Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, October 25, 1907, Sweiter Theil., Image 12

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    G FMMIMAJ
Mit harter Hand riß det Kapitiin
ihn zurück. «5vas Boot ist voll. Du
bleibst.« Einen Augenblick noch
schwankte er; er hörte das Heulen des
Sturmes, sah die Wellen, sich über
stiirzend, am Leibe des Schiffes bre
chen und das Wasser seine Fuße um
fpülen. Und kurz entschlossen hatte
er das Fazit seines Lebens gemacht
und den Strich daruntergezogen. Voll
ruhiger Würde, aber mit schneller
Band ergriff er die Axt, die zu seinen
Füßen lag und hieb das Tau durch,
welches das Boot mit dem Schiffe
verband. »Fahrt los, Leute!!«
Ein vielstimrniger Schrei antwor-?
tete ihm. »Kapitän, Sie müssen
rnit!« .
Ullrich regte sich nicht. »Fahrt los, j
Leute!« schrie er, so laut er tonnte,;
um das Toben des Windes, das Don
nern der Wogen zu übertönen. »Seht
ihr nicht, das Schiff sinkt!? Das
Boot ifi doll, noch ein Mann mehr
sund es schlägt um!« Er schwenkte die
Mütze. »Lebt wohl, lebt alle wohl,
grüßt mir mein Fieten!«
Seine Stimme brach, er wandte
sich und ging nach der anderen Seite
des Schiffes, die, etwas höher gele
gen, weniger unter dem Anprall der
Wogen zu leidn hatte.
Die Mannschaft hatte das Boot ge
wendet und ruderte, den Widerstand
einzelner nicht beachtend, mit Anspan
nung aller Kräfte, um sich aus dem
Bereich des sinkenden Schiffes zu
bringen; die Leute sahen ein, daß der
Borgefedte recht hatte, und suchten die
mahnende Stimme ihres Jnnern mit
der gewagten hoffnung zu übertau
ben. daß der himmel ein Wunder zur
Rettung des Unglücklichen thun
würde. Vielleicht, dafz der Kapitän
und der.Steuermann das kleine Boot
benutzen tonnten. Ein jeder dachte
zuerst an fein eigenes Leben, und
wenn das auch nicht heldenhaft war,
fo war es doch echt menschlich gedacht.
Noch einmal wandte der Kapitän
fich um und winkte mit der Hand,
dann war das Boot im Nebel ver
Mnden «
u s««s--««-.Wisgtsp-—Liggg« -
www-Sinn »
el:
August Winter gebärdete sich wie
Ein Rasender, er schrie, er weinte,:er
wollte ins Wasser springen, um
schwimmend dem Boote zu folgen. Im
Ungesicht des Todes verließ ihn die
heraussprdernde Frechheit, und der
Weise seige Mensch kam zum Bor
n.
,anetzt stürzte er aus das kleine
Boot und versuchte es emporzuheberk
, Da trat der Kapitön zu ihm, griff
is die Rocktasche und legte den Re
volver vor sich aus die Bank des
Schiffes. »Wenn Du Dich von der
Stelle rührst, schieße ich Dich nieder
wie einen hund!« sagte er kalt, mit
fürchterlichem Ernst.
« Winter prallte feige zurück, er sah.
daß et verspielt hatte, und daß dies
mal die leeren Karten auf seine Seite
fielen. Er hockte sich auf dem ge
schlossenen Kapsenfter nieder und ver
barg den Kopf in den Armen, als
sollte er nicht sehen und hören, wie sie
drohend näher und näher rollten-s die
Wogen, wie sie ihre Häupter gegen ihn
erhoben, ihren weißen Gischt gegen
ihn schleuderten und nach ihm leckten.
Kapitiin Ullrich hatte sich abge
wandt und blickte aus das Meer hin
Ists.
Immer wilder-, mit vernichtungs
Mbiaer Gier umtobten die Wellen
M Schiff, mehr und mehr senkte sich
Fasselbse zur Seite, Stoß aus Stoß
machte seinen Leib erzittem und je
dem folgte ein neues Krachen und
Gplitterm ein Gurgeln, Schlucken und
sählem der vordere Mast ging über .
Iord und schlug in das Wasser, daß
sc bochausspritzend eine Garbe weißen,
sprühend-en Schaumes hoch in die
Lüste schickte und die Todgeweihten
- damit überschüttete.
