Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 13, 1907, Sweiter Theil., Image 10

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    Es irrt der Mensch. "
Roman von H. Conrtlss Mal-let.
is- BRAUNs-)
Das war es wohl, was vorhin
ahnungsvoll ihr Denken trübte.
Wenn Mekanie v. Bertoev herrin aus
Tornau wurde, mußte sie sicher oon
dannen ziehen. Diese Frau has-te sie,
das hatten i hundert Kleinigteiten
verrathen. rumi Das hatte sie
bisher nicht gewußt. Jetzt dämmerte
leise eine Ahnun in ihren Gedanken
aus, aber sehne und scheu verwars
sie dieselbe, ehe sie ganz gefaßt war.
Die· Tornaus wurden in »den Kreis
der bereits anwesenden Gäste gezogen.
Herr v. Dirsiertamp legte förmlich
Veschlsg aus Renatr. Er mochte sie
sehr gern und unterhielt sich stets
prächtig mit ihr. Auch seine Gattin,
eine frische rundliche Frau, der Her
zensgiite und Lebensluft aus den Au
gen leuchtete, siihlte sich von Ren-nie
angezogen. Sie behauptete, Frau v.
Tornau, ihre beste Freundin, sei um
ihre jun-ge Helferin sehr zu beneiden,
und versicherte ihr, daß sie glücklich
wäre, auch so ein liebes Ding um sich
haben zu können.
Für Melanie aber gab es seit Rolfs
Ankunft nur noch einen Zweck: ihn so
siel als möglich an ihre Seite zu fes
seln und mit der Macht ihrer Schön
heit gegen seine Zurückhaltung ins
Feld zu ziehen. Bei Tisch war er
ihr Nachbar und mußte all die klei
nen Manöver raffinirtester Kotetterie
iiber sich ergeben lassen. Sie ahnte
nicht« daß sein Blick immer wieder
verstohlen nach dem süßen blassen
Gesicht Renates schaute. und daß Rols
brennend seinen alten Freund Die
kårtamp um seine Tischdanie benei
e, denn der alte Herr hatte sich's
ausgemacht, daß er Renates Nachbar
Mk.
»Mit der kann man doch ein ver
nünftig Wort reden, Rols Rölschm
—- das ist eine Prachtausgabe des lie
ben Schöpfers-F hatte er Lachend zu
Tomau gesagt, und der junge Mann
hatte nicht widersprochen, sondern
nur mit glänaendem Blick zu der
jungen Frau hin-übergesehen.
Als gelegentlich eines Toaftes Me
slkmies Glas das Tornaus berührte,
sah sie mit feucht schmachtend-zu Au
gen zu ihm aus. »Sind Sie nun
endlich oersohni, lieber Noli oder
ürnen Sie mir noch immer?« flü
erte sie ihm zu.
»Ich habe keine Veranlassung,Jb
Ren zu zürnen, Frau Baronin,« ant
wortete er rußig und ernst.
»Frau Baronint Wie kalt und
förmlich das klingt! Haben Sie so
gar-g vergessen, daß ich einst einen
anderen Namen für Sie trug? Rols
-bergaßen Sie denn ganz, was un
sere Herzen einst verband?«
»Unsere Herzen? Sie irren, aniidige
rau. Nur meines war in Banden,
s Ihre war frei und sessellos.«
»Das schien nur so. Ach, Noli
wenn Sie wüßten, was ich um Sie
gehtten habe.«
Er sah sie groß an. »Um mich?
Sie gestatten, daß ich mir darüber
einige Zweifel erlaube.«
»Nein, das gestatte ich Ihnen nicht.
stets —- ich reichte dem guten Bertow
sur aus den dringenden Wunsch mei
Iei Vaters die hand, um ihn vor dem
Isin zu retten —- das habe ich Ihnen
doch schon damals gesagt.«
»Ja, das thaten Sie, und als ich
seit redlich Mühe gab, das zu glau
ben, kam Jhr Vater eines Tages zu
mir und tlagte seine Tochter an« daß
ihr Hang zu Wohlleben und Genuß
uchst sie trieb —- aber wir wollen dies
· a fallen» lassen, es führt zu
nicht«
»Rolf!' Sie sliisterte feinen Ra
men mit heißer Zärtlichkeit ,,Rolf
—- ich wußte ja selber nicht, was ich
that, ich kannte mein eigenes Herz nicht
und habe schwer gebüßt.«
Ja demselben Augenblick wandte
sich Tornaus andere Nachbarin mit
einer Frage zu ihm, und Melanie
preßte ärgerlich die Lippe zwischen
ihre Zähne.
