Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 10, 1908, Sweiter Theil., Image 10

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XI
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Morgenro the.
Wider Roma aus der Gegenwart-Bau E. Georgy
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TTTTGOIIPTTTTTT«
(11. FortseyungJ
»Nun habe ich gestern eine Ant
wort von beiden herren aus Charbin
erhalten. Dein Doktor-Baron dankt
mir ganz reizend nett und ausführ
lich. Unser deutscher Arzt theilt mir
aber mit, er habe den KolleZn so
überlastet und am Ende seiner riifte
inCharbin angetroffen, daß er ihm
dringend zum sofortigen Ausspannen
rathen mußte. Er hofft, daß Vor-is
ihm folgen und sogleich heimreisen
wird; denn sonst wären seine Lungen,
vielleicht sein ganzes Leben in Frage
gestellt.
aMarch ich traue mich gar nicht,
es niederzuschreiben, weil ich weiß-z
daßDu mit zürnen wirst! Aber ictiv
muß esthmh weil mein Gewissen es
erheischt: Schreib an Deinen armen
her-ist Bitte ihn, abzureisen, sich ge
grnd zu pflegen! Sieh, seit vorigen
ebrnar ist er dort im fernen Osten,
nnd in diesem Jahre hat er sich er
probt nnd bewiesen, daß er thurm
M über den meisten Rassen Deiner
anntschast steht. Du wirft ihm
den nöthigen Ernst und die Thattraft
kaum mehr abstreiten können. Was
er esiindigt, hat er dort iiingst ge
Mst Schreib ihm, geliebte Freun
din, und wenn es ein paar Zeilen
gnä, damit Du Dir später keine
orwiirse machen mußt!«
Mar« ließ den langen Brief finlen
nnd stät-te gequält.
»Die Herrin weiß wohl, daß ein
Da en schon unten wartet?« fragte
Menscha vom Nebenzimmer r.
.Und daß Dinitri mit dem K er
into-Z gnädigen Herrn eingetroffen
«Ach ja,« bestimmte Maria und
strich mit der nd üsber die Stirn,
cis müßte sie die Gedanken vertrei
ben, «mein Vater wird in meinem
« er wohnen. Jch bei Awdotja
ssiljewna, und fiir den Diener
stellt ihr eine Couchette mit ein paar
Decken aus dem Vorplag auf. Du
wirst alles gut besorgen, damit der
Fett seine gewohnte Bequemlichkeit
at.«
- ,- . ex «-:k —:.. -»c-å-«
·Die Herrin wird mit mir zusta
den sein!« entgegnete das Mädchen
nnd küßte Marias Kleisderroch
»Ja, Du hist gut und treu, aus
Dich kann ich mich verlassen!« Maria
sagte ed flüchtig. Sie trat vor den
großen Spiegel und musterte sich. Die
kostbare, blaß lorallenrothe Seiden
;slortoilette mit tiirkissarbenen und
aitgelben Stickereien saß wie angegos
E aus ihrer schönen Gestalt. Der
riser Schneider war zuverlässig.
»Ah, gib meinen Schmuck, Masuscha,
der herr wünscht, dajz ich ihn trage.«
Jubelnd holte dieZose die Kassette
und schmückte die aus nichts achtende.
in Gedanken versunkene Herrin nach
lan er Zeit zum erstenmal mit ihren
kost aren Juwelen. Dabei schwatzte sie
und pries Marias trotz aller Blässe
herrliche Schönheit.
Daß ihr Aeuszeres auch heute nozh
einen besonderen Reiz aus alle Anwe
senden aus-übte, hätte Marja Tara
sow aus dem Empfang des Gesandten
bemerken müssen. Aber es kam ihr
nicht zum Bewußtsein, daß sie von
herren umlagert und von Damen
mehr oder weniger neidvoll heäugt
wurde. Sie hörte si sprechen, ant
worten. Sie fühlte, aß sie sich he
Ioagte« jedoch sie hatte das Gefühl, wie
eine Marionette hin und her gescho
’ bin zu werden. Die zurückhaltende
Inhe der Gesellschaft die beinah ge
slksterte Unterhaltung thaten ihr wohl
nnd fielen ihr erst angenehm auf,
as sie · Stunden später die strah
lende-i s riiiume des russischen, sehr
beiteieisetn bersten in der Mochowaja
- ra .
