Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 13, 1907, Sweiter Theil., Image 6

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Morgenröthe.
Rnfsiichet Raum us det Gegenstt—-Bou E. Gent-w
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Ewioowo
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(7. Fortsetzung)
Draußen fuhr das geheizte neue
couve des Großtaufmanns vor, das,
auf Schlittentufen gestellt. von drei
feurigen Trabern gezogen wurde.
Stolz und in seinen Pelzen wie eine
unförmige Masse ausschauend, saß der
Kutscher auf dem Sitz. Beide Arme
weit vorgestreckt und in den behand
schuhten Händen die glöckchenbesetzte
Leine. Der Schweizer hielt die Wa
genthiir auf und deckte Vater und
Tochter mit der warmen Decke sorg
lich zu, alt sie eingestiegen waren.
So jagten sie Moskau, durch einen
scharf einsehenden Schneesturm dahin
rasend, zu. — Jm Couve war es ge
miitblich und still.
Zuerst hatte der alte Tarasow die
blasse Tochter heimlich schweigend
beobachtet, dann nahm er plötzlich
ihre Hand. »Marja, im Ernste ge
sprochen,« sagte er, »die Rahdells sind
eine vornehme alte Familie. Auch der
schöne Doktor gefällt mir gut. Wenn
er noch nichts verdient oder selbst
Schulden bat, so will das bei einer
Tarasow wenig sagen. Meine Ein
willigung hast Du fiir ihn lieber als
fiir einen heruntergetommenen Für
sten!«
»Jch danke Dir, Vater, aber ich
heiraQtJe Herrn Doktor von Rahdell
Jn den bestimmten Worten lag ein
solcher Schmerz, daß Tarasow sich
ans umwandte und sein Kind prä
d anblickte. »Und willst Du mir
nicht den Grund anvertrauen, Maria?
hast Du etwas Schlimmes über ihn
"« MAT«
»Ja, Vater, auch er ist ein Spie
ler, der die Nächte durchjubelt!« ent
gegnete sie bitter.
»Auch er? Kind, das nimm nicht
wand-, da- thmk ane! Jugend hat
keine Tugend! Jst Andrei bessert
Oder irgendein anderer?«
»L«o«nnteft Du als gewissenhafter
Vater wünschen, daß ich Andrei oder
irng Einen dieser anderen heirathet«
r schwieg betroffen. Endlich sagte
er: »Weißt Du, Maria, das ist etwas
anderes! Der Rahdell ist Deutscher,
nnd mit denen kann eine geliebte Frau
alles machen! Bei dem ist der Fond
solide; Vater und Großvater und Ur
grvsuater solide!«
»Du bist Andreis Vater, und Dein
Vater war ein Ehrenmann!«
»Trvtzdem, Kind, trotzdem! Nusse
und Deutscher, da ist doch ein Unter
schied, das muß ich selbst zugeben.
sIch habe es mein ganzes Leben in
meinen Fabriten immer wieder erprobt
·und beobachtet. Wo ein Deutscher
hintommt, ist Sauberteit, Fleiß,
Pflichttreue! —- Und darum wirf den
langen Riesen nicht so einfach über
Vord, nimm ihn Dir ins Gebet, und
hsre einmal erst. wie er sich Deinen
Intlagen gegenüber ans der Affäre
sieht. Nur nicht so schnell einen Men
schen beiseite werfen.«
»Sei unbesorgt, Vater, er wird
nicht komm-ent« sagte sie herb.
»Woraus schließt Du das, Marja ?«
sragte er gespannt.
