Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, November 15, 1907, Sweiter Theil., Image 12

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    ES irrt der Mensch
Roman von H. Courths Mahler.
I ri- c-q-g-s.--.
»
Tavvssqwäxvvss
III
IIITISvk-"
Is:
(2- Fortsetzung-)
Sie that ihm den Willen und
sprach mit ihm über allerlei gleichgül
tige Sachen. Ihr sorgenvolles Mut
åechrherz klopfte aber bang und ängst
Wenige Minuten später waren sie
an dem kleinen Stsationsgebäude an
gelawh das zu Tornau gehörte. Der
Beamte, der alle Obliegenheiten der
kleinen Station in einer Pers-zu ver
sah, sprang eilfertig herbei, am die
Tornauer Herrschaft zu begrüßen.
»Ja drei Minuten läuft der Zug
ein, Herr v. Iowa-W rief er.
»Schön, Brinknrann.« Er bot dem
Beamten sein Zigarrenetui. »Da-—
stecken Sie sich eine an."
»Besten Dank, Herr v. Tornau.
Die rauch« ich heute Abend nach dem
Essen-«
»Na, dann nehmen Sie nur gleich
zwei, das hält länger vor.«
Brinlmann legte die beiden Zigar
ten in den Deckel seiner Dienstmütze
und stülpte diese dann mit einem
kühnen Schwung wieder auf das po
madisirte Haupt. Dann ging er eilillsj
davon, um sein Amt zu versehen.
Gleich daran hielt der Zug und
aus einem Abtheil zweiter Klasse
sing Renate mit suchendern Blick.
Tornau trat schnell auf sie zu, zog
lden Hut und fragte mit höflicher
Verbeugung: »Frau WertentinTHabe
ich dieEhre?« s
Sie neigte den Kopi. »Herr v.z
Tornau, Sie haben sich selbst be-(
miihth -
Sie sahen sich beide einen Augen
blick an, prüfend und wägend
Dann erschien ein gutmüthigesj
Lächeln auf Rolss Gesicht. »Die wird!
Mutterg Schönheitssmn befriedigen,«
dachte e:. und nahm ihr das leichtel
Handgepäck ah. »Darf ich Sie zuf
meiner Mutter fü«hren?« fragte er.j
»Sie wartet im Wagen.« »
»Sie schritt an seiner Seite um das«
Gebäu-de herum. Sie trugeinen losen,
dunkelgrünen Reifenrantel über ei
nem leichten schwarzen Kleid. Er war
offen, und man konnte ihre hohe
schlanke Gestalt darimter erkennen.
»Das Prale des hlassen Gesichts war
von Mem Schnitt. Unter dem leich
ten ichsva-sen Sttotht bauschte sich
Mr derStirn schönes dunkles Haar
in reicher Fülle, und zwei glänzende
Flochten waren schlicht um den schma
lentiops ausgestellt Alles in allem
eine sympathische, vornehme Erschei
nung, die ihm cvohlgsefiel Etwas wie
Freude an dieser. reiivollen Hausge
nossin fing in ihm auf.
Frau v. Tornau erhob sich im Wa
" en, als Renate zuihr trat, und ihr
«e Hand reichte. Ein frohes Lächeln
erhellte ihr hübsches Matronengesicht.
Die junge Frau fiihrieDie gebotene
EIT- impnlsiv an die Lippen und
dann ernst zu ihr auf. Jener ge-(
’ nißoolle Zug im Menschenherzen,
der Sympathien entstehen läßt zwi
schen manchen beim ersten Sehen, wob
einBansd zwischen den beiden Frauen,
ehe sie noch ein Wort miteinander
gesprochen hatten.
«F:rzlich willkommen, lieie Frau
tin. Kommen Sie, setzen Sie
sich zu mir-mein Sohn wird hier
vor uns Platz nehmen«
Kennte stieg ein.
Rolf hatte die beiden stumm be
trachtet. Er blickte nun in Renates
voll asufgefchlagene dunkle Augen.
Leidvolle Augen waren es, auf-deren
Grunde Thriinen ruhten und ein Ge
lühl warmen Mitleids in ihm weck
en.