«- - «- -«i «
Tour Perersrsurg schien yrer ver
ntnmelt. Lachen Und Schwatzen er
üllte die Salons. Mit fiürmifcher
reude begrüßte man »die blendende
ökowiterin«. nnd rnsit ethischen-»
der Herzlichleit die Botfchaft von ih-z
res Vaters Kommen. Nach einem«
kurzen, aber ausgewählten Souper
wurde musizirt und rezitirt, da ein«
Tanz nach der Moskauer Nimms
botfchaft ausgeschlossen war-. Anschei
nend aufmerksam lehnte die Tara
fowa in ihrem Stuhle und hörte zu.
Sie war froh, nicht sprechen zu müs
sen, denn sowohl Awdotjas Flucht
vie Max-got haßlings Brief wühlten
in ihr nnd erfüllten sie mit Unruhe
nnd Schmerz.
Erst se en ein Uhr erschien Ser
« ins We Hewitfch Tarafow an dem
Hi nnd verbrachte noch einige tun
rnit den älteren Herren und Da
sen itn Kapinei des Obersten, wo die
Spielrifche aufgestellt waren« Man
«geee eine tiefe. joviale Stimme über
« de r anderen fort schwatzen und
Wu- —
— Es waren peinvolle Unterhaltun
zu denen sich Maria in ihrer
Nun-· zwingen mußte· Sie
Weit n mehr, was sie spra , fah
M « , was ssie umgab. re er
Meepb sie , all man endlich
Woch. La am chob sie sieh mit
s sanken exkl fchtvarm der
N M Fik- Ich eine hat-d
TTTTTTTTTTT "I’ T
auf ihrenArm, eine Gestalt in Uni
sorm neigte sich zu ihrem Ohre, und
deutlich vernahm sie die scharf geflü
sterten Laute: »Seit drei Stunden ist
hre Freundin Awdotia in Sicher
it und iiiber die Grenze, Maria-Ser
geielvna!«
Hatte sie hallueinationen? Zau
berte ihre Ueberanstrengung ihrTrug
bildet dor? Träumte sie? Das Mäd
chen zuckte merklich zusammen und
schaute sich hastig nach allen Seiten:
um. — Aber neben ihr schritten Da-«
men und Ossiziere, miteinander plan
dernd. Ein schlanter junger Leutnant
non einein der feinsten Regirnenter
ging ihr zur Seite mit bedeutungs
osem Gesichtsausdruch Als sie ihn
fragend, angstvoll ansah, wandte er
sich mit liebenswürdiger Berneigung
ihr zu. .
«Gniidigste scheinen zu srierent
Hier ist es auch frisch gegen die über
hihte Lust in den Sälen.«
«Sprachen Sie egen zu mit?
Brachten Sie mir ni t ————— ?«
»Ich; aber meine gnädigste Maria
Sergejetvna, ich würde Sie doch nicht
mehr quälen. Sehe ich doch, wie
müde Sie sind. Jhre Abspannung
fiel mir schon den ganzen Abend
aus,« antwortete er.
Maria schüttelte den Kopf. »Par
den-' meinte sie verlegen, »ich träumte
wohl. Ich glaubte, ich dichte — ich
sorgte mich um einen lieben Men
schen, und mir war es, als ob man
mir eine gute Botschaft gebracht.«
Sie stamsmelte das erblassend.
«Daran würde ich bestimmt glau
ben,« entgegnete er fest, »gute Bot
schasten sind meist wahr. Man soll
ihnen vertrauen, wo, wann und wie
man sie auch ersährtt«
Jhre Blicke begegneten sich· n
denen Marias stand eine rage. « n
den seinen lag stoh und icher eine
Antwort.
