Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, October 18, 1907, Sweiter Theil., Image 7

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Nebraska
Staats-Anzeiger und Esset-old
Jahrsans Lu
—
Grund Jst-iud, Nebr» ts. Oktovsrfjszfdt mir-ins ThäitFI
Nummer 3.« ,
Abendglockensw
Dei Tages Lärm ist nun vorüber,
Versanl im weiten Meer der Zeit,
Viel Freud und Leid trug er hinüber
Jn Welten der Vergänglichkeit.
Der Abend ig nun still gekommen
Und sanfte länge, Lriedensreich
Durchzieben leise un vers en
Das Weltall, träumend, süß und
weicht
Ihr Abendktiinge voller Milde,
n mir ruft ihr ein Sehnen wach!
Jhk stiat mir Fragm, heiß-, wird-,
Und weckt mir neue —- sagt, wonach?
Vie weite Reise.
— t
Aus dem Holländischen von Be r
nar-d Canter.
Der Vater war ein Truntenbold,
nnd die Mutter ging Reinemachen.
Wenn der Junge den Vater nach
Hause kommen Tab, lief er schnell sort
und blieb den ganzen Tag auf der
Straße. .
Des Abends bam er ganz leise nach
Hause, schlich zu dem leeren Altoven
in der kleinen Küche und legte srchdort
schlafen, so aus die Bretter, mit einem
alten Rock der Mutter als Decke.
Sein Leben verbrachte er aus der
Straße. Die Straße, das war der
breite; große Weg. am Ende mit der
Ziehbrücke über dem Wasser und aus
der anderen Seite eine Querstraße.
Weiter als auf die Straße tamer nie,
doch das war auch nicht nothwendig
denn er war aliicklich, wenner nur zu
essen. zu trinten, Spielgenossen und
Abwechslung sand. Wenn Mutter des
Abends von der Arbeit lam, erwartete
er sie schon bei der Ziebbriickr. Dann
ging er neben ihr her nnd erzählte ihr,
ob Vater zu Hause sei oder nicht.
Wenn der Vater zu Hause war, ging
er nicht mit beraus, denn dann bekam
die Mutter Schläge und er auch.
Unmut harte iyn ver Vater me
Treppe kyinuntergewpkfem und noch
immer, wenn er auf die Stelle, wo er
damals aufgeschlagen drückte —hiet
am Knie-— that sie ihm weh. Aber
wenn der Vater nicht zu Haufe war,
ging er mit der Mutter, zündete den
Peiroleumiacher an, und Mutter
wärmie das Essen, das sie von den
Leuten mitgebracht hatte, und sie aßen
zusammen Manchmal nahm sie ihn
idann noch mit, um Besorgungen zu
machen. Das war herrkich. Beim
Kaufmann bei-am er ifnmer zwei
Pfeffermiinzstangen und beim Ge
müsemann manchmal eine Pflaume
oder einen Apfel. Und das Fräulein
bei dem Bäcker, die war doch so gut,
die gab ihm hin und wieder einen
Cent.
Ein Ceni — das war ein Reich
thumi Dafür konnte man sich fo viel
kaufen, so viel in dem Laden an der
Ecke —- Pseffermiinzftawgem Kuchen
triimel, Gummiiniinner, Zuckerhähne,
Murmeln . . .
So lebte das Kind in der Straße
nnd bam nie weiter, und auch sein gei
stiger Gesichtskreis umsaßte nicht viel
niedr, als was er in derStraße sah,
hörte und bemerkte. Er wußte, was
eine Karte-ist« ein Kahn, was Gemiise
ist« und sogar, was Blumen sind.
: Aber einen Baum, einen wirllichen
»Von-m hatte er noch nie gesehen, und
erkannte sogar nicht einmal den
Namen. Die Blumen kannte er vorn
Ansehen, weil sie aus den Fenster
brettern standen in den Hinterhäw
fern, doch wie sie hießen, wußte er
auch nicht.- Seine Mutter sagte ihm,
daß es »Mir-men« seien, und so
nannte er Alle-IF was farbi unsd
grün war und nicht wie Gemji mus
salt, «Blunien«.
