Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, November 15, 1907, Sweiter Theil., Image 8

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    QLÅEEOPEPEEEEEQMEPEEOEIØYOEG
Morgenröthe.
pchowoøo
wwwwæsm
Rufsiichet Roman ans der Gegenwart-Von E. Gkokgy.
n
OOOOOVOQOOOVS
(8. Fortsetzung)
Und zu welcher Spezies würden
Sie Fräulein Tarawa rechnen?«
Der Russe zündete eine neue PUN
ros an. Er zog die Schultern hoch.
Wenn sie einen guten Mann be
immne wird sie Soziaiideatistiu.
Aber sonst —? Bei Gott, ich tann mir
Maria Sergejewna mit Bombe,
Zündschnur und Revolver denten!««
An diesen Ausspruch mußte Boris
von Randell denken. als er in tadel
losem Ballanzug, eine Gafdenia im
Knopfloch sich durch das elegante Ge
wühl im Palais Kalatow hindurch
wand und in einer Ecke des berühm
ten Malachitsaales Maria erblickte-—
Unwilltiirlich blieb er eine Minute
stehen und betrachtete das sich ihm
darbietende Bild.
Eine Gruppe von Offizieren und
Zwilisten umdriingte die schöne Mil
honärin, die hoch und schlank in freier
stolzer Haltung wie eine junge Köni
gin die Huldigungen entgegennahm.
Wieder wallte eine weiße Spitzen
toclette in weicher Linie fließend an
ihrer edlen Gestalt herab und fiel in
einer langen Schleppe aus« Jn dem
schlicht frisirten Haar prangte ein
Diadern aus Brillanten und Rubinen.
Eine Kettte aus den gleichen Steinen
fchlang sich zweifach um den schneei
geu Hals und fiel in langen Enden
bis weit über die Taille, unten in
einer Art von Franse aus-laufend, die
nur aus Brillantschnürchen gebildet
wurde. Marjas Rechte spielte mit
ihrem Fächer-, und auf ihrem Antlig
lag ein Ausdruck gequälter Lange
weile. Plötzlich, wie magisch von
seinem Blick angezogen, hob sie dies
Liber, und ihre Augen leuchteten aus«
Eine herrische Bewegung, und rück-«
sichtslos ließ sie die Herren stehen und
wandte sich Rahdell zu, der sich tief’
verneigte. Man gab ihr erstaunt und
vertept den Weg frei.
«Geben Sie mir Jhren Arm, Herr
Doktor,« sagte sie laut und ruhig, »ich
möchte mich ein wenig nach meiner
Freundin umfehen.« «
Boris reichte ihr mit nochmaliger
Berneigung seinen Arm, auf den sie
leicht ihre Hand tegte »Guten
Abend. gnädiges Fräulein,« sagte er,
ich freue mich, Jhnen beruhigenden
bericht geben zu können. Fräulein
Haßling wurde soeben von zwei deut
schen Damen in den Wintergarten
geführt, der heute einen wundervollen
Anblick blühender Rosenbeete bietet.«
»So lassen Sie uns ihr folgen,«
entgegnete fie laut und neigte sichtiibl
nach derSchaar ihrer Berehrer.Leifer
fuhr sie dann fort: »Sie kamen zur
rechten Zeit. Ich konnte diese Dana
lrtiiten nicht länger miianhören.«
»Iiirchten Sie nicht, die· Herren mit
Ihrem etwas brüsten Abgang verletzt
zu haben, gnädiges Fräuleins«
»Sie kennen mich fchlecht, Herr
Doktor, ich fürchte gar nichts-t« Mar
jsa schüttelte den Kopf, daß Strahlen
garbenkaus ihrem Haar aufloderten.