Da streckte sie ihm die Hand entge
gen, die er sest umschloß. »Ich bin
wie erlöst!«
»Ich habe mich auch glänzend un
terhalten und freue mich mit Ihnen,
aus Wiedersehetr.«
5
Maria Tarasotv hatte ans dem
Newsikiijspekt einige Einkiiusege
macht und ging langsam aus der
Seite der Kasanschen Kathedrale dem
Alexandra-Theater zu. Es war ein
ungewöhnlich warmer Tag Ende
April. Jn der Lust lag bereits eine
unverkennbare Frühlingsahnungund
aus Straßen und Dämmen herrschte
unbeschreiblicher Schmutz. Dennoch
wollte sie keinen Wagen nehmen, son
dern das gute Wetter aus-kosten und
einen kleinen Spaziergang machen.
So überschritt sie die breite Straße,
wich geschickt den zahllosen Wagen
aus und ging durch eine der vielen
Seitenstraßen nach dem Sommergar
ten, dessen Anlagen und Ausblick über
den Newastroan nach der Festung hin
über ihr besonders lieb waren. Die
Hauptwege des kleinen Paris waren
durch Bretterbelege für die Ptomeni
renden gangbar gemacht. Man sah
auch eine Menge Leute, die sich dort
schon irn Freien ergingen, während
ihre Equipagen vor dem wunderschö
nen, schmiedeeisernen Gitter inzwi
schen auf die Besiner warteten. —
Znsällig besanden sich unter den
Spaziergängern heute keine Bekann
ten, und das schlanke Mädchen konnte
ändehindert seinensckgeadankendnad
«·ngen. n einein rzen ils-r
madeRostJrn auf weißem Seidenw
ter, ein kleines Ehinchillabareit ans
dem dunklen haar, eine lange Stola
und einen großen Muss von dem glei
chen Pelzwerh bot sie wie immer den
Anblick einer diskinguirken Welt
ei —
»Und Mutter verzichtet wirklich da
rauf, ihren Liebling in Rahdellhos
gesund zu pflegen? Das könnte mich
beinah besorgt machen, lieber Vater.«
»Vorliiusig haben wir beide noch
leine Entscheidung irgend welcher Art
getroffen. Wenn Boris, wie es nach
dem sletzten Telegratnm zu erwarten
steht, zurückkommt, so sahre ich ihm
.bis Moskau entgegen, lasse ihn dort
zvon einerAutotität untersuchen, und
wir richten uns gon nach dem Itzt
lichen Aus-sprach sieh mal, Fried
rich, zum Glück haben wie bald
Sommer. Braucht et also nur Aus
spannung. «ute Lust und Pflege, so
holen wir ing zu uns aufs Gut. Jst
jedoch irgend eine Kut, was der ketr i
u et J
verhüten möge, nöthig, so m
eben ins Ausland.«
»Warst Du heute schon aus dem«
sGeneralstab, Vater?«
«Gewißi, mein Sohn, ich hab' Dir
ja meine Ansicht gesagt. Auch dort
scheintes mir drunter und drüber u
gehen. Man kann keine Auskunft-:
erhalten! Bei Gott, Mutters Ver
wandte in Deutschland sind iiber un
sere strateaischen Verhältnisse und die
Zustände in Ostasien besser orientirt
all wir. Die Zensur läßt ja keine
eingehenden ungünstigen Berichte
bund Un wissen ja kaum, ob wie
III-hau- Mlnen Wal« Der alte
'
—
fBaron RaydelL denn er war es der
)hier neben seinem dritten Sohne da
TYfchrith lachte bitter »Ja ja dieser
ieg hat unserer Reg ern doch
einen bösen Spiegel vorgehalten. Jch
hätte es nie fitr mdglich gehalten!
