine runde Schachtel
zum Vorschein· Sie öffnete die
Schachtel und ich erblicke darin eine
Menge ritwder Willen. Nun macht-e
sie mir ein Zeichen, ich möchte die
Hand aushalten, und als ich das that,
legte sie mir eine der Pillen hinein.
Bei der ganzen Prozedur machte sie
eine schelmische Grimasse und ticherte
seltsam «dazu.
Eine Zeitlang staind ich raihlos,
um mir gewohnterweise der Tante
Näthselwert ziu deuten, aber verge
bens: schließlich swansdte ich mich an
den Berufensten in dieser Sache und
zeigte ihin das erhaltene runde Ding.
» kn! sl — « k--Ä- II
»reine 1von Ihren Piuen," sagte ich.
Doch er schüttelte mit dem Kopf
und erwiderte: «Erstens ist es keine
von meinen Pillen, zweitens habe ich
dero Hochwohlgeboren gar keine ver
ordnet.«
Nun wandte ich mich an den Notar
und wies diesem die aus meine Frage
erhaltene Antwort. Diesmal ließ ihn
sein Scharssinn im Stich, oder er war
zuviel Jurist, um eine Meinung zu
äußern, ehe er noch eine hatte. Inzwi
schen war auch der Blumenhändler
hinzugetreten, hatte in meine Hand ge
blickt und sich dann geringschätzig ge
äußert: »Die alte Person ist verrückt
und gar nicht mehr zurechnungssähig,
ein Testament zu machen. Die Pille
da ist ’ne gewöhnliche Erbse!«
Uns allen mochten wohl ähnliche
Zweifel an d r geistigen Unbefangen
heit meiner ante aufgestiegen sein,
aber der scharfe, lebhaste Blick, mit
dem sie unsere Bewegungen begleitete,
belehrte uns gleichwohl vom Gegen
theil. Und als dann der alte Knurr
hahn sein sachmiinnisches: ,,’s ist ’ne
Erbse« aus-sprach gerieth ihr armer
Kopf in einen wahren Nickkrampf.
Jetzt sprang auch plötzlich der Notar
aus und ries: »Jhre Tsante ist« die ge
nialste und scharfsinnigste Frau unter
der Sonne. Sie (damit war ich ge
meint) beliebten zu fragen: »Was soll
aus den vier Häusern werden?« Und
sie (damit war wieder meine Tante
gemeint) gab in derihr eigenen Weise
die prompte Antwort: »erb’se!« Da
mit schrieb er auch schon eine ganze
rechtskräftige Litanei in sein Proto
koll.
Mir siel ein mächtiger Stein vom
Herzen und dem armen Blumenhänd
ler auf die Hühneraugen, denn er
zuckte schmerzlich zusammen.
Ja, das war ganz und gar die alte,
unversälschte Taute.
Rasch legte ich die Erbse auf ein
Tellerchen, hielt von neuem die Hand
auf und fragte: »Und was willst Du,
daß aus Deinen Staatspapieren wer
den soll?«
Wieder eine »Erbse«.
Jch legte die Staatspapiere zu den
Häusern nud suhr in meiner höchst
einfachen Fragemethode fort.
»Wie soll es mit Deinen baaren
Geldern sein?«
Erbse!
»Und den Möbean«
Erbse!
»Deinen sonstigen Effekten?«
Erbse!
»Rnd endlich Deinen sechs lieben
Mopperln?«
Der ganze Rest der Schachtel siel in
meine Hand und meine Tante blickte
mich dabei so vergnüglich an, als- hätte
sie und nicht ich alles geerbt.
»Es ist kein Zweifel!« sagte der No
tar zu mir, »Sie sind in aller Form
rechten-Z zum Universalerbeu einge
setzt.«
»Und was krieg’ denn ich?« polterte
der alte Knurrhahn ärgerlich.
Da aber ging es wie ein ganzer in
nerlicher Sturm triumphirender Hei
terkeit durch den Körper meiner Tante,
sie fuhr abermals unter ihr Kopftissen,
und zog eine große, blaurothe Bohne
hervor. Die Blumenhändler wollte
darnach greifen in dei: Erwartung
daß ihm daraus eine ähnliche ange
nehme Deutung erblühen werde wie
mir aus den Erbsen; doch Tante
Rofalinde hatte ihm die Bohne bereits
wieder entzogen -- und sie mit unver
kennbarer Deutlichkeit von rückwärts
unter das Bett geworfen.