- -
»Ct sagt Uvetau Co, wo er mur)
treffen könnte, und war lange Zeit
nicht bei uns. « Schmerz, Kränkung
und Jammer überwältigten das Mäd
chen derart, daß es den Kon rasch
abwandte, um nicht laut aufzuweinen
Tarasow streichelte Marias zuckende
nd. Es kommt alles besser, als
udenksi, baß auf, Kind!« tröstete er
Und der Mann, der über Tausende
herrschte, fühlte jetzt, da er die Tochter
leiden sah, eine beinah unmännliche
Rührung. Finster grübelte er vor sich
Das war nun schon das zweite
mal. daß sein schönes, begabtes und
nichts Kind um der Liebe willen litt
wie das ärmste Mädchen aus dem
Volke. —
Diese Erwägung empörte ihn der
art, daß er-beschloß selbst diesmal die
Sache in die Hand zu nebmen und
seibe mit dem Arzte Rücksprache zu
nehmen·
Schweigend grübelnd legten sie den
se- bis zum Palais Tarasow zuriick
isie ausstiegen, hörten sie daß die
chasten schon warteten, um zu
isch geben zu können.
«Stud Gäste das-" fragte Tarasow
»Den Baron Doktor von Rahdell,
sen Graf Macke und herr von Wit
Ut« meldete Monsieur Robert der-ot.
Zorns-no psisf durch die Zähne und
M die nrstbende Tochter an. So
« sollen wir rasch Toilette machen, daß
sama nicht schilt und unsere Gäste
Ansehn-gern Pa, idiom, Mar
ist« war m gehe-so
10.
« Messen hausberrin war durch
»in Inn-einer von Wut-r der ihr
— pfui-H den Hof machte, in An
« . - Graf Meere hatte
let-i how-ca und Frau von
-Mukei und mit ihnen leb
hast geplaudert. Jedoch während der
Unterhaltung beobachtete er den
Freund, der im Rebensalon einen
Glasschrant mit Miniaturen zu stu
diren schien, in Wah eit aber in net
oöser Unruhe aus « ie Kunstwerke
starrte, ohne sie zu sehen.
Als der Schlitten in die Einsahrt
gebogen und ein elektrisches Glocken
zeichen dem Koch im Souterrain das
Erscheinen des Hausherrn und das
Zeichen zum Anrichten gab, entschul
digte sich Margot und stürzte hinaus.
Es drängte sie, die Freundin von dem
Dasein Rahdells zu unterrichten. Frau
Tarasow richtete gerade eine Frage an
Frau von Jagow, und so war der
Gras endlich in der Lage, zu dem jun
gen Arzte zu eilen.
Hastig neben ihn tretend, sagte er
leise: »Wenn Sie Marja Sergejewna
nicht vor der ganzen Stadt kompro
mittiren wollen, so haben Sie die
Pflicht, um sie noch heute anzuhalten»
Doktor! — Die Art, wie man Sie
ausathmend begrüßte. die Erregung,
welche aus der Unterhaltung ihrer
Freundin und ihrer Gesellschaftsdame
spricht, geben mir den klaren Beweis,
daß man auch hier im Hause Jbre
Werbung erwartet. —- Wozu wollen
Sie sich und das Mädchen, welches
Sie lieben, guäleni«
«Wie kann ich es wagen?« sragte
Boris müde.
»Sie können nicht nur, Sie müssen
es, nun, da Sie das haus wieder be
treten haben! Um so mehr, als die
Gründe, welche Sie mir sriiher an
siihrten, nun in Wegfall kommen!«
Rahdell schloß eine Sekunde die
Augen. »Ich mache mir Gewissens
bisse. Jch frage mich, ob mir das
Recht zusteht —«—-«
«Zu dem allen ist es jeßt zu spät,
lieber Freund! Gehen Sie jetzt we
nigstens den geraden Weg! Jch meine
es gut mit Ihnen, das wissen Sie.
Wenn mir auch Jhr Anschluß an Ta
rasow junior, Jhr ganzes Verhalten
in den letzten Wochen volltomrnen un
verständlich war,« sagte der Gras
emsi.
x .Jch war mir selbst ein Räthsel,«
entgegnete Paris; »ich raste blos wie
eine führerlose Maschine. Nur nicht
denken! Nur übertäuben2 Nur —
———« Er brach ab, denn Margot Haß
ling kam zurück. "
Sie eilte aus ihn zu und mit glück
seligem Ausdrück, die Augen lachend,
verschmißt, schaute sie zu ihm empor.