Wenn uns der Rojdeftwensity nicht
bald mit der Flotte raujreißt, dann
lann apan am Ende noch Sieg bla
sen la en und uns einen Frieden
aufs-ringen daß uns Hören und
Sehen vergeht!'·
Friedrich von Randell strich gereizt
seinen Schnurrbart. »So weit sind
»wir noch nicht« lieber Vater, unsere
sArmee hat fast fünfmalhunderttans
ifend Mann, und der alte Linjewitsch
sitt ein tapferer Haudegen. Er wird
schon meine Herren Kameraden an
ders diszipliniren als Kutopatlin.«
»Ja bis jetzt zieht er sich vorzüg
lich zurück! Wie lange noch und die
Japaner nehmen noch WladiwoftolT
Nein lieber Junge mit der Armee
rechne ich nicht mehr. nur noch die
Flotte ift meine hoffnung.«
«Je länger der Krieg dauert, um so
weniger können die Japaner ihn aus
halten und je mehr wir ihn auf un
ser Gebiet verlegen um so unmögli
cher wird er fiir sie," sagte der junge
Offizier, den die Niederlagen seines
Baterlandes wie persönliche Krän
tungen trafen.
»Es muß eine heillose Wirthschaft
da geherrscht haben,« sprach der alte
Baron sinnend, »wir werden ja das
Nähere von Boris erfahren. Der wird
interessant erzählen können!«
»Er wird über sein Lazareth nicht
vie! hinausgetonnnen feint«
»Aber er war doch am Yalu und
bei Liaojang dabei, und als Arzt
horter doch von seinen Patienten ge-j
Es muß eine verzweifelt schwere
Zeit fiir ihn gewesen seini« sagte der
ater ernst. (
»Das glaube ich auch, zudem war
seine eigene Gemüthsversassung eine
so schwarze, daß er das ohnehin Ent
setzliche noch mit verdunkelter Brille
betrachtete. Jch hatte bei mir dieJdee,
daß Boris den Tod’suchte.««
»Wir konnten in den zwei Tagen,
die er bei uns war, absolut nicht klug
aus ihm werden. Es war auch nichts
aus ihm herauszuholenl Mutter hat
genug geweint.« Der Baron blickte
trübe vor sich hin. »Und Dir gefällt
die Millionärin, die Tarasarva. mein
Junge? Du hast nicht den Eindruck,
daß sie zuerst mit ihm gespielt und
ihhnxdann überrnüthig beiseite gestoßen
at««
»Durchaus nicht« Vater, ich halte
sie siir ein durchaus charaktervvlles
Geschöpf, das unter seiner Ablehnung
sicher ebenso gelitten hat wie Buin
»Was mag der Bursche bloß gethan
haben, was ist da vorgesallent Bucht
Olga und Macke sprechen mit so vie
ler Sympathie von diesem Mädchen«
Der alte Rahdell wandte sich betrossen
zur Seite, denn sein Sohn stieß einen
tleinen Psifs aus.
»Nun?«
»Möchtest Du die Tarasotva len
nen lernen, Vater?«
»Warum nicht, aber wo und wie?«
»Die Gelegenheit wäre günstig!
Sieh mal, kannst Du dort die Dame
erkennen?«
«Welche?«
»Dort, vor unz, Vater, die schlanke
Dame inSchroarz mit dem hell-grauen
Pelz und rosa Blüthen am Hütchen,«
ertlarte Friedrich angeregt und nahm
den hiinenhasten alten rrn am
Arm. »Seh. jekt kannst u sie im
Prosil sehen!«
»Gewiß, ich sehe sie aus ezeichnet.
Du meinst doch die herrliclg gewach
sene Dame mit dem blau chwarzen
haartnoteni Du, Junge, ·ese Be
gegnung ist tein Spiel des Zusallj,
sondern ein Wint vom Schicksal.
Komm, ich muß das Mädchen selbst
kennen lernen. Ihren Vater kenne
und schätze ich sehr. In kannst mi
ihr doch gleich hier vorstellen!« Un
hastig zog er den Sohn mit sich sort,
und bei-de «lten schnell hinter der
lan arn an chreitenden Mark her
ie mußte die schweren, si schnell
nähernden Schritte aus den »s Mysti
n Bwlen wohl vernommen haben,
n sie wandte leicht das hanpt und
musterte slii tsig die außer wähnlis
chen Reckener cheinun en. rst als
beide herren, auch riedrich war in
Zivil, ire shlinder um ehrerbieti
Gru lustetem ah sie genauer
·—n und erkannte sofort nicht nur den
ihr bekannten Sohn, sondern auch
den Vater.