» »Die Herren werden, was mir ja
im Grunde gleichgültig ist, einen Haß
auf mich bekommen, weil ich Sie ent
fuhre,« meinte Rahdell, »Sie waren
der Mittelpunkt aller Huldigungen.«
»Die doch im Grunde nur dem
Gelde meines Vaters galten,« sagte
bitter. »Glauben Sie, diese Für
, Grafen und Barone würden
mich beachten,,wenn ich nicht Fräulein
« Tarasow wäre?«
»Jbre Erscheinung, mein gnädiaes
Fräulein ist derart, daß Sie auch
ann wohl der Mittelpunkt jeden
Festes wären. Seien Sie nicht un
dankbar gegen Jhr eigenes Jch.«
»Bitte, ersparen Sie mir die Kom
plimente, Herr Doktor-« riefsie herab;
»daß ich nicht häßlich bin und neben
bei schöne Toiletten und wundervol-i
len Schmuck trage,
daß mir längst jede Freude daran
vergällt ist. Im Ausland, da haben
sie wenigstens nach meinem Geist,l
meinem Wissen und Fühlen gefragt
Da habe ich mit Männern ernste Ge
spräche führen können! —Aber hier,
o es ekelt mich an, daß kein Russe
etwas anderes in mir sehen will, als
sdaj schöne Weib und die Tochter
Sausen-II
«Gseid ist Macht, mein gnädig-es
rasten-, benuyen Sie es als Jhren
klarer-; asber lassen Sie es sich nicht
Jan-Fluche werden, der hnen Selbst
Eterixanen nnd Lebens reude nimmt
nnd Sie mit Mißtrauen erfüllt,«eni
, Beri- leise und warnend. Er
- Hätte eine heiße Sympathie nnt dem
Weben an seiner Seite. »Ja leicht
- Imd ans dem Sklaven Gold ein Ty
p kenn«
»Q« stieß sie bitter mit vibriren
Lippen hervor Gott sei Dank
diesen Tyrannen durch-schaut
inise neu Werkzeugen Wenn Sie
vie mich ese Mitgiftjiiger
- be· dieu um meine Hand winseln
die M mir im Staub liegen und sich
Mss verhöhnen lassen, nur
" i In mit dein Gelde meines Vaters
: » mfchilder zu vergalt-en um
, Mel Dasein fiihren utönnen
« Schulden u za Festsde Ich
J » —« arja
»nnd tiielte fragent In Ratten
Hi
iaamaadsssaaed
empor. Es schien ihr, als wäre ein
Zacken durch seinemhiinenhasten Kör
per gegangen. Sein Teint schim
merte fahl, und seine rothe Narbe
glühte. Ehe sie noch eine Frage des
Erstaunens an ihn richten konnte, sah
sie« ihn miihsam Lächeln und sich ver
neigen.
Vor ihnen stand plötzlich am Arme
ihres Sohnes die Fürstin Kalatow
und hob lachend den Fächer. »Boila,
mon beau mon bien solt Mars rief
sie mit ihrer etwas grellen Stimme
»das nenne ich en esset montrer du
gout!« Sie haben mit sicherem Blick
in Maria Sergejewna »la plus belle
de mes salons« herausgefunden Aber
das schadet nichts, »eela ne sait rien
du tout,« sie sehen wundervoll neben
einander aus. Einer ist die beste
Folie des andern, «parole d’honneue!«
Rahdell verbeugte sich etwas be
klommen. »Durchlaucht beliebensJ
»Ga: nicht , beliebt ich, Doktor!
»J adore la beaute," das habe ichle
nen ost gesagt Darum ziehe ich dies
Kind in mein Haus, darum hielt ich
, Sie fest. Sie Böser, ist das nctre
! amities So lange in Moskau und fO
selten bei mir ? Das hätte ich mir
anders gedacht!« Die lodernden Au
gen strahlten Rahdell an. Jn ihrem
goldgelben, mit weißen echten Perlen
bestickten Sammetkleide stand die
kleine, als Schönheit bekannte Für
stin vor dem hochgewachsenen Paare.
Sie lauschte aus seine Worte mit
einem Ausdruck von verhaltener Lei
denschaft in dem unregelmäßigen sat
matischen Gesicht· Dabei hielt sie den
Arm ihres fiel-zehnjährigen «Sohnes
lrampfhast sest.
,,Est ce que oous vous rapelez.
Docteur?« flüsterte sie plöhlich.«Den
Walzer spielten sie auch an jenem
Abend in Rissen als wir am Meere
standen. Es war berauschend, n’est
ce pas?«
»Für die große Mondaine müßte
dieser Anblick doch vielleicht noch ver
loctender sein, Durchlaucht!'« sagte
Boris kühl und wies in die pruni
haften Räume, aus die schwatzende
hin undter wogende Menschenschaar.
