Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 13, 1907, Sweiter Theil., Image 8

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    «- Mai-am
Clizze vonsiarlhellesylt
Sie ergriff die prächtige Mast-li
lasise, die wohl einen Werth von
law Lire repräsentirte und schmet
terte sie zu Boden. Ein schriller
Klang. hundert Scherben und gleich
darauf das erschreckt Gesicht eines
Kellners in der Thür, das aber schnell
wieder verschwand.
Damit war diese eheliche Szene,
deren Schauplasz das Grand Hotel in
Ewer gewesen. beendet. Madame
obanoff legte sich auf den Diwan,
Bett Sohanoff bezahlte zunächst un
ten im Bureau des Hotels den zer
trümmerten Gegenstand und schritt
dann hinaus in’s Freie. Zwei, drei
Stunden wanderte er rast- und ruhe
los am Arno, der müde und wasser
arm in dieser Hochsommerzeit dahin
schlich, und ließ das Bild vergange
ner Jahre vor seinem Geist vorüber
ziehen.
Er sah sich als mittellosen jungen
Arzt, der vergebens in seinem beschei
denen Stübchen zu Petersbnra hoch
oben fast unter dem Dach. diePatien
ten erwartete. Er sah sich nach dem
kleinen Schanllokal an der Ecke
schleichen, wo die Kutscher ihren
Schnaps nehmen, und dort für einige
Kopeten sein elendes Mittagsmahl
verzehren. Er sah sich seinen eigenen
Rock flicken, in die zerrissenen Stiefel
Puppsohlen legen, auf dem Strohfack
schlafen.
Aber dann kam der Umschlag. Ei
nes Tages hatte ihn Frau Lydia ho
len lassen, die reiche Kaufmannswitt
we, weil zufällig lein anderer Arzt
tu der Nähe war. Mit einem Pül
oerchen war ihrer Migräne zu helfen
gewesen, und dann hatte sich ein Ber
ääliniß entwickelt, dem seinerseits die
dungersnoth und der Ausblick auf die
sanlnpten der Wittwe, ihrerseits das
Wohlgefallen an der schlanten Gestalt
Jes jungen Mannes, an seinen fri
·chen Wangen und den blanken Augen
m Grunde lag. Mit der feierlichen
deirath in der Jsaatslathedrale hatte
I den rechtmäßigen Abschluß gefun
sen.
war fünf Jahre her, und seit
dem zog Dr. Sobanosf mit Frau LU
)ia Sobanoff durch Europa. Wo es
rgend etwas zu sehen, zu hören, zu
zenießen gab, bei Regatten in Cowes
tnd Kiel, bei Stiergefechten in Se
silla oder Madrid, in der Großen
Jper zu Paris-, beim Selamlit in
konstantinopel — überall war das
Ehepaar Sobanoff zugegen. Zuerft
syatte ihm, der vorher nie über das
Deichbild Petersburgs gekommen
nar, dieses Reisen viel Vergnügen
-ereitet. Aber bald wurde ihm das
lebet-maß der Genüsse langweilia,
znd dazu kam noch Eines, der fürch
erliehe Charakter ’·seiner Frau: sie
usilte ihn bis auf-? Blut. Saale er:
Heute ist schönes Wetter," so tnüvfte
s eine Szene daran, in der ihm
liiekfichtslosigleit, Mangel an Takt
as Fehlen jeglichen Ieingefühls für
m Konstitution vorgeworfen wurde.
Saate er: »Heute regnet es,'« so folgte
;n Ausbruch, als ob der Vesuv Flam
ten speie. »Aha —- Du haft keine
.ust auszufahrem Du fürchtest wohl,
ais ich hinter Deine Untreue komme.
aß wir Deiner Geliebten beaeanen."
Zagte er gar nichts, so erklärte sie,
eine Stuviditüt und Verdrossenheit
i unerträglich.