Der Kapitän achtete nicht daraus;
Isde Ruhe hatte sich in sein Herz ge
» hist, die schmerzvoll oermißte, lang
Mete, und seine Seele entsaltete
«Wingen und jauchzte der selbst
’ wählten Lösung zu, die ihn frei
Me, frei von der quälenden Reue,
In Mrbenden Kämpfen, frei aber
· von dem tastenden Fluch der
", die, lied an Glied reibend, das
nach si zieht zur endlos langen,
» « -chlingenden Kette, die alles Wollen
Mlen in ihre unzerreißbaren
"T Heu einschniirt und immer schwe
scy immer erdrückeudere Schuld aus
Die Beete hättst.
M Wden Schein in den
fast freudig blickte Ullrich dem
’" J Tode entgegen defsexo Hitziche
UM « te. r ewige i.e atte
IN Hätt-M daß er enttam, son
Ocß er mit jenem zu Grunde
" Is— nnd es war gut so. Zeit-dar
« W stei! Er hob die-Sand
. M »Ist-D such des-Richtung
OT Im- iseismekseschcuugku,
das Auge sinnend in die Ferne ge
richte, stüßteer den Ellbogen auf den
Rand des Bootes, um dem schwanken
den Boden des sich schräg zur Seite
neigenden Schifer einen Widerstand
entgegenznseten
Das Toben des Windes hatte sich
bis zum wüthenden Orkan gesteigert;
wie durch Zauberhand zusammenge
ballt flogen die Nebel vor seinem
Athem einher, und da schaute auch
schon ein Stückchen blauen Himmels
hervor, und fern am horizont erschien
die Rette der Bergeiesen, deren größ
ter ein winziges, schneetveißs, schim
merndes Käppchen auf dem Scheitel
trug.
Woge auf Woge entlad sich klat
schend über das Verdeck und riß mit
gierigem Arm Stück um Stück aus
dem Bauwerl, das Menschenhand ge- ?
baut. um sie zu bezwingen, und das
doch weichen mußte der Urkraft des
entfesselten, nach Rache dürstenden
Elements. Jetzt wälzte sich ein un
geheuren fchwarzgetlfürmter Wellen
berg heran, hob das Schiff hoch ern
por und schleuderte es mit donnern
dem Anprall gegen die Felsen zurück
— ein erschütterndeö Krachen, ein klir
rendes Splittern erfolgte. Ein Schrei.
der das Brausen des Sturmes, das
gnrgelnde Geräusch der hereinsiürzen
den Fluthen übertönte, gellte über das
Wasser hin. «Fielen, mein Fieken!«
Und dahin trugen sie Schuld und Je
ren, hoffnung und Verzweiflung ei
nes Menschenderzenä Mit starker
hand hatte das Meer die Sühne der
Schuldigen für sich aeforderi· Und
fett sang es dem müden Mann sein
Schlummerlied.
Sophie stand an dem geöffneten
Fenster der Küche; sie blickte auf die
dicktnospigen Zweige, welche sich an
die Wand des Hauses schmiegtem die
Sträuchen die sich in zartgriine
Schleier zu hüllen begannen, auf den
Stellen, frischgriinen Sammt des lurz
geschnittenen, neu der Erde entsproß
ten Rufens, und sog srnit geöffneten
Lippen die feuchtwarme, deilchenduf
tende Frühlingsluft ein.
Jn dem Sonnenstrahl, welcher auf
die weiße Wand des Hauses prallte,
wehte eine Schaut Miit-klein ihren
spielenden Reigen; aus den Nisttäsien
der Staate, die auf hohen Stangen
im Garten vertheilt waren, ertönte
das Zwitschern der Neueingezogenen
oder das Gezirp des den Augenblick
benuhenden Stichen, welchem es ge
lungen war, sich in den ungestörten
Besid eines fremden hauer zu setzen;
iiber den sonnendurchleuchteten Rasen
firich langgestreckt, lautlos wie ein
Schatten, der geschmeidige Leid Lot
tens, der Hausiahe, die nach einer ver
botenen Mahlzeit nuöhlickte, und über
das Gesicht des jungen Mädchens fuhr
ein halbes Lächeln, als sie sah, wie sie
mißvergniigt ihren Buckel an den
schwanken Stangen der Risitiiiichen
rieb, welche die Ungerechtigkeit der
Menschen eigens zur Unbill fiir das
Kahengefchlecht erfunden hatte, und
mit den wie Phoiphor leuchtenden Au
gen lüstern zu den ihr unerreichbar-en
Vogels-isten emporblinzelte. I
Sophies Blick umfaßte das Spros- s
sen und Blühen vor dem Fenster; sie s
athmete den hhazinthenduft ein, wel
cher von dem Beet dicht an dem Hause
»Hu ihr emporstieg, wie ein eben Er
’n)achender, und ihre Brust weiiete sich.