»Doch haben Durchlaucht wie ich
höre, in Ihrem Wintergsrten den
Süden in Ruszlands Winzer gezan
ksert. Das gnädige Fräulein und ich
wollten gerade —- ——'«
. »Ach, Wuicotschestwo ("Hoheit)!«
rief die Fürstin zerstreut und hob
das Lorgnon vor die tut-züchtigen
Augen. »Ne Vous derangcz pas!«
Durch ihre Hausfrauenpskichten ab
sorbirt, achtete sie nicht mehr aus das
Paar, sondern rauschte davon, dem
eintretenden hohen Herrn entgegen
Mit Ieidechsenartiger Geschmeidigleit
bewegte sich die graziöse Gestalt, so
daß der Sohn der jugendlichen Mut
ter kaum zu folgen vermochte.
Schweigend schritten Rahdell und
seine Gefährtin weiter. »Wir müssen
durch die kleine Jaspisgallerie gehen," j
hatte Maria kurz gesagt und, ihm,;
dem noch Fremde-is damit den Weg.
gewiesen. Eine tiefe Verstimmung
hatte in ihr Boden gefaßt, ohne daß
sie sich den Grund ertlären konnte.
Nach der ftrahlenden Helle, der«
heißen, parfütn- und Unmenge
schwängerten Luft der überfülltetn
Festsäle erschien ihnen der riesige
Wintergarten kühl und ruhig. Ein
oerhorgenes Orchester spielte auch hier
schwül-e, weiche Weisen. Die Spring
brunnen plätscherten. Geschickt ver
theilte elettrische Beleuchtung-stürmt
spendeten mildes Licht, und aus den
zahllosen Rosenbeeten und Stelle-gen
mit Rosenstöcken zog ein süßer Duft
durch die geheizte Glashalle, deren
tieshestreute Wege sich zwischen hohen
Valrnenbäumen und kunstvollen Ge
büschen hinzugen. Von der Mitte des
Baumes her, wo eine Fontaine Inmi
neuse sprang, ertönten lachende, plan
dernde Stimmen.
»Bitte, bleiben wir hier,« sagte
Maria leise und wars sich in einen tie
fen Sessel aus hellem Korbgesleeht
Boriö nahm neben ihr Platz. «Eö
wird Ihnen auch nicht zu kühl sein,
gnädiges Früuleink
»Danke. nein! Ich bin sehr abge
bildet-« Müde lehntesie den Kon zu
rück und schloß die Augen.
- Wieder kam es über ihn wie eine
ILeidenschust, in die sich heißes Mit
ileid mischte. Arn liebsten hätte er
Z das herrliche Geschöpf an sich gerissen
und gest-ist« was in ihr vorgehe.-—
De fühlte sie seinen sorschenden Bli
nnd hob die Liber
« »das-en Sie einst zu der Fürstin
There —Beziehungen gehabts« fragte
»Gut-its Z räulein,« stieß er
masot ü traf t hervor.« s
« itte, sagen Sie mir die Wahr
hettt« flehte sie.
»Und ich bitte Sie, mir Jndiskw
tionen zu erlassen. Ueber solche Dinge
spricht ein Mann nicht,« entegneteer
bestimmt · .
»Das» genügt neit, here von Rah
dell.« lage III-eilen »Tech, bitt-,
M te nur den stir. mich mitth
Mseuder dieser Frau aus Ihr
Wiens-ri- nnen-» wier due-ke
verstehen !"
ihre bezaubernde Liebenswiirdigteit,«
ihr geistvoll sprunghastes Wesen und
ihre Begeisterungssähigieit siir alles
Schöne.«
»Sie hat alles, wag rnir sehltl Und
doch muß auch ihr das Leben ihre
Jllusionen jung geraubt haben. Auch
iie wurde um ihres Geldes willen ge
tauft und dann beiseite gestoßen und
getränkt. Wie lonnte sie sich all diese
Eigenschaften wahren, ohne tyrbittert
zu werden?« .
Rahdell verbarg ein Lächeln, als
er seinen langen Schnurrbart strich.
