Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, November 01, 1907, Sweiter Theil., Image 6

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Weiser Nim- m der Gegenwart-Von E. Gaum
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svvsvvvvvvvs
(1. FortsehungJ i
2.
: In leichtem Geplauder saßen die
Mir deieinander. Schenpo ein be
. - rer Weinkenner, hatte die Aus
3 Isahl der Getränke, Philippowitsch,
tin bekannter Gourmet, die Zusam
Z eneenstellung des Soupers übernom
T« ven.
s« .- ,Die Kellner in ihrer schneeweißen
Tracht. die rothen Schärpen kunstvoll
Je die Hüften geschlungen, waren
nach tussischer Art in Ueberzahl do
Iandem Unaufdringlich überwachten
b die Tafeln Lautlos glitten sie
hinzu und wechselien die Teller und.
sesiecke erriethen förmlich die Wünsche
- der Gäste und kamen ihnen oft zuvor.
z- z- das prachtvolle Lokal glänzte in Be
- l leuchtungtfiillr. Ratt-beschirmte Ker
i gen standen in silbernen Leuchtern ne
ien gefüllten Blumenvasen auf schön
en Tische-L Ein Ventilaior
gte fiir gnte Luft. Und die schnell
; elten Rollen in dem elektrisch
" ieiriedenen Orcheftrion brachten eine
m den Rassen schwärmerisch geliebte
Osafelmusik die fiir jeden Fremden
J:««I durch das fiete fchnarrende Nehenges -
kräusch der sich drehenden Walzen auf j
Edle Dauer usw«-«- Js wird
Doktor von Randell hatte seine
E gsslirke durch das Restaurant schweifen
Lassen und schaute jest sinnend auf die
ihnen servierten Satuslaiabletts,
zselche die erlesenfien Deliiatessen der
:"Saison und die theuersten Lilörsprien
enthielten. Dai, was ihnen hier als
--Uagenwiirze und Appetitanreiz dar
i en wurde, machte in andern Län
den Höhepunkt aller Gastmähler
M. Und doch derspeisten es seine
Kollegen mit einer fast gleichgültigen
Minute wie etwas Alltägliches.
se konnte sich nicht enthalten, seinen
Gedanken Ausdruck zu gehen. «Ruß
M ift das Land der Gegensätze,·
Zthgte er. »Wer würde mir wohl im
sing-teure ziemt-m mit welch raffi
niertem Luxus man hier lebt, wie man
fein Geld verfchleudert?«
H »Jet, wir verstehen es, breit und
DR crazie zu leben!«
—- ;-- »Nein. Scharjowf widersprach
YOU-Null breit —- dielleiehtz aber
crnzie fehlt entschieden Große
gien Schwelgereien und Spiel ver
W Unfunnnen Das Geld ist
« , ohne daß das Amiifetnent beson
warf
»Als-leben Sie, lieber Kollege, das
nwtt auf die Auffassung an. Wir
soffen sind eben nicht fo berechnet und
s gstlieh wie die Deutschen. Wir phi
lofobhieren und dozieren weder vorher
T- nachher-. Gibt der Deutsche von
dert Rubelsn zwanzig aus-so quält
. sieh wochenlang mit Selbstvorwiir
. weil er ein Fünftel feines Vermö
mjubetj het. Medium-s sind
« - s! Haben wir hundert Rubel, fo
niiiftren wir uns für hundertfiinfzig
s s freuen uns über das gehabte Ver
"gen. Jch zum Beispiel bin so ver
Was
, »Ich auch ich fchee mich den Teufel
« — die Rechnung, wenn mir
bestätigte Schelpusn la
·
I
»Wenn man im Leben immer rech
-, dann ift der Reiz foet!«
«Uber, lieber Philippowitsch und
- , meine herren, gestatten Sie mir
Frage: kennen Sie nicht das, was
n einen moralischen Kater nennt?