Er wandte sich fragend zu Itzt
,,Wollen Sie riii agen, ob c.-ie heute
noch ist Gep« gebrauchen? Wir
find je t in der Ernte, nnd Pferde
und Menschen sind start beschäftigt
Wenn es bis morgen früh damit Zeit
hätte, wiiee es mit lieb.«
»Bitte, richten Sie es ein, wie es
am besten paßt. Wenn ich hier mei
nen Handwsser gleich mit mir neh
men kann, bin ich mit dem Nöttsisgsten
versehen.«
Er hatte mit Wohlgefallen ihrem
weichen, dunkelgefärbten Organ ge
lauscht und etiheilte nun Brintmann
wegen des Gepäcks Weisung, nachdem
» er sich von Renate den Gepäckschein
ausgeseten hatte. Dann schwang er
aus den Wagen, und nach den
geingeeisend fah er sen Pferden
n getKleinsten Scha ag mit der Peitsche.
Diese- ten sich in Bewegung unid
siisrien n Wagen in wenigen Mi
unten ansden gntgshaltenen breiten
eg, der direkt nach Tornau
Die beiden Fee-gen saßen etstfeumm
Mehmeinender. Renatses Blick schwerste
unchee iiber se gokdig wogenden Fel
der. Die Meg neigten sich schwer
ussiet der der Frucht und harr
des Schnittert Aus einigen
ÆI Mk des Weide schon ge
- ten nnd in Garten gebunden,
- nf anderen tummelte-: ffch die Ar
s Zeiin ist Migen Sehn en um den
M Erntesegen einzuheimien.
W, ais miisse sie aussteigen
sit Ieither most en der Ernte
ligen sum iibet sie.
M- Ists- m W hob weg emi
MQWMY OI.IUI·»IOI—O-Us-.Vs-I. Its XII VIII-»A- -- J s-:
snnd leise Röthe stieg in die blassen
Wa.ngen
« Frau v Tomau sah mit Wohlge
l fallen in die feinen, belebten Züge der
ljungen Frau. Sie faßte nach ihrer
lhand die neben ihr auf der Decke
!des Wagens ruhte. »Sind Sie sehr
I müde von der Reise?«
S Renate schüttelte lächelnd denspr
I »Nein, gnädige Frau. Jch hatte eine
H angenehnie Fahrt und die Entfernung
ist ja n: cht gar Yo groß.«
immerhin vier Stunden
reichbich Freilich-Sie sind jung, da
l fühlt man so etwas- noch nicht. «
Der Wagen war in den Waldweg
leingebogen. Renate sah freng in die
dichte grüne Pracht hinein. »Welch»
herrlicher Wald! Eichen und Buchen
von dieser Größe sah ich noch hian
; Rolf wandte sich nach ihr um
-,,Lieben Sie den Walds« j
- »Ich kann mir nicht denken, daß es;
Leute gibt die ias nicht thun Gehört
dieser hier zu Ihrem Bef ?« i
»Ja —- er erstreckt sich bis zum
Pari, der wies-er in den Obst- und
Gemiisegarten aus-läuft, und dieser
gehnt sich direkt bis an unser Wahn
ausk·
»Mindeon ist es hier in syrem
Pakt-, Sie tönnen stolz daraus
ein.« «
Er niette nur leicht und wandte sich
wieder seinen Pferden zu.
Seine Mutter antwortete an seiner
Stelle. »Das ist er auch; Der Wald ist
immer die Vorliebe der Tornaus ge
wesen, er ist von Geschlecht zu Ge-.
schlecht gehegt und gepflegt worden«
»Es ist etwas Großes, Herrliches
km solch einen ererbten Familien
Mk
»Nicht immer. Manch einer ist schon
zu Grunde gegangen, weil er sich von
seinem Stammgut nicht trennen
tonntr. Wir haben hier in der Um
äeåend manchen derartigen Fall er
«EZ mag auch schwer genug sein,
solch ein Erbtheil herzugeben.«
»Das will ich meinen, man ver
wächsst mit seiner Scholl-e und wurzelt
fest im Hennathsboden.«
Wenige Minuten später hielt der
Wagen vor dem Tornauer Schloß.
Rols sprang mit einem gewandten
Satz ur Erde und half den Damen
beim ussteigen Dann fotgte er ih
nen ins Haus.
Ftau v. Tornau führte Renate
an der Hand über die Schwelle und
sagte dann ernst und bewegt:
»Gott segne Ihren Eingang, lie
bes Kind, möge Ihnen Tornau eine
Heimath werdm und Jhr Kommen
uns allen zum Segen gereichen.«
Renates Augen feuchteten sich bei
diesen her-glichen Worten. Sie war so
ergriffen, daß sie nicht zu antworten
vermochte, zog nur die Hand der gü
tigen Frau an ihre Lippen und sah sie
voll ehrlicher Dankbar-ten an.