Er wußte, auf welche Weise die blut
junge Frau sich einst iiber alle Ent
täuschungen sortgebracht hatte. Er
tagte sich auch, daß Marias Natur
sich niemals aus diesem Wege befreien
konnte. .Neiden Sie der Kalatotva
nichts, gnädiges Fräulein, ich ver
muthe, auch sie hat ihre »heures
noir.'« —- Aber was um Himmels
willen veranlaßt Jbre blühende Ju
gend zu all diesen Fragen und Ber
gleichen?«
Das junge Mädchen stiesz ein tur
zes Lachen aus. »Sie sollen es ersah
ren, Dottor von Randell!« sagte sie
hastig »Ein einziges Mal habe ich an
die Liebesoersrcherungen undSchwtire
eines Mannes geglaubt. Jch stand
vor meiner Verlobung mit ihm-. Da
erfuhr ich, daß er nicht nur ein
glühender Anbeter meiner eigenen
Mutter gewesen, sondern daß er auch
zur gleichenZeit, wo er mich an seine
unbestochene Liebe glauben ließ—in
Vetersburg der Kalakowa huldigte
und ihr Geschenke sandte, welche et
aus eine spätere Berheirathung mit
mir hin bei Kunstbändlern und Ju
welieren borgte. Und dieser Mann
war ein Balte wie Sie-«
Dei junge Arzt beugte sich vor,er-—
griff ihrehand und preßte schweigend
seine Lippen darauf. »Solche Erleb
nisse können verbittern, Maria Ser
gejewna.« sagte er lkisr. »aber es ist
nicht jeder ein Schust!«
»Sie finden also auch ein solches
Benehmen schurtig? Meine Eltern
wollten meine Ansicht darüber nicht
s- k- sp- psks .,,
»wir murren ure queu rursai Irr-I
Tstanden haben. gniidiaes Fräuleinfj
;entgegnete er heftig. »denn über eines
. war wieder ein echt russischeö Fest mit
;praßt, getanzt und nebenbei gejeut—-—
Iverfluchte Kartenspielerei hierzu
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!
.
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I
-
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is «Marja Seegejewna und ich haben
f
-telligenz. Mich wurde es nicht wun
Schurierei gibt es doch nur ein Ur-I
theil.'« '
»Seit heute Vormittag habe ich
Vertrauen zu Ihnen, Herr Doktor.«
Sie errötbete bei diesen Worten.
Sein Herz klopfte. »Ich hoffe, mich
dieser Ehre noch würdig erweisen zu
tönnen.«
»Dieses Geld« dieser Firlefanz,« sie
wies auf ihre Juwelen, »sind mein
Fluch! Ich wünschte, ich wäre ganz
arm, damit ich wenigstens an mich
und an andere glauben tönnte,« fuhr
sieschrnerzlich fort. -
Boris fühlte sein Blut rasen.
,.Marja Argejewna,« sagte er ton
los, »wir können Sie so freventlich
sprechen? Muß man Jbre stolze, reine
Seele, Jbre hohe Schönheit nicht lie
ben auch wenn Sie arm wären, blut
arm?«
»Da sind Sie? Hier im Ieersten,
itillsten Winkel? Und werden überall
gesucht," rief Frau Tarasow «chrill,
hinzurauschend. «Maria! Fürst Ba
riansln sucht wie verzweifelt seine
Dame. —- Man gebt zur Tafel! —
Dottor, ich habe mir Sie-erbeten«
5
»Nun, wie ist die Schlitteniahrt
verlaufen, Doktor-W Graf Macte
schenkte sich ein neues Gläschen Litiir
ein« wars die angerauchte Papnros in
den Aschebecher und entzündete eine
neue. l
Der Gesragte lag i einem tiefen
Sessel, die Arme müde auf die Leh
nen gestützt, den schönen Kopf seitlich
gegen die Rückwand geichrniegt. Er
sah bleich und übernächtigt aud. Jent
hob er die gesenkten Augenlider und
blickte seinen Gast forschend an. .Eö
sinnlosen Schwelgereien bei der Tafel,
mit unerbörtem Aufwand an Blumen
und Geschenken. Der Fürst konnte
sich nicht genugthun. Wir haben ge
lande!«
Der Ofsizier beobachtete den Spre
chenden scharf. »Nun, die Trosten
fahrt durch die Winterlandfchaften
bat doch auch ihren Reiz. Besonders,
wenn man eine so schöne Schlitten
herrin neben sich hat wie Sil«
»Das rasende Jagen durch die
schauerliche, vereiste Einsamkeit ver
schneiter Waldungen und Dorsschas
ten könnte einen Reiz haben, wenn
nicht Sturmwind und Kälte jedes
Gespräch unmöglich machten. Crit
ans der Rückfahrt hatten wir den
Wind tm Rücken nnd konnten einige
Worte wechseln« »
, »Sie sind ein besonderer Kanzl«
Maele lachte kurz aus. »Alle Welt er
warbet Ihre Verlobung mit der chit
nen Tarasowa. Wenn man je in
Ihre Nähe sammt und Jhre Unter
haltu belauscht, so hörtman nichts
als rlosop ieen und politisirerr. Sie
Deutschen b iben selbst in derLiebe
doktriniir.«« « U
bisher wenig an Liebe unt-Verlobung
gedacht. mein Theorerk
",.Aba, Sie retten Rußlands Zu
lunstf spottete der Gras. »Auch eine
Meliheit der nnbeschiiftigten Ju
bern, wenn die Texas-Da sich usichs
am ou Sind-uns tun-inm- reißt,
tun den« Qombenweefers näher zu
. · il i ,
—
MF T .-.-.