Seit dem jähen Verlust des Vaters
hatte es über ihr gelegen wie grauer
Nebel, als iei alles todt und gestorben
in ihr, und jeht begann es, sich zu re
gen wie wunderbars, neues Leben, als
sei auch ihr-er Jugend noch ein Lenz
beschieden, ein trautenes Gefühl kam
iider sie, als sollte auch dem Verlan
gen ihres herzenz Erfüllung werden
-
HI
-
»Nun beut die Fiuk das frische Geiz-it- «
Sie blickte sich erschrocken um« War
sie es, die gesungen hatte? Sie trat
jäh erblaßt aus dem leuchtenden Son
nenschein in den tiiblen Schatten des
Hauses zurück. des Licht in ihren
Augen erlosch. Hatte sie denn auch
nur einen Moment den Schatten ver
gessen können. die graue, erdrückende
Last, die ihrem Sein aufgebürdet
wur? Das geliebte Leben, das um
tlmtwillen dahingegangem dessen
feibssigewollter Tod ihre Zukunft zu
einer trüber-, fonnenlplen machte,
einzig erhellt durch die Erinnerung
vergangener Zeitenti
Sie band die helle Hausfchütze ab
und hing dieielsbe an den Nagel,
dann ergriff sie ein auf der Fenster-1
bcmt liegendes weißes Bäuchen-. undi
wandte sich dem Besuchdzimmee sei-!
aus welchem Tassenklappern, Lachens
und Sprechen erscholl. :
Frau Wtiin Ullri hatte ihren
ersten Damentaffee. it die Ge
retteten der «Romannia« berichtet,
tote month der Kapitän dahinge
Inseeh genoß sie eine Ausnahme
ctuss unter den Bekannten und
W
, gsbätdm sich wie die Frau eines an
tiken Beiden, der den Tod fiir das
Vaterland gestorben. .
Sophie war leise und unheachtet
eingetreten, hatte ihren Mai neben
der jungen Frau Postdireltor einge
nommen und heimlich das weiße
. Päckchen nehen deren Tasse geschehen.
Die Freundin wandte ihr das von
den schimmernden Lsckehen umrahnv
te Gesicht lachend szu. »Wi- warst
Du denn to langes Wirtschafts
forgen?« Sie hatte das kleine Packet
ergriffen und entfernte vorsichtig die
tnifternde stille desselben. »Sol! das
fiir mich fein?« Und mit fpihen Fin
gern hol- sie ein Paar prächtig ge
stickte Tuchfchiihchen von fchneeigem
Weiß daraus empor und fiel der
Freundin dankend um den hals.
»Gott, sind die schön! Was werden
die meinen Bubi gut tleident...«
Ueber Sophies Gesicht glitt ein
heller Schein. »Laß mich’s ·fehen.
wenn er sie zum ersten Male anhai«,
hat sie. —
FrauKapitsin Ullrich war seit dem
Tode ihres Mannes noch runden
noch unruhiger und thätiger gewor
den, und wand sich mit wahrer
Wonne durch die zahlreichen Laster
trcinzchen hindurch, in welchen sie
eine bevorzugte Stellung einnahnr.
Auch heute fiarrd ihr das gehol
feerte Mäulchen nicht einen Augen
blick still, und während fie behende
Kuchen anhot und Schlagfahne her
umreichte, ging ihr dasselbe, wie ein
Mühlrad. »Ach gewiß, meine lieh-.
Frau Steuerräthin, das ist ganz
meine Meinung, ich ziehe die Gas
kiiche dem Herde unbedingt vor.?
Diese Sasuberteit. dies Kochen aqu
die Minute! Allerdings tommt es
auch etwas theurer. —- Ndch ein
Stückchen Forte. Frau Doktors —
Wie i ’B mit einem Windhauch
Frau pitsn Naht-II —- Jch hatte
ja auch ein itartes orurtheil MI
gen und wollte nicht heran, aber a
sagte mein Mann, ach Gott, er ifl ja
todt!" Sie preßte das Tafchentuch
an die Lippen, und die Gäste schwir
gen rücksichtsvoll und sahen mit theil
nahmsvcllen Mienen zu ihr herüber.