Ihnen das Gefühl Schulden zu
s- ,anen zahlen zu müssen
: Izu Men, wovon nicht peini
»Im mol, met
»Mcn findet immer noch, womit
n zahlen kann Gott verläßt sei
guten Wanka nie!«
« spkic schütteln den Kopf unv!
« gehen Sie durch die Straßen, nnd ;
Sie sich das unbeschreibliche:
»die Bettler an.«
» JEAN-, verderben Sie mit den Ge
s iiiii an dem vorzüglichen Kaviar
!« tief Schelpugin.
»Wir tanmeln am Rande eines Ab
ndes-,— tvir wandeln auf them Vul
,9’ entgegnete Boeis von Randell
k
vDie Tischgenossen tauschten ge
«.-,·-- ilte, etwas spöttische Biicke
- so mehr müssen wi! die Zeit
. . bis die Eruption erfolgt.
M der große Kladdeeadatsch.
. werden wir schon unsere Pflicht
- Idee bis dahin —- bah,« Phi
tfeh machte eine verächtliche Be
s » «dntmn profit, Kollege trin
Gen ein Glas, und lassen Sie Jhre
« losodhieeereien Sie neh
M Laune. Profit es lebe
Müh AugenblickF
mit innerem Wider
nn und lenkte das Gespräch
endete Bahnen. Er fühlte, Ort
siude waren niciztD geegrguet zu
Wen ie er an
Wie-W rasch die verlorene
Und bald eise
nnd Use, die kleinen
denke sit sum be
III den IMIMUHMU
"’I- I v I v - - s
Balken hin. Er trank viel und mit
Jedem Glase vergaß er feine Soraen
mebr und wurde lusti- und ausge
lasfen wie die übrigen. Seine Pari
fer Erlebnisse gaben auch ibm Stoff
qenug fiir Beiträge und Unterhal
tung.
Inzwischen war die eit aetommen,
wo die meisten Vor llunqen der
Theater beendigt waren. Das Pu
blikum strömte in die Sitte und füllte
sie bald. Zwei junge Offiziere schrit
ten an dem Tisch der vier Herren vor
bei und blickten sinnend Rapdell an. —
Der eine blieb stehen« legte die Hand
salutierend an den Heim und fragte:
.Habe ich das Vergnügen, Baron
Randell vor mir zu sehen? —- Graf
, Markt.«
Boris sprang empor. Sein er
Istauntes Gesicht verrietb. daß der
junge Graf ibrn gänzlich unbekannt
war. »Mein Name ift allerdings
JRaydelL Doktor Borii von Randell.«
»Sie stammen aus Rat-demzuf
Vontaunen bei Riga?« fagte der Of
fizier weiter und fuhr fort: «Und Jbr
Herr Bruder Friedrich steht bei der
Leibequipage in Petersburg und ist
seit einem Jahr Adjutant des Groß
fiirsien Nikotai —«
»Auch«das ftimmt,« antwortete Bo
ris lächelnd und ergriff die ihm ent
gegengeftrerkte hand. welche die seine
freundschaftlich preßtr. «
»Das freut mich aber wirklich herz- «
lich," sagte Graf Macke liebenswür
dig; »ich habe Sie sogleich an der
Aehnlichkeit erkannt und fielle mich O
anen als Freund und ehemaliger
Regimentskamerad Friedrichs vor.
Als ich im vorigen Sommer auf Ray
oellhaf war, streifte-l Sie gerade im
Auslande umbek und besuchten, fo
oiel ich mich erinnere, Berliner Mini
ten. Ich sah Jhre Bilder —"
»Ab. nun bin ich vollkommen orien
tirt, Sie sind Jlja Andrejewitsch der
die Karten an mich grüßend unter
fchrieb, der liebe, gerngefehene Gaft
tn meinem Elternbaufe?« fragte er,
nun selbst erfreut.
»Der bin ich. und hier stelle ich Jn
nen einen weiteren Bekannten Jhrer
Familie vor. Rola, bitte, tritt heran,
mein Sohn! hier haben Sie Kola
Alexandrowitsch von Wittel, derSohn
des Geheimen Staatsrath von Mittel
aus Riga.'