sein. Jch hosse nur, daß Sie vorhersp
den wilden Vogel einsangenl«
»Was berechtigt Sie zu dieser
Annahme?«
»Jhre und Maria Sergeieionas
Blicke und Behaben, mein Lieber!
Wie zwei Pole treiben Sie, aufeinan
der zu, wenn Sie in einem Raum zu
sammen sind. Machen Sie schon ein
Ende, zum Teusel, die Partie ist nicht
schlecht!«
Bors sprang jäh empor und durch
eilte schweigend mit gerunzelten
Brauen sein Zimmer. Endlich blieb
er vor Macke stehen« der auch ihm
längst ein Freund geworden war. »Es
geht nichts« sagte er heiser.
»Und waru , wenn man fragen
dars? Fehlt de Liebe?«
»Nein; aber meine Ehre verbietet
es mir!«
»So lind Sie anderweitig irgend
wie engagirt?«
»Nein; aber gerade nach dem, was
mir das Mädchen in vertragten Ge
sprächen mitgetheilt, hat sie es mir
unmöglich gemacht,« entgegnete Boris
schwer. »Und mit welchem Rechte
sollte ich wohl vor den alten Tarasow
treten? Woraushin?«
»Erlauben Sie mal, theurer
Freund, ganz abgesehen von Jhrern
außergewöhnlichen Aeußeeen sind Sie
doch fiir diesen Kupjez (Kausmann)
immerhin ein Baron Rahdelt.«
»Der zweite Sohn eines lleinen bal
tischen Adligen. von dessen Vermögen
selbst unter andern Verhältnissen nicht
allzuviel aus mein Theil käme, bei
dem Kindersegen unserer Familie!
Während dieser Kuper sich mit seinen
Millionen einen Fürsten kaufen tann·«
»Nun, die Begrisse von kleinen und
großen Theilen sind recht verschieden.
Friedrich lebt in Petersburg durchaus
alå«Grandseigneur,« erwiderte Macke
fll II
»Mein Bruder war weiser in der
Wahl seiner Pathen, von denen der
eine ihm eine große Nente zum väter
lichen Zuschuß zugibt. Auch ich habe
leider als Grandseigneur gelebt und
setze dieses Dasein hier munter fort.
Da mein Beruf mir aber vorläufig
noch nichts trägt, so —- ——«
»So könnte Tarasow Sie in seinen
Fabrilen anstellen oder durch seine
Beziehungen Jhnen sogleich große
Einnahmen verschaffen, welche aber
durch Maria Sergjewnas Mitgift
ohnehin gesichert sind. Das Mädchen«
welches ich scharf beobachte, zeigt zum
erstenmal warmes Interesse für ein
männliches Wesen. Noch mehr-, es —"
Rahdell stampfte ungestüm mit dem
Fuß aus den Boden. »Lassen wir das
Thema fallen.« sagte es gequält, »was
Sie mir da noch zugehen, macht mir
ja eine Werbüng erst recht unmöglich.
Als Mann von Ehre will ich weder als
Habenichts meinem fOchwiegervater
alles verdanken, noch das-«- ,Mädchen,
welches ich so hoch verehre, in seinem
heiligen Vertrauen täuschen. Jn Riga
wird eine Valanz am Krankenhaus
eintreten. Jch werde mich um di
Egliwerdende Assistentenstelle bemü
Der Graf entgegnete darauf nichts.