Nun reichte ihr auch Rols die-band
»Ich schließe mich dem Wunsche mei
ner Mutter an, Frau Wertentm Aus
friedliches Zusammenleben also —
schlagen Sie eint«
f»Ist-Kurs legte sie ihre band intuie
eine.
Inzwischen war eine frisch und
sauber aussehende Frau aus der
Küche herbeigelommen
»Ah ——·da ist ia Maiirsell Birkner!«
rief Frau v.Tornau. Kommen Sie
nur näher-, Mamsell-—-— dies ist unsere
neue Hausgenossim Frau Wertentin
Sie wird Ihnen all die fleinen Ar
beiten wieder abnehmen, die Sie in
letzter Zeit an meiner Stelle verrich
ten mußten.«
« Mamiell Virtner guckte niit ihren
hellen Augen abwägend zu Renate
hinüber und trat knickfend näher. Sie
fand, daß diese Dame recht vornebni
aussah und gar nicht nach viel Ar
beit.
Renate trat auf siezu und bot ihr
die Hand. »Sie wer-den im Anfang
Geduld mit mir haben müssen,Main
sell Biriner, bis ich alles gelernt
;habe, was es fiir mich zu thun gibt.
Hoffentlich ist es recht viel, denn ich
freue mich sehr darauf, fleißig schaf
fen zu dürfen.«
»Das klang ja ganz oerniinftig,«
dachte diese und legte ihre band mit
einer gewissen Feierlichteii in die Re
tnates. »Na, das ist recht, Frau -
kentiiu wenns so sieht, dann olkss
hneii nicht dran fehlen. Da könnenj
sie mir gleich beim Geleekochen hel
fen, diie Gläser füllen und zubinden.«.
»Aber Mamsell,« rief Frau v.
Tornau lachend, für heuie müssen
Sie schon noch allein fertig werden.
Faun Perientin ist mäde und hung
rig. Sie soll erst ein wenig Uneschaii
Bitten auj Toänaäß undei vor hfallen
ngen einen gim « zu ich ne en
Bringen Sie also Frau Werkenttn
aiis ihr Zimmer, damit sie abiegen
tann. Dann sorgen Sie fiir Spei e
und Zion-; nie-in Sohn und ich nex
inen auch eine Tasse Thee mit.«
»Im-stil. gnädige Frau, das toll
alles besorgt werden. Kommen Sie
Uns-an Wertentin, ich sühnSäe
gleich imf Ihre Stube-«
Und sie lief rier die Treppe hin
an. nachden- sie --t das d
ksåkststn abgenomnieuis them du
R
Zimmer im ösilichen Thurmbau an
gewiesen, die nach drei Seiten Jen
ster hatten, aus denen sich ein schöner
Zick auf den Wald und das freie
Land bot. Sie blickte eine Weile:
selbstvergessen ckhinaus und wandtei
sich dann zutii . !
Mainsell halte umständlich das«
Köfserchen untergebracht und fah sich
noch einmal uni, oh es as nichts,
fehlte. »So, Frau Werkentin, dass
. wäre nun Ihre Wehnung—-hossseni· «
slich gefällt sie Ihnen. Gemüthlich
isW doch hier oben?« « s
s »Wunder.hiihsch, iiebe Manisell ——I
sich danke Ihnen herzlich für Ihre
» Mühe!«
»Ein nicht Ursache. Jch bitte Sie f
das thni man doch gern. Man weißs
doch selber, wie wohl es einem thui,f
wenn man zu fremden Leutenj
kommt, nnd es ist einer da der ein
bißchen nett zu einein ist. Na da·
ist ja nun auf Toknau keine Noth«
Die Herrschaft ist grundgut, wenn,
man seine Schuidigteit thut. und jeg;
der heommi sein Recht Ins-und
nas ich noch sagen wollte wenn Sie
dann fertig sind, dann kommen Sie
’.runter Gleich rechts neben der
Treppe ist der Eingang zum Speise »
zimmer.« , « «
Renate Wbekam Zwei hübsches helle
i
»Ich dank-e Ihnen und werde datoL
tonimen.·
Renate hatte inzwischen ihre hanbis
rasche geöffnet und nahm ihre Tpilet ;
iemitensilien heraus alles Sachen,
die noch aus der Zeit des Glanze-;
stammten
Mamsell riß ihre Aeuglein erstaunt?
auf und legte mit spitzen Fingern einF
feines Hemd auf das Bett.
