Nebraska Staats-Anzeiger und Il«cerold. Jahrgang 26. — Grand Island, Nebr» 6. Dezember lf9f07. CZWeitEr Thffeilq Nummer 15. Erinnerung. Von Dom. Wanderer. Aus der holden Jugendzeit Tönt ein Lied mit süßen Klängen Sanft wie Mutter Jnnigteit, Fromm, als ob es Engel sängen. Einmal, einmal möcht’ i nur « Wiedervm als Kind ni- fühlen, Und daheim aus geliner Flur Mit den andern Kindern spielen. Einmal mächt’ ich noch als Kind Meiner Mutter Märchen lauschen, Laie-schen wie im Abendwinlv . rner Heimath Wälder rauschen. Und dann möcht’ ich einmal blos Meinen Kopr noch schmeichelnd MU s «-Jn der treuen Mutter Schooß, Bitten sie mn ihren Segen. Meine Suse· Die Geschichte West-Fliege. Von Karl ’ sites-en Leutnant Helmer lag in seiner lah len Kasernendude aus einer nicht eden sehr weichen Lonngr. Er dachte nach. —- , Wenn Leutnant Helmer nachdachte, wollte er nicht gestört sein. Das wußten seine Kameraden, das wußten die Qrdonnanzen und das wußte s«ein Bursche, der vieledle Bernhard. Diesem Bernhard trug aus der rech ten Wange ein großes Feuermal, was denn zu dem geistvollen Witz veran laßt hatte, ihn Ordners Bunds-edi nre'« zu nennen. Wenn Hans Jochen Helmer nach dachte. hatte Bernhard in der Tat die Funttion eines treuen Bernhardiners zn übernehmen: er mußte wachen, d. h. er stand oder lag vor der Laune-nis itube und sorgte, daß niemand seinem Herrn zu nahe lam. Die Mannschasten schlichen iider die Korridore, Vizewachttneister Wonnig lich halte seinen Säbel hoch, Frau Wachtrneistere Seidenpinscher zog seine Krallen ein. falls er am Leut nantsauartier vorbeitappte, — kurz: der Karridor der zweiten Schwadron glich in seiner Ruhe einem Friedhof, Sobald Bernhard machte nnd Herr Leutnant Helmer dachte. — —- So auch heute. Nur Leutnant von Hennig trällerte lustig ein Reitetliedchen und trat an seines Freundes Thür; »aber wie ein bissiger Köter schoß Bernhard aus gerrn von Hennig los, und aller rdnnna zum Trotz flüsterte er ener gisch: «Bst, Herr Leutnant. nicht sin gen! Herr Leutnant Helrner denkt wirks« --.. . »Ah —- — so! —- Na, dann halten wir eben unser hochadeliaes Mäulchen nnd kommen ein andermal wiedert« Er stieg aus den Zehen davon. Hans Jochen war heute in einer Stimmung, die alles andere als rosig bezeichnet werden tann, und es war» Herrn von Hennigs Glück, daß er dems treuen »Bernhardiner« Ordre varierte.J Hans Jochen überdachte zunächst die dienstliche Lage seines Daseins-. —- Die war nicht schlecht. Bei den Kameraden beliebt, von sei nen Vorgesetzten geachtet und von den Mannschasten geliebt —- na, das war so ziemlich wonniglich. Aber —- — aber —- — die oeluniäre Seite seiner Existean — — Hans Jochens Stirn bekam trauie Falten. Seine Lage-war schief, sehr schiest Das verhehlte er sich nicht einen Au genblick. Die iiins Jahre, die er nun den bunten Roct getragen. waren nichts als ein stetes Kämpfen gewesen, ein Balgen mit Rechnungen und Gläubi aern. Sein Vater, ein hoher Gerichtsbe amter. war längst gestorben, und von der schmalen Pension der Mutter konnte er so ut wie nichts erhalten, und so war fein reicher, aber geiziger Onlel Kranse sein einziges Hoffnungs licht gewesen. -— Auch das war nun ers loschen; denn vor drei Wochen hatte sich Herr Krause von dieser Welt ver abschiedet und ihm nichts hinter-lassen als ein altes —- Bild, ein Jaadstiick in einsachster Ausführung. Heute war es angekommen, und Bernhard hatte es im Zimmer ausgethgi. ' Hans Jochens Kameraden swaren empört iiber Herrn