Maria blieb stehen. Die Luft undi
die Bewegung hatten ihr Antlitzi
ohnehin frischer gefärbt. Ietzt über-;
zog es eine tiefe Röthe, ie beinah
ihre einstmalige Schönheit zurückzau:»
berte. Sie neigte sich leicht vor dem
Rittmeister und sagte anmuthig:
»Ihr Herr Vater, nicht wahr, Herr
Rittmetfier? ch grüße Sie in Peters
burg, Herr ron, mein Vater hat
mir oft von Ihnen gesprochen!«
. Der atte Riese ergriff ihre Rechte
und zog sie rnit etwas urviiterjieher
Galanterie an die Lippen. «E-me
solche Begegnung habe ich nicht er
hofft, mein gnädiges Fraulein, und
darum freut sie mich desto mehr. So
lerne ieh doch endlich die berühmte
Tochter des berühmten Tarnier
meines lieben alten Bekannten, ten
nent Unb,« wieder verneigte er sich,
;,,alles, was man mir erzählte, über
Ttriiit die Wirklichkeitt«
s Sie lächelte trübe. Der Schein auf
iihretn We erlosch. Die Be gnung
» mit dein Vater des geliebten anne
regte He plÆieh anf, so daß ihre
and in der seinen zu beben begann.
r Baron merkte die« Veränderung,
die mit ihr vorging und zog ihren
Arm einfach durch den seinen, so das
er sie.si·ehrte. »Sie Du, Friedrich,
mein Junge, das ind die einzigen
Rechte. welche dai Alter vo der Ju
gend voraus hat. Unsere Oe ··«hle sind
väterlich, und darum dürfen toir sie
unverhohleu zeigen. Nicht wahr, gnä
diges Fräuleini?« ·
»Jhre Güte kann mich nur er
sreuen,« entgegnete sie bang.
»Was heißt da Güte,« scherzte er.
,.wo mein Herz gleich so in Mitlei
denschast gezogen wird. Jch habe neun
Kinder und hin ein alter Mann, der
sich nicht schnell gefangen gibt. Aber
sehen Sie, mein gnädiges Fräulein,
man hat mir viel von Jhnen erzählt.
Jedoch nun. seit ich Sie so griindlich
betrachte, behaupte ich, daß alles Gute
noch zu wenig wart«
»Sie sehen, meine Gnädi ste, die
Jugend wird vom Alter gefchlagenA
z wars Friedrich ein,',,zu der Berve der
s Komplimente durfte ich mich nie aus-;
« schwingen.«
s »Die hätte unsere politische Geg
nerschaft wohl ohnehin oerboten,'
entgegnete sie.
»Ein Weib und noch dazu ein so
schönes soll überhaupt nicht von Po
litit sprechen, oder nicht vor solch alt
modischem alten Landwirth, wie ich
es bin,« meinte Rahdell, «erzählen
Sie mir erst, wie es Jhrem Vater-,
Jhrer werthen Familie ergeht, und
warum ich das Glück habe,—Sie an
der Newa sehen zu können, gnädiges
Fräulein?«
»Ich lebe schon über ein Jahr hier,
besuche einige Kurse und studiere Mu
sii,« entgegnet Maria« das erblassende «
Gesicht abwendend. Sie wußte nicht«
ob der alte Baron iiber ihr einstiges
Verhältnis zu Buris unterrichtet war
und den Grund ihres Fernbleibens
von Moskau daher nicht kannte
..Meine Eltern und meine Schwester
sind in London. wo vor einigen Ta
gen die hochzeit meines Bruders mit
einer Ameritanerin gefeiert wurde.