So durfte er ihr nicht entwischenZ
An seiner Kälte entsachte sich die
Gluth ihrer Leidenschaft immer
mehr, sie wollte nicht daran denken,
ihn aufzugeben Jetzt, da sie frei war,
mißte es Mittel geben, ihn in ihre
Unsre zurückzuführen Sie war nicht T
- risse-Ist eine schöne Frau. Alle Män
- M huldigten ihr — und dieser eine,
Use, den sie besitzen wollte, sollte
I» Mr bleiben ihrem heißen Begehren ge
· ber? Sie wollte es nicht glau
« . Oder —- liebte er eine andere?
sur er gefeit gegen ihren Zauber,
ttedie blasse Frau mit den rothen i
pen und den dunklen Augen ihr
Im aus seit-ein« Versen verdrängi?«
IV Messe Blick zuckte zu Renate hin
M —dem Efer sollte getanzt wer
-.. somit M Melanie in einens
« Mensch-I wehen dem Speisesaal ;
« thndarnm gebeten. Ge
May Licht erfällte das lauschige
MM Samaripprtieren trenn
III-Indes Musen-Mein
« ernurtöniedasw
sellschastötreiben herein. Inzwischen
tlang leise die Musik herüber.
Melanie ließ sich seufzend aus einen
Diwan nieder. »Ah, die Ruhe hier
ist wohlthuendl hier. lieber Rolf --—
meine Tanzlarte, wählen Sie.« ’
Er verneigte sich und blieb vor ihr
stehen, während er seinen Namen auf
ihre Karte schrieb.
Sie riickte zur Seite, um ihm Platz
zu machen. »Wollen Sie nicht Platz
sieh-neuli«
»Ich glaubte« Sie wollten sich zu
rückziehen, um Ruhe zu finden. Jch
will also nicht«slören."
Sie faßte nach seiner Hand. »Rols,
das ertrage ich nicht länger. Warum
quälen Sie mich noch immer? Sie
wissen, daß Sie mich nicht stören. daß
ich mich jahrelang nach Jhnen gesehnt
habe
»Sehr schmeichelhaft für mich,
Frau Baronin.«
Sie stampfte schmollend« mit dem
Fuß aus. »Ich will dies »Frau Ba
ronin« nicht mehr von Jhnen hören!«
»Und ich habe mich einst lange ge
sträubt, zu glauben, daß Sie diesen
Titel und den damit verknüpften
Reichthum sur ein ehrlicheä Mannes-s
her-Z eintauschten. Jch habe ihn mirs
so lange eingeprägt, bis seine Träge-«
tin mir nur noch unter dem Namen
einer Baronin Berlow bekannt war·
Es dauerte ziemlich lange,« fuhr er
bitter werdend fort, ,’,und es kostete
mir manche gualvolle Stunde, ehe ich
ganz begriffen hatte.«
»So vergessen Sie es wieder. Rolf,
nennen Sie mich nur ein einziges Mal
wieder Melanie!«
Er richtete sich hoch auf und sah sie
stolz und ruhig an.
,,Auch nicht wenn ich Ihnen sage,
daß ich keinen glühenderen Wunsch
habe als den, wieder gut zu machen,
was ich gefehlt? Rolf, mein ganzes
Leben will ich dir zu eigen geben, will
so lange mit meiner heißen Liebe um
dich werben, bis du mir verziehen
hast, und dein Herz sich mir wieder
zuwendet. Du kannst nicht so kalt zu
mir sein, als du mich glauben machen
willst, du willst mich nur demüthigen
— zur Strafe, daß ich einst glaubte,
ohne dich leben zu können. —- Rolf,
ich will in Demuth harren, bis meine
Liebe die deine wieder weckt, nur sag’
mir, daß diese Kälte its deinem Wesen
bloßer Schein ist. «
Jch spiele nicht Komödie, und was
todt ist, läßt sich nicht mehr werten.
Sie sollten sich und mir solche Szenen
ersparen.«
Sie sprang auf und trat dicht an
ihn heran. »Du liebst also eine an
dere! Nur deshalb bist du so grau
sam gegen mich,« rief sie mit unter
driickter Stimme.
— . . U
Roli war bleich geworden. irr rrar
zuriiel und sagte kalt: »Sie vergessen
sich, Frau Baronin!'«
»Du wirst mich noch toll machen.