Krauses Unthat und fanden Helrners Pietiit zum min desten Mangel-tacht — Hans Jochen war noch nicht zu Ende mit Nachdeniem ietit kam erst der schwerere Theil: Wie soll ich nun meine vierhundert Thaler Schulden aus der Welt schafssenit snnunte es durch das Zimmer, tntensiv und gleichmäßig. ans Jochen horchte aus. —- Da, wie er das Summen! —- -- Unglaub « llichl Die gesammie Schroadron er tarrte in Stummheit, wenn er nach Edenkt —- und so ein ganz infamiges iFliegenthier erlaubt sich, zu summen »und auch noch in seiner unmittelbaren Nähe. ! ,,Rube!« schrie Hans Jochen. ! Das Summen schwoll an. ’ »Oui« Maul!« —- — Das Summen erhob sich zu posau nenhaiter Größe. —- — , »Bist du elendes Vieh denn ganz oerriiclt2« schrie Leutnant helmer in Ihöchsten Zorneötönem Mit blitzarti Sein Griff packte er seinen rothen ederpantoffel und» llirr —-— tlirr ; ————irach — j »Herr Leutnant, was ibt’S ?«——-— sDes treuen Bernhards checkiger Kopf ; zwängie sich durch die Thürspalte ; »Schaf! — -— Siebit du nicht daß lich mit icherm Wurf das Erbbheil « meiner äter ers etterteii —- — ’Menich, du gebet so ort drei Tage ab, drei Tage in die Lade, wenndumir nicht augenblicklich diese miseradle Fliege arreiierst und mir zur Bestra fung voriiihrst Aber lriimrne ihr lein Haar, Menichs denn ich will eine fürchterliche Strase entdecken: sie soll in dem Kaiser eriausen, den du mir vorhin servirt hasti« »Herr Leutnant?« —- — ,,Aus!! —- -— Los, auf die Jagd!« Und Bernhard ging auf die Jagd: bald hockte er auf dem Ofen, bald auf »dem Kleiderfchranl —- und das Flie genthier brummte vergnügt dazu. — Wiihrenddessen untersuchte Hans Jo chen das Wert feiner Zerstörung Die Glasicheibe des Bilch war vollständig zersplitteir, einiae der spitzen Scherben hattenloaar das Bild selbst durch bohrt, und wie Hang Joche-n die Glas lplitter recht vorsichtig herausziehen wollte, zerriß das ganze Bild, und aus seinem Innern quellen, wie von un sichtbarer Hand geschoben drei —- vier —- fiinsv und immer mehr große· blaue Kassenscheine hervor. — Starren Blicks und mit zitternder Hand hielt Hans Jochen das lostbare ,Biin-del. O- « i »Deö Onlels Schatzlammer!« flü sterte er — —- Jn diesem Augenblick ziubelie Bernhard vom Kleiderfchranl jlyerunter »Ich habse, Herr Leutenant, »ich bat-sel« —- — ,,Driiel’ sie nicht, Mensch. driick sie nicht!'· sagte Hans Jochen slehend. Er ’barg die Banlnoten hastig in seiner Tasche und nahm dann seinem Bur schen den Brummer vorsichtig wie ein Kleinod aus der Hand. »Du gutes Mäheh du gutes liebes Ding! Komm, ich will dich hegen nnd pflegen, meine aute, liebe Suse! — — Er nahm eine sigarettenschachtel, stach etliche Löcher in den Deckel, streute eine Prise Zucker in das Jnnere und sverrte dann vorsichtig das arretirte Fliegen thier hinein. »Verzeiht, meine liebe Suse, daß ich dich in so elenden Pappliifia stecke! Heute abend sollst du einen Palast aus purem Silber haben.« — Bernhard sah bleich und mit schlot terndenKnieen dem Gebahren seines Herrn zu und schlich dann verstörten Angesichts hinaus. —- Soeben trat Leutnant von Hennig an die Tür. »Nun, viellieber Bernhard, ist dein Herr und Meister setzt zu sprechen?« »Herr Leutnant, gehen Sie nicht rein. -— Jch gloobe. bei Herrn Leut nant Helmet isi’s hier oben nicht ganz richtig.« Er zeigte an die Stirn. »Quatschlopp!'· —- — Herr v. Henning klinkte. Die Thiir blieb verschlossen. »Ganz Jochen?!