1 »Nicht die Bohne!« verdolmetschte
fgelassen der Notar diese neuerliche De
monstration, machte einen Strich un
ter das Protokoll und erfuchte meine
ITante, es zu unterzeichnen. Sie that
Jes, so gut als ihre gelähmt-en Finger
igestatteten Dann gingen die Herren
)wieder an ihre Alltagsgefchäfte5 der
fBlumenhändler zum Unterschied von
vorhin mit einer weißen Nase.
I Nach dem Grundsatz: fröhlich gelebt
Fund fröhlich gestorben, verschied meine
tgute Tante einige Tage darauf und
lnahm das Lächeln befriedigter Ge
nugtyunug über ihren letzten, gelunge
nen Spaß mit in die Gruft.
Das Vermiichtniß der Mopperln
Itrat ich unter Hinzufügung einer ent
ssprechenden Rente an die alte Dienerin
ab; die Erber aber pflanzte ich ein
und sie gingen fröhlich auf.
Fortschritt
Herr (zum Diener eines jungen
Arztes): »Nun, wie geht es denn Ih
. rem Herrn?«
Diener: »Schon besser! Jetzt kann
er sich es schon leisten, bier und du
einen gesund werden zu lassen!«
Qualification.
»Was wollen Sie denn JhreiiSolyn
werden lassen?«
’ ,,Polizis.«
»Aber warum denn?«
»Ich glaube, er hat sdaszsu Talent.
Man kann ihn nie finden, wenn man
ihn braucht.«
Gelübde-.
» Rieke (zu ihrem M«usketier): »Lie
be: Willem, wirst Du mir och uff
ewig treu bleiben?«
Musketier Wilhelm: »Na, Rieke,
wsat für’n Sn«ack! Natürlich werd- ick
Dir treu bleiben, ewig-l«
Rieke: »Dann jelobe es!«
. Musketier Wilhelm: »J5 int,
Rieke; ick jlobe, ick bleibe Dir treu!«
Schmeichelhaft.
Virtuose fzum jungen Manne einer
ihm befreundeten Familie): »Das
freut mich wirklich aufrichtig, Sie fast
in jedem meiner Konzerte zu stehen«-«
Junaer Mann: »Ja, wissen S',
»wir loosen es immer aus, wer in das
Konzert gehen foll, und da hab’ ich
schon die ganze Zeit das Ssaupech!«
Ach fo!
Schauspielen »Jetzt ist’ö mit mir
zu Ende, überall Schulden, Schul
den, —- Schulden bis über die Ohren;
nur noch ein Schuß kann mir elfen!«
Direktor: »Waas, ein ·Schuksz? Siic
wollen doch etwal keine Dummheiten
machen und sich erschießen?
Schanspielert »Das weniger, aber
einen Vorschuß iwill ich!«
Na also!
Berühmter Vertheidiger: »Nun,
sagen Sie mal ehrlich, haben Sie die
Bank bestohlen?«
Klient (ärgerlich): »Na, natürlich.
Meinen Sie, ich hätte Sie sonst be
zahlen können!«
. Ländliches.
Beamter: »Wie alt ist Euer Kalb-;
Wurzelbauer?«
»Holt sechs Monate, drei Tage und
Vier Stunden.«
Beamter: »Wie alt ist Eure Toch
ter?«
»Jessag, wann ich dös wißt?«
Im Vertrauen.
Besuchen »Jhre Frau zeichnet seht
hübsch. malt sie auch?«
Hausherr: »Nun dann und wann
den Teufel an die Wand.«
Unmöglich
Anbeter (tleiner, dürrer Schnei
der): »Ach Aujuste, ich liebe dir so
sehr, ick werde dir stets uff Händen
tragen!« " «
Köchin: »Det dumme Zeig laß man
sind, du könntest dir höchstens dabei
unjlicklich machen!«
Schnur-Methan
US WH
IJULLIL
Dichter: »Dieses neue Werk habe ich mir erlaubt, Ihnen zu widmen!«
Bekannte-r setfchiecktk »Ich brau ch’«5 deshalb doch nicht zu lesen?«'