Aus eigener Ueberzeugung beschloß
sie, das Geschick der Freundin etwas
zu fördern und ihm wie dieser zu hel
fen. «Marja wird sogleich erschei
nen,« sagte sie schelmisch. »Natürlich
war sie wieder aus den Werten! Wir
waren sehr böse, daß Sie sich so lange
nicht sehen ließen und konnten uns
gar keine Erklärung für Jbr Fern
bleiben geben! —- Wahrlich, herr
Doktor, Sie müssen sehr lieb und
brav sein, um uns wieder zu versöh
nen!«
»Ich werde mich bemühen, mein
gnädiges Fräulein,« meinte er, sich
verneigend.
»Das müssen Sie auch,« suhr sie
fort. ,,Marja wollte gar nichts mehr
von Ihnen hören. Erst theilen Sie
alle ihre Interessen. sind täglich bei
uns, und plötzlich bleiben Sie einfach
ohne jeden Grund fort; nicht etwa,
weil Sie trank oder beruflich verhin
dert find, o nein, sondern einfach, um
mit Herrn Andrei Tarasow auf seine
Art Moskau zu studiren. Was war
nur in Sie gefahren?«
« »Mehr-ten Sie an, daß es mein böser
Dämon war!« sagte er so schmerzlich,
daß sie stutzte und ihn befremdet mu
siertr. «
Gras Macke lenkte die Unterhaltung
geschickt in harmlosere Bahnen. Er
neckte die junge Deutsche unablässig,
bis der alte Tarasow hinzulam und
alle Anwesenden begrüßte.
Seiner Gattin küßte er die Hand
und sagte lachend: »Marja wird wohl
gleich erscheinen ; aber bei Euch Damen
geht es nicht so schnell mit dem Tot
lettenwechsel wie bei uns herrenl«
Dann theilte er allen Händedriicke
ans und tam auch zu Boris. »Will
konunem mein lieber Doktor, Sie habe
ich schon sehr vermißt,« sprach er be
tont. »Na, es ist schön, daß Sie wie
der hier sind; aber solch lange Pause
dürfen Sie uns nicht mehr machen.
Sie wissen, daß Sie mir stets sehr
willkommen sind, stets!«
»Ich danke Jhnen für diesen
freundlichen Empfang Herr Tara
sow!« erwiderte Boris und reckte sich
hoffnungssroher empor. »Ich werde
von Jhrer gütigen Erlauniß viel Ge
brauch machen-«
«Thun Sie das nur, es soll mir
lieb seinZDoktort Jch hab’ nnn ein
mal eine Schwächesziir alle Balten und
eine besondere siir Mitglieder Ihrer
Familie Das ist Kernholz, woraus-s
Sie Mich-ist sind! Das sage ich weil
ich Ihren Herrn Vater und Jhre On· !
tels tenne!"
Boris konnte sich nur noch dankend
verneigen, dann wandte er sich mit den
übrigen dem Eingang zu, vor dessen
blaugriiner Portiere jetzt die Tochter
dei hauses erschien. Maria Serge
Jjewnas Antliswar so weiß wie das
schneeige Tuchtleid, das ihren herr
lichen Wuchs enganliegend umspannt-.
Nur ein Perlenhalsband bitdete den
einzigen Schmuck der in seiner Ein
fachheit doppelt distinguirten Totlette.
Mit ruhiger Freundlichkeit be
grüßte sie die Eltern und die Gäste.
Als Rahdell ihre Hand geküßt-hatte,
sich ausrichtete und sie anschaute, da
stockte einen Moment sein herzschlag
so schmerzvoll war der Blick der
schönen rehbraunen Augen, der ihn
traf. —- Jn diesem Augenblick wurde
zu Tisch gebeten
Er verneigte sich und bot ihr den
Arm, in den sie taum merkbar ihre
hand legte. So saßen sie bei der
Tafel in dem strahlenden, prunlhas
ten Raum einander gegenüber, die
beseeundeten Paaret Macke und
Margot, Rahdell und Maria. Alle
wußten, daß der heutige Tag noch«
eine Entscheidung bringen wiirde
Und jeder von ihnen bemühte sich
wahrend des Speisens das Ge-;
spriich in Fluß zu erhalten ?