»Ja, ja, er sagte, man muß immer
mit der Zeit gehen und alles Reue
versuchen; er war sehr fürs Neue. ——
haben Sie aber ein reizendes häkel
rnufter, Frau Lindemann. das müt
fen Sie mir einmal bargen! —- So
phie, gieß doch ver Frau Ober-lehret
ern und laß die Nußtorie herum
arhen.·
Frau Liese hatte sich Ieise erhoben.
»Ich muß gehen. so leid es mir rhut",
erwiderte sie auf der Gast eberin be
dauernden Ausrui. »Es ist die Zeit,
wo mein Buhi aufwachi.«
»Kann denn den nicht einmal Jhr
Mädchen besorgen? —- Aeh ja. ich
weiß, Sie than lieber Alles selbsi.«
Die junge Frau hatte sich mii ver
haltenem Lächeln über die band der
Dame gebeugt und sich von den an
deren verabschiedet Draußen auf
dem Flur fiel iie Soph—ie, die ihr ge
folgt war, um den hals. »Du-jens
Liehstel Komm bald — hörst Du?
Habe ich Dir schon erzählt. daß
Buhl «bitie, bitte« machen kann? Du
alauhfi nicht, wie herzig das,ausi
JOHN
Saphir hatte inieussiri zugehöri.
»Das muß er mit vormachen!« sagte
sie eifrig. »Ich komme morgen schon-f
Als die Freundin gegangen war,
stieg sie die Treppe zu ihrem Stüh
chen empor. im Haushalt war nichts:
mehr zu beio en, und bei ihren;
Kassee v- Gesell chafien enthehrte die
Mutter sie gern. Die Gegenwart der«
Tochier übte immer einen leisen
Druck auf sie aus« irohdem diese
stets sorgfältig bemüht war, in lei
ner Beziehung ihre geistige Ueber
legenheit der Mutter gegenüber gel
tend zu machen.
Das junge Mädchen war über die
wartenden ungestrichenen Bohlen
des Vorplahes seichritten und öffne
te die Thür zu gerem Zimmer. Dann
schloß sie dcefel le" e hinter sich,
ging um Fenster und ließ sieh in den
Sehn hl aus weißkm Lorbgeflechi
nieder-, var dem altmodischen, schön
cis-gelegten Nähtifehchem aus welche-n
eine angefangene Danaarheii lag.
Sie drückte den Kopf an die hohe
Lehne des Stuhleå, verschränkte die
Hände und blickte zu dem lebensgro
ßen Bilde des Vaters empor· das,
ihr gerade gegenüber, über dem halb
hohen Schreinlchen mit den Melsing
beschliigen und den Alabasiersäulen
hing. «
Wie war ihr nur heute? Hatte der
junge Frühling draußen neuen Le
benistrom in ihr geweckt? Hatte der
Schmerz um das Verlorene, der ins
ihr getobt, seine Kraft verloren? —Z
Cihr Blick glitt musternd« über das
Zimmer in weichem jedes Senkt mit
lundiger Dand in liebevoller Sorg
falt geordnet war: ei erschien ihr
heute alles so sonnenbe lönzt, die
alimodilche Einrichtun o neu. so
fremd!-—— Sie zog, cheu um sich
blickend, ein Feitungsblatt hervor.
und ihr Auge lieb an einer eile
llxsafteih »Southampton. 25. Erz,
;«Greif, Kapitiin hart-nann, nach Hei
ligenbafen.« Sie drückte die Hand
auf das herz, tue wild nnd mächtig
klopfte. Was wollte das unberechen
bare Ding? Sie wußte es doch lo
genau, daß ein jedes hoffen vergeb
lich, daß kein Glück sie mehr erwar
teie! Hatte nicht Liefe ihr gesagt,
daß Robert sich um die Tochter feines
Korrespondentrheders lieu-erbe? Ein
Mann, knieen vergal- leine Untrene.
-Nun, ganz ungläilich —- das
ernste sie genau ·- würde sie sie
tm
werden. Einen Wirkungskreis, in
welchem er seine Kraft bethiiiigte.
gab es fiir jeden Menschen.
Sie verstand es nicht, das ewige
Bellagen der alleinfiehenden sstauen.
War es»nichi ein leichtes fiir ie. mit
ein wenig Liebe, einem geringen Aus
geben ihrer selbst, sich unentbehrlich
zu machen? Wie manche vielgeplag
te, lorgenbelchwerle Mutter in der
Familie, itn nächsten Freundeskreise,
lechzle nach Dilse, nach Unterstühung.
nach jemand, der ihr die Last des
hauisiansdes tragen half! War es
nicht da ein leichtes, sich Dankbarleii,
Anhänglichkeit zu erwerben, wenn
man eingreift, wo es nothihat? Wie
mancher Kranke bedurfte der Pflege
wie manches Kind der leitenden
Hand, wie manche lummerbelastete
Seele vielleicht nur eines theilneh
menden Wortes· Nicht jedem wird
der beiße, glühende, reisende Som
mer zu theil, wohl dem, der sich den
fruchtbringenden Herbst zu eigen
macht!