Oft hatte er schon erwogen, ob er
icht gut daran thate, zu flüchten, das
Bette zu suchen. Wohl ein Dutzend
ital hatte er Scheidungsgedanten sich
surch den Kon gehen lassen, immer
--«ieder war die ehemalige Armuth vor
FdinemBlick aufgetaucht und hatte ihm
M Ohr geflüftert: »Halte fest, was
r desttzestf Dann aber, als die Kon
silte gar nicht endeten, als seine Ge
Utdheit litt, als er aus dem schlan
sn, kräftigen Jüngling ein müder
M mit umflorten Augen und
alten um die Nase geworden war,
c erwachte in seiner Seele ein anderer
iedanlu Ohne Geld kannst du nicht
st leben, mit Lydia auch nicht mehr.
bhlam nimm ihr Geld und verlasse
Eli Entfliehe ihr Bestiehl fiel
kenn nothwendig, tödte sie!
Manate lang wehrte er sich gegen
FAM, der ihm immer drin
M in die Ohren flüsterte, der
" die leuchtende, goldige Freiheit
M Junggesellen vor die Au
flie, immer wieder rang seine
Maine das Böse nieder Als
Kämpfe gar nicht endeten, da
den s tzen Gedanken Raum
M nd ei fest: »Du wirst,
ihrer entledigen.«
Mei« Dieser rage galt
fä- Sinnen und senken, als
seyn Wchritt. »Mei«
dachte er an Gift; aber die
« W ließ er bald fallen: Verzie,
" « nehmen stets Gift.
. Ums mungliickm« Dies
" endlich das Beste »Ver
»;«in der See! s- Ertrintenk
te den Badecker und fand
ans der Rinan seht ge
fskk U ists-« Mkschlsß
Faun-Heim Mk
M Wd
giiik Wåk
l
die kühlende Nähe der See, einen Do
mizilwechseb
Frau Lydia lächelte höhnisch: »Do
mizilwechsel —- ja! Aber nicht die
Riviera, sondern Ausland Wir fah
ren nach Hause. Und damit Du auch
weißt, warum: Weil ich Sonja se
hen will, meine einzige Verwandte,
weil ich nach einein treuen Herzen ver
lange, denn Du bist mir oerhaßtt«
Sie murmelte dann noch Einiges,
was in dem Doktor seltsame Ver
muthungen erweckte. Als Frau Ly
dia schlief, schlich er an ihren Reise
ioffer, durchwühlte ihn und fand ei
nen Brief, der ihm Aufschluß gab:
Seine Gattin hatte beschlossen, ihr
Testament zu ändern, Sonja sollte
alles erben und er leer ausgehen.
Jetzt hieß es: schnell handeln, die
erste Gelegenheit ergreifen. Er dachte
an einen fingirten Mordanfall im
Gotthardtunnel, im Eisenbahnzuge,
und war bereit, sich selbst eine Wunde
beizubringen, nachdem er sie erstochen
hätte. Aber Frau Lydia sagte: »Ei
senbahn — keinesfalls! Du willst
mich natürlich langweilen! Nein, wir
nehmen Extrapost, wir haben ja Zeit
genug.«
So ging es in langsamer Fahrt
iiber die alte Poststraße, durch eisige«
Einsamkeit und weltferne Passe. An
einer Stelle bot der Postillon seine"
Gäste auszusteigent
»Ich fahre eine Schleife, die herr- -
schaften gehen am besten den Fußweg
direkt. Er ist zu eng für Fuhrwerte
Jn einer Stunde am Madonnenbild
warten wir auseinaner
Damit bog er seitwärts ab. und
das Ehepaar war allein. Als sie eine
Viertelstunde gegangen, verengte sich
der Pfad. Links erhob sich eine
schroffe Wand, rechts fiel in eifige
Tiefe der Abgrund. Ganz unten
rauschte nicht sichtbar, ein Sturzbachl
oder ein Gletschersluß.
»Der Teufel bietet mir die Hand " ’
dachte Sabonoff. Niemand war zu(
erblicken, driihen nur Eisfelder. oben
nur tiefblauer Himmel. Nirgends ein
Zeuge. — Ein rascher letzter Ent-;
schluß —- eine kurze Wendung —
Frau Lhdia schrie ganz leise auf —
ein Sturz — nachpolternde Steine ——
vorübet!!!
i
Z
O f L
Eine halbe Stunde später sand der
Postillon den verstörten Fahrgast mit
zerrissenem Rock, blutenden Händen
und rollenden Augen am Madonnen
bild. Jn schnellster Fahrt, so gut es
die Straße gestattete, aing es hinun
ter zum nächsten Dörfchen, wo noch in
vorgerückterTageszeit eine Wiss-expe
dition eintraf. Bis sie an Ort und
Stelle des Absturzes eintraf, waren
neun Stunden vergangen.