,,,Nun lieber Rittmeisier was sa
gen Sie zu den Verhandlungen Ja-.
vans mit unserer Regierung? Meinj
Börsenvertreter berichtete mir tele
phonisch von ziemlicher Erregung an
der Börse. Wie denkt man in Offi
zierstreisen über einen Krieg?'
»Aber ich bitte Sie Sergei Wassil- ;
jewitsch,« sagte Wittel und lachte
den Großindustriellen spöttisch an,
«Japan und Rußlandi Die lleineni
Schlihaugen werden doch nicht die Un
verschämtheit haben, uns in einen
Krieg zu verwickeln! Das wäre ia
gerade, als ob eine Maus einen Lö
wen attackirte. So dumm sind sie
nicht. Vöchstens machen ihre Dipte
maten sich durch ihr Geschrei ein we
nig mausigk
Tarasowi starke Finger beut-heite
ten seinen Bart, dabei wiegte er sin
nend das haupt.
.Nun, davor, daß wir mit der
Maus sertig werden und sie zulest
ausfressen, ist mir nicht Angst; Ader
Ungelegenheiten wird es uns« dennoch
machen, wenn wir in Ostasien Krieg
bekommen, und iiber die Leistungsfä
higteit der sibirischen Bahn bin ich mir
auch noch nicht sehr im Klaren Meine
Direktoren in der Wladiwostoler Fi
liale haben da so ihre etwas pessimi
stischen Privatansichten«
»Die Bahn tommt erst in zweiter
Linie in Frage,« antwortete der Ritt
meister, »ehe wir Truppen hinzubefor
dern brauchen, hat unsere Flotte schon
ganz Totio und Nagasaki in Trüm
mern bombardirt. Aber so weit tommt
es nie!«
»Mir scheint. als verdanken wir die
sen Salat unsern lieben Freunden,
den Englandern!« erwog Tarasow.
«Denen werden wir in Asten zu
mächtig, und damit wir Sibirien
nicht erst ganz tolonisiren und anni
ren hehen sie ein bißchen die Japaner
gegen uns. Wenn die nicht an diesen
englischen Schelmen einen tüchtigen,
vetuniiiren Rückhalt hatten, wagteni
sie nicht zu mucken.«
»Sie werpen oaiv ein paar aus vie s
frechen Mäuler erdalten,« mischte sich ;
Macke ins Gespräch, »wir müssen
eisireie häsen bekommen und an den »
Ozean, und das können wir nur.
durch die Mandichurei und die all-«
miidliche Annettion von Korea. Da
hilst kein Bellen und Beliern!«
»Wie man mir erzählte, haben -
unsere Großfiirsten kolossale Wal
dungen dort zum Spottvreise erwor
den, was aar keine schlechte Spekula
tion der hohen Herren ist, wenn es
auch den Japanern in die Nase fährt!
Die haben nämlich auch gute Ge
kschäitskövfe sui sich««
»Bei der Jverstaja,« schalt Frau
Tarasow, die ihren koketten Flirt
iungern unterbrochen sah, .lassen Sie
doch die Politiit Es wird keinen
Krieg geden. Und seldst wenn er kom
men sollte, so sind so viel Tausende
von Werft zwischen uns und dort, daß
er uns kein Kopszerdrechen machen
-wird!«
»Erlauden Sie, Schönste der
JSchönen, wir Offiziere miiJen aber
Ernit!«
T »Das-or brauchen wir keine Angst
;zu baden, unsere Regimenter werden
kaum in Frage kommen Uni läßt
man hier. Gegen Japan genügt ei, »
lwenn man einige Kosaien — —« -
! »Reser! wir uns doch nicht aus, von
einein Krieg mit Japan kann doch nie
die Rede sein! Also wie heißt der
Maler, der Frauentypen malt, die
mir gleichen. Rittmeisteri« sagte Zep
xdora Korban »Sie sprachen doch’
loon Bildern, die Sie in Berlin gese- »
Eben, und denen ich ähneln solls«
F »Nun daß Sie scheinen lebensvol
ler sind, schönste Frau!'