Nachdem Rahdell auch diesen he
griißt hatte. stellte er seine Bekann
ten den Offizieren vor. Auf eine
Aufforderung nahmen diese auch so
fort bereitwilligst an dem Tische
Platz und vervollständigten die Ta
felrunde, welche in immer angereg
tere Stimmung gerieth. Die sit-ill
sten hatten durch ihren Verkehr viele
Beziehungen mit Maske und WitteL
hatten sich auch wohl mit ihnen auf
Bällen und Routz getroffen So war
keine Sorge um Stoff zur Unterhal
tung.
Doktor von Rahdell plauderte bei
ionderj mit dem Grafen Macke iiber
seine heimuth und seine Familie
Aus vielen Fragen und Andeutungen
qlauhte er bald entnehmen zu können,
daß der hübsche junge Offizier ein
tieferes Interesse siir seine zweite
Schwester Olga gefaßt hatte, was
ihm durchaus sympathisch war.
·«Run, hoffentlich legt Jhr here
Vater doch noch einige Stunden zu ;
·und verschieht seine Abreise. so daß !
ich noch morgen Vormittag Gelegen- .
heit habe ihm meine Aufwartung zu !
machen lieber herr Doktor?« · (
,.3a) Turme. Vater wiev, me er ;
es beabsichtiat, mit dem Uchtudrzuae «
die Heimreise antreten. Er ifi ein
Starrkopf. der stets ausführh was er
sich einmal vorgenommen hat. Und
er ist durch und durch Landmann: der
ftädtifche Boden iit nicht fiir ihn ge
eignet. Auf Raydellhof ist er der
König, und- wenn er dann und wann
in die Stadt kommt, so heißt es: da
ist ja Baron Nahdell, und die Riaens
fer begrüßen ihn· —— Das fehlt dem
alten herrn hier in Moskau. wo er in
der Menae nndeachtet untertaucht,«
entaeanete Boris lächelnd.
»Ja, er ift ein ganzer Mann nach
der alten Schule: Patriarch und Th
rann in einer Person. Ein Typus
den ich ungemein verehre —«
»Sobald Sie nur als Gast im
hauje weilen!« scherzte der Sohn.
»Fr1edrich als Jhr Freund wird Ih
nen doch wohl so manches erzählt ha
ben von der eisernen Disziplin auf
Randellhof?«
»Gewiß, herr Doktor, und die lei
denschaftliche Verehrung Jhres jün
geren Bruders für Sie basierd nicht
zum mindesten auf der-Energie, mit
der Sie Jhr medizinisches Studium
durchlehten ——«
»Und mit der ich mich für alle Zei
ten zmn »ichn-arzen Schaf« aller Ray
dells stempelte, die ej bisher ar,
unser Landwirthen nnd Theo gen
Mk Oisidiemn noch nie zur profa
Ien —- —« W sprach du«-flieh
zerer nnd verwirrte sich so atmen
fällig« daß Maete ihn erstaut betrach
tete und dann. seinem Blicke folgend.
sich nach der Eingangsthiie zum
Saale umwandte.
Dort erschien jetzt eine ganze
Gruppe laufenden eleganter beeren
und Damen. Boran schritt ein Of
fizier und eine hochgewachsene junge
Dame in Balltoilettr. deren Schultern
und Ausschnitt durch eine Sortie de
Bal aus Spisem Chiffon und Der
melin bedeckt waren. Sie trug den
ttassifch schönen f stolz in den
Nacken geworfen. - n ihren hochge
pussten blauschwarzen haaren wieg
ten sich zwei rathe Rosen, die von ei
ner blitzende-i Brillantschleife festge
halten wurden. Die linke band raffte
graziös die Schleppe, die rechte trug
diese Bewegung zeigte einen wunder
voll madellirten Arm und eine be
riictende Grazir.
Graf Maske lachte seht leise. «Aha,«
sagte er, »die Königin ziehet ein, die
Beherrscherin der Mockauer Satans.