»Es wird nicht viel zu helfen sein,«
sagte der greise Führer, »ste ist ver
mutblich gerade in das Eisloch ge
stürzt, 600 Meter direkt in die Tiese
und unten Eis und meterhoher
Schnee.«
»Man m u ß die Leiche bergen!« be
sahl Sabanoss.
»Leicht gesagt, lieber Herr, aber
nicht auszuführen Dahinunter wagt
sich keiner, und wenn Sie Millionen
bieten. Vielleicht spült der Bach im
Lause der Zeit die Leiche heraus —
obwohl ich es auch nicht glaube.«'
»O Gott, o Gatti«
«Seien Sie ruhig, lieber Herr, das
war ein schneller Tod. Schneller
kann es garnicht gehen. Das Ein
zige, was Sie thun können: Lassen
Sie eine Messe siir die arme Seele le
sen, die nun im Himmel ist.«
»Eine Messe ——— zwanzig —- hun
dert! Alle Jahre, jedesmal am Jah
restag soll hier oben Gottesdienst
sein, solange ich lebe —- Gottesdienst,
zu dem ich Euch alle einlade —. o ich
Unalijcklisher ich Elender!«
Er ließ sich gebrochen weasiihren
und reiste noch am nächsten Mittag
von dannen, nachdem er 1000 Franks
dem Dorslirchlein und ebensoviel den
Jännern der Hilssexpedition gestastet
atte —- — —
Zu derselben Zeit aber, wo ihn der
Expreß nach Paris trug, saß itn hotel
Belvedere zu Pallanza am Lago Mag
giore Frau Lhdia in tiesen Gedanken.
Frau Lhdia, die Todte! Sie war ge
stürzt, aber nicht mehr als S oder 7
Meter tief; da hatten sich ihre Röcke
an einer vorspringenden Kante und
Wurzelweri versangen, und bis auf
einige Kratzwunden unbeschädigt,
hatte sie sich so lange aus dem schma
len Grat gehalten, bis ein einsam des
Weges sama-endet Flurschiitz sre aus
ihrer gefährlichen Lage mit hilse ei
nes Taues hinauszug. Der hatte sie
bij nach Uirolo hinunter-begleitet und
egen eine stirstliche Geldspende ver
sprechen missen keinem Menschen ein
Wort zu sagen.
»Zu· Niemand, hören Sie?«
»An Niemand —- beim Allmächti
geni«
Run saß sie und sann aus Rache.
Den Gerichten auseing Was
kommt heran-I Ein paar Jahre Ge
fängniß! Und er wird sich heraus
reden ich sei selbst an dem Absturz
.schnld gewesen O nein! Er muß
Tempsindlicher bestraft werden!
— Noch ans selben Tage ging ibr Te
stament an Nichte Sonja ab, datirt
m« Florenz und acht Tagen srjiher.
Darin hiehei Mein ganz-es Ber
nehm soll nach meinem Tode unan
, .
stastbar sein, soweit es das Kapital
Hbetrifft Die Zinsen genießt zur
sphiilfte meine Nichte Sonja, zur Osts
te mein Mann. Nach ihrem Ablehen
fällt alles an das Petersburger Ar
Hmenhaus!"
; Dann warb Frau Lydia einen er
Hfahreren Detettiv, der viele geheime
jAuftriige erhielt, und nachdem dieses
alles besorgt war, fuhr sie nach Eorfu,
sum still der weiteren Entwicklung der
jDinge entgegenzuharren. —- — — —
i Der Winter, der Lenz und der
zSommer kamen. da bewegte sich an
seinem schönen Morgen ein feierlicher
qug vom Alpendorf hinauf nach der
shöhe des Eispasses. Boran die Chor
jtnahen mit Räucherfaß und Weil-zwe
idel, dann der Glöckner mit der Schelle.