Das junge Mädchen hatte ein Al
sbum aufgefchlagen und blickte schier
!undiichlig auf die wohlbekannten,
Trerschnörlelten Schriftziige, welche
die erste Seite bebe-ten.
Jn ihre Gedanken vertiefi, hatte
Zophie das Knarren der Breiten-»ic
len überhöri; seht öffnete sich leise,
behutsam die Thür. ern schlank ge
wachsener, breitschultriger Mann er
schien in dein Rahmen derselben und
verbarrte, nachdem er diese lautlos
wieder hinter sich zugezogen hatte,
unbeweglich aus der Schwelle. «
Sein Blick überflog die Einrich
tung des Zimmers, die Maialöckchen;
und Hnanzinthen welche es mil’
Frühlingsdust füllten und auf der
Fensterbanl blühten, und blieb an
der schwarzgetleideton Mädchenge
llalt haften, die mii im Schooß ge
falteien Händen in dem Lehnstuhl
am Fenster saß, von Sonnenschein
überfluthet, der, durchdas Weiß der
Scheibengardinen brechend, ihre Ge
stalt mit dem gre·llen, blendenben
Licht überschüttete, wie man es aus
den holländischeil Bildern alier und
neuer Meister findet, und ihrem
dunklen Haar bläulich schimmernde
Reflexe entlockie. f « » ·
Ein herber Duft unverunrrer, teu
scher Reinheit lag über dem Ganzen,
nnd der Mann an der Thilr nahm
die goldbetreszte Miitze ab und hielt
sie in ver Hand, alk- sei er in der
Kirche«
Da hob Sovhie den Blick, sie hatte
plötzlich das Gesuhh als sei sie nicht
allein irn Zimmer. Und dann war
sie mit einem Schrei emporgeschnellt,
das Buch glitt polternd zu Boden,
und sie stand zitternd, den Arm aus
das Tischchen gesiiihh arn ganzen
Leibe bebend da. .Rohert!'·
Der junge Mann war näher her-i
angetreten. er athmete schwer. »So-s
phie!« sagte er mit var Erregungl
zitternder Stimme, »Sophie, Du;
hast mich damals gehen geheißen —j
dars ich nochmals lornmen, willst Dux
wieder mein seini« J
, Das junge Mädchen antwortetes
nicht; eine stürmische, wirke Gedan«
tensluth stürzte iiher sie und zerrte
sie gewaltsam hin und her zwischen
jubelnder Freude nnd dem brennen
den, verzehrenden Schmerz, der weiß,
daß das Glück gekommen ist, nnd
dennoch entsagen muß. »Du hast
kniisr nie geantwortet«. sagte sie dann
e e.
Der junge Kapitiin richtete sich
höher aus. »Sollte ich das Opfer
noch vergrößern, die Last noch schwe
» rer machen, die Du aus Deine Schul
tern genommen hattest? War es
Jnicht besser, ich blieb Dir fern, Du
; glanhtest Dich vergesse-, als daß Du
an der Seite des anderen, den zu
heirathen Dich die Kindesliebe
zwang, vahingingst mit trankern her
zen, den Kopf beständig nach dem
verlorenen Glück zurückgewenmt«
Mit weitausgerissenen Augen nnd
letchenhlassem, verstörten Gesicht, hie
blinde wie zur Abwehr gegen ihn ern
porgehoben, war das junge Mädchen
vor ihm zurückgewichen. »Du weißt
eis« stammelte ste, ihre Stimme klang
wie gebrochen. -
»Ich weiß!« betonte er schwer. »Ich
habe doch alles miterlebt, babe doch
gefühlt, wie der andere seine Nese um
ibn warf, und der schwache Mann der
Versuchung, durch die Liebe zu Dir,
Sopbie, erlag.« Er ergriff ihre bei
den Hände. »Ich für Dich that er’s.
fSopbie nur für Dich!« fubr er be
swegt fort. »Er bat es fchwer gebiißt.