Jn Peteriburg, der Residenz des Ho
fes und der höchsten Beamtenschast
würde Maria Seegejewna neben den
Schönheiten des Adels verschwindet-.
Hier herrscht der Kaufmann, der Bür
ger var, und darum sieht fie,. alsTochs
ter eines der einflußreichsten Großin
dustriellen. an der SpiheP
»Die beste Partie der Stadt.« fiel
ihm Philippowitsch ins Wort. .und
.ttng wie schön! Kollege. sollten Sig
Ludsichtea bekommen so rpaidimu
jSie nicht nur mit mir, sondern ein
lfach mit allen heirathssiihigen Kapa
Ilierenf
»Wer ist denn diese junqe Dame?«
fragte Paris leise und vorsichtig, denn
sie kam mit ihrer Begleitung jetzt an
seinem Tisch vorüber.
Sämmtliche herren sprangen em
por und verneigten sich tief. Die Vor
beigehenden erwiderten die Begriiß
ung, und auch das schöne Haupt
Maria Sergejewnaö ientte sich mit
tühlern Ausdruck um einen Zoll breit·
Jhre Augen glitten gleichgültig über
die Fremden. Auf eine Sekunde be
gegnete ihr Blick sich mit dem des ihr
noch unbekannten Balten, und unver
kennbar malte sich auf eine sliichtige
Setunde ein schnell verhuschender
Ausdruck des Crstaunens auf ihrem
Antlit.
einen Strauß langftieliger Rasen, den l
sie gerade wie einen Fächer schützend;
var das lachende Anfjitz führte. Und?
standells Marsericheinung. seine·
weit über das Mitelmaß hinauska
gende Größe, sein auffallender Kon
mit dem goldblonden haupt- und
Barthaar, den ftahlblauen Augen
und den grellrothen Norden konnten
eben nie und nirgends übersehen wer
den. Daran war ee von Kindheit auf
gewöhnt Auch sein Vater seine Ge
schwister erfreuten sich der in der Fa
milie vorherrschenden körperlichen
Vorzüge.
Man nahm wieder Platz Die Kell
ner trugen neue Gerichte auf, und
während des Speisens wiederholte
Boriz don Randell seine Frage.
.Bon Tarafow haben Sie doch
schon gehöri? Sein Name ist doch be
kannt?«
»Von dein Tarasow der die vielen
Fabriten und Beegwerte hatt«
meinte der Arzt.
»Ja, von dem nämlichen sprechen
wir. Außer den Großfiirsten and
dem Zaeen sele ist er wohl mit der
reichite. wenn nicht der eeichite Mann
Rußlands. Er hat eine Arbeiterin
nree, eigene Bahnen, eine eigene tleine
Mariae ——·«
.Und neben einem halb oerlotteri
ten und ganz derive-often Sohne
zwei entzückende Tochter, eben diese
Maria und dann noch Katia, die ietzt
noch in Pension ist, um zur Sache zu
toninren,'· ergänzte Graf Matte.
»Wenn Sie wollen, iiihren wir Sie
bei Taraiowk ein. here Doktor?«
»Das ist eine liebenswürdige Ein
ladung, die ich nicht abschlage, « ent
gegnete Vorit
»und ein ungebor, va- Iooyi ein
Graf Maae fo schlechthin machen und
durchführen tat-ri.m warf Scharfin
dazwischen, «nieht aber wir, die wir
Hals Tanzherren und Füllfel im Pa
Hlais Tarafow eine recht untergeord
nete Rolle spielen."
»Scharjow trifft den Nagel auf den
shon meinte Schelm-gin. »Auch
uns hätten Sie diesen Vorzug erft all
mählich genossen!«
»Die hauptiache ift ja, daß er mir
wird,« fagte Rahdell lächelnd. »Ehe
ich aber in einein fremden hause Be
suche abstatte, pfleae ich mich näher
zu informieren. Machen Sie Jhre
Freundlichkeit voll, Graf Macke, und
erzählen Sie mir mehr von der Fa
milie!"