Hendlich Kruzifix und Pfarrer; dahin
xter aber um den tiefschwarz geklei
sdeten Dr. Sobanoff — der erheblich
dicker war und nur wenig leidend
aussah-das ganze Dorf, Jung und
Alt, alles was laufen konnte, an die
hundert Menschen oder mehr. Oben,
an der Platte, unterhalb deren ein
verwitterter Baumstumpf und ein
brauner Gtat hervorragt und dann
die eisige Tiefe gähnt, wurde halt ge
macht. Der Zug gruppirte sich, tso
gut es der schmale Raum gestattete.
Nun klangen feierlich die Hymnen
zu Ehren der Heimgegangenen, ge
tragene Klänge, die drüben das Eis
feld leise wiedergab. wie Stimmen
aus der Ewigkeit. Dr. Sohanoff
weinte. daß ihm die Thränen in den
Schnurrhart liefen.
Dann trat der Pfarrer vor, seltsa
men Ernst in den greisen Jägern Ihn
mariiger Rede schildert er ie Gefa -
ten der Berge, die entsetzlichen Vor
gänge jenes Tages vor Jahresfrist,
den Eintritt der armen Seele in das
Jenseits, die ohne letzte Wegzehrung,
ohne Buße und Beichte von jähem
Tode errafft worden war.
»Eine Frau in der Blüthe der
Jahre«, sagte er, »groß und blond,
ganz wie sie teil-te und lebte. so tritt
ihr Bild vor das geistige Auge des
Cheugten Ehemannes zu dieser
Stunde. Jn seinem Herzen tönt es:
Treue Gefährtin meines Lebens, für
ewig Geschiedene, ich denke Dein, Du
bist unvergeßlich —- Daß Du noch
einmal wiedertrhren tönntestt«
Thränrnden Auges schaute Dr.
« Sobanoff zu dem Redner auf, der in
den Abgrund binahsprang und an
dessen Seite seht eine tiefverschleierte
"Frau erscheint —- woher sie tam, hat
Niemand gesehen. Die legt nun die
Hand auf den Arm des Priesters.
Schweigen gebietend. und zieht lang
; sam und wortlos die Hülle vom An
« gesicht . »
I Eine Setunde herrschte tiefe Stille,
nur unten das Rauschen des Eis
baches und oben am blauen himmei
der Schrei eines Raubvogels.
Dann greift sich Dr. Sobanoff mit
beiden Händen an den Kopf, die Au
gen treten ihm aus den Höhlen, ein
Zittern durchläuft feine ganze Ge
stalt. Er will aufschreien, aber die
Stimme versagt; er will entweichen.
aber die Kniee wanten. Einmal, zwei
mal ringt er nach Luft, dann bricht
er zusammen, vom Herzschlag ge
treffen.
Und die Frau im Schleier legtihre
beiden Hände ineinander und sagt,
den starren Blick auf den Sterbendin
gerichtet:
»Miirder!« —————
Schtö«er’5 gute Gedanken.
Skizze von M. v. L i’g n i y.
»Se müssen die Gierlande en biß
chen straffer ziel)’n, Schreder, so’ne
lange Birne-lage sieht nich jut ausl«
»Um Gottes Wüllen nücht, Schüs
der, die Gsiirlande muß lescheer hän
gen! Fräulein Schmidt von die
Schneideratademie in Berlin sagte
uns iinnner: ,,lescheer muß allenö fal
len, daß man gleich sieht eine schen
jale Hand hat es gemacht!« ·
»Die eene meent straften die gn
dere läschär — da ist es schon am
besten ich mach? wie ich’s jut finde,
dann kann ieene nischt sagen!« er
widerte der philosophische Schrot-en
indem et kräftig darauf los häm
mette.