Auch er erhob sich und nestelte an sei
ner Uniform. »Ein jedes ist seines
Glückes Schmied, thun Sie also, was
Sie nicht lassen können, Rahdell! —
Aber noch einmal möchte ich Ihnen
die Vortheile dieser Heirath vor Au
gen fiihren, welche durch Maria Ser
gejewnas Jawort alle Schwierigkeiten
besiegt; alle!!«
»Glauben Sie, daß erst Sie kom
men müssen, um mir diese Vortheile
zu erläutern?" fragte Boris mit bit-«
terem Spott. »Geniigt es Ihnen
nicht« daß ich Jhnen meine Liebe für
Maria einfach, rückhaltlos betenneti
Und dennoch würde ich niemals —
Ehrenwort —- niemals um sie wer
ben! Jch kann es nicht, ich darf es
und will es nicht, solange —- -—- Las-«
sen wir aber nun das Gespräch, Macke,
und sorgen Sie sich nicht um mich.
Wenn die Wogen iiher mir zusam
menschlagen nud nur noch eine Heirath
mich rangieren kann, dann werde ich
eben die Scheratiewsta heirathen. Jhr
Vater ist ein Millioan wie Tarasom
Wo die Millionen herstammen, bleibt
sich ja schließlich gleich. Der eine ist
ein Genie der Arbeit, der andere ein
Genie der Schurlerei!«
»Pfui Teufel, Rahdell, mit solchem
Pack amalgamirt man sich nicht!« rief
der Offizier.
»Warum nichts« spottete Boris
bitter. »Vor dem alten Scheratiewöth
brauche ist mich nicht zu geniren.
Der muß ssi sein, wenn er einen —
etnem Mc wie mir die Schulden
zahlen dars. Und seine edle Tochter,
die mich schon jeht mit ihren Betesen
und Blumen und Fensterpromenaden
verfolgt, wird schon mit dem glücklich
sein« was ich the gebe. Die verlangt
nur meinen Titel, meine Person; nicht
mehrt« «
»Und Jhre vornehme Familie?
Mensch, sind Sie toll? Wollen Sie
die Scheratiewsla vielleicht nach Ray
dellhof bringen? Diese Bande wagen
Sie auch nur neben Ihre Eltern und
Geschwister zu denken. Pfui, Sie sind
ja verriickti« Der Graf stieß diese
Worte im Zorn heraus. Sein Antlig
hatte sich roth gefärbt.
Bot-is klopfte ihr auf die Schulter
und lachte bitter. »Noch brauchen
Sie sich nicht aufzuregen, Sie haben
recht, ich bin-verrückt Aber meine
Lage macht mich dazu! Kommen Ste,
, -4
i
- »Iij
»F
» Exiia ist denn der Hut-samt- Xavekl der Brandstistung überführt
wokUn «
»A Schachtel tothe schwedische Zündhölzl, dö et sich in der Stckdt
drin lauft hat, hat ma’ am Brandplatz gfund’n!«
»Ja, ja, dö neuvdischen Sachen!«
mickk verlangt nach Champagner und«
Mu it U·nd Weibern! Jch habe Lust,
all das, was mich bedrückt, in wüstem
Gelage zu vergessen. Jst man erst so
weit wie ich, dann tommt es schon aus I
eine Orgie mehr oder weniger nicht
an!« Er eilte auf seinen Schrant zu»
und mhm Pelz, Mütze und Ueber
schuh heraus.
Während er sich umschaute, stand
Graf Macke in ernstes Sinnen verlo- :
ten. Die Kahlheit dieses Raumeö mit
seiner verwohnten, schiibigen Eleganz,
das ganze »Nummernhotel«, in dem
eigentlich neben Junggesellen nur noch
einige Damen eine fragwiirdige Exi-?
stenz führten, bedrückte ihn. Sein ei
genes reichrs Garconlogisx die altviiz
terische Eleganz, der solide, PeinlichI
saubere Haushalt von Rahdellshos
Vontaunen stand vor seinen inneren
Augen. Und ein tiefes Mitleid mit
dem schönen jungen Arzte ijbertaml
ihn. »Sie sind tein Lebenstiinftler,'
Randell,« sagte er plötzlich.