Sopbie!« bat er eindringlich und zog
die Hände des junaen Mädchens ac
gen seine Brust, »Sopbie, willst Dir
mir wieder anaebören. meine liebe
Braut. mein geliebtis Weib sein? Ich
weiß ja doch. daß Du mich noch lieb
basi. willst Du mich endlich glücklich
machen?«
Da riß sie sich los, » wich vor ibnr
.zurüel und schlug mit einem jammern
den Lan die hände oor’s Gesicht. »Ich
lann es ja nicht!« schrie sie laut, »ich
kann es ja nichts Denkst Du denn, ich
könnte vergessen. wie er gestorben, dem
ich das Libste ans der Welt wars —
Du kannst ein rubiges, stilles Glück
verlangen, und ich, ich würde Dir den
Schmerz, den Gram in Dein fried
liches Haus tragen. Nein, ich muß
einsam, auf mich gestellt, meines We
ges ziehen!« Sie rang die hände in
wilder Verzweiflung-. und ibre Augen
blickten in bitterer Qual an dem ge
liebten Mann vorüber. THiqlickn
stündlich verfolgt mich sein Verschul
den, der bittere Jammer« aus dem
heraus er den Tod dein Leben verzog;
wie furchtbar muß er gelitten haben,
bis er so weit sam, freiwillig von
dannen zu gehen. Um mir die Frei
heit zu ertausen, wars er das Leben
von sich —- und das sollte ich auch nur
eine Minute vergessen?« Sie hatte den
Arm urn das niedrige Schräntchen ge
legt, und ihr ganzer Körper zuckte und
bebte in bitterem, leidenschaftlichetn
Weh. "
· Da hörte sie seine Stimme, die
sanst, beschwichtigend an ihr Ohr
drang und sich ihr aus das Herz le te
wie eine linde, streichelnde Hand. » u
thust ihm unrecht, Sophie,« sagte er
leise. »Kennst Du Deinen Vater so
wenig? Nicht als ein elender, ver- »
zweiselter Mensch, der lodslos dem
Leben entflieht, starb er, nein, als ein
Held, der heiteren Muthes über Tod
und Schmerzen hinaus seiner Schuld
sich selbst als Sühne darbrachte. Dein;
Vater war ein edler, großangelegter
Charakter, »den nur die abgöttische
Liebe zu Dir, eine gewisse Schwäche.
die ihrn eigen. und die gewisienlose
Versuchung jenes Elenden zum Feh
len getrieben. Aber nicht wie ein
Feigling ging er dahin, nein —- Dein
Vater starb schön. Sophie, glaub es
! mir! Gönn’ ihm die schwer ertämpste
Ruhe er ruht geborgen irn Schoße des
ngliebten Meeres!«
s Das junge Mädchen hatte den Kopf
net-oben und blickte zu dem Bilde des
Vaters empor; sie hörte die Worte des
Mannes neben ihr, die sich wie Kinder
trost in ihr wundes Herz schlichen.
Sie fühlte den heißen Schmerz milder
werden, eine brennende Sehnsucht nach
Glück, nach Frieden nach einem Aus
ruben in seiner Liebe las-i iiher sie
Und plötzlich schlarsa sie ausschluck1
send die Arme um seinen Hals und
hara den Kovs an seiner Brust. Sie
fühlte es, auch sie war —- geborgen.
(E nde.)
»-——.- —
Ileei einsemyuffasksxåifchen Tage-I
brech. i
Eigenariige Szenen aus dem mai 1
rollanifchen Volksleben schildert Aliee ?
Lowther in ihrem Reifetagehuch das ;
sie in der «National Review« veröf- l
fenuiche Es sind sittsame Sitten und !
Gebrauche, wie sie fchon durch Jahr- !