Jedoch erwarte ich meinen Vater viel
leicht schon heute Abend hier. Er will
mir über das Fest Bericht erstatten
und hat hier einige Konserenzen.«
»Wenn er bald kommt, dann
würde es mich freuen, den lieben Ser
giug Wassiljewitsch noch begrüßen zu
lönnen!«
»Sind Sie nur vorübergehend hier,
here Baron?«
«Selbstrednd, das heißt, mein
Aufenthalt datiert zwar erst seit ge
stern, gleicht aber doch einem Sißen
auf dem Pulverfaß, das jede Selunde
aufsiiegen kann· Ja, das verstehen
Sie nicht; aber ich will es Ihnen er
tliirenl« Rahdell spürte, während er
ruhig weiter sprach, deutlich das net
oiise Zacken der schmalen Frauenhand
auf seinem Arm. »Mein zweit Sohn
Boris, der gegen meinen Wi en Arzt
geworden, fikt, ebenso gegen meine
Absichten, auf dem Kriegsschaar-las
und leitet ein Lazareth. Nun haben
wir sehr erichreckende und einander
widersprechende Nachrichten von dort.
Nach einer Meldung ist der tleine Vor
ort sammt dem Barackentranlenhaus
niedergebrannt. Nach der andern ist
mein Sohn, weil ihm Arzeneien und
Verbandstosse ausgingen, mit all
seinen Kranken in ein anderes Hos
oital transportirt worden. Und nach
der Depesche eines heilgehilfem den er
von unsern Gütern mitgenommen, ist
er selbst sehr trank mit einem großen
Verwundetentranöport bereits unter
wegs. k- Natiirlich hielt ich es daheim
nicht mehr aus, wo mir meine Frau
noch mit ihren Klagen in den Ohren
lag-«
«Daj begreise sich.« sagte Maria
heiser, »und was haben Sie hier er
fahren?«
Zähnen Sie oenn, gnaorgeg Frau
lein, was wir hier aufgeboten haben?'«
klagte Randell »Von einem Mini
sterium ins andere und danach in den
Generalstab. Gegen Abend hoffe ich
doch endlich irgend eine Nachricht zu
bekommen. Bis Moskau sahre «ich
meinem Jungen bestimmt entgegen;
aber wenn es sich bestätigt. daß er
schwer trant mit der Masse mitge
fchleppt wird, bin ich entschlossen fo
gar bis Kasan oder Perrn ihm entge
genzureisen Denn —- —«
»Natürlich, selbstredend müssen Sie
das thun,'· brach Maria aus, »man:
erzählt so grausige Dinge von deni
HVerwundetentransporteM Dem tön-!
nen Sie B . . . Ihren hean Sohns
nicht aussetzen!« I
»Ich habe ein unerschiitterliches
Gottoertrauen, mein liebes Fräulein,
ich bin überhaupt solch altes konser
vatives Jnventarstiick. Gott wird
mir schon meinen Jungen erhalten,
wenn er auch solch moderner histops
ist, so hat er einen goldguten Charak
ter. Uebrigens müssen Sie ihn doch
kennen, er soll doch in Jhrem Hause
verkehrt haben?«
»Ja, ich kenne Jhren Herrn Sohn,«
sagte sie leise.
»Da geht alles so drunter und drü
ber, daß auf teine Nachricht rechter
Verlaß ist« rief Friedrich. der schleu
nigst ablenten wollte, »ich hosse, nn
sere Angst war granste-! Wir wer
,
den Berti schon in Moskau und besser
antreffen, ali wir denken!«
»Das hosse auch ich! Es heißt eben
beten und abwartent« ergänzte der
Baron. Maria machte sich tmwilltiiri
lich frei und sah ihn zürnend an· Eine
wahnwihige Angst um den Fernen
packte sie plöhlichund gleichzeitig ein
Zorn gegen feinen Vater, der so ruhig
bleiben und beten konnte, während er
vielleicht litt und elend vertam.
»Mit dem Gebet ist hier wohl nichts
gethan." sagte sie überftiirzend. »Die
Wirthschaft da im Felde spottet jeder
Beschreibung Und auf die Meldun
gen des Erneratstabes ist wenig Ver
taß.«
»O bitte, mein gnädiger Herr. der
Großfiirst, hat selbst siir uns depe
!schirt!«
. »Die Großfiirsten!« Jn Marias
Tonfall lag ihre -ganze Verachtung.