»Ich wünschte, es käme ein Krieg,
damit wir uns wieder einmal erken
nen tönnen und aus unserm Lotter
leden aufmachen dir-»ich ist arn
Versumpfen!« sagte Bat-ja lkidens
ichsitlltd
»Ich denke wie Sie,« meinte Rav
dell, »nur schade, daß ei sich um Ja
pan handelt, denn einen solchen Krieg
würden wir spielend gewinnen, und
unsere Regierung sähe noch als glor
reiche Siegerin fester im Sattel. Rie
derlagen brauchen wir, Niederlagen,
damit das Voll endlich ertennt, wo
»hin man es gebracht hat.«
s »Da sind die beiden wieder bei ih
rem alten Themat« rief Margot la
chend. »Es ist nur gut, daß Sie ein
Randell und Du, Mai-schrien Tara
sow bist! Jch glaube, wenn Sie beide
aus dem Volke wären, so würden Sie
womöglich mit den Nihilisten, brr. ge
meinsame Sache machen.«
»Und ich bedanke es, daß mich Va
ters Stellung so fern hält von all den
Gewaltthaten, die man hier erst em
pfindet, wenn man arm und wissens
durstig ist,' entgegnete Maria. »Du
hast doch die beiden Schwestern Kol
soss gesprochen und gehört.«
»Wer sind die Dameni« fragte
Marte.
»8wei Jugendgespielinnen von mir.
die Töchter eines Jngrnieurs meines
Vaters, lieber Gras,« sagte Maria.
»Beide besuchen hier die medizinischen
Kurse. Und da die Aeltere neulich
bei einer Demonstration betheiligt
war, hat man ihr die Universität aus
sechs Monate gesperrt. — Die Jün
gere hat durch Stundengeben so viel
Geld erspart, daß sie sich endlich durch
ihren Vetter in Berlin einMayer’sches
Lexiton senden ließ. Das Wert lommt
an, aber —- -—-« «
»Aber?«
»Aber die Zensur hat es so ge
schwürgt, daß es unbrauchbar ist. Darf
das in einem Kulturlande vorkom
meni Kann das so weitergehen?«
Die Tafel wurde aufgehoben. Der
Molta in den Salons gereicht. Ray
dell bemerkte wohl, daß alle ihn und
Maria mit geheimer Absicht isolirten.
»Ich weifz nicht. aber ich finde in Ih
ren Salons heute solch prachtvollen
Blumendust, wie ich ihn noch nie be
merkt.« sagte er. -
»Ah, das sind die Maiglöckchen in
meinem Boudoir.« sprach die haus
frau. »Der Gärtner hat sie heute sriih
binausgeschickt. Vielleicht zeigst Du
sie dem Doktor, Maria, sie werden
Eure sentimental deutschen Gemüther
erstaunl«
Mit lurzem Entschluß - erhob sich
Maria und schritt voran· . hre weiße
Schleppe glitt leise tauschen vor ihm
ber, und als Randell der prachtvolle-«
üppig-schmalen Gesialt nachfolate, da
schien es ihm als wandle vor ihm die!
herbe reine Tugend. Ihm wars aisj
dürfe er diesem Phantom nicht fol-;
gen, alt sei er nicht werth, ihm nach-J
zugehen s
Und das gleiche Gefühl schnürte
seine Kehle zusammen, als er die holte,
keusch-strenge Viädchenaestalt in dem
weiß-goldenen Rolotoboudoir ihr
unendlich bleiches Antlitzbe über die
hold-zarten Frühlingstin r sich nex
gen sah, als der liebliche Hauch sie
umfloß.
Ein schwerer, ächzender Seuszer
entrang sich seiner geveinigten Brust.
ckSie waren allein. Er. mußt-: spre
,en.