Jch lasse nicht von dir —- ich schwöre
es. Du bist untreuer, als ich's je
gewesen, denn, ich oerschenite nur
meine hand, du aber dein Herz. Aber
ich lasse dich nicht.«
Er wandte sich mit einer Verbeu
gung zum Gehen.
Sie hielt ihn am Arm zurück.
»Gehen Sie nicht so von mir —- nur
ein gutes Wort, Rols — ein einziges
gutes Wortl«
Er sah sie an. Sein Blick wurde
weich, als er ihr thriinenvolles Auge
sah. Welcher Mann bliebe kalt bei
dem Anblick einer Frau, die weinend
um seine Liebe fleht.
»Ich bedaure Sie und Ihr verfehl
tes Leben, aber es ist mir unmöglich«
diese Unterhaltung fortzufehen Sie
gestatten, dasz ich mich entferne.«
Sie ergriff seine Hand und preßte
sie an ihre Wangen. Sie waren von
Thränen feucht. Vergehen Sie mir,
Rols?« «
»Von ganzem herzen!«
»Und bleiben Sie mein Freunds«
»Ich will verswem ob ich das sein
Iann.«
Er verbeugte sich und ging.
Sie sah ihm mit funkelnden Augen
nach. »Und ich gebe dich doch nicht
auf, Rolf Tornau!« sagte sie leise vor i
sich hin— (
Dann warf sie den Kopf zurück und T
ordnete vor einem Spiegel ihr han«
»Diese Stunde soll mir diese Wer
tentin büßen,« mutmelte sie voll Jn
grirnm. Dann trat sie zum Schreib
tisch, schrieb schnell einige Worte auf
einen Bogen Papier und tlingeite
dann einem Diener.
»Dieses Telegeanrm soll sofort nach
der Station geschickt werden«
Dat Telegramm war an Tracht-Dis
gerichtet und lautete: »Ich erwarte
Sie morgen Abend in Person-I
Noli war zu feiner Mutter getre
ten, die neben Uenate saß und sich mit
Hm- usd Frau v. Merkur-w nn
W. Man-tanzte bereits, und die
M des Laufes betheilsigte sichs keh
haft an diesem Vergnügen« weiss-z
einen Theil der Menschheit iii Ent
ziicken zu versehen und dein anderen
wie Blodsinn zu erscheinen pflegt.
Rolf wandte sich plöslich zu Renate.
»Volken Sie Lust, zu tanzen?«
S»ie war gerade in den Anblick der
vornherschwebendeii Baronin vertiest
und sah nun lächelnd zu ihm aus. Er
stand hinter ihrem Sessel und beugte
sich zu ihr herab.
»Ja und nein,« antwortete sie.
»Warum nein?«
»Mir ist« als wären hundert- Jahre
vergangen, seit ich getaiizt habe. Jch
glaube, ich tänie mir selbst recht son
derbar vor, wenn ich mich mit fröh
lichen Menschen im Kreise drehte.«
»Schade. Jch hätte sehr gern —
einen einzigen Walzer wenigstens —
mit Jhnen getanzt.«
Frau v. Tornau mischte sich ins
Gespräch. »Ich bitte.Sie, liebe Re
nate, thun Sie Rolf doch den Gefal
len. Sie sind doch wahrhaftig noch
leine alte Frau.«
»Also —-— wenn Jhre Frau Mutter
es wünscht, so tanzen wir." »
! Er zog die Stirn zusammen. »
s »Nein, ich danke. Zwankssollein
JSie sich nicht auferlegen. Wenn Sie
es nicht gern thun, verzichte ich-lieber.
Auch ich bin über das Stadium hin
aus, wo man am Tanz allein Ver
gnügen findet, und ich habe den
Zwang dazu oft als lästige Pflicht be
trachtet.'
»Und trotzdem wollten Sie sich auf
opfern und mit mir tanzen?«
Er sah ihr tief in die Augen. »Ja
—- dieses Opfer wollte ich bringen.
Jch bilde mir nämlich ein, daß es ein
Genuß sein müßte, mit Jhnen zii
tanzen."