« —- — »Entschuldige mich bitte, Willn! Ich. habe nothwendig etwas zu er edi-» gen. « I »Du machst mir doch teine Damm-. heiten, aus die du etwa durch deint Nachdenken gekommen bist?!« » «Unsinn! Jch habe mich mein Leb tag noch nicht so wohl gefühlt, wie heute!« — ,,Na, dann viel Plaisir!« — »Dante. — Willst du vielleicht mal. die Freundlichteit besitzen, die Kame raden iheute Abend in meinem Namen . ins sia no zu bitten, zu einem Löffel Suvpe und nen Schluck Weint« »Aber wie kommst du denn dazu?'« »Ertliirung solgt heute abend. Also aeh' nur Zwei Stunden später stand Hans Jochen im ersten Juwelierladen der Stadt und erstand eine kleine, massivi silberne Kastette Jn den Deckel ließ er zwdls Löcher bohren und· dann schritt er äußerst gut gelaunt zur Ka sernr. Ein Mann seiner Schwadron stand Posten und salutirte. »Der Griss war gut, Meinig! — boten Sie sich nach Ablösung aus Wache einen Thalert«———Wie des wackern Ulanen Antlih strahlte! — ————— Jn seinem Zimmer quartierte hani Jochen zunächst die '—-—".-..-».-«.—..«- .-...— --.-..-.- — —- — -.«..,.. Fliege, die sich anscheinend sehr wvh befand und veranliglich brummte, auss der Zigarettenschachtel in die silbernef Kassettr. 4 »So, meine Suse, das wird dein; Heim, du hast es ehrlich verdient!« ——i Am Abend versammelten sich die jungen Herren des Ofsizierslorps im Kasino. » Man aß, man teanl -.- und wußtej nicht, welchem Zufall man diese Gess inilsse zu verdanken hatte. , »Geduld —- Kinder, Geduld!« ver sieöstete Hans Jochen die Allzustiirmi schen, die ihn immer und immer wieder Janzavften l Endlich erbob er lich. »Werthe Kameraden!« ,,Bravo!!« —- ——— — , »Bitte ausreden lassen! — Wer-the JKarneradenl Seit heute bin ich ein .anderer Mensch; denn seit heute habei »ich Geld! —- Jch habe seit heute keine »Schulden mehr. Ich bin seit heute imstande, Jhnen das ,,Krauseessen« mit Zinsen zu bieten. Kurz:. Ich bin -gliicklich. Und das alles verdanke ich I —- meiner Suse!« »Ah — —- ah — — !« »Halt Helmers Braut!« »Ist sie hübsch?« »Aus guter Familie?« »Wann ist Verlobung?« Von allen Seiten erschollen solche :und ähnliche Zurufr. Hans Jochen lächelte verschmitzt »Er-haben Sie, daß ich Jhnen meine Suse schildern Sie hat große, - braune Augen« »Gut -— gut, ganz mein Fall!" flö tete der kleine Hagen. »Sie hat Fäßchen, —- so llein — Sie baben leine Ahnung —- —!«' »Und lann doch aus großem Fuße leben!« warf Leutnant von Hüttig ein. . Hans Jochen nickte nur und fuhr :fort: . i »Meine Suse hat —- sechs Beine, iviere zum Laufen und zweie zum ;Brenisen!« J Alles joblte und schrie. l «Seine Braut ist ein Jnsekt!« - »Ehe elende Mißgeburtl« »Bitte. bitte, meine Herren! — Meine Suse bat nette Flügel und kann wunderschön brummen!« Er winkte Bernhard und dieser tbrachte aus einem Tal-lett die silberne :Kasiette. « »Es-eben Sie, meine Herren, in die sem Käfig steclt meine Suse!« « Man wars mit Biersilzen und Sekt .ltöpseln nach Suses Domizil und machte allen möglichen Ulk dazu, bis sich Hans Jochen das ernstlich verbot. »Meine Herren, Sie sind undank bar und pietäilos. Lassen Sie sich die Geschichte meiner Suse erzählen, und Sie werden mich verstehen!