Bei dem kurzen Laut tuhr Maria
empor, wandte sich ihm zu und sagte
kalt: »Ich erwarte, was Sie mir zu
sagen haben, herr Dottor.«
Borie stii e die Hand aus den
Tisch und a mete hörbar. »Marja,«
sagte er endlich, »Sie stehen vor msr
wie eine Richterint Jch aber, ich —
—-—was soll ich Ihnen denn bloß er
tliiren? Jch weiß selbst nicht aus noch
ein, ich weiß selbst keine Erklärung
tiir michs Jch weiß nur. daß ich Sie
liebe seit dem ersten Male, da ich Sie
sah! Jch weiß nur. daß dies Gefühl
in mir gewachsen ist gägen alles,ae
gen alle Kämpfe und usgehote, die
ich dagegen zu Feld siihrte.«
»Und das sagen Sie mir heute?«
sragte sie nur und lehnte sich gegen
einen Schrank. »Macht-ern Sie wo
chenlang meine Nähe gemieden2«
»Motia,« suhr er leise sort, »Sie
sollen die volle Wahrheit haben. Die
Liebe führte mich in Ihre Nähe, und
jensehr ich Sie kennen lernte, um so;
heißer wurde das Gefühl, roeil eine
"tvachsende Hochachtung es oerstiirttet
—Aber ich war ohne Stellung, ich
war durch eine leichtsinnige Jugend
mehr verschuldet, als es siir meine
Familie gutzumachen war. —- Sie je
doch hatten das unausrotthare Miß
trauen gegen Jhre Bewerher, daß
nur Ihr Reichthum anlocktr. Sie ver
achteten die Mitgistjäger rnit vollem
Rechte und sprachen es nur allzuoit
aus.——Wie konnte ich da um Sie
werben, Maria« wie durfte ich?——So
mußte ich Sie fliehen, uui nicht wart
briichig zu werden«
»Und warum sind Sie heute hieri«
»Ich will mn Ihre hand bitten,
Metat« sliisterte er nur.
Sie wurde lühend roth und dann
treiben-riß » o wollen Sie ei also
dennoch wagen?«
»Ja,« entgegnete er, »ic? dars es
wohl eher. te srith san ich eine
Berufung as erster Arzt an das
Dorpater Krankenhaus, die mir di
Ftirsprache meiner Eltern und Ver
wandten erwirtte. Und — meine
Schutt-en sind kaum noch nennens
werth.«
Ein Auskommen trat in das Ge
sicht des tidchens. »So! Nun woher
kommt dieser Umschwung Ihrer Ver
hältni e? Womit haben Sie Jhre
Schar »n so rasch gedeckt?« « ,
Ein This-Ist
I Schwjegerpapm » .Wollen Si e mir nun Jhre Schulden gestehen!..
Fangen wir bei 10,0s.)0 Mart an.«
Freier: »Hm ich glaube, es würde einen besseren Eindruck machen,
- wenn wir von 100,000 Mart herunter zählten!« H
-·
?
T
s
Sein hochgeröthetej Antlis en arhte
sich. »Marja Sergejewna, diese rage
mdchte ich Jhrem Vater beantworten.
dem sie zukommt.«
«Nein," brach sie aus« nur mir
tommi sie zu, mir! Denn als Mann
würden Sie bei dem Manne gar zu
schnell Verständnis finden. —- Jch
aber will leinen Gatten haben, von
idem man sagen kann. er hat bis zu
seiner Verlobung die Nächte durch
spielt und durchjubelt. Jch will teinen
Mann, der seine Schulden mit dem
Lottergelde. das er aus Kartenge
winnsten erspielte, bezahlt hat. Ich
wiirde in der beftiindigen Angftlebem
daß das nächsteJeu ihn in neue
Schulden stürzen könnte. Datr die
nächste Aufforderun meines Bruders
ihn zu erneute-n ittneipen veran
lassen tönntel«
»Nein, nein,« schrie er aus, »heute
Morgen habe ich den Herren noch ein
mal Revanche gegeben, und vorher
mich vor allen mit meinem Ehren
warte verpsli tet, nie wieder eine
Karte nach die em lesten Spiel anzu
rühren.«
»Das sind edle VorsiiR als Ab
schluß einer durchzechten « acht, here
Doktor. Sie sollten mich aber denn
doch schon zu genau kennen, als daß
ich das Ehrenwort eines übermiideten
berauschten Spielers —« sie sprach
nicht aus, sondern schaute betroffen
au ·
Mit einem kaum menschlichen Laut
war-der riesenhaste Mann jiih vor
ihr zusammengezuett Seine Fäuste
ballten sich; aus seinem verzerrten
Antlitz stierten zwei Plasig hervortre
tende Augen in sinn oser Muth nnd
Qual zu ihr hinüber. Sein Körper
zitterte wie im Fieber. —- Nue eine
Minute dauerte dieser Kramps,dann
stürzten Thriinen rieselnd über seine
Wangen, die er nicht zurückbielt.