»Donnerchen· Frau Wertentimdaå
ist wohl gar ein Hemd. Jemine, nnd
die seinen Kämme und Bächsen, die
Sie da haben! So feine Sachen hats
nicht mal unsere gnädige rau.« ·
Renate erröthete über dieses ein-ask
plumpe Erstaunen und Bewunderu
Sie sah sich disdureh erexit-ringen eine
Erklärung zu geden, um deiMainsell;
nicht untlare Vorstellungen zu er
weiten »Das sind alles nochG
schenke von meinem Vater. liede?
Mamsell. Er wnr einmal ein reicher i
Mann ist dann aber plödlieh arm«
geworden« i
Ach sit-ja nun versteh ich auch J
warum Sie aar so rsornehin aus
sehen. Natürlich Sie sind vornehmer
Leute Kind und —na, Frau Wer-;
lentin, nehmenSie mir meine dumme
Frager-i nicht iidel, und wenn Ih
nen mal eine Arbeit nicht so von«
statten geht, dann kommen Sie nur
ruhig zur Mamsell Birlnern die hilft
Ihn-en schen, da veriassen Sie sich
getrost daraus —Na, nun will ich aber
schnell was zu essen richten«
Damit lief sie sltnt hinaus und
Renate sah ihr lächelnd und loos
sebiittelnd nach. Dann stimmte nndi
bürstete sie ihr schönes haar, flochtk
ei- wieder zusammen und steckte est
auf, reinigt-e sick Gesicht und Hände
und legte iim den Stehlragen ihres
schwarzen M eises einen weißen Lei
nenstreifen. Sie wollte nicht ihrer
neuen Umgebung Veranlassung ge
ben von ihrer Trauer Notiz nehmen
zu müssen
Nachdem sie die Photographieihres
Vaters und ihres kleinen Mädchens
aufgestellt hatt-, sah sie ein-e Weile
weltvergessen daran nieder. Ein zit
tern-des Schluchzen entran sich ihrer
Brust, dann trat sie ans Fenster und
sah hian ans das friedlich ichsne
Landschaftöbifd. Die warme Som
merluft umstrich tosend ihre Schlafe.
Sie lehnte den Kopf an das Fenster
treuz nnd sah gedankenvoll vor sieh
din. Was wiirbe ihr das Schicksal
hier in Tornau besehean rieden
und den Segen treuer Pfli terfül
lung,« oder neue Kämpfe, neue
Stürme?
. C .
Als Renate herunterkom, fand siel
Mutter und San schon an; Thre
tisch, der mit states, belegten Butter
lsrooen und Tneeaseriith besetzt war.
OYne zu fragen, bereitete sie das Ge
trant und füllte die Tassen, als wenn
sie es längst so gethan hätte. Frau
v. Thoriiau sah ihr lächelnd zu und
nahm mit freundlichem Dank eine
Tasse entgegen. Die junge Frau gab
acht, wie viel Zucker die beiden nah
men, un· in Zukunft Bescheid zu wis
sen. Sie merkte sich, daß die alte
Dame Sahne ziuni Thee nahm. wäh
rend Rols den seinen ohne weitere Zu
tlxaten trank.
Sie bediente sich dann ungezwun
gen selbst und ließ sich nicht met-ten,
daß ihr herz uni Zerspringen
klopstr. Würde sie den ,Ansorderun
gen ihrer Stellung gerecht werden
können? Würde sie hier Wurzeln
schlagen in deni neuen Boden, der ihr
wie ein Asyl des z tiedeiis erschien?
Sie tiiinpste gemalt arii an gegen das
zagende Bangen, das ishr herz er
slillte. «
Rols sah heimlich aus ihre schlan
n weißen Hände, die so sorgsam
nd behend mit dein Geschirr damit
.ten. Sie waren vorzüglich gepflegt
und von wundervoller Gliederung
Hiiiide, sie bisher wohl nicht gewohnt
waren, das rauhe Leben Zu berühren·
sondern deren Schönheit wie ein
»weil-volles Gut gehegt und gepflegt
Hoorden war. Wie schwer mußte es
ider Besitzerin derselben werden, rnit
» diesen banden ihr Brod verdienen zu
Einüssent « , »
- Die Mutter schreckte ihn aus seinen
Gedanken aus· Sie sprach zu Neunter
, Doktor Heil-wann theilte uns nrit,
ssaß Sie in d:r« legten Zeitl schwere
Verluste zu tragen hatten. Jn kurzer
, .
v
Zeit haben-Sie den Vater, den Gat
ten und ein liebes Kind verloren.