Als sein Werk vollendet, stieg er
befriedigt die Leiter hinunter, um
den »Totaleindruck« wahrzunehmen
Die Guirlande machte sich wirklich
hübschl Jn der Mitte leuchtete das
grellrothe Schild mit dem üblichen
Willkommensgruß —- nur das eine
Ende wer zu lang und setzte den
Boden, das gab der Sache ein schieer
Aussehenl
Mißmuthig blieb Schriider eine
Weile davor sieben, doch plötzlich
bellte sich seine nnzusriedene Miene
auf. »Lisette,« rief er, »sm se so
jut und lassen le den Männe ans die
Eiche nnd bringen se mich en Stöck
Bindsaden mitt« Lisette, die iust
den- Kortidor aufevischte —- schlurite
eil· von dannen ——, Schriider’s
BE che erfitllte stets bereitwil
ligstl Gleich daran ertönte ein fröh
lichei Gebell. tithinne, ein krumm
deinigen hellbranner Teckeh stürzte
Heielcgt auf den Flur. »Komm mal
her, Männecken.« tiej Schtöder nnd
hielt den herbeischwcinzelnden bund
am halsbond fest, «nu sollste auch
zikr Bertißung jepußt wäret-, passe
mal nist«
Er schlang das Guirlandenende
tun Männe’j Hals, knüpfte ei mit
dein Bindfaden aneinander· m
teennte mit tühnem Schnitt ds
Ende —- nun war die Symmetrie
wieder hergestellt, beide Seiten egal
und nebenbei Manne herrlich ge
schmücktl
»Gucten Se doch nur den scheenen
Menne« Minna,'· ries Lisette begei
stert, »det war en zu juter Jedante
oon Schredern, iewerhaupt, was der
immer sor jute edanten hat! aben
Se schon den hi schen, rothen asten
mit die Joldbcschliige jesehni — er
steht in’ hauptmann sein Zimmer
det war ne eenasche Buttertiste!«
Das Rollen eines berannahenden
Wagens unterbrach das Gespräch. —
Schröder stiirmte die-Treppe hinun
ter, gefolgt von dem laut lliissenssden
Teclel; gleich daraus ertönte eine fri
sche, giitige Männer-stimme »Tag’
alter Schröder, -—— na Männe bist du
auch da und so schön geschmückt?
»Komm, tleiner Kamerad, gib
deiner neuen Herrin die Pfote, —
so, —und nun zeig uns den Weg!«
Männe jagte in wilder Hast, sich
überstiirzend, davon, während der
Hauptmann seine blonde, «unge Frau
sorgsam die Treppe hinan-führte
Vor dem geschmückten Portalblie
ben sie einen Augenblick stehen. Tie
ses Glück durchbebte die Stimme des
Mannes, als er ihr leise ins Ohr
sliisterte: »Jetzt geleite ich meine lleine
Königin in ihr neues Reich!«
Erwartungsvoll standen die Mäd
chen im Korridor. Lisette strecktetrem
herzig ihre biedere Rechte der Herr
·schast entgegen, während die »gebiil
dete« Minna. einen tiefen, windschie.
sen Knix aus dieErde setzte, den sie.
wie sie später behauptete, Fräulein
Schmidt von die Schneideralademie
abgeguckt!
Die junge Frau schien aus einer
Ctliickswolte dahin zu schweben Ihre
großen, blauen Augen strahlten und
das zarte Antlitz leuchtete in rosigenr
Schimmer, als sie Besitz von dem
neuen Heim ergriff!
i L I
Die dicke Küchensee hatte bald her
aus, daß «ihre Jniidrge« ooch janz
und jarnischt von die Kiche verstand!
Minna schien der jungen Herrin
unentbehrlich zu sein« »Welches Glück,
daß diese ver-wähnte Dame in meine
gebülsdete Hände gekommen ist, was
sollte sonst aus ihr werde-W
meinte sie.
Schröder enthielt sich jeder Kritik.
Nur einmal, in einer zärtlichen An
wandlung, als Lisette sein Wurstbrod
extra dicl belegt, ließ er sich zu der
Bemerkung herbri: »Wenn ich so ’ne
Zarte wie unser Hauptmann hätte,
thäte ich Angst haben ihr en Kuß zu
jeden, daß se entzwee finge. Mein
Jeschmach is anners!« Dabei tät
ichelte er liebevoll die pralle Wange
der erröthenden Lisette.