«J bin zu weit gegangen.« sagte
sie lei e, »aber Sie haben mein hei
ligstes Vertrauen gemiszbraucht, Bo
risl Sie wissen nicht« wie ich Sie
liebte und Ihnen vertraute, bis —
bis —« Maria tonnte nicht mehr
sprechen. Auch sie schlug ausweinend
die Hände vor ihr Antlih. -
Minuten vergingen, ebe Rahdell
"die Fassung wieder-erlangte. Endlich
saßteer sich schwankend und trat aus
sie zu. »Maria·« sagte er heiser. «nach
dem, was Sie, die Frau, mir gesagt
haben, bleibt mir nureinst Mit die
ser Schmach tann ich nicht weiter
leben.«
Entseht ließ sie die Arme sinken»
als ihr aber der Sinn seiner Worte
illar wurde, trat sie asus ihn zu und
packte ihn wild am Arm: »Thun Sie
mir auch noch das Aeuszerste an, und
schießen Sie sich todt. Dann haben
Sie mein Leben ganz vernichtet! Das
wäre die größte heldenthatt Als ob
Sie mir noch nicht genug angethan
hängst
Borii von Raydell fuhr Eriich
- « . .. « - -. .- -«.
»Was Iou m; oenn ionn chaue
sagte er dumpf, mit trostlvs schlasser
haltung.
Eine nnsinnige wilde Leidenschaft
schüttelte Maria plötzlich. Am liebsten
hätte sie sich vor dem Geliebten nie
der-geworfen nnd um Verzeihung ge
fleht, um Liebe gebettelt.——Sie zit
terte und hehte in toben-dein Kampfe,
weil ihre Liebe gewaltiger war als
alles andere.
»Sie haben mein Urtheil gespro
chen,« fuhr er matt fort, »ei ist das
-beste. Blut wäscht meine Ehre in Ih
sren Augen vielleicht reinst«
s Daiamssiezu sich. JhrStolz. ihre
Selbstachtung siegten über ihre Mete
hunMe Liebe. »Nein,« sagte pruni
schi , »wenn Ihnen an meiner
Achtung etwas liegt, wenn Sie einen
Rest von Ehre in sich haben, sogehen
Sie und sühnen Sie durch The ben
eine maraliche Schtvii , re Tau
sende site selbstverständlich halten
werden. Nur Sie ni t! igen Sie
entr, dass ich Sie nich sa sch bewer
thele. Gehen Stet« Maria streckte die
behende eisike Rechte aus. Er nahm
see eine Se unde, verneigte sich unsd
ging. ( l
Z w ei te s B u ch.
l.
Der Polizeioisizier stand in stren
ger Haltung vor dem abwechselnd
blaß und -roth werdenden Mädchen.
Die kahle Amtsitube war überhei t.
Vor dem Osen lniete ein untsormir er
Mann und schob riestge hol kliihe in
die ohnehin hell glühenden Terminen.
—Boe einein mit Schriftstucten he
deckten Tisch sasz ein zweiter Beamter
nnd schrieb eisrig, ohne sich um die
Anwesenden zu kümmern. l
·«Du verftehfi, dass Deine Herrin
niemals etwas von Deinem rersein
erfahren daer Daß Du nicht mit
einem Wort oder einer Miene ihr je
verrathen darfst, daß Du imlltgchai
stol (Polizeirevier) warst und be ragt
worden hist.·
»Ja, Barin (herr)!" stammelte
das Mädchen bebend.
»Ich stehe hier an der Stelle des
Zaren, undDu tannst zu mir sprechen
wie zu Deinem Popen im orfe.