Die andern begaben sich wieder zu
dem vorher abgebrochenen Ge
sprächsftofsi dem Uebergewicht des
Moskauer Toros de Ballet über das
Petersburger. zurück. Der junge Of
fizier, der als Nachbar Randellj auch
der aeeianetfte war, übernahm es, die
geforderten Jnftrultionen zu geben.
»Viel ifi da nicht zu berichten,« be
gann’er. .Serai Waffiljewitfch Ta
rafow ifi ein Gefchäftsgenie, ein Kö
nig in feinem Reiche, dem er jeden
Gedanlen und jede Minute widmet.
Daheim ifi er das giitinfie Kind, zu
frieden; wenn er gut speisen kann
und bei den Seinen vergnügte Gesich
ter sieht.« Es ifi bekannt, daß er Frau
—
k
und Kindern nichts abschlagen
tann —« » -
»Ah, darum ist wohl auch- der Sohn
so verdummelti«
»Iraglos, besonders da er der Ab
gott der Mutter ist, die jeden dum
men Streich des Burschen von jeher
dem Alten verbarg und selbst gut
iesz. Andrei Taoasow bewohnt mit
eigenem Personal eine eigene Villa,«in
der es wiist hergeht, wenn er nicht ge
rade in Monte Carlo, London, Pa
ris oder Baden-Baden steckt. Er läkt
Pserde rennen, hat« seine Jachten aus
der Kieler Woche oder bei Coweg, und
ist seit turzem Automobilist.«
»Und wie verhält sich der Alte zu
solchent Bummellebent Das wäre ein
Bürschchen siir meinen Vater.'«
»Ich bitte-Ste, Baron Rahdell
hätte ihm Vernunft beigebracht. Ta
rasow dagegen läßt ihn gewähren. ist
sogar noch eher stolz aus das tostspie
lige Spielzeug seines Herrn Sohnes»
Er zahlt, ohne mit den Wimpern zu
zucken, seine horrenden Verbindlichkei
ten und entbehrt ihn iii seinen·Ge
schäften gar nicht, weil er nie mit
darin war. Er selbst lann sich mit
Arbeiten ohnehin nicht genug thun!«
»Und wie ist die älteste Tochter?«
sugte Bari-, sein Brot zerlriimelnd,
sroh, endlich zu dem zu gelangen, was
ihn am meisten interessirte.
»Ja, wer weiß das, sein lieber
Herr Doktori!« erwiderte Macke ach
selzuclend »Sie ist schön, tlug und
eine vollendete Weltdgmr. Frau Ta
raow leitet das hauz und gibt der
tschsucht unablässig neuen Stoff,
selbst heute noch· Erst seit kurzem
duldet sie in der entzückenden Tochter
eine Ridalin im hause. Das Ber
hältnisz zwischen ihr und Maria
scheint eislalt. Man weiß nur. daß
sie die Töchter jahrelang im Sacke
Coeur in Paris hatte und dann in
Begleitung einer deutschen adligen
Wittwe, einer Gouvernante und einer
Zose durch die Welt hegte. Maria
Sergeiewna lebte in allen Kunstgen
tren Europas und ist erst seit einigen
Monaten hier, nach langem Ausent
httan Rom.« ,
»So ist sie jedenfalls hochgebildett«
»Zweifelsohne: aber sie gibt sich
wenig aus« Eine anscheinend große
Verachtung vsr unserer Kultur und
uns Russen erfüllt sie. Wir sind für
sie nicht dolktoertbig.«·
»Und woraus enMInt man das?«
forschte Boris gespannt
»Aus ihrer ganzen kalten Haltung.