»Dosten Sie rin, Herr v. Tornau
—- Komplimente sollen Sie mir nicht
machen!«
»Nein, dazu stehen Sie mir auch
zu hoch. Aber Wahrheiten darf ich
doch sagen. — Und nun tann ich mei
nen Korb nach Hause tragen-« «
»Jetzt entstellen Sie die Thatsa
chen. Jch gab Ihnen ieinen Korb,
sondern Sie mir.«
»- hnen?«
»Ri , ich wollte ja mit Jhnen
tanzen, Sie dantten jedoch.«
»Weil Sie es nur gezwungen thun
wollten. Es hätte Ihnen Ueberwin
dung getostet, mit mir zu tanzen.s'
Sie erhob sich und trat neben ihn.
Mit leisem Erröthen sagte sie freund
lich, aber bestimmt: »Jetzt will« ich
aber mit Ihnen tanzen. Eben beginnt
ein neuer Walzer. Sind Sie frei?«
Er sah sie« strahlend an. »Ganz
frei-— bis auf den Kotillon mit Frau
v.Bertow. Wollen Sie wirklich mei
nen Wunsch erfüllen?«
»Ja —- und ganz ungezwungen,
nur weil ei mir Eikeime macht."
»holla, Frau rtentint Jst das
nun recht von Ihnen? Mich haben
Sie vorhin talt lächelnd abgewiesen,«
rief Diestertamp scheinbar tief belei
digt, »und nun gehen Sie einfach mit
Tornau zum Reigen! Rolf —- Räts
chen, mein Junge, das tostet Blut«
Der lachte. »Wenn wir mit unse
rein Walzer zu Ende sind, stehe ich
zurtVersiigung Jeht habe ich teine
Diestertamp vertrat ·edoch den-hei
den denWeg und sah mit lächeln
der Ueberlegenheit an. »Na nee—
Verehrtestr. Erst das Geschäft und
dann das Vergnügen. Ich lasse Sie
nicht eher los. als bis mir Frau Re
nate einen feierlichen Eid geleistet
hat, den nächsten Walzer mit mir zu
tanzen.«
»u- :..--- ev-—. -f. zis- I«-I-«nd «
Ulc III-ZU- Ljsuu u-, usu »s-»»- -»»
»Den leiste ich blindlings, Herr von
Dieftertamp. Jch hätte Jhnen vorhin
den Tanz sicher nicht verweigert.
wenn ich überhaupt die Absicht gehabt
hätte, zu tanzen. Da es herr v.
Tornau indessen wünschte, änderte ich
meine Absicht.«
»Ja-was soll ich da thun? Na
türlich verzeihen und mich auf den
nächsten Walzer freuen. So— der
Weg ist srei, Tornau, spieszen Sie
mich blos nicht mit den Augen auf
ich gehe ja schon-« «
Rolf reichieRenate den Arm, und
sie gingen nebeneinander durch den
Saal. Diesiertarnp sah ihnen lö
chelnd nach, und auch die beiden alten
Damen hatten ihre Freude beim An
blick der beiden stolzen, schlnnlen Ge
italien.
Tornnu führte gut und sicher. feine
Haltung war ungezwungen und ele
gant. Renate gab sich mit wahrhaf
tern Vergnügen dem Tanze hin, und
ihre Bewegungen- waren so leicht und
graziös, daß der junge Mann gar
nicht daran dachte, die Tour zu been
den. Erst als die Musik zu Ende
war: blieben sie stehen und sahen sich
an, wie aus einein Traum etwa-I
chend. Ein Anschauen war es, als!
wären ihreSeeten inzwischen in einemt
Wunderland gewesen und wollten nurj
ungern in die Wirklichkeit zurücklehq
ren. - « «
Schweigend brachte Tornau seine
Dame an ihren Plah zurück. ·
; Melanie hatte Tornau nicht aus
; den-Augen gelassen, trotzdem Mitbrin
xbar anderweitig reichlich beschäftigt
war. .
Endlich kam der Kotillon an die
Reihe, zu dern sie von ihm engagirt
war. Mit tiefer Verbeugung trat
er aus sie zu und reichte ihr seinen
Arm.
. Versprean Sie mir. mein this
- richtet Benehmen m vorhin zu ver
DGHIM herr v. TernauK
»Ich verspreche es Ihnen. wenn
Sie überhaupt einer Verzeihung be
dürfen.«
. , ich bedarf ihrer. Jch war
maßlos und heftig. Jch werde mich
aber in Zukunft nicht mehr fortreifzen
lassen von meinen Gefühlen und mich
ins Unoermeidliche fügen. Jhre Liebe
habe ich mir verscherzt, nun will ich
versuchen, mir Jhre Freundschaft zu
erringen«
Sie sagte es in einem so weh
miitihig resignirten Ton, daß ihn tie
fes Mitleid mit ihr ergriff. Er war
selbst zu ehrlich und offen, um begrei
fen zu können, daß die Baronin schon
wieder Komödie spielte.