« Und er erzählte, wie er am Nachmit tag nachgedacht, wie ihn die Fliege ge stört und er seinen Pantoffel nach ihr geworfen Wie er das von Onlel Krause geerbte Bild verwundet und aus der Wunde diese·große Menge Geldes gekommen sei. —-’ »Und nun, meine Herren, entscheiden Sie: Wem babe ich in letzter Linie meinen Besitz —- Hind Sie dieses Liebesmahl zu dan ten « Man erhob sich von den Plätzen nnd einstimmig ertönte es: »Der Fliege! der Susel" I Leutnant Helmers Sufe stand nun in hohem Ansehen im Regiment. Jn ten Räumen der zweiten Schwadron wagte niemand mehr eine Fliege zu tödten. Man konnte doch nichtwissen, ob das Opfer nicht Herrn Lentnants Sule sei, die vielleicht eine Promenade durch die Mannfchaftsstuben unter nommen hatte. Die Geschichte mit Hans Jochens Sufe hatte noch einen anderen Erfolgs die Offiziersbutschen erzählten wenig stens davon »Mein Leutnant hat gestern alle al ten Bilder —- —!« »Meiner auch!« ,,Meiner auch!« »Meiner nacht« s Alle Leutnants hatten eben —-— nun! was? Sie hatten alle alten Bilder untersucht, ob nicht auch in Staub und Spinnenweben ein Bündel Bantnoten den hunderijiihrigen Schlaf.fchlum mere und seiner Erlösung harre. Ueber den Erfolg der Bilder-stürm rei wußten leider die Burschen nichts zu sagen. Das war im Mai 1870. O L f Drei Monate später. ——— Am Ar dennenwalde in Frankreich loderte Wachtfeuer an Wachtfeuer. Um einen der brennenden Holzstöße hatten sich die Ofiiziere des X. Ulanenregiments versammelt. »Nun, Hang Jochen, was wird deine Suse zu Hause machen?« fragte Herr von nnig. Js « eine Suselt — die macht zu Hause gar nichts; denn die habe ich mitl« — »Du bist verrückt, Kerl!« ,,Danle verbindlichst! —- Aber Suse ist mein Talisrnanz sie hat mir Glück gebracht! Warum sollt ich sie nicht . mitnehmen?!« Er zog unter seiner Feldbinde eine It!eine, silberne Schachtel mit etlichen Löchern hervor und blickte liebevoll - hinein. Da gab es stillen Alam. Jm Nlu saßen die Schwadronen zu Pferde. « Die Treffen wurden geordnet, und wie ein Ungewitter stob es den Föhrenberg hinab! Das war ein grausig schönes Bild: Das Jagen und Hasten und Stürzen, das Aufbäumen der getroffe nen Rosse, und die Musik dazu —— das Knattern der Chasfepotsl Hans Jochen war seiner Schwadron weit voran· Sein Bollblut griff mäch tig aus. Er schwang, auffauchzend vor Kampfeslust, seinen Pallasch im Kreise. Da traf ihn ein furchtbarer Stoß an den Leib und dann fuhr es ihm wie mit glühender Hand an der Hüfte ent lang. Einen Augenblick benahm es ihm den Athem under slnickte zusam men. Er drohte vom Pferde zu stür zen --—— und hinter ihm brauste don nernd die Masse seiner Reiter. Da faßte eine nervige Faust in die Zügel sein-es Pier-des riß das Thier beiseite und in wenigen Minuten wa ren sie außer Bereich der Brigade. Der treue Bernhard hatte seinen Herrn gerettet. Er bettete ihn auf den Rasen, öffnete ihm die Halsbinde, stellte seine Feldflasche neben den Ver wundeten und stob dann seiner Schwa dron wieder nach. S s F Als Hans Jochen aus seiner Ohn macht erwachte, lag er in einem flie genden Lazarcth. Der Oberarzt trat auf ihn zu. »Na, Herr Leutnant, ich gratuliere! Ein kleiner Streifschuß. Jn acht Ta pen können Sie wieder zu Roß. Aber wenn Sie nicht zufällig die silberne Streichbolzschachtel im Gurt gehabt hätten —- au toeih!! Ein llnterleibs schuß, prima! Noch ein .,Vater un ser« und dann: Fahr wohl, du schöne Welt! —- ceben Sie, so hat die Kugel Die silberne Schachtel zerwijrgt!