Jn der Nachbarschaft war ein altes
Ehepaar. das die goldene Hochzeit
seierte. Die Nachbarn verzierten den
Eingang des Hauses .mit Tannen
zweiaen und Papier-rosen» Das Kind
stand dabei und sah zu und wunderte
sich über die großen grünen Tannen
zweige. Was nic: das nur sein,Blu
men oder Gemii e? Das alte Frau
chen kam herauf-. «Gesällt Dir das
sei« fragte sie ihn. »Di) das schön ist!
Kann man das essen?«-»Das? Ader
nein, Junge, das ist auch eine Frage
—das sind doch Tannen die sind
zur Verzierung, weil wir doch küns
zig Jahre verheirathet sind.»«
Tannen, das waren also Tannen
—- die großen Dinger, die man nicht
essen rann. Und Tannen werden ge
braucht für alte Menschen, die fünfzig
Jahre verheirathet sind.
Das Kind behielt das wie eine ganz
besondere Weisheit, und als die Mut
ter am Abend nach Hause lam, er
zählte et ihr von den Tannen ur
Verzierung. »weil wir doch slin zig
oisahre verheiratbet sind«. «So’n ge
scheiter Kerl-Ä sagte die Mutter zur
Nachbarin »Man W stagen,wo
holt rso ein Junge den Verstand nur
her, er spricht zu einem wie ein gro
ßer Mensch.
Eines Abends kam die Mutter nicht
nach hause, den ganzen Abend nicht,
und diese Nacht . schlies der kleine
Junge ganz allein in der Wohnung.
Am svl enden eJtJage blieb sie auch fort,
und au am Abend und in der Nacht
kam sie nicht wieder. Ihm kam das
sehr merkwürdig vor, aber er sagte
niemanden etwas davon, er sand« es
nicht unangenehm, so allein zu Hause
zu sein, tochte sich selbst Kafxee aus
dem Petroleumlocher, aß sich att an
Brod und den Ueberbleibseln,-die er
in der Speisetammer fand. Aber ge
en Mittag übertarn ihn « die Lust,
eine Mutter zu suchen. Er wußte
nicht, wo und bei wem sie arbeitete,
aber da sie immer iiber die Ziehbriicte
ginszeund dann eradeaus, meinte er,
wer er sie da chon finden.
So ging er zum erstenmal in seinem
Leben üsber die Ziehercke und dann
durch die Straße, die dahinter tag.
Wie war die lang, viel, viel länger
als »die« Straße und dann wieder
durch eine andere Stra e und noch
durch eine, immer gera raus. Aber
seine Mutter saher noch immer nicht,
und er wurde ängstlich. Doch er lief
immer weiter, und da stand er plötz
lich auf einem Platz so unbekannt,
so merkwürdig, daß er beinahe nicht
weiter zu gehen wagte. Was war
das? Ganz große, schwarze runde
Dinger, die voll saßen von grün...
was war das? ,Waren das Blumen
oder war da-; Genus-fes Er faßte
Muth und ging aus die merkwürdian
Dinger sit-» so still war es dort»
der Grund war ringsum grün und
tleine Wege waren dazwischen . .. und
Blumen waren dort, ach, so ein Hau
sen Blumen... aber ohne Gitter
chen, sie standen so, ganz srei auf der
Erde. Und da siehe, da standen auch
Tannen. Gewiß, er erkannte sie sehr
gut, und sie rochen auch so, genau so.
Ja, das waren Tannen. Aber so ko
nxische Papierrosen waren jetzt gar
nicht darin... Wozu mögen sie nur
die Tannen hier gebrauchen?...
Das Kind sah sich um, ein Ehepaar
suchen, das seine goldene Hochzeit
eierte.
Doch der tleine Pakt war verlas
sen, nur aus einer-Bank lag ein Mann
und schlies. Er sürchtet sich vor schla
fenden Männern mit weißen Hosen;
so hatte er seinen Vater auch ost
schlafen gesehen —— und etwas ande
res als Schläge konnte man von sol
chen Männern nicht erwarten. Darum
ging er vorsichtig wach der anderen
Seite und dann immer weiter und
weiter. Nun, ganz allein, sah er
wieder nach den Bäumen. Was das
nur sein mag? Solche großen Blu
men, Geiniise oder Tannen hatte er
noch nie gesehen? Ob man die essen
kann?