Er sah sie freundlich und gütig an,
wie er es nie gethan. und führte ihre
Hand an feine Lippen· Er vergaß und
vergab ihr in dieser Stunde alles,
was sie ihm-zugefügt
s O
; Rolf stand am nächsten Morgen
mit schmunbespritztem ohen Reitftie
gln neben feinem erde auf dem
elde und wollte eben aufsteigen, um
nach hause zu reiten, da lam in ge
strecktem Galopp Diestertamp auf der
Landstraße dahergeritten.
»Morgen, Rölfchen,« rief er schon
von weitem, «na, sehen ja riesig sa
lonfiihig aust«
Tornau lachte.
»Das tomint von :
meiner Extursion da iiber die Rüben-«
iiaer. Der Boden i
regen dieser Nacht total ausgeweicht.
Was ich hier
Hause trage, reicht siir einen Berliner
Vorgarten vollständig aus.«
Diestertamp schlu lachend mit der
Reitgerte in die Lust. »Na, klettern
Sie nur ’rauf auf Ihren Gaul, ich
begleite Sie noch ein Stück. Was ba
ben Sie denn auf dem Rübenacker zu
schaffen gehabt?«
»Es llappte etwas nicht mit der
Maschine — bin ordentlich warm va
lsei geworden. Es ist so schwül heute,
get Herbst scheint sehr milde zu wer
n.'«
»Na, das täuscht zuweilen. Aber
ein tüchtiger Kerl sind Sie doch,Rolf,
allerhand hochachtung Sie verstehen
sich aus d:n Kladderadatsch wie ein
Alter. Ihr Vater würde seine helle
Freude an Jhnen gehabt haben. Alles
tlivp und«tlar, das Auge des herrn
macht die Kühe fett und so weiter.
Tornau ist mir lieber wie manches
größere Gut.«
«Mir auch."
»Natürlich — und ohne Schulden
—das gibt es heutzutage bei Acker
bau und Viehzucht selten genug-Drü
ben in Partow soll-s zum Beispiel
Matthiii am leßten sein, wird wohl
bald unter den Hammer kommen.
Damme Geschichte das. Natürlich-—
Partow hat das Gut schon start bela
iet von seinem Vater übernommen,
dann zwei Söhne bei der Garde —
dazu langt's eben heute nicht mehr,
da muß Geld im Beutel sein-«
»Ich hörte auch schon davon.
Schade um den alten Parlonx er ist
von friih bis spät selbst mit auf den
Beinen.«
an den Stiefeln nach:
vorn Gewitter- ;
»sama; —- er weyrr nai, so gut er
kann. Man hängt doch auch an sei
ner Kliischr. Aberes wird ihm nchts
helfen, er allein tann das Unheil nicht
mehr aufhalten. Seine Frau hat viel
auf dem Gewissen, was nicht theuer
war, taugte einfach nichts. Na, der
hätte ich ein Liedchen gesungen! Was
braucht eine Landwirihsfrau Pariser
Toilettenl Und im Februar mußte es
sbei den Dinerö frische Erdbeeren ge
ben, das Stück eine Mart. illa-es
geht einem ja weiter nichts an, aber
es greift einen doch an. Ich war
eben drüben, um ein Paar Pferde zu
taufen — das Züchten versteht der
Barte-wen aber es bringt nicht ge
nug ein, das lohnt bloß im Großen,
wie in Berlonx Wissen Sie’s schon,
daß die Barhnin sich einen Gestiit
merster engagtrt hat? Sie sprach ge
stern mit mir dariiber. Ob der seine
Sache versteht? Na, die kann es schon
mit ansehen, da sind Batzen genug
flüssig. So viel Geld, avie die hat,
gibts ja gar nicht —- was, mein
Sohns«
»Ich weiß es nicht, kann mir’s
aber denten.««
»Na, die schöne Melusine —- nee,
Melanie —- wird schon gewußt haben,
warum sie den llapprigen Rammel
greij zum Ehegespons enommen
hat. —- Aber adjiis denn, lf, ich
schlage mich hier nun seitwärts ins
Gebüsche. Meinen Gruß an Ihre
Damen.«
Rols reichte ihm die Hand vom
Pferd herüber. »Auf Wiedersehen,
Papa Diesteriamp, herzlichste Grüße
an Jhre Gattin«
Sie ritten nach verschiedenen Rich
tungen davon.