»Lasien Sie die hohen Herren aus
dem Spiel, Herr Baron! Aber da
fällt mir etwas ein: ich selbst habe
Verbindungen mit den "Semsiwos.
Jch tannJhnen vielleicht helfen, etwas
Wahres zu erfahren iiber den Ver
bleib Jhres Herrn Sohnes! Las
sen Sie mich von mir aus telegra
phisch forschen!« Ihre Wangen er
glühten, ais sie die schnell gewechsel
ten Blicke der Herren bemerkte.
»Wir wollen die Antwort aus ein
erneutes Telegramm abwarten, das
auf allen Stationen det- sibirischen
Bahn abgerusen wird. Bis zum
Abend tann sie im Generalstab ein
treffen, nicht, Bater?« sagte Friedrich.
»»Gewiß, mein Sohn, aber Fräu
lein Tarasow hat sicher durch ihres
Vaters Geschäftsuerbindungen noch
vate Beziehungen, die uns vielleicht
helfen können. Darum möchte ich Jhr
gütiges Anerbieten nicht zurückweisem
gnädiges Fräulein,« meinte der alte
Rahdell sinnend.
»Bitte, lassen Sie mich sogleich
handeln, dann geht teine Zeit verlo
ren,« sagte sie flehend, »ich tann Ih
nen dann meine Nachricht auch schon
hoffentlich heute Abend übermittean
Rahdell wintte dem Sohne zu, der
abwehren wollte. »Ich werde Jhnen
herzlich dantbar sein, mein liebes gnä
digesFriiuleim Jhr Jnteresse an mei
nem Bot-is ist zu gütig. Jch darf
ihm doch davon später Kenntniß ge
ben?«
uSie überfchähen das. was einfache
Menschenpflicht erfordert,« erwiderte
Maria zuruckhaltend »Aber wenn
Sie den Herrn Doktor hojfentlich bald
und gesunder, als Sie erwarten. wie
dersehen, dann bestellen Sie ihm mei
nen heißen Dank fiir seine patriotische
Hingabe. Es gibt ja nichts höheres,
als iiir dag Vaterland zu leben.«
»Braoo, mein liebes Kind!« rief der
alte Baron und nahm ihre Hand.
»Sehen Sie, ich habe erst nachträg
lich so manches don unserm Boris
vernommen, was mich tief gefchmerzt
hat. Aber sein muthiges Pflichtthun,
iein heiliger Berussernft und das
Blut, was er selbst in Ostasten ver
goß, haben in meinen Augen vieles
abgewafchen. hoffentlich hat er auch
im Kugelregen da draußen seinen
Gott und seinen wahren Patriotis
mus, die Achtung vor feinem Kaiser
wiedergefunden, die hinnimmt und
nicht mätelt an jedem Schritt der Re
gierung!«
»Der: Doktor von Rahdell war
wohl immer ein Patriot,'« entgegnete
sie·
»Nein, mein Kind, das war er nicht!
Und das sind die nicht, welche im Ge
heimen wühlen und behen. Das Voll
aufzuftacheln, Unzufriedenheit zu be
nuken, zu ftacheln, um Brudertrieg
und Revolution anzufachen, das ist
ein Frevel! Jch sehe ja. wie sie meine
Bauern und meine Arbeiter gegen mich
beken. wie alle bösen Jnftinlte wach
sen. Aber meine hand lastet eisern
auf den Leuten und mit Gewalt werde
ich sie zur Ruhe und zu Gehorsam
zwingen. —- Es ist ein-böser Geist an
der Arbeit!«
M
»Vater, Du demonstrirsi vor einer
Dame Politik, was Du sonst verur
theilst!« warnte Friedrich.