Er war hungrig und bückte sich zur
Erde, um ein paar Blätter aufzuhe
ben, die da herumbagem Der Kleine
steckte sie in den Mund und sing an
daraus zu tauen. Bah... vie waren
nicht zu essen... die schmeckten bit-«
ter und schlecht.
Miide setzte er sich aus eine Bank
und sah noch immer die großen Din
ger an. Nein. so etwas. . does:
es solche komischen Dinger gab« .
mutfl doch seiner Mutter sagen, daeß
sie ich die auch einmal ansehen soll.
Er dachte wieder an seine Mutter.
Er wollte zu seiner Mutter... Wo
war sie» .er konnte nur wieder nach
hause gehen, vielleicht istsie schon zu
Hause»
Er stand wieder aus von der Bank,
nun ein wenig beunruhigt. Weil er
doch solchen Hunger hatte, nahm er
wieder ein paar Blätter aus, steckte sie
in den Mund und kaute daraus mit
aufgeblasenen Wangen, wie er das bei
Männern gesehen hatte, die Kautabai
im Munde hatten. Gut fchmectte das
nicht, aber man muß männlich sein,
nnd er kam sich nun ganz groß var,
that so, als oder aufTabat laute,
nnd spncite den grünen Blättersaft
zwischen den Zähnen aus, wie er das
bei großen Männern gesehen hatte.
Und überhaupt, wo er ietzt so weit«
fort gewesen war und Tannen gese
den hatte, ja, Tannen so hoch wie ein
Hans und Blumen« Blumen, noch viel
höher, so hoch, daß man sie nicht
mehr sehen konnte, weil sie in der
Lust festgewachsen waren
Und so lief er wieder nach Haufe
immer die Straßen gerade durch, bis
er von weitem die Ziehbrücke sah, und
dann über dieBriicke, dawar er wie
der in der Straße, und er war ganz
froh, denn es schien ihm ,al6 würde
er nie wieder nach Hause kommen,
fo weit war er fori in der Welt
draußen gewesen.
Frauen kamen aus ihn zu, Nach
barsfrauew die sonst sehr unfreund
lich waren und nun so nett.
meine Wter schon zu
»Ist
dar-»sei« fragte er.
,,Das Wurm miß es noch gar
nicht« « ,sagte eine der Frauen.
»Deine Mutter ist todt, Junge«
fsag«te eine andere Frau.
»Todt?« fragte er Er wußte ei
g ntlich nicht gut, was das war. Ein
mal war ein Pferd in der Straße um
gefallen, war liegen geblieben und
haiie sich nicht mehr bewegt Das war
auch todt gewesen. Aber seine Mut
ier kann doch iein Pferd geworden
sein?—- Er ging mit den Nachbars
frauen, ging die Treppe hinauf und
trat in die Kammer Da lag die Mut
ter auf dem Beit, still, mit geschlosse
ngtAugen und so wuchs-gelb im Ge
i
»Wo bist Du so lange gewesen,
Muitii« fmgte er. —Die Nachbars
srauen zogen mitleidige Gesichter. —
»Sie wird Dir nicht mehr antwor
ten, Junge, sie ist iodi.
Er fah sie ungläubig an. .l
,,.Mutii . und ich bin über die
Brücke gewissen, da sind Tannen Und
Blumen. . na, Mviii. da sind» Blu
men so groß wie ein Haus.
Die Mutter antwortete wirklich
nicht Nun sah er die traurigen Ge
sichter der Nachbarinnen, und wie still
und sieis seine Mutter auf dem Bette
lag, und er begann so eiswas zu ver
inuihen von einem großen, fremder-is
Ereigniß noch fremder und merkwür- »
iiqer als dort. . die Tannen und
Vlumen... Nr « sagte er dochs
noch iapser... ,,geht Ihr nur sori,i
ich werde meine-n Mutti eine Tassej
Kassee lochen da wird sie schon wie-«
der wach werden«
Eine der Frauen hatte Mitleid mii
dem kleinen Bengel
»Komm mit, ich werde Dir was zu
essen geben«
»Nein, ich bleib bei meinem Muti
chm .