Leute« die sie im Auslande gesprochen
haben, behaupten, daß sie dort ein an
derer Mensch gewesen sei! Man mun
telt sogar — aber das halte ich fiir
Geschwöh — sie sei irn Kreise ausge
wiesener und bekannter Revolutionäre
gesehen worden!«
JAlso eine Romanheldin et ver
steckte NibiliftinE Das hätte i? nicht
vermuthet!«
Graf Macke zog lachend die Schul
tern hoch «Glauben Sie das Ge
tratsch bloß nicht. Ich bin viel bei
Tarasows, ich bin ein eifriger Tän
zer der schönen Maria und plaudere
oft stundenlang rnit ihr. — Sie ist
wie jedes andere oielurnworbene
Mädchen eitel, tokett und wird iiber
turz oder lang den Mann unter der
Heerschaar ihrer Freier beglüaem der
ihr arn meisten zusagt. Man erwar
tet von Woche zu WW ihre Verlo
bung, die beide Eltern glühend wiin
schen sollen.«
«llnd Sie erzählen das alles so ob
jektiv kühlt«
»Wie ich mich, Gott sei Dank. auch
fühle. Die reiche Maria brauche ich
nicht zu erjagen, und was das schöne
Mädchen anbetrifft, so liegen meine
Wünsche auf andern Gebieten! Jch
lasse sie den Mitgiftiiigern.«
Doktor Raydell fühlte einen gehei
men Stich· «Nun.« sagte er, »die
Dorne sieht derart aus, daß man sie
wohl aus Liebe wählen litnnte!'
»Das stimmt wohl. Aber es ist
nun einmal der Fluch der reichen
Mädels-m das- sie meist der Gegenstand
einer Spekulation werden! Ei ist
eben ein zu bequeme- Mittel, sich
durch eine heirath zu rangieren oder
in geordnete Verhältnisse dies
Lunis lind Wohlleben gestatten, zu!
versehrt-» s
«Ein Mittel. das Sie verabscheuen,
Graf Made?« Paris fragte es ge
spannt.
»Verabicheuen? Nein! Dazu ist es
zu begreiflich und zu alltäglich. Man
greift dazu, wenn einein das Messer
an der Kehle sitzt. Gemein fände ich
es nur, wenn man das Weib, welches
einem den Reichihum geschenli bat,
mit seinem eigenen Gelde in den Ar
rnen sanderer beiriigen würde! Ge
mein, wenn man um des Mammon
willen eine geliebte Andere aufgibi.
nur, weil man den Kampf mit dem
Dasein schmi. Sie haben recht, wenn
Sie sagten, unsere schöne Tarasew
könnte auch obne Geld aus Liebe ge
wählt werden! Und dennoch glaube
ich, ihr iiefliegendes Mißirauen. ihre
zahllolen Körbe daran zurückführen
sur können. daß sie die Speiulaiionen
durchschauir. deren Objekt sie war.
Mir that Maria Serqejewna zuwei
len leid. wenn ihre Bitterteit plshlkch
durchbraelk
Borit hatte bei den Worten des lie
benswürdigen Offiziers erleichtert
nasgeaidrnet Seine Blicke fchweisten
iiber die fremden Menschengrnppen
«sort nach der Ecke des Saales in der
die Tarasowsche Gesellschaft Mai ge
nommen hatte. Er beobachtete das
Mädchen, dessen llassisch edles u d
lluges Antlis aus sein ästhetische
fithl eine tiefe-Wirkung ausübtr.
»Den Kollege! Kollege Nahdell!«
Paris fuhr erschreckt aus seiner
Verfunlenheit empor. «Pardo —
Lollege Schelpugin. Sie besehseap
«Wir machen Programm fiir den
angebrochenen Abend. Was wollen
wir nach dem Dessert unternehmen?·
»Ich bin lein Moslauer und mäß
Jhnen die Wahl schon blindlings
überlassen.«
»Nun. unter uns herrscht noch Un
zeinigleitl Schariow und Rittmeister
Hvon Wittel stimmen fiir eine Zwi
;tenfahrt nach Yar und Strelna. Im
ersteren gaftirt eine neue Pariser
Caneantruppe, und in Strelna tanzt
ein Korps berauschender Wolaatöch
ter,« erklärte der junge. sehr vermö
gende Schulbugin, der ein unverwüst
licher Lebernann war
»Ich bin von der PartieX warf
Philippowttsch ein, »und Sie here
Gras?«
Maske tranl seinen Champagner
lelch leer. »Ich hätte die Herren zu
einer lleinen Bank in unserm Klub
aufgefordert; aber ich füge mich der
Majorität· Die Anziehungsvuntte
des Petrowglyparles sind nicht zu
verachten. Sie lennen Yar und
Stelna noch nicht, Baron —-— —- Dok
tor Rahdell?«
uDie wenigen Abende hier ver
brachte ich bisher ziemlich solide mit
meinem Vater, der den allzu fu«-dü
schen Nachtfreuden abhold ist. Aber
mich wiirde die Sache schon als Ver
gleich zwischen ähnlichen Elablifse
ments Auslandes und den hiesi
qen in e.ressiren Mein alter Herr
schlummert hoffentlich sanft im Con
tinentalhotel und wird fich daher über
meinen Anschluß an die Ertursion
nicht aufregen. Jch bin von der Par- »
tie!"