« — Der Lberarzt nahm aus seiner Tasche einen silbernen Klumpen und reichte ihn dem Verwundeten. Hans Jochen blickte lange und feuch ten Auges auf die Schachtel, dann sagte er leise: »Meine Suse«. « Globetrotter. Wenn behauptet wird, in unseren Tagen sei ein Seume over Gerstäcker einfach undentbar und unmöglich, so ist dies nur relativ wahr. Andere Zeiten, andere Voraussetzungen an dere Erfahrungen, der Kern derSnche bleibt aber im Prinzip stets derselbe. Er wechselt nur fein Kleid, seine Um hijllung. Heute spaziert man nicht mehr nach Syratus, dafür reist man mittelst Anto von Peling nach Paris-. Das hauptsächlichste Unterscheidungs mertmal zwischen diesen zwei Ereig nissen liegt jedoch darin, daß Seume als Globetrotter auszog, die Welt len nen zu lernen, während PrinzBorghese schon bei Antritt seiner Reise eine ganz bestimmte, feststehende und unabänder liche Route im Auge hatte, die als solche der Zweck der Reise war. Wer viel in der Welt herumreist und weit herumlocnmt, mag ein vortreff licher Reisender sein, braucht aber noch lange nicht denGlobetrottern zugezählt zu werden. Dazu fehlt ihm vielleicht die allerwichtigste Voraussetzung — und das sei vorweg als ipringender Punkt des Ganzen betont —, der in nere Trieb zu reisen, die innere, un stillbare und nie einzudämntende Ge walt, die den Menschen von Ort zu Ort jagt und durch die weite Welt treibt. Jm gewöhnlichen Leben sagt man, solche Menschen haben kein Sitz fleisch, sie halten es nirgends lange aus und man rechnet es ihnen als argen nnd groben Fehler an. Die Wissen schaft zeigt uns aber, daß wir es in solchen Fällen sehr oft mit krankhaften Anlagen sthun haben, mit gewissen atanistischen Merkmalen, mit ererbten Zeichen einer Degeneration oder aber mit start ausgeprägten Symptomen einer nach einer ganz bestimmten Rich tung dirigirensden Geistesanlage nnd Entwicklung Der Hang und Drang, durch die Welt zu schwärmen, braucht nicht einem einzelnen Individuum allein iigen zu sein, ein ganzes Volk, eine ganze Rasse kann ihm unterwor fen sein. Es sei nur auf gewisse Völ rerschaften Asiens, Afritas und nicht zuletzt die Wanderzigeuner hingewie sen, die sicherlich ausgemachte Globe trotter sind. Der Turiner Gelehrte Lombroso und dessen eifrigsterSchüler Cav.Ferri, Staatsanwalt in Como, haben sich mit dieser Frage sehr eingehend befaßi. Ferri hat sogar den Wandertrieb der Kinder studirt unsd seine Erfahrun gen im Kapitel Landstreichende Kinder niedergelegt. Für Lombroso ist das Globetrotterthum eineSa e der Ner ven« — eine psychische Störung, und er führt für diese Ansicht eine ganze Reihe historischer Beispiele an. Jn die-· ser seltsamen Liste finden wir merk würdiger Weise die besten Namen — Namen großer, berühmter Männer, Namen der Genialen. Es wäre aber doch gewiß etwas Fürchterliches, wenn jeder, der viel her umreist, ohne daß er hierzu durch sei nen Beruf gezwungen wäre, gleich als verrückt angesehen werden sollte. An derseits kann man auch nicht zwischen der Eigenthümlichskeit, Art und dem Wesen eines Volkes und dem indivi duellen Gehoben eines Einzelnen Ver gleiche ziehen und daraus Schlüsse lonstruiren, die unter allen Umstän den verbindlich sind. Anderseits muß aber zugestanden werden und den Worldtrottern nachgerühmt werden, daß in ihrem Gehaben etwas Artisti sches und Bezwingendes ist, denn sie schöpfen aus ihrem Globetrotterthuim reiche Schätze, die Gemeingut der Welt werden. Das Reisen ist bei ihnen auf ein weit höheres Niveau gestellt, als es unsereiner vielleicht begreifen würde. Vor etwa zehn Jahren traf ich- durch Zufall in London einen jungen Reichs deutschen, der viel von seinen Reisen in Südamerila zu erzählen wußte. Durch seine Papiere konnte er leicht beweisen, daß er all die Plätze, die er anführte, auch that-süchlich besucht hatte. Als ich nach einigen Wochen von ihm Abschied nahm und ihm mein nächstes Reiseziel nannte, rief er