»Und nachher belommsi Du einen
Eeni..."
Er sah sie ungläubig an-.
»Hier hast Du zwei Ceni nnd lomm
jetzt mit...«
»Meine Mutter.·..« sagte er zö
gerad.
l
»Komm ich hab noch einen yapl
ten Rothlohl für Dich»
»Kann ich dänn auch etwas für!
meine Mutter mitnehmen wenn sie
wieder aufsteht?«
»Gew!ß.. . qewiß. . wenn sie
wieder aufliehi«, sagte die Frau...
,.lomm jetzt nur mit...«
Er sah noch einmal vollerLiebe auf
seine Mutter auf dem Bett und folate
dann, die zwei Cent in seine kleine
Faust llemmend, miide und hunqrig
wie er war und sich« unsicher fühlend
durch all das Unbekannte und Meri
-würdige, was er heute erlebt hatte,
den Frauen.
Berliner Pech.
Aus den Erinnerungen eines Arztes.
Von Alwin Römer
»Warum bist Du eigentlich nicht
in Berlin geblieben, alter Junge?«
fragte Hans Wenzel, der nach zehn
arbeitsreichen Jahren aus dem Kap
lanoe wieder nach Deutschland ge
lommen war; um sich in dem schnell
berühmt gewordenen Kurott mit den
heilkräftian Quellen neue Wider
standsirast zu holen.
»Ich könnte Dich ebenso gut fra
gen, warum der jun e Sanitätsrath
nicht tn Hamburg g lieben ist!« er-·
widerte er bedächtig. »Aber das
wäre ein mäßiges Spiel! DieSache
lag doch thatsiichlich so, daß icb in
sdem verdammten Spreedorse Pech
hatte. Nichts wie Pech! Und das
will in einem Berufe, der so über
sitlltist, wie unsere elende Quacksal
berei, wirklich ausgehalten sein! Jn
Berlin kommt aus ungefähr 750 Ein
wohner allemal ein Arzt. Damals we
nigstens —- vor zehn Jahren! Jetzt
sind, glaub’ ich. schon mehr Aerzte als
Einwohner vorhanden! MeineSprech
stunde war eine nie gestörte, freiwil
liae Einzelhast. Keine Katze ließ sich
blicken. Nur, wenn ich einmal die
Geduld verlor und aus Verzweiflung
in den Grunewald bummelte, unt
tsem stillen Hohn meiner in des Wor
tes schlimmster Bedeutung »angem
aenen« Klingel zu entgehen, hat mich
irgend ein »nobel aussehender Herr«
oder auch eine ,,vornehme Dame« lon
sitltiren wollen. Das wechselte in den
Berichten meiner Wirthschasterin im
snrer ab. Sie wollte mir zweifellos
durch diese Vorspieqelungxem die sie
mit einer schamlosen Biedermeiers
Miene zum Besten gab, den qesunte
nen Muth heben und ihre Kündigung
so lange wie möglich hinaus-schieben
Denn sie stand nichts bei mir aus.
Jch lebte von den letzten Resten nie-i
nes väterlichen Vermögens, und zwar,
wie ichs einmal gewöhnt war, aut!
Jhretwegen hätte das hundert Jahre
so weiter gehen können. Aber mir
wurde schwül und schwiiler um den
Magen herum, je kleiner die Zahl
wurde, die mein Guthaben auf der
Deutschen Bank asusdriickte . . .