Wir wollen hassen, daß Tornau Ih
nen bald als zweitebeimnth erscheint,
undehr Schmerz sich bei uns lindern
wir .« i
Die« junge Frau bezwang dieEr
regung, die diese Worte ini r wach
riesen. »Sie sind so außeror ntlich
sütig zu mir, daß ich Ihnen nicht
dankbar genug sein kann. Jch wäre
glücklich, wenn es mir länge. Jbte
Zufriedenheit zuserswer n, undpitte
nur herzlich uin etwas Gewichan
ich imAnsana zuweilen ungeschickt
erscheine. ch bringe sast nur meinen
guten Wi en mit, sonst-sue Fähigkei
ten sür mein Amt muß ich mir erst
zu erwerben suchen.«
«Dariiber mcchen Sie sich keine
Sorge. Wir brauchen nur eine Dame,
der wir unser Vetter-ten schenken
können. Alles andere werden Sie
bald lernen· Hellrnann hat Sie uns
warm empfohlen, er lennt Sie wohl
lange?’
Renote lächelte. »Ich kann mich
nicht entsinnen seit wann. Soweit
ich zurückdenlen kann, waret immer
unser Hausarzt und meines Vaters
bester Freund.«
»Es wird ilnn schmerzlich gewesen
sein, daß es ihm nicht gelang. Ihnen
den Vater zu erhalten. Eristja ein
sehr tüchtiaer Arzt.«
Er war machtlos. Mein Vater
starb plötzlich an einem Herzschlag
infolge des Verlustes seines Vermö
gens-« »
»Und Ihr Gotte starb kurz darauf,
wenn ich mich recht entsinne?" I
Renate erbleichtr. Jetzt mußte sie
lügen, durfte diesen lieben Menschenj
die Wahrheit nicht sagen. »er verlor«
ihr; ein Vierteljahr später,« sagte sie
lei e.
-- «- tm L.»,. s
«Aclllcb IIUIUI le cl Ucllll Zung
trank?«
Die junge Frau preßte in stumme!
Qual die handfläehen zusammen und
schloß einen Moment die Augen.
»Bitte -— bitte, fragen Sie mich da
nach nicht, ich termag nicht darüber
n- sprichen——jetzt noch nicht« sagte
sie nrii bebender Stimme
Rols mußte sie unverwandt an
ikhklb »Wie sehr musz fee ihn geliebt
haben,« dachte er.
Frau v. Tornau aber nahm Ren
tes Hände in die ihren. »Berzeihen
Sie-ich wollte Ihnen gewiß nicht
weh thun. Wir sprechen nicht mehr
davon.«
.Für Jbre Theilnahme danke ich
Ihnen von Herzen. Zitrnen Sie mir
nicht. daß iethnen sent nicht alles
erzählen tann.«
»Aber Kindchen —- das ist sa so
naiirlich. —-- Geben Sie mir jetzt noch
eine Tasse Thee und dann nsiissen Sie
entschieden noch etwas essen.«
Rats hielt ihr seine Tasse auch bin.
Als sie dieselbe füllte, saher, daß ihre
Hände leicht zitterten. Warmes Mit
leid erfüllte sein Herz, und irn Be
streben. sie abzulenten, erzählte er
wnTornau und seiner Umgebung und
dem Leben und Treiben aus dem
Lande, das ihr neu uwd fremd er
eheinen würde. »Sie sollen aber
chon seben, es wird Ihnen- ausge
sallen mit der ? · ,« schloß er. »und
die frische, fröhliche Arbeit lenkt ab
von trüben Gedanken.«
Er sprach das aus, als habe ergn
sich selbst schon diese Weisheit pro
birt. Renate sah ausmertsam in sein
Gksichk- denn ans der Stirn waren
eben wie-der die sinsteren Falten er
schienen. hatte der Besitzer von Tor
nau etwa auch ein Leid zu tragen ge
habt, oder trug er es noch?
Er verabschiedete sich kurz daraus
von den Damen, um noch einen Jn
strizirungsritt über die Felder zu
machen.
Als er gegange war, sagte Re
nate: »Wenn es nen recht ist, gnä
dtge Fran, dann idnnte ich fest recht
Feltf Mainsell Bsirtner noch ein wenig
en.«
Frau v. Tarnan zogne lachean
neben sich nieder aus den Die-an.