Die junge Gnödige selbst schien so
weit mit ihrer Umgebung recht zu
frieden zu sein. Sie ließ sich von dem
Gatten verwöhnen, von den Leuten
bedienen und lag die meiste Zeit in
dem sonnigen Verandazimmer aus
ihrer Chaiselongue und las. Nur
einen gab es, mit dem sie sich absolut
nicht ansteunden konnte, und das
war-« Männe.·
Merrwuroeg, naß ihr Mann gar
nichts von ihrer Abneigung bemerk
te, oder wollte er es einfach nicht?
Als Männe. nachdem er sich alle
möglichen Unarien hatte zu Schul
den kommen lassen. in unglaublicher
Herzensroheit ihren neuen blauen
Seidenpcntosfel erwischt, damit wie
toll umhergerannt nnd ihn endlich
zerpflückt hatte, war das Maß sei
ner Sünden voll. Die kleine Frau
versicherte mit zornbebender Stimme,
das unausitehliche Thier nicht eine
Stunde mehr um sich dulden zu wol
len. Als der Gatte die Ausgereate zu
beruhigen versuchte und dabei seinen
kleinen Freund in Schuh nah-m, gab
es eine schlimme Szene, unter leiden
schafttichen Thriinen erklärte die jun
ge Gattin, —- —-- »er oder ich!« —- —
Da gab es natürlich nur «eine
Wahl, zumal der Doktor augenblick
lich große Schonung verordnet und
jede Aufregung ängstlich vermieden
werden mußte —- ——— Manne wurde
in den Pferdestall verbannt.
Zuerst glaubte er, es sei ein schlech
ter Wis, den man sich mit ihm er
laube, als ihn Schröder mitsarnmt
»dem rothen Kasten hinabtrug. Als
aber sein herr, — sein guter herr,
nach unausgesetztem geduldigen Be
mühen, Manne an das neue Quar
tier zu gewöhnen, ihn rnit der Reit
reitsche züchtigte —- hatte er enldtich
begriffen. —- Zwar zürnte seine
harmlose Hundeseele nicht, nur die
. überschäumende « Lebensfreude hatte
einen Dämpfer erhalten, er fand das
Dasein nicht mehr so unaussprechlich
schön. Immerhin gab es doch noch
eini e lichte Augenblicke, zum Bei
fpie wenn der hauptmann im Stall
erschien und bevor er sein Pizrsd be
stieg, Männe liebte-ste, sieh von ihm
seine Kunststück vor-machen ließ und
aus vollem derzen heraus lachte wie
einst, zu Männes unssglicher Freude
Jedoch auch diese Linsen Momente
des Glückes wurden seltener. Auf
dem freundlichen Gesicht des Haupt
manns tagerte .seit einiger Zeit ein
sorgenvollen ernster Zug. Ja, eine
; Zeit tam, da et überhaupt nicht mehr
’ den Stall betrat.
Aus Manne schien das Benehmen
seines Gebieters eine iible Wirkung
auszuüben Wenn er nicht triibseli
in seinem Kasten lag, milderte er aus
den Gassen herum oder zantte sieh
mit anderen Hunden der Nachbar
schaft. Sein seidenrveichet Fell war
itr-uwia, die Augen betamen einen
Mseweifeh
»Du, Etna, das neue französische Ehedkama hat mit großartig ge
l fallen —abet gelt, man darf-Z glcuh’ ich, eigentlich nicht sagen?«
. .
n nichts
nnsteten trüben Glanz. i
mehr erinnerte ’er an den gepflegten
oerhätschelten Männe von einst.
So laa er eines Tages mißmuthig
vor dem Thor, als zu feinem Erstau
nen sich das Haus mit Menschen an
siillte. Blitzen-de Unisormen., schwarz
verschleierte Damen, dazwischen ernste
Männer mit hoben schwarzen hüten.
Vor dem haus stand die Kapelle des
Regiments, und unter weichen,
schwermiithigen Klängen trug man
einen blumengeschmüctten Sarg her
aus. Wie gebrochen wankte die hohe
Gestalt des hauptmanns hinterher.