Schließlich sing es doch an zu läp
pern. keine Wirthschasterin hatte
nicht ganz ohne Egoismus alte ver
wandtschastliche Beziehungen zu ei
nem .,weitliiusigen« Vetter wieder
aufgefrischt, Mr als Werkmeister in
einer Buchbinderei zum Vorstand ei
ner Berusslrantentasse gehörte. Nach
und nach mußte sie dem Ritter von
Kleistertopf wohl durch Zuhilfenalyme
ihres nie versagenden Märchentalen
ters beigebracht haben, daß ich eine
ärztsliche Leuchte allerersten Ranges
wäre, die sich eineKrantenlafse sichern
müsse, wenn sie auf der Höhe der
Zeit bleiben wolle. Eines Tages kam
also der gute Vetter an, um mit mi·r
in Unterhandlung zu treten. Zwei
andere Vorstandsmitglieder begleite
ten ihn. Fein, in schwarze-m Geh
rcrt und Zylinder. Nicht gerade »der
nier cri«, aber doch ganz acceptasbel
wie wenn sie bei einem beberen Be
gräbniß gewesen wöten.
Jch war natürlich riesig höflich,
ließ sie in meinen Fauteuils Platz
nehmen, bot ihnen Cigarren an und
schickte nach Bier. Jch erzählte Pro
fessorenialauer nnd Examentoitze,Ge
schichten von verwechselten Recepten
und ichiverbörigen Patienten, was
da- Zeug halten wollte, und meine
hohe Kommission wurde immer ver
gniigter und animirter. Offenbar
machte ich einen ausgezeichneten Ein
druck auf sie. Das war schließlich
vzwanzia Flaschen Bier undeinDut
zend Cigarren werth. Denn bekam
ich die ,,Kasse«, so hatte ich wenigstens
einen passablen Grundstock für meine
tiinstige Existenz in Berlin. Halb
und halb wurde mir an diesem Abend
denn auch alles versprochen. UndFrau
Bollmeier, meine Wirthschaisterin, die
Den Kram eingesädelt hatte, berichtete
am nächsten Sonntag nach einem Be
such bei·ihrem Vetter in der Reichen
tterger Straße, es sei so gut wie
sicher, daß ich gewählt würde. Sie
liiitten sich zwar gewundert, daß an
dem betreffen-den Abend auch nicht ein
einziges Mal nach mir verlangt wor
Ftkn wäre, wo ich dpch eine sp. schöne
Praxis hätte. Aber das könnte ja
wohl Zufall gewesen sein. »Wenn sie
nun wiederkommen,'« bestimmte Frau
Bollmeier klug, »und sie kommen am
nächsten Freitag ganz bestimmt noch
einmal, weil noch dies und das zu be
sprechen ist, so lassen wir Sie zwei
oder drei-mal antlingeln, durch’s Te
lephon sowohl wie von der Haus
glocte aus. Und dann nehmen Sie
die Jnstrumenlentsasche und entschul
digen sich und gehen ab. Nach einer
Weile lasse ich die drei dann hin
terher. Es ist nicht nöthig, daß sie
uns das Zimmer wieder so ver
räuchernl Und mit einer Flasche
Bier haben sie auch genug.«
»Wer solt denn anklingeln, Frau
Bollmeier?« fragte ich» von dem Plan
nicht gerade eingenommen, weil mir
der Humbug zu dick war.
»Ihr-e Freunde, Herr Dsoltor!Skat
abend haben Sie sowie so am Frei
tag. Das paßt also ganz herrlich. Jch
will schen mit dem Herrn Assessor re
den. und Ihr Eousin von der Luft
schisserabtheilung macht erst recht
mitl« trumpfte sie.
Es tlappte anch alles brillant am
Freitag Abend. Kaum saß die Kom
mission —diestnal fiinf — um den
Tisch herum, als die Telephonglocke
aufschrillte. Fvau Bollmeier erschien
sofort und winkte mir zu, sitzen zu
bleiben. Sie führte denn auch das
Gespräch meisterhaft.
»Der Herr Doktor?« hörte nian sie
ebenso verbindlich wie wichtig spre
chen. »Ja —- aber er hat Beisuchl —
Gleich? -— Das wird wohl unmöglich
fein! -—— Aber qewiß, heute Abend
noch-Ganz sicher! Kompressen er
neuern? Einen Augenblick. Jch will
gleich einmal fragen!« Und dann
wandte sie sich an mich: »Frau Ge
richtsrath Hendrich läßt bitten, ob
Sie nicht noch einmal vorsprechen
wollten heute Abend! Jch habe ge
sagt, nachher! Und ob sie die Kom
pressen erneuern soll?«
»Ja, das soll stet« antwortete ich
acdriictt und maa wohl schon roth da
bei geworden sein Meiner Kommis
sion imponirte die Geschichte aber
ganz unaemein; so viel merkte ich.