»Nein. meine"liebe Frau Wertentin,
Marnselt wird heute schon noch alleinä
kertia werden. Sie sollen ran jetzts
Gesellschaft leisten. Wir wollen ein
Stündchen miteinander plaudern, da
mit wir uns näher kommen. Von»
morgen an will ich Sie dann gern
zuweilen an Mamtell abtreten. Sie
ift eine tüchtige Wirthichakterin nnd
wird Ihnen bald alles aezeigthaben
was Sie etwa lernen müssen. Sie
müssen sich nnr nicht von ihrer etwas
unaeschickten Plapveret abtchrecken
lassen. Solange sie lckitvaßen kann,
ist sie vergnügt und unverdrossen.«
Als die beiden Damen atn nächsten
Morgen von einer Vesichtignng der
Stätte über den Gutshos schritten,
lam Bols vom Garten her um das
Haus geritten. Er kam ans dem
Walde, wo er rnit dem hohhiindler
eine Besprechung gehabt hatte. -
Beim Erblicken der Damen
schwang er sich aus dem Sattel nnd
trat. das Pferd am Zügel führend,
zu ihnen. X ·
Renate ing an das Pferd heran
nnd streiche te ihm den Kons. Es
ichmepperthn ihren Händen und rieb
dann den-todt wohigefiillig gegen
Ihre Schultern.
Noli hatte Renate erst erschrecktzw
rückt-alten wollen, denn Zarnpa«
war gegen Fremde sonst scheu und
nett-ös, Zu seinem Erstaunen aber
sah er, wie zutranlich er gegendie
junge Frau war. i
»Sieh- Mntter, wenn ich das nicht
selber säbe, glaubte fass nicht. —
Waj haben-Sie denn ftir ein Zauber
c- txt
mittel angewandt, um Dampf fo
birre zu machen- Frau Wertentin?«
Sie fah lächelnd iiber die Schulter
zurück. »Er wittert vermuthlich die
Pferdeliebhaberin in mir, das wird
der ganze Zauber fein. Man satmir
friiher zuweilen gesagt, ich habe eine
fehr glückliche Hand mit Pferden.«
»Sie haben früher geritten?«
ilen. Im Anfang meiner
Ehe begleitete ich meinen Gatten oft
auf feinen Spazierrittem Er war
ja Dragoneroffizier, und da ergab
’fich das von felbft.«
Tornau fah flüchtig prüfend iiber
ihre Gestalt. Sie mußte sich prächti
zquerde ausgenommen haben. »Jt
es Ihnen nicht hart angekommen, den
edlen Sport aufzugeben?«
»Mer gestanden s-— nein. So gern
ich die Thiere habe und fo furchtlos
ich im Verkehr mit ihnen bin, eigentö
lich geliebt habe ich den Neitsportnie.
Ich ritt nur meinem Manne in Ge
fallen. Als mein kleines Mädchen ge
boren wurde, habe ich ohne weiteres
darauf oerzichtet.«
»Ich habe mich nie dazu entschlie
ßen können, ein Pferd zu befieigen,"
zfagte ,rau v. Tornau, »doch haben
Istvir Damen in der Nachbarschaft, die
es mit den oerwegenften Reitern auf
nehmen«
’ »Auf dem Lande mag das auch
feine Berechtigunq haben. —- Uebri
zaens ift Ihr »Ja-now ein hetrliches
Thier-, Herr v. Tornau.«
Er trat neben fie und sit-ich »Jam
pa« über die Niiitern »Das ist der
einzige Luxus, den ich mir erlaube,
edle Pferde fiir meinen persönlichen
Gebrauch Die anderen sind alle
fcknverfällige, gute Zugthiere, fonft
nicht«
Während fie dann, nachdem Noli
das Thier dem Knecht übergeben
hotte, nebeneinander den Weg nach
dem Haufe einfchlugen, fraate feine
Mutter: »Wie mir es mit Mehl
manni Haft du Hölzer an ihn ver
iaufi?« «
»Ja« Mutter, etwa zwei Dutzend
unserer fchiinften Baumriefen müssen
daran alauben. Es bat mir ordentlich
web gethan, daß ich sie hergeben muß,
aber sie müssen unbedinat gefchlaaen
werden, fie flehen zu dicht am Weiher
und die Wurzeln beginnen schon æu
faulen. Zu retten war da nichts.
Ich hatte Dieiteriamv gebeten, vmit
hinülkrrutommen, und er meinte
auch, daß ich sie umlegen lassen muß,
sonst faulen sie weiter und ich eriiele
dann nicht ein Viertel des jetzigen
Preife3."
Fortsetzung folgt.)
W
Ver Tod der Guillotine.