Manne beobachtete alles mit weit auf
gerissenem entsetzten Augen. Sein
Hundeherz schlug schwer und bang,
er hatte die Empsindung, man beaebe
an seinem Herrn ein furchtbares Un
recht. Gleichsam schüßend eilte er an
dessen Seite, doch plötzlich packte ibns
eine rauhe Faust, jemand riß ian
empor und schmiß ihn in den StallJ
die Thür fest «uschließend.—Dumps;
hallten die Klänge der abziehenden
Musik an sein Ohr, daß er laut aus-;
heulend m seinen Kasten kroch. .
Die Gebiildetc und Lisette verlie-«
szen das Haus.
»Wir müssen jetzt fparen". meint-e
Schröder. als er die letzteWurststulle,
von Lisettens Hand bereitet, weh
nciithig in Empfang nahm. »Die
Krankheit von die Jniidige hat zu
viel jetostet, is— oberst Lisettchen im
Herbst machen mer Hochzeit, bis da
hin muiz ich vorn Hauptmann sor
chen!« »
»Was sollte der wohl ooch ohne
dich anfangen, wo ich nu auch jehe!«
meinte das schluchzende Mädchen.
Dann erfolgte ein zärtlicher Ab
schied drunten im Stall, ohne Zeu
gen, nur Männe blinzelte ein wenig
aus seinem Kasten, jedoch er war
distret und verrieth nichts.
Traurig schiichen die Tage dahin.
Sorgsacn Hereitete Schriider die
feinsten Abendimhisse,« Spiegeleier
aus Speck oder Rollmops mit Sens
sauce, was ihm in früheren Zeiten
höchstes Lob eingetragen —- vergeb
lich, der Hauptmann bemerkte es aar
nicht, fast unangeriihrt mußte er die
Speisen wieder hinaus-tragen Und
dabei der Blick dieser einst so fröhli
chen Augen. Schröder vermochte es
nicht länger mehr zu ertragen!
Gab es denn nichts. gar nichts.
was seinem Herrn ein wenig Trost
gewähren tonntei Er stützte die Hän
de auf den Küchentisch und sann, der
Kops that ihm ordentlich weh vorn
vielen Denken, und plötzlich tauchte
blihartig ein Gedanke vor ihm aust
Er stürzte die Treppe hinunter und
eilte in den Stall. »Mönne. Män
neclen«, ries er schon von weitem.
Melancholisch schlich der bund her
an. Schriider ergriss die große Bürste
und begann energisch Mönnes Fell
zu benedeiten. Der Hund lectte lieb
tosensd Schriiders breite hand. End
lich erhielt das vernachlässigte Fell
wieder Glanz, glatt gestriegelt stand
Männe schwanzwedelnsd vor ihm!
»Nun tannst du dich wieder sehen las
sen, oller Nacker!« sagte Schriidet zu
frieden und begann den tleinen rothen
Kasten heftig zu poliren. Als auch
dessen trübe gewordenen Beschläge
wieer hell erglänztem packte er
Männe und seine Behausuna unter
den Arm und trug bei-es die Treppe
hinaus. Bdrsichtia näherte er sich der
Thür sines deren, —oinen Augen
blick ieh er zögernd davor stehen,
dann Zinete er sie leise und ließ
Mönne hineinnleiten
Ausdrulend vor Freude stürzte das
Thier seinem herrn entaegeni
hergilopiend ichob Schröder den
rothen Kasten litnein, einen Augen
blick lauschte er atirtnlos. Würde der
here empörend aussahreni Er war
so unherechenbar in der lebten Zeit!
Da tönte die Stimme des Haupt
manns an sein Ohr-, weich und gütig
wie einst, ohne den harten, rauhen
Mast-f
,, Sinne, lieber. kleiner Kamerad,
nun wollen wir zwei wieder beisam
men hieibeni« .