Als Tornan den Wald erreicht!
hatte, ließ er ein Pferd im Schritts
gehen. Er tr nete sich den Schij
von der Stirn nnd pfiff leise vorsi J
hin. Arn Weiher hielt er eine Weile
an und sah sinnend auf den Plah
hinüber. wo er Renate damals wei
nend gefunden. Unter der Bank schim
merte ein Blatt Papier. Er sit-g ab
nnd hob es auf. Ei war, trohdern
es Bank und Bäume gefchiitzt hatten.
etwas feucht. Lächeln glötiete er es,
s es war ein Blatt and Renates Notiz
buch. Jn ihrer tlaren, feinen Schrift
Was er: 40 Büchsen Apriiosengelee,
150 Büchsen Kirschnrarrnelade, Leute
tii r nachgesehen, den Deren an die
Re hiihner erinnern —
Er mußte lachen, aber es llang
weiss-und gerührt.
I « I gäb« eine Landwirthin,«
lagte er vor sich hin und» dann legte
er das Blättchen sorgsam in ein dacht
seiner Brieftas?, nachdem er es zwiij
then seinem aschentuch vorsichtig
getrocknet hatte.
s o
Seit dem Fest in Bertow warens
nahezu vierzehn Tage vergangen.
Melanie hatte ihren Feldzugsplam
entworfen und ihre Tattit voll tiindig
geändert. Sie hatte Rolss utter
einigemal besucht, aber immer, wenn
sie rhn abwesend wußte. Kam er un
erwartet nach Hause, so verabschiedete
sich schnell und wars ihm traurige»
licte zu. Das machte ihn unruhig. J
Er rvar viel zu gütig, um unbewegt
mit anzusehen, daß sie um ihn litt
Hatte er ihr doch unrecht gethan, war
sie doch eines tieferen Gefühls sähig?j
Es that ihm leid sie so schroff be-j
handelt zu haben wenn das auch
nichts an der Thatsache änderte, daß
sie seinem rzen gleichgültig gewor
den rvar. nbehagiich war ihm ihre
Traurigkeit jedenfalls. Er stellte sich
immer freundlicher zu ihr und se
gleitete auch seine Mutter und Re
snattr. als diese in Bertotv Besuch
machten.
J Hans v. Tr chwitz hatte am Fen
ssier seines Zi mers estanden —- er
» wohnte im Verwalterlfa use —- als die
«Tornauer Herrschaften am Schlaf-,
dsrsuhren Er tonnte gerade in Re
n tes Gesicht sehen und prallte er
schrocken zurück.
Hinter der Gardine verborgen,
starrte er mit weitgrössneten Au en
auf die junge Frau, und als siefek
nen Blicken entschwunden war, rich
tete er sich langsam empor. »Das ioar
Renatr. Kein Zweifel ist möglich.
Wie tommt die hier-hast« murmelte
er und rief nach einem Neittnecht,
der eben am Fenster vorüberging.
«Mertens, kennen Sie die Herr
schaften, die eben angekommen
sind?«
»Jawohl Herr v. Trachwit3, das
war der Herr v. Tornau mit seiner
Mutters«
»Es waren doch zwei Damen?«
»Die andere heißt Frau Werteniin
und ist so ne Art Gesellschaftssriiw
lein oder so."
»Ah fo—ich dante Jhnen.«
»Der scheint aus die hübschen Da
men sehr neugieriq zu sein," dachte
Mettens und pfiff lachend durch hie
Zähne.
(Fortsehung folgt.)
Ver Detektiv des Zarem
London, im November-. Seit eini
ger Zeit lebt in London Herr M. J.
Persiß, der bis vor Kurzem einer der
Chefs des gefürchteten internationalen
Departements und der beriichtigten
Geheimdienstabtheilung der russischen
Polizei war und im Palais des Zaren
Allen denen, die sich inoffiziell fiir in
ternationale Verbrechen interessiren,
itt der Name Periiß tein unbekannter.
Er hat sich aus dem offiziellen Leben
angeblich zurückgezogen und seinen
Wohnsitz in London genommen, das
er als das Zentrum aller Verbrecher
bezeichnet, um in privater Eigenschaft
sich mit den Glacehandschuhverbrechern
zu beschäftigen, die als Erpresser die
Gesellschaft belästigen. Herr Persiß
ist, wie sich von selbst versteht, lein
Fremdling in London und befand
sich bei dem jüngsten Londoner Besuch
der Zorns-Mutter als Chef der gehei
men Wi in deren Umgebung.