Bald danach. meldete sich ein ande
rer Patient, der ähnlich abgefertigt
wurde. Ich wncks in den Augen der
Fünf. Aber sie fanden es ganz in der
Ordnung. daß ich mich ihnen wid
mete und die Kranken warten ließ.
Das Bier schmeckte ihnen, der Tahal
auch, und unser Gespräch glitt nach
Erlediauna der letzten Vorverbansd
luna sachte wieder in das fröhliche
Meer der Anetdotm
Da plötzlich nellte die Haustlingel
auf. Es klang wie ein Sturmsignal,
frech » und marterschiittern-d. Ich
stürzte zum Fenster. Unten stand der
lange Assessor in seinen Kaisermantel
gewickelt und markirte den geängstigs
ten Familienvater. »Es sei die höchste
Zeit. Frau Rennebarten lasse drin
ger bitten. Winterfeldstraße 10,
drei Treppen.
»Es ist gut,« sagte ich laut, »ich
lomme!« Und dann gabich mir einen
Ruck machte ein tiefernstes Gesicht
und erklärte denen im Zimmer:
»Ein jun-get Weltbiirger verlangt
nach mir, »meine Herren! Jch muß
Sie leider verlassen!«
Hastig schlüpste ich in meinen Pa
letot, den mir Frau Bollmeiet schon
entgegenhielt, gab den Fünf-en die
Tatze, nahm meine Ledertasche und
ver-duftete. . . .
An der nächsten-Straßeneele lauerte
mein Freund, der Assessor, uwd
schleppte mich zwei Straßen weiter
in unsere Stammknseipe, wo die bei
den anderen schon warteten. Mit-Hallo
wurde ich empfangen, hängte Hut und
Paletot schleunigst an die Garderobe
leiste, stellte die Tasche can das Brod-.
kbreftt darüber, und machte mich seß
:a t. . .
» Da ging die Außenthiir auf, die
Portiere war-de zurückgeschlagem und
herein marschirte meine Fünfertow
mission, mich mit weit aufgerissenen
starren Augen musternd.
Mein Unstern hatt-e sie auf der
Suche nach einem Bräutempel, in dem
sie den « nun ein-mal angerissensen
Abend zu Ende bringen wollten, just
in unsere abgelegene Stammtneipe
gefiihrtt Jch weiß nicht, wieviel tau
send Kneipen im Berliner Adreßbuch
iigurirenx aber in diese ein-e gerade
trieb sie’s hinein, damit sie mich bei
der Ausübung meiner ,,Nachtpraxis«
bewundern konnten, DIZ war eben
niein Berliner Pech, siehst Du! —
Sie sagten eisig ,,Guten Abend«.
Weitere Worte haben wir über den
.Fall nicht gewechselt. Mein Luftschif
ser wollte kühn einen Vertleisterungs
versnch wagen. Aber ich streifte. Es
war genug, daß der Buchbinder mir
ins Handwerk pfuschte . ..
Und damit schloß so ungefähr
meine Berliner Thätigleit. Vier Wo
schen später tras ich hier ein, wo ge
ade ein Platz frei geworden war.
Und hier hatte ich Glück vom ersten
Tage an. Hier Bin ich heute der
erst e, lieber Freund! Jn Berlin
war ich, glaube ich, der dreita-usend
achthundertundiiebensvierzigste!.. Und
die Bollmeiern hätte ich womöglich
auch noch geheirathet!». Prostmahl
s zeit; aber »für da s Obst dank ich! . .«
I
i
Merkwürdige Patente;
Vielleicht die eigenthümlichste Idee,
die jemals aus einem Patentamte an
gemeldet wurde, war die eines Ameri
kaners, für dieer auch im Jahre 1905
das Patent erhielt Es war ein Ap
parat der Pferde oder Elephanten
veranlassen sollte, einen Purzelbaum
zu schlagen.