»Allo da idiom!« sLaszt uns ges
dens)
Die betten erhoben sich. nachdem
der Zahllellner aus silbernen Tal-lett
die Rechnung beigehracht hatte. !
»Wir rechnen später ab. Die Her-«
ren gestatten, dtiß ich den sKassirer
iviele!« sagte Matte. Er wars einen
flüchtigen Blick aus die Summen. zog
aus seinem mit Juwelen geschmückten
und mit Gold gespickten Wappen ver
zierten Parteseuille zwei hundertm
delnoten und legte sie aus das Tal-lett.
Dann verließen die Herren, nach
verschiedenen Seiten Bestannte be
grüßend das Lolal. —— Erst jetzt eilte
der Zahllellner herbei und nahm(
ichsunzelnd die Gelanten sort. Aus
seinen Wink begannen die übrigen
Bediener lautlos den Tisch abzuröwä
men. —
Jn zwei Troilen. geschützt durchs
Pelze und Pelsdeckem rasten die Her
ren durch das schlafende Moslain Die.
Schlittenglöetchen und das leile schnei- 1
dende Gleiten der Kusen auf dem1
ins-schinden Schnee waren vie ein-l
zigen Geräuschr. Lautlos riefeltenl
weiße Eiifloeten vorn hlauschmarien
Himmel. an dessen zerrissenem Gewölt H
seit Mond und Sterne schon hier und s
da siegreich durchbrachen. Die eilige
Kälte hinderte die Fahrenden am»
Sprechen. Paris von Randell genosH
lchweiaend. hingerissen, den Zauberl
der alten Zarenstadt Er blickte wie»
trunken aus die doriiberiliegenden bii j
zart romantischen Schönheiten derj
echt russischeu Bauer-erte. — z
Z. -T
Die beiden Damen traten aus der?
kleinen Vorhalle des Muleurns ausj
den Lawruschenctij Pereulol, wo ihre
Eguipage wartete. Der Diener, der
neben dein Wagenschlag in militiiri
scher haltung ihret harrte,’half ihnen
beim Einst-eigen und legte die große
Zodeldecke iiher ihre Knie.
»Wie ich Dich unne. Margar, möch
test Du Deinem Liebling noch guten
Tag wünscheni«
»Du kennst meine Leidens-hast«
Maria; einen Tag in Moskau zu ver
leben, ohne den Krernl zu hefuchen.
das. wiirde ich fiir eine Sünde hal
ten.«
Fräulein Tarafow wandte sich lä
chelnd dem Diener zu: »Alle Ioir
fahren iider die Kamenny- Brücke und
jdann durch das Borowislija - Thor
auf den Krentl und halten wieder am
Denkmal d-- Kaifers, Iwan!«
Er legte als Zeichen des Verständ
nisses die Hand an die Pelzmtiye
mit dem silbergesiiekten lichtblauen
Sammetdeekel, fchlofz die Thür und
kletterte auf den Bock. Das Gefährt
zfetzte sich in Bewegung.