Wie sehr ihn die rufsische kaiserliche
Familie schäßt, beweisen die vielen
Crinnerungszeichem die ihm von die
ser geworden sind, und die zum Theil
die Wände feiner behaglichen West
endwohnung schmücken. Das letzte
Geschenk der Kaiserin war ein pracht
volles Paar Manschettentnöpfe mit
dem russischen Wappen in Diamanten.
Herr Persiß ist, wie ein Londoner
Blatt erzählt, der Sohn eines reichen
Moskauer Kaufmannes und hatte es
nicht nöthig, sich um einen besonderen
Lebensberuf zu bemühen. Sein
Schicksal wollte es, daß er, erst neun
zehn Jahre alt, einer alten Dame in
der guten Gesellschaft begegnete, mit
der er bald auf fo vertrautem Fuße
stand, daß sie ihm eines Tages dke
Erklärung machte, ihn adovtiren zu
wollen. Bei Gelegenheit einer Un
terhaltung zeigte sich diese Dame aus
sallend vertraut mit einem großen
Diebstahl, der lurz vorher in Moskau
stattgefunden hatte. Der Fall in
teressirte Persiß, und, mit einem na
türlichen Deteltivinsiintt begabt,
machte er sich zunächst daran, auszu
tundfchasten, wer die Belanntschaften
der alten Dame waren. Dabei ergab
sich ein solch verdächtiges Material,
daß er es dem Chef der Moskauee
Polizei verlegte. Dieser erfuchte ihn,
den Fall weiter u verfolgen und sich
auch ferner des ertrauens der alten
»Dann zu vergewifsern. Einige Wo
Jchen später wurden nicht weniger als
"42 Personen verhaftet, von denen sitt
herausstellte, daß sie einer beriichttgten
Verbrecherbande angehörten. Sie
alle wurden zu lebenslänglichem Ge
fängniß verurtheilt, was fiie Herrn
Versiß vermuthlich kein Schaden war.
Der Gouverneur von Moskau ließ
das junge Polizeitalent rufen und bot
ihm an, die von ihm freiwillig aufge
nommene Thätigteit weiter zu verfol
gen. Persiß erklärte aber, er würde
et vorziehen, in den Dienst der Ge
heimpolizei zu treten, und er wurde
hierin angestellt. Der junge Beamte
brachte flir den neuen Beruf die hier
fiir erforderlichen Eigenschaften mit.
Er iii groß. kräftig gebaut, weiß sei
Inen Mann zu siehea, hat die glückliche '
,Gabe der Kombination und ein selte- «
nes Spra talent, mit dem es ihm ge
lungen, el lebende Sprachen zu met
stern, unter ihnen so schwierige wie
Arabisch- Türtisch. Chinefisch.
Nach vierjähriger Dienst t wurde
er in den persönlichen ienft des
Zaren berufen und an die Spi e der
Palastpolizei ge teilt, obne da die
niederen Unterg enen ahnten, daß er
ihr Chef sei. Jn der Folge wurde er
wiederholentlich als ein höchst gefähr
liches Jndividum denunzirt das mit
allerhand berdächtigen Perfo n ver
kehre, ja, er wurde sogar einmal ein
gesteckt und mit den Verschwörern ge
gen das Leben des Zaren, um sein
Jnlognito zu wahren, berurtoeilt.
»Ich bin durch schreckliche Erfah
rungen in meinem Leben gegangen,«
erzählt herr Persih, »und wenn ich
offen sein soll, liebe ich die Aufregung.
Man fühlt dabei wenigstens, daß
man lebt —- bis- man ermordet ist.
Meine stärkste Sensatiorr empfing ich
jedoch, als ich einmal mit dem Zaren
in Warschau war. Er bewohnte ein
Jagdschloß, das früher den polnischen
Königen gehört hatte. Allerhand bö
ses Geiindel trieb sich dort herum,
und ich beschloß, eines Abends einen
Rahab eine der niederen Kneipem
auszusuchen, wo dieses Voll veriehrte.
Als Student oerileidet betrat ich das
Haus« wo mich bald eine schlecht ge
kleidete Gruppe von Leuten mit sehr
intelligenten Gesichtern interessirte.