Die Guillotine soll in Frankreich
abgeschafft werden. Auch sie hat einen
letzten Tag, auch sie wird gleichsam
hingerichtet. Der Präsident der Re
bublil, Fallieres, hat den Mörder
Soleilland zur Deporiation begna
digt, der ein sechsjähriges Kind
ermordei hat. Da außerdem die
sranzäsische Kammer einen Ge
ietzentwurs zur Aufhebung der Todes
itrase in Beratung ziehen wird und be
reits im jetzigen Budget den Gehalt des
Scharfrichtero gestrichen hat« so dürfte
Frankreich sehr bald mit zu den Staa
ten gehören, die wie Holland, Italien,
Rumänien, Portugal und die Schweiz
den Henter entbehren zu können glau
ben. Die Guillotine gab den tlirrenden
Anstatt für das Schreiten der großen
Revolution in Frankreich. Jm Tempo
des Messer-, das in den Tagen des
Schreckens die Köpfe wegsegte, ging die
Zeit ihren fürchterlichen großen Weg.
Doktor Guillotin, nach dem sie heißt,
bat sie nicht erfunden, sondern nur der
tonstituirenden Versammlung emp
fohlen. Das ist der Anfang ihrer Ge
schichte und ihrer ebenso berühmten«
Chronik. Sie begann mit dem Dieb
und Räuber Pelletier, an dem zum er
stenmale, im Jahre 1791, die Maschine
erprobt wurde. Später kamen ganz
andere, tam ein entthronter König,
Louis Capet, der mit der neu getauften
Kotarde der Revolution am Hute, in
grauseidenen Kniehosen die Treppe
emporstieg. Dann die Königin, die
arme, die noch ein »Es-ow- Mon
sieur-t« siir den Denker hatte, als sie
ihn vor dem Schasfott mit dem Fuße
!streiste. Und dann: die großen La
dungenx die Journan wo Postarbeit
geleistet wurde. Da schien eine Art von
Trunkenheit dieses Messer zu fassen»
das, wie rasend geworden, täglich in
Paris hundert in sechs Wochen drei
zehnhundert, in zwei Jahren mehr als
zweitausendachthundert Köpfe nieder
schnitt Die Louisette, wie die Guillo
tine nach r. Louis genannt, der ein
Gutachten rihre E nsiihrung ber
saszir. war ein großes lebendiges Sym
bol. Man trug kleine Nachahmungen
oon ihr als Brosche, man siegelte die
Briese mit ihnen. Sie war in den Lie
dern der Gasse und des Pöbels. Von
Kanonen und Reitern begleitet, zog
das Fallbeil als erstes Wahrzeichen
des Terreur in die Städte und Ddrser
Frageeichs ein. Jn den hauptpläien
der rooinzstädte zitterte man vor
ihr wie in Paris, wo sie vor dem Mi
nigsschlosse stand. Ihr drohendes Ge
rippe, Tag und Nacht wie ein Wahr
zeichen des Grauens emporgereekt, wars
seinen kalten und stummen Schatten
über« jedes Menschenleben
Von Doktor Guillotin von dem das
Nationalrasiermesser, bo ruooir na
riet-al, wie man die Maschine ernsthaft
beichnete seinen Namen hatte, ist ein
s lb erhalten: Die Physiognomie ei
)
W
nes liebenswürdigen Gelehrten; große,
freie Züge, die ein halb ironischeö, halb
nachdentliches Lächeln umschwebt, eine
Art naiver Träume-ei in dem um
schleierten, niedersinkenden Blicke, in
der sanfteir Schwingung der Augen
brauen, Bornehmheit in der gemäßig
ten Biegung der langen Nase, der ho
hen, massiven Stirne, in dem Kinn,
das sich zart und doch ein wenig iro
nisch vorstreclt. Das ist das Bild des
Furchtbaren, dessen Name ganz Frank
reich im Banne hielt. Es gibt wohl
täuschende Bilder, die das Wirken und
Wesen eines Menschen Lügen straft.
Aber Doktor Guillotin war in Wirt
lichteit tein schlechter Mensch. Seine
Maschine war ein Fortschritt der Hu
manität. Als solcher war sie gemeint.