hunderte unverändert das Leben deri
Mauren mit einem seltsamen Zauber
umgeben. ;
Noch heute herrscht die alte Sitte.j
durch Thierodfer die Mächtigen fich J
giinitig zu stimmen. Alice Lowther er- ;
öhlt: »heute kamen drei zerlumpte
Leiden schmutzig und arm, den Hügel ;
herauf, auf dem unfer Lager aufge- »
fchlagen ist. Hinter sich her fchleppten E
fie zwei gefesselie hilflose Schafe. Vor
unferer Flaggenftange machten die :
Weiber halt. Sie legen die Thiere auf
die Erde, und mit einem Messerftich
werden die Kehlen der fich windenden
Schafe durchbohrt Regungzlog blei
ben die Frauen vor den findenden
Kreaturen sitzen, und mit fiarren Au
gen« woetlos und angstvoll, verfolgen
fie die letzten Zuckunqen und erwarten
Allahs Rathfchluß. Als ich fie anrede,
erfahre ich, daß sie die Frauen eines
sreichen Mauren sind, dee vom Kaid
eingeiertert wurde; ihr Mann hatte
! das Verbrechen begangen, reich zu wer
jdeit Nun plünderte der Machthaber
Iden Befih des Gefangenen und jagte
die hungernden Weiber auf die Stra
ßr. Als die Ungliicklichen hörten, daß
demnächst ein Bafchador, gewiß ein
reund des mächtigen Sultans, die
gend paffiren würde, ent·chloffen
sie sich, diefe Schafe zu odieen, damit
Allah die Seele des erwarteten Neiters
nIii Barmherzigkeit erfülle. Denn der
Kaid ifi mächtig, und von ihm kommt
teine Gnade . . . Der Brauch verhie
tet es den Opfernden, die hinaelchlach
tetenThiere als Nahrungsmittel zu be
nuhenz meine Diener ließen sich die
Gelegenheit nicht entgehen, und mit zu
friedenem Lächeln fchleppten sie später
die Fett-bieten Schafe zu ihrem Zette
« .
UM anderes sup. »wu- uy qrurr
auf dem Wege zum Bafar durch die
Straßen gehe, versperrt mir in der
Gasse ein Körper den Weg. Lang hin
gestreckt auf den Steinen. halb bewußt
los, lag ein Frauentörper. Jch fragte
meine Begleiter, und sie erzählten, daß
die Frau schon den ganzen Tag so da
läge und gewiß sterben würde. Hist
gibt es natürlich tein Hospitai. nur ei
ne Art Asyl fiir Wahnsinnigex sie wer
den in der Nähe der großen Moschee
an eine Wand getettet, bis der Tod sich
ihrer erbarmt, falls sie nicht unbeach
tri auf der Straße sterben. Durch
meine Leute ließ ich die Frau aufbe
ben und zu einein englischen Arzt brin
gen; der verrieth knir, daß teine hilfe
zu erwarten set. Aber am nächsten
Tage erschien zu meiner Beruhigung
die rau bei mir; voller Dankbarkeit
erz« lte sie rnit, wie sie von dem Huf
schlag eines Lastesels getroffen sei und
nun wahrscheinlich todt wäre, wenn ich
sie nicht durch meine Leute hätte auf
heben iassen.«
Besonders interessant ist die Schil
derung einer marottanischen Hochzeit,
der beizuwohnen Alires Lowther Geie
genheit hatte. »Gesiern wohnte ich ei
ner Hochzeit bei. Eigentlich müßte ich
es anders nennen: denn in Maroito
gibt es kein Bermählungsfeftz der ent
scheidende Ali geht beim Notar vor
T sich. wo die Eltern den heirathsvertrag
frstlegen. Diese Formalitiit findet ei
nige Tage vor der Stunde statt, da
Bran und Bräutigam, oder eigentlich
Mann und Frau sich zuerst sehen.
zum ersten Male, wenn sie, festlich ge
sschmiickt und mit Steinen und Ketten
sbehiingh i n stumm in seinem lHause
;erwartet. is dahin kennt er sie nur
? nach benSchilberungen, die andere ihm
sgegeben haben. Vielleicht ist sie ein
«entzitckenbett Geschöpf, ihre Augen
strahlen so sonnengleich, wie man sie
ihm geschildert hat; vielleicht aber ist
Isie häßlich, pockennarbig und mager.
Dann aber hat er wenigstens ben
Trost, daß er sich nach Ablauf eines
Jahres von ihr scheiden lagsen tann."
Aber es gibt auch gewi e seietliche
Zeremonien: das Verlassen des Vater
hauses und der Einzug der jungen
Gattin in ihr neues im werden mit
großem Pomp, mit Lärm, mit Musik«
mit Flinteni und Bisllerschiissen ge
feiert. Sechs oder sieben Tage währen
diese Feste, an strenge Gebrauche ist
die junge Frau getettet, und wenn sie
dann das aus des Gatten endlich er-.