Gan-z anderer, aber nicht weniger
rerbliiffender Art war eine Erfin
ssdung, die im gleichen Jahre Patentirt
» wurde. Diese bestand aus einer klei
nen gesteppten Erhöhung auf einem
Paar Strümpfe, die den Träger in
den Stand setzen sollten, den rechten
«vom linken ohne Prüfung zu unter
scheiden.
Eine der spaßigsten Erfindungen,
die je zum Patent angemeldet wor
den ist, ist ein Apparat, der den Fuß
beim Schlittschuhlaufen warm hält.
Es ist dies eine Lampe, die unter den
Schlittschuhen befestigt wird und so
viel Hitze abgeben soll, daß der Fuß
nsarm bleibt.
Jrgend ein bequemer Herr hat sich
die Mühe gemacht, einen Apparat,
den er auch hat patentiren lassen, zu
erfinden, der von« der furchtbaren
Mühe des Grüßenmüssens befreit
Er hat nämlich einen Hut erdacht,
iser, wenn sein Träger sich verbeugt,
sich selbst abnimmt. Der Apparat be
findet sich im Inneren des Hutes unsd
ist an dem Jnnenbande befestigt.
Wenn- der Träger sein Haupt beugt,
so theilt sich dsie Bewegung dem Ap
parat mit, worauf dieser veranlaßt,
daß der Hut sich vier Centimeter über
den Kopf erhebt. Dort steht er eine
Ertunde und wird dann auf den
Kopf zurückbewegt
Ume andere neue Erfindung, oke
ebenfalls den Kon angeht, ist kürzlich
einem Amerikaner Patentirt worden.
Dieselbe soll beim Haarscbneiden ver
hüten, daß die abgeschnittenen Haare
in’s Gesicht oder gar in’s Auge fallen,
was nicht zu den angenehmsten Ge
fühl-en gehört· Der Apparat hat die
Form einer Masse, die auch durch
Bänder hinter den Ohren gehalten
wird. Diese schmiegt sich aienau dem
Gesichte an und ist aus durchsichtigem
Material hergestellt, so daß der Trä
ger derselben bequem sehen kann.
»Ein außergcwöhnlicher Apparat,
zum Gebrauche für das »schöne Ge
schlecht« bestimmt, ist« vor wenigen
Monaten in New York geschützt wor
den. Derselbe bezweckt die Erzeugung
von Grübchen und ist auch von einer
Frau erfunden worden. Er besteht
aus einer Drahtmaske. die die Be-«
sitzerin beim Ruhen anlegen soll.,
Durch eine Anzahl von stampfen
Schrauben wird auf die Wangen und:
das Kinn an den Stellen, wo die .
Grübchen eben verlangt werden, ein«
fester Druck ausgeübt. Wie lange
diese »Griibchen« vorhalten, ist frei-,
lich nicht gesagt. "»
Die Töpferscheibe. ·. ,
Die älteste Maschine, sofern matt-;b
darunter eine die Hand ersetzende,z— ""
gleichmäßig arbeitende Verrichtung» ’
versteht, ist unstteitig die Töpfersehei-v
be. Jhre Entstehungszeit ist nicht
mehr festzustellen; nur so viel ist ge-;
wiß, daß sowohl die Völker desSteim
zeitalters wie die Chinesen, die Unin
wohner Amerika-T Egyptens u. a. ein
Instrument besaßen, welches irdenen
Gebrauchsgegenständen durch Nota-«
tion um eine Mittelachse eine wohlge
fällige, kreisrunde Form verlieh und.
so in kurzer Zeit und- mit geringer
Mühe regelmäßige Stücke herstellte,
die durch die fleißigfte Handarbeit
nicht zustande gekommen wären. Wie
aus hieroglyphischen Bildern der al
ten Egypter hervorgeht, bestand diese
Vorrichtung aus einer senkrechten
Welle mit der daran befestigten Holz-I -
fcheibe zur Aufnahme der erdigen
Masse. Die Drehscheibe, welche unten
mit der Welle verbunden war, wurde
durch die Füße des Töpfers in Bewe-.
gung gesetzt und übertrug diese Be-i "
wegung auf das zu verarbeitende Ma- «
terial. Jm Prinzip ist diese Art der
fenkrechten Drehbank auch heute noch
im Gebrauch, woraus hervorgeht, daß
sich die Töpferscheibe im Verlan von
6000 Jahren trotz aller kulturellen
Stürme und Entwicklungen unverän
dert erhalten hat.