Als- Fortschritt im Vergleiche zu den
Hintichtungen mit dem Schwert, mit
der hacke, mit Rädern und Vier-theilen
Jetzt sind die Dentichriften bekannt ge
worden, die sich auf die Einführung
der Guillotine beziehen. Alle heben als
einzig maßgebenden Standpunkt die
Menschlichteit hervor, die Kurze, die
Sicheth des Prozesses, den Mangel
aller Qualen, die bei den früheren
Hinrichtungen zu Szenen grauenhafier
Art arfiihrt hatten. Und vielleicht ist
gerade durch die unanffiillige, rapide
Funktion der Maschine der Terreur,
die Hinrichtung fo vieler Menschen
möglich geworden. Jede grausamere,
langsamere Art der Exetution hätte
ohne Zweifel viel früher die volle Ern
pörung des Volkes geweckt. Aber wie
die Revolution in der schlimmsten Be
stialität endete, so hat sie auch dieses
Instrument zur Maschine der Vermeh
tung herabgewiirdigt. Und so wie
Rousseau, der die Milde der Natürlich
teit an die Stelle der Kultur setzen
wollte, unter den Händen der Fern-ri
sten zum Dämon der Schreckens-herr
fchaft geworden ist, so wurde die Grill
lotine,« die alle Schande und alle Qual
vermeiden, den Verurtheilten nur töd
ten, nicht aber entehren sollte, zur
Metzgerbanh wohin man Menschen
zur Schlachtung trieb.
Von otefer sen ist der »"««friffon' ver
Hinrichtung in den Franzosen geblie
ben. ESCind freilich nicht mehr Tri
coteusen, die ihre Sefsel zur Guillotine
stellen, um die letzten Augenin e der
Verurieilten zu sehen. Aber e sind
Damen höchster Gesellschaft, die ihren
sonst so kostbaren Schlaf der nächtli
chen Hinrichtung zuliebe unterbrechen.
Es ift der schlimmste Pöbel der Gasse,
der sich zu ihr drängt. Zola hat die
Szene beim Roqueiie - Gefängniß be
schrieben mit dem ganzen Aecent de:
Empöiung und des Mitleids, dessen er
fähig ist. Jn der allerersten iFriihe,
wenn kaum die Bläsfe des Morgeni
auf Stadt und Gefängniß fälli, Zeugen
sich die geputzien Damen und Herren
aus den Fenstern der Nesiaurnntö her
aus, um ja kein Detail des Schau
sviels zu verlieren. Freilich ist dieser
Instinkt, der »Hu ils-. in m0rt«, die
Gier nach Tod, wie ihn Zola nennt, in
allen Ländern vorhanden. Deswegen
schon ifi die Abfchaffung der Todes
firafe in Frankreich ein große. nnd
merkwürdige-Z Ereigniß, ein Beifpiel,«
dqsd allen Kulturnaiionen gegeben
wir .
Jmernieung des Königs von
Amme.
Jndochinesischen Blättern find, wie
man aus Paris schreibt, folgende Ein
zelheiten iiber die Jnternierung des
Königs von Anam« Thanh Thai, zu
entnehmen: Die Anzeichen von Geistes
lranibeit, die an dem jungen König be
merkt wurden, gaben schon vor länge
rer Zeit Veranlassung daß man sich
mit der Frage seiner Jnternierung be
schäftigte Der entscheidende Beschluß
wurde gefaßt, als in Paris ein Schrei
hen der jungen Königin von Anam
einlangte, in welchem sich diese iiber
fein Verhalten beklagte und überG au
samteiten berichtete, deren e«r sich s al
dig gemacht hatte. Nun werden dem
Oberresidenten in Nun, Herrn Lebe
que, ungesäumt Weisungen geschickt,
welchen gemäß er die erforderlicizeen
Maßnahmen zur Jniernierung z
Königs traf. Er ersuchte schriftlich um
eine Audienz und beriet den Roman
eine Art von KronraL Jn Begleitung
des Romatä und einer Abteilung der
Zioilgarde begab er sichsodann in das
Palais, woer im Thronsaale empfan
gen wurde. Dort gab er dem Könige
die getroffene Entscheidung bekannt.
Der König protestierte vergeblich. Die
Ausgange des Palais waren sbewachh
so daß niemand dasselbe verlassen oder
betreten konnte. Der Resident erklärte
dem Könige, daß ihm seine Prioatge
mächer belatzen werden und eine An
iahl seiner rauen und Diener zur
Verfügung bleiben, daß er aber von
nun an keine Macht ausüben tönnty
und daß es ihm untersagt sei, den ihm
zugewiesenen Teil des Palastes zu ve
lassen. Der König geriet in heftigen
Zorn, erlannie aber, daß er sich fügen
n:iisse. Nach seiner Jnternierung wur
de ein Regentschaftsrat eingelegt.
Die Wi enschast ist frei von Un
ehtbaeteiii iintel —- darin unter
cheidet sie sich von vielen Gelehrten.
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Nichis ist schöner alt eine Torheit,
Fienn man noch nicht weiß, dass es eine
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Man hört ja noch gar nichis vom
Turtey-Trust und der Dantsagungss
tag ist doch nur noch 6 Wochen ent
territ.