reicht, so it sie meist völlig erschöpft,
Denn ver Mann steht seine Erterena
st
t
todtmiibe unb ost gar ohnmiichtig. -
Keine Brautjungsern umgeben in bie
sen anstrengenden Tagen vie junge
Maroiianerin. Am Tage vor der
Uebersiedelung in das Haus des küns
itgen Gatten werden bie Mächtigen
Hochzeitsgeschenke besichtigt. »Ehe
Masse von Seidenstofsen und schwerem
Brolat, die in allen Regenbogensarben
schilleri," so beschreibt Alire Lowther
die festlich geschmückte Braut. Ueber
und über ist sie mit— Perlen und Sma
ragden, mit Spangen und Radeln be
deckt und dicht verschleiert. Die be
rufsmäßigen »heirathssilaven« führen
sie zu ihrem Throne, wo sie iies in
schwellende Seidenrolster versinkt. Jn
einem seltsam gesormien Gefäß bringt
man der Erschöpsten einen Trunk
Wasser zur Labung. Und neben ihr
steht der Leibitiave und nennt eine
lange Reihe von Namen und deutet da
bei aus die unzäbtigen Hochzeitsge
schente, die rings ausgestellt sind, pur
purne u. helltotheSammtftofse, Masse
iins und iostbare Brotate, hellsarbene
Satins und leuchtende Seidengewiins
der. köstlich fein gewebte großeSchleier,
die so zart sind, daß man sie durch ei
nen Ring ziehen tann, alles lieat aus
gebreitet in mörchenhafter Farben
Pracht. Aber die Braut ist ohnmiichiia
geworden. Die Sklaven eilen herbei.
man hilft ihr und itiitzt fie. und end
licb wird der Schleier ein wenia zu
rückgefchlaaen. damit sie athmen kann.
Die Sitte verbietet ihr. die Lippen
ium Sprechen und die Auaen zum Se
hen zu öffnen. sie darf ihr Schicksal
weder betlaaen noch weiter-. Inmit
ten eines satt barbariichen Reichthqu
das fuaendliche Gesicht in trampfhaft
kseherrichter Anspannung verierrt so
steht iie da als ein fremdartiaes und
mitleiderregendes Wesen. Endlich iii
die Zeremonie überstanden, mit hilfe
der iie ftiitzenden schwarzen Frauen
wendet sie iich zum Geben. Immer
lsiilt sie die Asmen riet-blossem Mithiam
nur geht ihr Athem. sie kann sich nicht
mehr aufrecht erhalten, und fällt ihren
Realeiterinnen «schtner’ in die Arme.
Die Frauen aber lächeln, und dir-Skla
vinnen fliiitem Neid und Mißgunst
in den Mienen . . .« «
Eine Erfinder-II
»die so recht im Sinne eines amerikani
jteben Nat-obs iu sein scheint, ist von
Ieinem der Millionäre höchstselbsi ge
macht morden. Es ist ein Major Miet
1nore. der gleichzeitig das Verdienst
hat, das älteste Mitglied des acht
tiubs in New York zu fein« und einen
Namen nun noch durch die Konstruk
tion eines Apparates fitr drahtlose
Telearapbie von beionderer Art un
iierbiich zu machen hofft. Dieser Ap
parat bat den Zweck, aus einem Auto
mabil befeitigt«zu werden und dessen
Jnsassen in dauernder Verbindung mit
den niichiten Stationen zu halten.
Man tann sich vorstellen. welche Be
deutung diese Neuheit fiir einen ameri
tanischen Finanzmann haben muß,
daher nun auch, während er mit Etl
zugsgeschwindigteit in seinem Auto
mobil dahinrast, jederzeit itber das
Steigen und Fallen seiner Pariere un
terrichtet werden kann. Bisher sind
die Versuche freilich nur in einer Ent
fernung von 20 Meilen befriedigend
aeiungen, doch hält es der Erfinder.
sebon ietzt fiir sicher, daß es ein seichte
sein werde. mit starken Batterien we
nigstens bis auf 40 Meilen zu kom
men. Die Erfinduna wiirde freilich
auch siir militärische Zwecke Werth ha
ken.
» L, --4
Neunundzwanzigtauiend Dollar hat
der ehemalige Bürgermeister Schmih
von San Francisco seinem Verteidi
ger zahlen können. So ein Bürger
meistekpoften in San Franeisco muß
ein einträgliches Geschäft sein.
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Ein Kritttus hat ausgerechnet, daß
unsere Panzerftotte auf ihrer Fahrt
nach dem Pacificmeere gegen 5,000,
000 Pfund an Nahkrtngimttteln für
vie Manntchaft mitnehmen muß. Der
Mann hätte sich seinen Aetger sparen
können, wenn er sieh erinnert hätte,
daß auch anderswo der Matt-vie nicht
sz der Seeluit allein leben kann.
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Außerhalb der Ehe kämpft die Frau
um die Gleichberechtigung, innerhalb
derselben der Mann.
i i .
Die Göttin der Jugend ist vie hass
. nung, die Göttin des Alters die Ot
inne-sung