mir auf dem Bahnhofe noch ein »Wiedersehen in St. Peters burg« zn. Jn der russischen Haupt stadt traf ich ihn freilich nicht, dafür begegnete ich ihm aber nach etlichen Jahren in Charbin. Er ,,bummelte« aerade in Asien herum. Aus seinem Passe konnte ich sofort-ersehen, daß er mich thatsiichlich inPetersdurg gesucht hatte, von dort war er mir nach Mos kau, Warschau, wieder zurück nach Moskau, Nischni-Nowgorod, Perm und schließlich nach Sibirien nachge eilt· Nun wollte er hier bleiben und sich für Australien »vorbereiten«, denn diesen Erdtheil kannte er noch nicht. Seine Verhältnisse gestatteten ihm die sses Globetrotterthum er war ganz unaoyangig harre genugenso wetd und brauchte nach keinem Menschen zu fra gen. Er verfolgte den einzigen Zweck, die Welt und die Menschen kennen zu lernen — besonders dieMenschen, denn die studirt man nie aus So sprach ein junger Mann von 25 bis 26 Jahren Ich wollte wissen, ob ihn vielleicht eine ,,ungliickliche Liebe« — in seinem Alter wohl das Nächstliegende —- durch die Welt jage, er lachte dazu und meinte gelas sen: »Ich weiß ganz genau, daß die erste Liebe die letzte und die letzte Liebe die erste ist —- bei dieser bin ich aber noch nicht angelangt.« Jn einem sind uns die Globetrotter unter allen Umständen weit über: i ! der Kunst des Reisens. Gar so einfach . ist diese Kunst nicht« denn wir müssen « eben einen Unterschied zwischen der ge wollten und der uns aufgezwungenen Reise machen, einerlei, ob die aufge zwungene thatsächlich einem fremden Willen entspringt oder aus einer Reihe von Umständen, die den Zwang wohl start mildern, ihn jedoch keineswegs so aufheben, daß man von absoluter Wil lensfreiheit sprechen kann. Hierher sind sicherlich auch die Bade- und Erho lungsreisen zu rechnen, wie überhaupt Talle jene, die schon bei Antritt der -Reise ein bestimmtes Ziel im Auge haben. Dieses feststehende Ziel fehlt, wie wiederholt betont, beim World trotter völlig, oder aber es ist zumin dest so stark variabel, daß man es nicht ernstlich in Betracht ziehen kann. Während meines mehrjährigen Auf enthalts in Hamburg lernte ich einen Mann kennen, der infolge vielen und sehr starken Rauchens sich einen Bron chialtatarrh zugezogen hatte. Da er uber genügende Mittel verfügte, be schlon er, dem-Rathe desArzteszusoL gen und eine längere Seereise zu ma chen. Er kaufte sich ein Billett fiir den nächstfälligen Dampfer nach Nethort, reiste ab; kaum war er jedoch in New York angekommen, kaum hatte er den amerikanischen Boden betreten, löste er sich ein Billett fiir den am nächstenTag schon abgehenden Dampfer einer eng lischen Linie und fuhr nach London. Er hatte in New York kaum achtzehn Stunden zugebracht. Jn London an gelangt, bestieg er ein Themseschiff und dampfte nach Hamburg zurück. Diese ihm im gewissen Sinne doch aufgezwungene Reise hatte etne merkwürdige Wandlung in ihm voll bracht. Er war ein ganz Anderer geLZEH worden, hielt es in Hamburg nich-»Es mehr aus, ordnete eines Tages sein-E Angelegenheiten und ging auf und daf? von. Jn der ersten Zeit ließ er hie un ; da von sich hören — ich erhielt Lebens-: zeichen aus Frankreich, Italien, vix-; Corfu, aus Griechenland, dann wiean aus Stockholm, Rotterdam, schließlicst sogar aus Argentinien, Chile —- uns; dann blieb er verschollen. Jch wei»i nicht, ob er noch unter den Lebendegfs weilt, ist dies der Fall, dann kriecht essk sicherlich irgendwo in Ländern heran-Eis die gar nicht auf der Landkartc zu sink den sind. IF