Sobald ich mich diesen Personen
näherte, hörten sie zu sprechen auf
oder begannen ein Gespräch über ganz
gewöhnliche Dinge. Jch bemerkte ie
doch, daß in die Kneipe dauernd Fäs
ser mit Wodta geschafft wurden.
Als mein Studententostiim mir leine
weiteren Dienste leistete, verileidete ich
mich als Kutscher, und es gelang mir,
den Auftrag zu erhalten« ein Faß
Wodia von der Station in die Kneipe
zu schaffen. Jch bemerkte, daß die
Arbeiter, die beim Ab- und Aufladen
beschäftigt waren, anscheinend alle den
Besebl erhalten hatten, die Fässer nicht
zu schütteln und sie aufrecht zu stellen.
Das bestärlte meinen Verdacht. und .
es gelang mir, mit vier meiner Leute
aus Petersburg in das Gewölbe zu
gelangen, in das die Fässer überge
siihrt worden waren, wobei ich ent
deckte, daß die Branntweiniässer
Dynamit enthielten· Hierbei machte
ich die viel wichtigere Entdeckung, daß
aus dem Gewölbe ein geheimer Gang
unter den Palast führte.
In oer folgenden Aar-or umneure ich
mit einer mir zur Verfügung gestell
ten Schwadron Hufaren das Haus
und nahm dessen Jnfassen gefangen.
Dann stieg ich allein in das Gewölbe
hinab und begab mich nach dem gehei
men Gang. Er war so schmal und
niedrig, daß ich mich nur, mit den
Ellenbogen oorwärtsschiebend, auf
flachem Leibe liegend vorwärts bewe
oen konnte· Es war eine harte und
mühsame Arbeit, und meine Kleider
hingen in Fetzen an dem in Schweiß
gebadeten Körper herunter. Nach et
wa einer Viertelstunde bemerkte ich
von der anderen Seite kommend einen
Mann, der sich mit einer elektrischen
Botterie zu schaffen machte. Beim
Lichte einer elektrischen Lampe be
merkte ich, daß an der Batierie ein
Draht befestigt war, der offenbar
mit den Dynamitfiissern unter dem
Palaste in Verbindung stand. Jch
griff zu meinem Revolver. Dann
überlegte ich mir, daß ein Schuß viel
leicht das Unglück herbeiführen könn
te, das abzuwenden ich mein Leben
einsetzte. Jch troch näher. und ehe
der Mann es sich Oerfehem faßte ich
ihn bei den Handgelenlem und so la
gen wir beide eine Weile. Es war
unmöglich, mir hier Hülfe zu bringen.
Wir rangen wohl zwei Stunden mit
einander. Dann gelang es mir, mich
mit den Zähnen in den Kupferdraht
einzubeißew Langsam biß ich ihn
durch. Jch weiß nicht, wie lange das
gedauert hat, aber ich brach mir dabei
einen Zahn aus. Als der Mann sah,
daß die Verbindung mit der Batterie
aufgehört hatte, rief er »Pro Palo«,
was etwa heißt: ,.Verlorenes Spiel«.
Jch sagte ihm, daß, wenn er mir ge
wisse Jnformationen geben würde,
er nicht bestraft werden würde, aber er
wollte mir nicht glauben, auch nicht
auf mein Ehrenwort. »Was hältst du
für das Heiligste,« fragte er mich.
»Gott und der Zar,« erwiderte ich. Ei
nen solchen Schwur nehme ich nicht
an," sagte er. »Schwöre auf deine
Mutter, und ich will deinen Wunsch
erfüllen.« Das that ich, und dann scho
ben wir uns durch den Gang zurück
Der Mgnn wurde eine Zeitlang mit
den andern gefangen gehalten. Nach
dem er aber nach Petersburg gebracht
worden« tntervenirte ich, und obwohl
er nach Stbirien verbannt wurde, er
hielt er doch dort ein Stück Land und
ist heute verheirathet. Ich glaube, er ist
ein guter Patriot geworden; jedenfalls
fchreibt er mir regelmäßig einmal im
Jahr. Die übrigen achtzehn sind hin
gerichtet worden«
W
Anzeiget «Erblindeter alter Kater
wird an tinderlose gute Leute zu ver
schenken gesucht. Nur Nichttestaura
teure mit Prtmareferenzen wollen sich
melden bei Fräulein Tiftelmannf
k
Chieagoer Klubdanien agitieren für
die Pensionierung der städtisehen Gän
le. Das menschliche Elend in ihrer
Uinåetzebung sehen sie wahrscheinlich
n '