I »Von vek Seite bin Du noch nie
hinaufgefahren, da wir nieift vorn
Rothen Platz durch das Erlöferthor
lamen, liebes FAer fuhr Maria zu
der zyreitndin gewendet fort, und ihre
Auaen blickten zartlich liebevoll.
Schtoärmerisch warf die junge
Deutsche den Kopf in den Ratten.
»Ach, mir ift es ganz gleich, von wo
wir kommen, wenn ich nur den Krer
fehen darf! Du weißt gar nicht, wie
mich das Vlateau mit feinen Schwi
fern, Kliiftern und Kirchen in ihrer
grandiofen, barocken Vunthett be
raufcht. Wie es mich rii’-,et und er
hebt, über die eigenartigen sinnen
und thurrngekrönten Mauern auf die
riefige Stadt mit ihren Hunderten
von Kirchen, auf die bizarren bunten,
vergoldeten oder oertilberten Kudpeln
und Kreuze heradfehen zu können und
dann den Blick über die Mozkwa mit
ihrem alinernden Eisband. auf die
fernen Ebenen, die nahen Sperlinas
berge schweifen zu lassen! —— Moskau
berauscht mich als Ort, auch wenn ich
von dem Leben in Eurem hause ad
fehe. das mir neue Welten erfchlofz!«
.Deutfche. glückliche Schwärme
rin!«
»Spotte nicht« Maria, Du liebst ja
Deine Vaterstadt, Dein Voll genau
so wie ich!"
»Und ob ich es liebe!« Das Gesicht
der Sprechenden röthete sich in gebei
mer Auswallunq·
»Nun also! Ach. Liebste. daß Du
meinen Besuch bei meinen Eltern
durchsetztesi. das vergesse ich Dir nie,
nie!" sagte Maraot Haßling selig.
.Wabrhastig, mir sind hier neue Wel- -
ten ausgegangen. Laß mich nur beim
lornmen, o, ich will sie lehren, was
Rußland ist. Sie haben ja in Deutsch
land leine Ahnung davon! Sie
schweigen förmlich in falschen An
schauunaen,11nd, glaube mir, es gibt
viele, viele Deutsche, welche wirklich
noch glauben, daß biet Bären und
Wölfe aus der Straße umherlaustn!«
»Du darsst Russland aber auch nicht
aus der Perspettive des Palais Tara
sow anschauen und beut-theilen. Du
schenla!« warnte Maria« »Der Besid
gibt in allen Ländern seiner Kasie et
was Nivillirendes. Der Kapilalii-«
mus macht tnternational in seiner
Lebenssorm wie in seiner Lebensans
sassung.«
Margot Haßling achtetk wenig aus
diese letzten Worte. Sie blickte eifrig
ans die Straßen binauö. »Man-rig.
einzig!« meinte sie. »Ich brauche
gar nicht an Euer Haus zu denken,
trotzdem auch bei Euch eine ausgespro
chen russtsche Lebensführung ist. —"
Plötzlich rief sie beim Anblick einer
Menschengrudpe entzückt: »Ich kann
Dir nicht sagen. wie mir Eure armen
Leute sympathisch sind. Was ich so
in Straßen und Kirchen von Mushts
len sehe, sinde ich so autmiitbig. so be
scheiden elend. dabei so herzig der
schmint Viel angenehmer als unsern
Mobi«
tIortsehung solgt.) -
Ein Bauer aus der Umgegend Bres
laus trägt seinem Knechte aus, Su
perpbosphat zum Düngen aus der
Stadt hitzudringem Damit er den
Austrag nicht vergesse, schreibt sich der
brave Kncht die Bestellun aus. Er gibt
daraus in der chemischen abrit seinen
Zettel ab mit der Aus chrit hcin Zent
ner Sudpe sos Pfar.
Des-h
LI- «
sc- .-..k-.- s- —
»W-) waren denn Sie ngt bergan gen-n Sommer, Herr Registtatpr7«
»Im Oberhaq, ikektot.«
»So? eh war m Unterhatz.«
.Dcnn tte ich tausendmal um Vergebung, hat Direktor1«