Ein eigenes Kapitel gebührt liess-? Vertretern unserer lieben halbwiichssxj gen Jugend, die sich durch schaudetfskf hafte Abenteuerlektüre in den Wandetjki trieb frtnltch hinein-hypnotsisirt. WIT ost haben wir es schon erlebt, daß soläjz ein Knirps sich mit dem Küchenmesstkr der Mutter ausrüstete und nun in d«s Welt zieht, um mit den Rot-hhäuten isii Texas zu leben und zu kämpfen. Dis oben citirte Staatsanwalt Ferri htng eine ganze Reihe solcher Fälle gesansz melt und genau rsegsistrir-t, und EIT kommt zu dem etwas abenteuerlichrfz Schlusse, darin die Merkmale nativistkkii schenNomadenthuims zuerbliclen. DIE-; empfängliche und leicht zu erhitzen-T Phantasie der Jungen ist nicht staf? genug, die plötzlich losbrechende, brkli den Vorfahren ererbte Beeinflussunxk den ,,inneren Trieb« einzudiimmerft sondern muß dem imGegsentheil fo gen. - - Aber das Nosmadsenthum der ViilkA " war eineNaturnothwenIdiigteiL um a» die großen und erschütternden Evoltk tionen vorzubereiten uan zum Thtf auch durchzuführen, denen wir unse« heutige gesammte Kultur verdanke Was hier Großes und Mächtiges leistet wurde, das spiegelt sich nun i Globetrotterthum wieder. Oskar Heller. Fabelauslegung. Einst improvisirte Voltaire in ein Gesellschaft bei Friedrich dem Groß« eine Fabel, deren Nutzanwendung is Anwesenden selbst errathen solliefks Ein Mann reiste in Gesellschaft seiträ drei Söhne und wurde im Wah. plötzlich durch die Kugel eines im G biisch ihn auflauirnden Meuchelmiis ders niedergeschossen. Die Söhne H hen den Mörder ihres Vaters dis-« Weite suchen. Der älteste Sohn eiZV :ihm nach und streckte ihn zu Bo der zweite wirft sich neben des Vate; Körper nieder und sucht seine Wun; zu verbinden Der dritte Sohn ab —- fällt in Ohnmacht Welcher vi den drei Söhnen —- so lautete Be taires Frage — liebte seinen Vater ck «-:.·k meisten? Die Anwesenden entschied-P sich bald für den einen, bald für di anderen, bis endlich Voltaire erklärt-T »Sie liebten ihn alle gleich. Nur I . Stände, welchen sie angehörten, hatt1 Einfluß auf die verschiedenen Aeufsz rungen ihrer Liebe. Der älteste Ses war nämlich Soldat, daher lag il nichts näher, a s daß er die That r chen wollte. Der zweite war ein Af; weshalb er naturgemäß die Wunde verbinden suchte; und endlich dritte, der in Ohnmacht fiel« — , , » ein Federheld Jhres Schlages, mk Freundl« fiel Friedrich der Große di« Schalk ins Wort und hatte alle Laä mit dieser Aeufzerung auf seiner Seh — F Die älteste Orgel der Welt. K Der schwedi sche Historiker Henk berg alaubt in einein kleinen D der Insel Gotlansd die Ueberbleilx der ältesten bekannten Orgel gefs den zu haben. In der Haupt-suche Zwar nur das Oiehäusse der Orgel ha lten, dis im Laufe der Zeiten .," einem klieliauienschrein umgiewanhikgj wund-es ,; aber man sieht noch Lsocher, durch die die RegisterziigeZ traten, und man erkennt auch ganz deutlich den Ort des Bill; werks Das Instrument stam wie man annimmt, aus dem Ansä des H Jahrhunderts rks Erfüllte Prophezeiuna Z ,,Haben Sie gehört, Herr Pro sor, Jhr ehemaliger Schüler Hin F ist bei dem jüngsten Schifssunigerks unigelommen?« Gj Professor: »Ja, der hat im chischen immer sehr schlecht entsyi chen; ich habe ihm deshalb schon , der Schule prophezeit, daß er derei, Schiffbruch leiden werde!« » Vorschlag zur Güte. Goldmanm »Gewiß, Herr Raden, mein Mäsdel können Sie q» haben -—- aber Geld gibts erst— meinem Tode!« ksp Freier: ,,·Wollen mär’s nicht ten-: lehrt mache«n, Herr Gelt-manni« sp·