Ländlich.
Man schreibt der ,,Schlesifchen Zei
tung«: Dieser Tage.fand in einem
großen Gebirgsdorf im Kreis Wal
denburg eine Sitzung der Feuerwehr
statt. Jn dieser wurde unter ande
rem auch eine Verfügung zur Kennt
niß gebracht, nach welcher bei einem
vorkommenden Brande einige Mit
glieder als Wache bei den geretteten
.Sachen schon vorher gewählt werden
imüssen Als der Vorsitzende daran
sanschließend an die Versammlung die
iWorte richtete: »Da werden wir jetzt
lfolche Männer wählen!« fiel aus der
Mitte der Versammelten der Zuruf:
»Die nit salber stahl’n!« Eine allge
meine Heiterkeit war die Folge dieser
jedenfalls gut gemeinten Ergänzungs
i Jn einer Sitzung der Gemeindever
Jtretung in einem Dorfe des Kreier s
sTkekmitz wurde über die Anregung ei
jnes Holzsteges verhandelt. Dabei
wurde jeder nach seiner Meinung ge- --
JfragL Ein Vertreter gab dieser nun
Hin folgenden Worten Ausdruck: »Ich :
foa ni fu und ich foa au ni afu: doaß
derno ni Eener foan koa: ich hätte afu
»oder asu gesoat!«
Eine aufregende Adleriagd
i
I fand dieser Tage am Sachselerberg in
iUntertoaloen statt. Auf einem Fels
i vorsprung in der Höhe von 1400 M
tentdeckten zwei Bergsteiger Namens
. Omlin und Griesinaer ein Adlernest,
Fund alsbald beschlossen sie, denKampf;
imit dem ,,König der Lüfte«· aufzu-:
!nehmen. Mit aller Vorsicht näherten?
tsie sich dem Neste und blieben aiwf der Z
»Lc.uer, bis mit gewaltigem Flügel-·7·
s tauschen Papa Adler mit seinen Söh
suen zurückkehrte Die beiden Jä erI
seröfsneten das Feuer und verwun- -·«
ten auch die Vögel. Die Jungen ver-!
ließen sofort wieder das Nest, wäh
rend der alte, schwerer getroffen, ficht
tin Vertheidaungszustand setzte. Grie--sjjyi
i sing-er ließ sich nun an einem 60 Me- I.
ter langen Seil bis in die Nähe dess’
Restes hinuntergleiten. Jn dieser-s
Stellung über einem furchtbaren Ab-se
grund schwebend, verharrte der Kühne «
iästr drei Stunden lang und suchte J«
mir dem Messer seinem Gegner zut
Leibe zu gehen. Schließlich gelang es,;i
dies-m zu Tode zu treffen. DaBHfF
schwierigste war die Rückkehr des Its-gef
aers mit der schweren Beute auf dem-Iv
Rii en, doch gelang dasUntIrnehmen,?-Ixs
iocnn auch unter großen Schwierig- -
teiten. Das Adlernest bildete, wie «
«Griesin·aer nachher erzählte, eine ;
wahre Speisetammer. Es fanden sichng
idarin zwei halbgefressene Gunstij
iReste einer Ziege, die Hälfte einesxll
Murmelthieres und die Knochen need-IT
user Hasen. »I
w-« Ist-I
Persien und die Türkei rüsten sich-T ·
zum Kriege. Hat nichts zu sagen: dies?"-L
imeisten türtifchen Zigaretten werden«-«
i in Pittsburg gemacht und fast alle uns-,
tsere persischen Teppiche kommen aufs
tNetv Jersey. -·