»Ich habe in meinem Vaterhause
und später in der Pension nur beten
und mich ducken tennen gelernt. Die«
eiserne Disziplin lastete zu schwers
aus mir. Als ich meine Erziehung!
zur Lebenstunft dann als Student in
die Hand nahm, fand ich wohl auch«
nicht das Richtige. Jch fühlte mich;
beständig zwischen Jdealem und Bis-;
sem hin und her gestoßen. Wer toeiß,;
ob ich meinen Schwerpunkt je finde?«;
Der Ofsizier schnallte seinen Säbel;
um und lachte dabei. »Sehen Siej
einmal an. mein Freund, also auchi
die herren Studirten tönnen an dezn
gleichen Uebel tranken wie wir? Wie
viele meiner Kameraden laboriren bis
in die höchsten Chargen noch an dem
Leichtsinn ihrer Leutnantstage! -——s
Aber nun einmal ernst gesprochenJ
Doktor, « fuhr er bedeutsam fort, »ich
bin in ganz geordneten Verhaltnissen, ;
wenn es sich bei Ihnen nur um lum- T
vige Geldsorgen handelt so stehe ich
zu Jhrer Verfügung Ehrenwort, ichs
fasse eine Ablehnung meines freunds
schastlichen Anerbietens als Beleidi
gung aqu« "
Jn dem Arzte entspann sich plötz
lich ein jäher Kampf. Die Sorgen
verzehrten ihn fast. Die Schulden
und die Wucherzinsen wuchsen rapide.
Schon hatte er neue Quellen suchen?
müssen. Aber auch diese hatten sich-«
ihm nur erschlossen auf seine in ganz
Mostau besprochenen Beziehungen mit
Maria Sergejewna hin. Der Geld
verleiher hatte es ihm deutlich genug
zu verstehen gegeben, daß sein Kredit
unbeschränkt wäre, sobald er den Ter
min der Verlobung hetanntgeben
v iirde. Boris hatte ihn zornig und
Kochmiithig angefahren. —- Sollte er
Martes Anerbieten benutzen? Schon!
wollte er sich dazu entschließen, da fiel «
ihm das letzte Schreiben seiner Mutter
ern: »
i
»Ich rann Dir gar nicht jagen, wie
gliicklich es Vater und mich machent
würde, wenn Macke sich endlich umi
Olga bewerben wollte. Friedrich ist«
wie er uns mittheilt, überzeugt, daß"
der Graf auf jede Mitgift verzichtenZ
könnte. Das wäre ein Segen unseres T
Herrn und Heilands! Die Landwirth- «:
fchaft geht jährlich zurück. Karl Heinz i
koftet Vater auch noch enorm viel, weil ;
er Vontaunen nicht ameliorieren kann, ·’
ohne dasz große Kapitaliensin den
ausgefogenen Boden gesteckt werden.
Die Ernten waren unter dem Durch-l
fchnitt. Die Brennerei und die Zie
gelei leiden durch schlechte Konjunk
turen. Die Stille müssen ausgebes
fert werden. Wir haben einen
Dampfprug und eine neue Lokomo
bile angeschafft. Pater fchliift oft des
Nachts nicht, sondern sitzt am Schreib
tisch und rechnet und stöhnt. weil er
nicht weiß, wie er die Zulagen fiie
Euch fchaffen foll, ohne neue Betastung
der Güter. —- Darurn fchriinke Dich
recht ein, mein Paris, fuche Praxis zu
hetommenl Und wenn Du etwas thun
tönnteft, Graf Macte zu einer beschleu
nigten heirath zu veranlassen, so thö
teft Du ein gutes Wert.« i ·
So klangen alle Briefe in den let
ten zwei Jahren. nur daß die Klagen
sich mehrten. Und er hatte einst den
Reichthum der Eltern fiir unerschöpf
lich gehalten. Nein, feinen zukünfti
gen Schtvager durfte er nicht in seine
Mifere mit hineinziehen und dadurch
die Heirathsauösichten der lieblichen
Schwester vermindern.
Jch danke Jhnen,« fagte er noch
kurz und schwer athmend, »vorliiufig
hade ich mich erst wieder versorgt.
Aber lommen Sie, meine Kollegen
warten bei Philippow.«
Sie durchschritten den Korridor.