Doch schon wars Maria Tarasow
den Kopf zurüel in schwärmerischer
Begeifterung. Mhier gibt es nicht
Männer und Frauen, sondern nur
Menschen« Russent Nein, Herr Ba
ron, bei aller Verehrung für Sie muß
ich widersprechen! So sehr mein herz
unter diesem Kriege blutet, so hoffe
ich, daß er sein Gutes im Gefolge ha
ben muß und haben wird! Sie, ich,
das Bolt,.alle, alle haben gesehen, wo
hin wir mit unserer Beamtenwirthi
ichast, unserem Bestechungssystem un
serer moralischen Verlotterung getotns
men sind. Kein Mittel ist zu schlecht,
das geeignet wäre, dieser mittelalters
lichen Barbarei eines sogenannten
Kulturstaateö ein Ende zu machen.
Und können wir nicht anders, so müs
sen wir eben mit List, Gewalt, mit
Mord und Bruderlrieg durchdringen!"
Sie sprach so hingerissen, daß sie gar
nicht bemerkte, wie der Rittmeister
nerviis den Kopf schüttelte, daß der
alte Baron seine ioviale Miene in eine
Fislalte verwandelte.
Erst als sie ausgesprochen, fühlte sie
die Wirkung ihrer Worte, ohne sie zu
bereuen.
»Ich wollte, Sie hätten· sich mir
nicht von dieser Seite offenbart. gnä
diges Fräulein,« sagte Baron Rahdell
eisig, »ich bin von alter Schule und
lann mich für politisirende Damen
nicht erwärmen. Wenn diese aber so
gar Anarchie und Mord aus ihr
Schild geschrieben haben, dann sind
wir elend weit gekommen. Gott
schütze meine Kinder und Enkel, daß
dieser Geist nicht in sie fährt! Wir
wollen Sie in Ihrem Spaziergang
nicht weiter behelligen, und Sie ge
statten, daß wir uns verabschieden?«
»Ich darf Sie nicht zurückhalten,
Herr Baron, wenn ich auch von her
zen bedaure, daß unsere Ansichten so
weit auseinander geben,« entgegnete
Maria ernst. »Aber im Menschlichen
fühlen wir gleich, und daraurn gestat
ten Sie mir doch, daß ich wenigstens
meine Beziehungen benutze und --«
Nandelt ttamptte mit dem Spazier
stock den Boden. »Schade, schadet«
sagte er. »Vorber sah ich in anen
nur das entzückende Mädchen. Jedt
tommen Sie mir so furchtbar wie eine
verlavpte Nihilistin vor, nnd in mir
regt sich der Verdacht, daß Sie polt
tisch attio thätig sind und am Ende
gar fin einen Randell aus —«
»Vater, Du gehst zu weit,« sagte
Friedrich von Randell bestimmt. »Wir
sind Ihnen sebr verbunden, meine
Gnädiafte, wenn Sie tiir meinen Bru
der wirken und uns das Resultat
durch einen Boten gütigst in mein Ad
iutantenquartier senden wollten!«
»Sobald ich Nachrichten erhalte.
werde ich sie Ihnen übermitteln. IF
bosse, es werden gute sein! —- Meine
herren!« Maria neigte stolz den schö
nen Kopf.
Beide Herren verbeugten sich tief
und ainaen nach der Nema. wo
Friedrichs Cauivage ibrer wartete.
sFortsekung folgt.) H
Bürger von Dtlaboma City wollen
die Bevölterung ihrer Stadt auf
!50,000 Seelen bringen. Die Pro
hitition wird ihnen dabei nicht gerade
zu statten tommen.
I O I
Bäckermeister verschiedener Staaten
erstreben die Schafsung eines Lebt
stuhlö fiir Bäuerei an der Pakt-ne
IUniversitiit an. Famoser Gedanke.
Doktor der Knetologie wäre nach be
standenem Exatnen gar tein übler Ti
tel. . . .
Die Gedanken kommen wieder, die
Ueberzeugungen pflanzen sich fort; die
Zustände geben unwiderbringlich vor
über. »
·- es se
Man macht vergebens viele Worte,
um eines aujzulitschew
Sein erster Gedanke.
IV
Soldat Hubett »Melde mich vom Urlaub zurück, herr Feldwebel.«
Fett-weben »Aber, Mensch- Sie sehen ja fürchterlich verhungert aus
da bin ich bloß auf das Wurstpacket gespannt!«