Beine Ton der alten Stimme sschloi
r- we
Schröder leise die Thür, ein paar
viele Thränen rollten über das treu
herzige Gesicht und plöhlich sah er im
Geiste seine Lisette vor sich und hörte
sie bewundernd sagen: »Schröder,
det war en suter Jedanlesp
Lob der Odnseseverm
Jn den ersten vier Jahrhunderten
n. Chr. scheint man sich immer noch
ausschließlich des Rohrs bedient zu
haben und jeder Versuch, ein elne
Stellen der alten Dichter etc. au die
Anwendung von Federspulen beim
Schreiben zu deuten, ist nicht zutref
fend. Dagegen gibt es aus dem
fünften Jahrhundert schon ein be
stimmtes Zeugnisz über diese Verwert
dung der Federn, und zwar sogar in
Bezug aus den Gebrauch, den ein
König davon machte. Es wird näm
lich erzählt, der ostgothische König
Theodorich habe· sich während seiner
zehnjährigen Regierungszeit die Fer
tigkeit nicht aneignen tönnen, vier
Buchstaben unter seine Verordnungen
zu -chreiben. Man habe ihm daher
ein goldenes Blech gegeben, worin die
vier Buchstaben ausgeschnitten gewe
sen; dieses habe er vor sich aus das
Papier gelegt und danach die Buch
staben mit der Feder gezogen. Es
leistete ihm also sein Blech dieselben
Dienste, siir welche sent die soge
nannte Schablone bestimmt ist. Für
uns Hat diese Erzählung hier los
Jntere e in Beng aus den Mitge
brauch der Schreibsedern; übrigens
ist es nicht unwahrscheinlich, daß
auch Theodorich’s Zeitgenosse, der
Kaiser Justinian, der ebenfalls nicht
schreiben tonnte und sich daher zu den
Unterschriften einer hölzernen Tafel
mit auggeschnittenen Buchstaben als
Schablone bediente —- wabei er sich
sogar noch die band führen ließ —
Ischon Federn zur Verstellung seiner
Unterschrift angewendet habe, obgleich
sich dies aus dem von dem Ueberlie
ferer dieser Nachricht, Procopius,
gebrauchten allgemeinen Ausdruck
«Schreib-Jnsirument« nicht mit Br
stimmtheit schließen läßt. Seit dem
Ende des sechsten Jahrhunderts und
dem Anfange des siebenten Jahrhun
derts mehren sich die sicheren Zeug
nisse über den immer üblicher werden
den Gebrauch der Schreibsedern. So
rechnet z.B. der in diese Zeit gehs
rende Jstdorus Hispaniensis schon
iebensowahl Federn, als Schreibrohre
Hiu den Schreibmaterialien, gibt den
iUnterschied zwischen beiden genau an
Eund bemertt auch ausdrücklich daß
man die Spitze der Feder spalten
müsse. Ebenso gehört hierher ein
allerliebstes Gedicht des im Jahre
709 verstorbenen Dichters Adelhel
mus, des ersten Sachsen, der in latet
nischerSprache schrieb und seine deut
schen Landsleute rnit der lateinischen
Dichttunst betasnt machte, worin er
geradezu die Schreibseder setbstredend
einführte. Auch Alruim der Zeit
aenosse und Lehrer Kaiser Karls des
Großen« ver-fertigte etwas später, im
achten Jahrhundert, ein Gedicht, wel
chei der Schreibsedern ausdrücklich
gedentt. .
Spietveroeeoer.
Eine kleine Gesellschaft sideler Her
ten wird irn Hochgebirge vom Unwet
ter überrascht und muß zwei Tage
unsreiwilligen Aufenthalt in einer
Hütte nehmen« Nachdem alle mögli
chen Mittel zur Verireibung der
Langeweile erschiipft sind, kommt
einer auf den geistreichen Einfall:
Wer das diimrnste Gesicht machen
kann, solle eine Prämie erhalten. Der
mit Beifall aufgenommene Vorschlag
wird sofort in die Wirklichkeit umge
setzt und Plöhiich erschallt es unisono:
»Herr Assefsor Möller hat gewon
nen.
Dieser aber platzt empört heraus
»Meine Herren das verbitte ich mir,
ich habe ja gar nicht mitgespielt.«
Wir lernen die Menschen nicht ten
nen, wenn sie zu uns kommen; wir
müssen zu ihnen geben« um zu ersah
ren, wie ei mit ihnen steht.