Aus den verschlossenen Zimmern er
tlang Lachen« Plaudern, auch wohl
Musik. Ein Kellner kam ihnen mit.
einem Tablett Weinslaschen und einem
Weintiihler entgegen. Ein anderer
schleppte einen Samowar fort. Am
Treppenausaang begegneten ihnen
zwei tiesverschleierte weibliche Wesen.
Selbst ihr Wuchs war durch die Ro
tondenpeizmiintel nicht zu erkennen.
»Sie sollten hier sortziehen, sich eine
Wohnung mödlieren und als prakti
scher Arzt niederlassen, Ddttor!«
meinte der Ofsizier.
»Meine Eltern wünschen nicht, daß
ich dauernd hier bleibe. Mich lockt es
auch nicht weiter! Und ich habe mich
nach Riga gewandt, wie ich hnen er
lziihltr. Aber kommen Sie enn nicht
mit?« Boris blickte den Grasen über
rascht an. »Ich dachte doch —- —«
»Ich komme nach. lieber Doktor, da
iäs es vorziehe, an Jhren Extursionen
in Zivil theilzunehmen. Auch möchte
ich mit Wittel telephoniren, ob er sich
anschließen will! Wo treffen wir
unsi« -
»Ich denle, man sprach von Au
Iuont. Schulpugin hat eine Lage ge
nommen. Das neue Baudeville soll
gut sein!«
»Garnicht-, also aus Wiedersehenx
Joevoschtschicl!« Marle rief einem ei
ligst heranjagenden Kutscher seine
Adresse zu und fuhr davon.
Botis von Raydell schritt, tn
schwere Gedanken versunken, über die
belebte Tverstaja. Plötzlich wurde er
angerufen und-sah sich um« Ein hei
ßer Schreck durchzuckte ihn, denn auf
dem Damm-hielt jetzt ein Schlitten, in
welchem Fräulein Haßling und Fräu
lein Tarasow saßen. Hastig eilte er
in und begrüßte die Damen, welche
i m herzlich die Hand schüttelten.
»Wir haben im Straßtnoitloster
die wundervollen Alapella-Chöre be
wundert und fiir Marias Ktippe und
Kleiniinderschule in der Fabrik Auf
träge gegeben,« plauderte Margot se
lig. »Die Matuschla tennt Maria
schon lange und hat uns das Kloster
gezeigt. Nein, wie interessant! Und
wie die Nonnen stricken und nähert
Dies Moskau ift einzig! Heute Bor
mittag waren wir mit großer Beglei
tung auf dem Trödelmarlt am Sfu
charewer Wassertburm.«
Maria blickte forschend in Boris’
Augen. Ohne auf die sprudelnde Be
kedsamieit der schwatzenden Freundin
zu achten,«fragte sie ihn: »Sie find
heute auch zum Konzert im Adels
tlub, here Doktor?«
»Nein, gnädiges Fräulein, ich habe
mit meinen Bekannten eine Verabre
dung. Und —- ich dachte, die Damen
sind heute zum Ball eingeladeni«
»Ja, wir fahren direkt vom Kon
zert aus hin. Sie haben sich schon,
einige Tage nicht sehen lassen. Was e
rum kommen Sie nicht zum DinerZ
— Jch habe mir schöne Stiche bei
Aoanzow gekauft, die ich Ihnen zei
gen miichte. Es sind englische Origi
nale.«
»Ich werde mir in den nächsten Ta
gen die Ehre geben, gnädiges Fräu
lein!« entgegnete Rahdell, sich tief ver
beugend.
»Und dann verabreden wir endli?
den Tag, wo Sie uns das Finde -
haus zeigen werden. Nicht wahr,
here Doktori« bettelte Margot.
»Die Damen haben nur tiber mich
zu besehlen. Jch habe ja täglich
Dienstl«
Gortfehung solgt.)
- —
Der Kohlenpreis geht in dieHiihe —
eine philanthropische Maßnahme des
Kohlentrustj: damit die armen Leute
nicht so viel Kohlen verbrennen . ..
s- - i - »
haarstriiubend ift jedenfalls die
Tatsache, daß jest auch die falschen
haare im Preise gestiegen sind
I O f
Seufzend sagte jemand: »Erfolge
machen nicht llicllich —- solange Kon
iurrenten au welche habent«
« es « ze- se
Meis- er vieli« —- ,,Er weiß, daß
er nicht viel weis-, aber er weiß genug,
anoere nicht wissen zu lassen, daß er
nichts weis« «