Auch ich meine es gut mit D , bei
der heiligen Mutter von KasanJiige
nicht, denn dann bist Du verloren
und wirst strenge bestra t. —- Wir
wissen auch schon alles, a s, verstehst
Du? Wir wollen bloß von Dir hören,
obDu eine aufrichtige und wahre
Person bist?«
»Ich werde wahr und wahrhaftig
alles sagen, Barin Pristaw Gerr
Polizeileutnant),« betheuerte das
Mädchen. Es warf einen verschmihi
ten, schräge-h etwas toletten Blick
auf den Gefiirchteten, und als es sak.
daß er wohlwollend lächelte und se -
nen Bart strich, da reate es sich in
den Düften, drückte die Brust heraus
und lächelte seinerseits mit der gan
n unterwlirfigen Dummschlauheit
c niederen Rassen. »Ah-zu sollte
ich auch liigeni
Der Polizeiosfizier blickte prüfend
auf das Weib vor sich und betrachtete
seine nette, saubere Kleidung, die aus
besienStosfen es iett angefertigt
war. Er klopfte ie nge der pldhi
lich zufrieden Lächelnde-n und sehte
sich in seinen Stuhl. »Du bist ein
hübsches Kind,« sagteer, »und siehst
llug aus. Es soll Dir nichts, nichts
geschehen, wenn Du die Wahrheit
sagst. Jm Gegentheil« wennDu schlau
genugdbisn uns auch weiterhin die
nen, arm wird es Dein Scha ge
wiß nicht sein!« —-——— Er pausirte,
lächelte. Sie gab das Lächeln bereits
sicherer zurück, athmete auf und
schaute zuverfichtlicher um sich. Er
nahm eine Liste zur Hand unt-ihren
Paß: »Du heißt Mafuscha Godjen,
Tochter des Bauern Jwan Jwanm
witfch aus dem Gouvernement Nows
gorod. Dorf ———« ’
.Staraja Derewnja, Bariu,« er
gänzte sie.
»Du bist im Dienst bei Maria
Sergejewna Tarasow als Zofe? Wie
lange bist Du bei der Dankt'
»Wer Jahre.«
»So lange schont Ach ja, stimmt!
Du bist mit ihr viel im Auslande
gereist und warst auch in Moskau
ununterbrochen in ihrem persönlichen
DienstWu
CI
»Ja, Idaan
»Seit einem Jahr und zwei Mo
naten iebt Jht biet in Petersbutg
auf der Osiitzerstaja, Dom Wollja
towa, Quartier TarasonE Außer Dir
sind eine Köchin, ein Stubenmädcherr
im Haushalt?« Die Gesragte nickte
beiabend. Er las weiter in seinen
Notizen, hob den Kops und sub-r fort
»Weiter niemand-i«
»Doch, Paris-» Awdotja Wassils
jewna Koiioss wohnt noch bei uns.«
»So, so! Hm,« brummte er be
sriedigt, »wer ist denn dast«
»Sie studiert biet Medizin, Darin,
und lebt bei uns. weil die Niemts
(Deutiche), die Frau von Jagotm
nicht länger bei uns bleiben konnte.
Meine herein sollte aber nicht allein
hier sein, da nahm sie ihre Freund-in
zu sich.'· ·
»Ist-her sind die Damen besteuns
det?
Entsetzung solgt.)
Selbst der schönste Damenbut ist
nicht schön, wenn man hinter ihm list
und nichts weiter sehen sann.
i- i c
Unter der Ueberfchrist .Reues aus
Ausland-« bringen europiiische Zeitun
gen die Nachricht» daß in oteien Ge
genden des Reiches das reine Chaos
herrsche. Das ist doch nichts Neues.
es o i
Genie muss meist sehr ian unter
der Dornentrone bluten, bis n Lot
beertranz daraus wird
- I- i
Mancher rllbmt sich sehr erfreut,
Daß er keinen ind besi t,
Den nur seine zeinzigtettv
Bot Verfolgung schütt.
e i -
Die schädlichsten Na etiere
Gram und Kummer. g sind
Man macht ver ebens vi M
sum eines auszuciiskbem M